Die Prinzessin, indem sie sich die Handschuh anziehen will, sieht sich um, als ob sie etwas suchte.

 

DER KURFÜRST tritt zu ihr.

Mein Töchterchen, was fehlt dir –?

DIE KURFÜRSTIN.

Suchst du etwas?

PRINZESSIN NATALIE.

Ich weiß nicht, liebe Tante, meinen Handschuh –

 

Sie sehen sich alle um.

 

DER KURFÜRST zu den Hofdamen.

Ihr Schönen! Wollt ihr gütig euch bemühn?

DIE KURFÜRSTIN zur Prinzessin.

Du hältst ihn, Kind.

NATALIE.

Den rechten; doch den linken?

DER KURFÜRST.

Vielleicht daß er im Schlafgemach geblieben?

NATALIE.

O liebe Bork!

DER KURFÜRST zu diesem Fräulein.

Rasch, rasch!

NATALIE.

Auf dem Kamin!

 

Die Hofdame ab.

 

DER PRINZ VON HOMBURG für sich.

Herr meines Lebens! hab ich recht gehört?

 

Er nimmt den Handschuh aus dem Collet.

 

FELDMARSCHALL sieht in ein Papier, das er in der Hand hält.

Fern außer dem Kanonenschusse auf. –

 

Er fährt fort.

 

Des Prinzen Durchlaucht wird –

DER PRINZ VON HOMBURG.

Den Handschuh sucht sie –

 

Er sieht bald den Handschuh, bald die Prinzessin an.

 

FELDMARSCHALL.

Nach unsers Herrn ausdrücklichem Befehl –

RITTMEISTER VON DER GOLZ schreibt.

Nach unsers Herrn ausdrücklichem Befehl –

FELDMARSCHALL.

Wie immer auch die Schlacht sich wenden mag,

Vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen –

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Rasch, daß ich jetzt erprüfe, ob er's ist!

 

Er läßt, zugleich mit seinem Schnupftuch, den

Handschuh fallen; das Schnupftuch hebt er wieder auf, den Handschuh läßt er so, daß ihn jedermann sehen kann, liegen.

 

FELDMARSCHALL befremdet.

Was macht des Prinzen Durchlaucht?

GRAF VON HOHENZOLLERN heimlich.

Arthur!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Hier!

HOHENZOLLERN.

Ich glaub,

Du bist des Teufels?!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was befiehlt mein Marschall?

 

Er nimmt wieder Stift und Tafel zur Hand. Der Feldmarschall sieht ihn einen Augenblick fragend an. – Pause.

 

RITTMEISTER VON DER GOLZ nachdem er geschrieben.

Vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen –

FELDMARSCHALL fährt fort.

Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß –

DER PRINZ VON HOMBURG zum Rittmeister Golz, heimlich, indem er in seine Schreibtafel sieht.

Wer? lieber Golz! Was? Ich?

RITTMEISTER VON DER GOLZ.

Ihr, ja! Wer sonst?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Vom Platz nicht soll ich –?

RITTMEISTER VON DER GOLZ.

Freilich!

FELDMARSCHALL.

Nun? habt Ihr?

DER PRINZ VON HOMBURG laut.

Vom Platz nicht, der mir angewiesen, weichen –

 

Er schreibt.

 

FELDMARSCHALL.

Als bis, gedrängt von Hennings und von Truchß –

 

Er hält inne.

 

Des Feindes linker Flügel, aufgelöst,

Auf seinen rechten stürzt, und alle seine

Schlachthaufen wankend nach der Trift sich drängen,

In deren Sümpfen, oft durchkreuzt von Gräben,

Der Kriegsplan eben ist, ihn aufzureiben.

DER KURFÜRST.

Ihr Pagen, leuchtet! – Euren Arm ihr Lieben!

 

Er bricht mit der Kurfürstin und der Prinzessin auf.

 

FELDMARSCHALL.

Dann wird er die Fanfare blasen lassen.

DIE KURFÜRSTIN da einige Offiziere sie komplimentieren.

Auf Wiedersehn, ihr Herrn! Laßt uns nicht stören.

 

Der Feldmarschall komplimentiert sie auch.

 

DER KURFÜRST steht plötzlich still.

Sieh da! Des Fräuleins Handschuh! Rasch! Dort liegt er!

EIN HOFKAVALIER.

Wo?

DER KURFÜRST.

Zu des Prinzen, unsers Vetters, Füßen!

DER PRINZ VON HOMBURG ritterlich.

Zu meinen –? Was! Ist das der Eurige?

 

Er hebt ihn auf und bringt ihn der Prinzessin.

 

NATALIE.

Ich dank Euch, edler Prinz.

DER PRINZ VON HOMBURG verwirrt.

Ist das der Eure?

NATALIE.

Der meinige; der, welchen ich vermißt.

 

Sie empfängt ihn und zieht ihn an.

 

DIE KURFÜRSTIN zu dem Prinzen im Abgehen.

Lebt wohl! Lebt wohl! Viel Glück und Heil und Segen!

Macht, daß wir bald und froh uns wiedersehn!

 

Der Kurfürst mit den Frauen ab. Hofdamen, Kavaliere und Pagen folgen.

 

DER PRINZ VON HOMBURG steht, einen Augenblick, wie vom Blitz getroffen da; dann wendet er sich mit triumphierenden Schritten wieder in den Kreis der Offiziere zurück.

Dann wird er die Fanfare blasen lassen!

 

Er tut, als ob er schriebe.

 

FELDMARSCHALL sieht in sein Papier.

Dann wird er die Fanfare blasen lassen. –

Doch wird des Fürsten Durchlaucht ihm, damit,

Durch Mißverstand, der Schlag zu früh nicht falle –

 

Er hält inne.

 

RITTMEISTER VON DER GOLZ schreibt.

Durch Mißverstand, der Schlag zu früh nicht falle –

DER PRINZ VON HOMBURG zum Grafen Hohenzollern, heimlich, in großer Bewegung.

O Heinrich!

HOHENZOLLERN unwillig.

Nun! Was gibt's? Was hast du vor?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was! Sahst du nichts?

HOHENZOLLERN.

Nein, nichts! Sei still, zum Henker!

FELDMARSCHALL fährt fort.

Ihm einen Offizier, aus seiner Suite, senden,

Der den Befehl, das merkt, ausdrücklich noch

Zum Angriff auf den Feind ihm überbringe.

Eh wird er nicht Fanfare blasen lassen.

 

Der Prinz steht und träumt vor sich nieder.

 

– Habt Ihr?

RITTMEISTER VON DER GOLZ schreibt.

Eh wird er nicht Fanfare blasen lassen.

FELDMARSCHALL mit erhöhter Stimme.

Des Prinzen Durchlaucht, habt Ihr?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Mein Feldmarschall?

FELDMARSCHALL.

Ob Ihr geschrieben habt?

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Von der Fanfare?

HOHENZOLLERN heimlich, unwillig, nachdrücklich.

Fanfare! Sei verwünscht! Nicht eh, als bis der –

RITTMEISTER VON DER GOLZ ebenso.

Als bis er selbst –

DER PRINZ VON HOMBURG unterbricht sie.

Ja, allerdings! Eh nicht –

Doch dann wird er Fanfare blasen lassen.

 

Er schreibt. – Pause.

 

FELDMARSCHALL.

Den Obrist Kottwitz, merkt das, Baron Golz,

Wünsch ich, wenn er es möglich machen kann,

Noch vor Beginn des Treffens selbst zu sprechen.

RITTMEISTER VON DER GOLZ mit Bedeutung.

Bestellen werd ich es. Verlaß dich drauf.

 

Pause.

 

DER KURFÜRST kommt zurück.

Nun, meine General' und Obersten,

Der Morgenstrahl ergraut! – Habt ihr geschrieben?

FELDMARSCHALL.

Es ist vollbracht, mein Fürst; dein Kriegsplan ist

An deine Feldherrn pünktlich ausgeteilt!

DER KURFÜRST indem er Hut und Handschuh nimmt.

Herr Prinz von Homburg, dir empfehl ich Ruhe!

Du hast am Ufer, weißt du, mir des Rheins

Zwei Siege jüngst verscherzt; regier dich wohl,

Und laß mich heut den dritten nicht entbehren,

Der mindres nicht, als Thron und Reich, mir gilt!

 

Zu den Offizieren.

 

Folgt mir! – He, Franz!

EIN REITKNECHT tritt auf.

Hier!

DER KURFÜRST.

Rasch! Den Schimmel vor!

– Noch vor der Sonn im Schlachtfeld will ich sein!

 

Ab; die Generale, Obersten und Offiziere folgen ihm.

 

 

Sechster Auftritt

DER PRINZ VON HOMBURG in den Vordergrund tretend.

Nun denn, auf deiner Kugel, Ungeheures,

Du, der der Windeshauch den Schleier heut,

Gleich einem Segel lüftet, roll heran!

Du hast mir, Glück, die Locken schon gestreift:

Ein Pfand schon warfst du, im Vorüberschweben,

Aus deinem Füllhorn lächelnd mir herab:

Heut, Kind der Götter, such ich, flüchtiges,

Ich hasche dich im Feld der Schlacht und stürze

Ganz deinen Segen mir zu Füßen um:

Wärst du auch siebenfach, mit Eisenketten,

Am schwed'schen Siegeswagen festgebunden!

 

Ab.

 

 

Zweiter Akt

 

Szene: Schlachtfeld bei Fehrbellin.

 

Erster Auftritt

Obrist Kottwitz, Graf Hohenzollern, Rittmeister von der Golz, und andere Offiziere, an der Spitze der Reuterei, treten auf.

 

OBRIST KOTTWITZ außerhalb der Szene.

Halt hier die Reuterei, und abgesessen!

HOHENZOLLERN UND GOLZ treten auf.

Halt! – Halt!

OBRIST KOTTWITZ.

Wer hilft vom Pferde mir, ihr Freunde?

HOHENZOLLERN UND GOLZ.

Hier, Alter, hier!

 

Sie treten wieder zurück.

 

OBRIST KOTTWITZ außerhalb.

Habt Dank! – Ouf! Daß die Pest mich!

– Ein edler Sohn, für euren Dienst, jedwedem,

Der euch, wenn ihr zerfallt, ein Gleiches tut!

 

Er tritt auf; Hohenzollern, Golz und andere, hinter ihm.

 

Ja, auf dem Roß fühl ich voll Jugend mich;

Doch sitz ich ab, da hebt ein Strauß sich an,

Als ob sich Leib und Seele kämpfend trennten!

 

Er sieht sich um.

 

Wo ist des Prinzen, unsers Führers, Durchlaucht?

HOHENZOLLERN.

Der Prinz kehrt gleich zu dir zurück!

OBRIST KOTTWITZ.

Wo ist er?

HOHENZOLLERN.

Er ritt ins Dorf, das dir, versteckt in Büschen,

Zur Seite blieb. Er wird gleich wiederkommen.

EIN OFFIZIER.

Zur Nachtzeit, hör ich, fiel er mit dem Pferd?

HOHENZOLLERN.

Ich glaube, ja.

OBRIST KOTTWITZ.

Er fiel?

HOHENZOLLERN wendet sich.

Nichts von Bedeutung!

Sein Rappe scheute an der Mühle sich,

Jedoch, leichthin zur Seite niedergleitend,

Tat er auch nicht den mindsten Schaden sich.

Es ist den Odem keiner Sorge wert.

OBRIST KOTTWITZ auf einen Hügel tretend.

Ein schöner Tag, so wahr ich Leben atme!

Ein Tag von Gott, dem hohen Herrn der Welt,

Gemacht zu süßerm Ding als sich zu schlagen!

Die Sonne schimmert rötlich durch die Wolken,

Und die Gefühle flattern, mit der Lerche,

Zum heitern Duft des Himmels jubelnd auf! –

GOLZ.

Hast du den Marschall Dörfling aufgefunden?

OBRIST KOTTWITZ kommt vorwärts.

Zum Henker, nein! Was denkt die Exzellenz?

Bin ich ein Pfeil, ein Vogel, ein Gedanke,

Daß er mich durch das ganze Schlachtfeld sprengt?

Ich war beim Vortrab, auf den Hackelhöhn,

Und in dem Hackelgrund, beim Hintertrab:

Doch wen ich nicht gefunden, war der Marschall!

Drauf meine Reuter sucht ich wieder auf.

GOLZ.

Das wird sehr leid ihm tun. Es schien, er hatte

Dir von Belang noch etwas zu vertraun.

DER OFFIZIER.

Da kommt des Prinzen, unsers Führers, Durchlaucht!

 

 

Zweiter Auftritt

Der Prinz von Homburg, mit einem schwarzen Band um die linke Hand. Die Vorigen.

 

OBRIST KOTTWITZ.

Sei mir gegrüßt, mein junger edler Prinz!

Schau her, wie, während du im Dörfchen warst,

Die Reuter ich im Talweg aufgestellt:

Ich denk du wirst mit mir zufrieden sein!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Guten Morgen, Kottwitz! – Guten Morgen, Freunde!

– Du weißt, ich lobe alles, was du tust.

HOHENZOLLERN.

Was machtest, Arthur, in dem Dörfchen du?

– Du scheinst so ernst!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich – war in der Kapelle,

Die aus des Dörfchens stillen Büschen blinkte.

Man läutete, da wir vorüberzogen,

Zur Andacht eben ein; da trieb mich's an,

Am Altar auch mich betend hinzuwerfen.

OBRIST KOTTWITZ.

Ein frommer junger Herr, das muß ich sagen!

Das Werk, glaubt mir, das mit Gebet beginnt,

Das wird mit Heil und Ruhm und Sieg sich krönen!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was ich dir sagen wollte, Heinrich –

 

Er führt den Grafen ein wenig vor.

 

Was war's schon, was der Dörfling, mich betreffend,

Bei der Parol' hat gestern vorgebracht?

HOHENZOLLERN.

– Du warst zerstreut. Ich hab es wohl gesehn.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Zerstreut – geteilt; ich weiß nicht, was mir fehlte,

Diktieren in die Feder macht mich irr. –

HOHENZOLLERN.

– Zum Glück nicht diesmal eben viel für dich.

Der Truchß und Hennings, die das Fußvolk führen,

Die sind zum Angriff auf den Feind bestimmt,

Und dir ist aufgegeben, hier zu halten

Im Tal schlagfertig mit der Reuterei,

Bis man zum Angriff den Befehl dir schickt.

DER PRINZ VON HOMBURG nach einer Pause, in der er vor sich nieder geträumt.

– Ein wunderlicher Vorfall!

HOHENZOLLERN.

Welcher, Lieber?

 

Er sieht ihn an. – Ein Kanonenschuß fällt.

 

OBRIST KOTTWITZ.

Holla, ihr Herrn, holla! Sitzt auf, sitzt auf!

Das ist der Hennings und die Schlacht beginnt!

 

Sie besteigen sämtlich einen Hügel.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wer ist es? Was?

HOHENZOLLERN.

Der Obrist Hennings, Arthur,

Der sich in Wrangels Rücken hat geschlichen!

Komm nur, dort kannst du alles überschaun.

GOLZ auf dem Hügel.

Seht, wie er furchtbar sich am Rhyn entfaltet!

DER PRINZ VON HOMBURG hält sich die Hand vors Auge.

– Der Hennings dort auf unserm rechten Flügel?

ERSTER OFFIZIER.

Ja, mein erlauchter Prinz.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was auch, zum Henker!

Der stand ja gestern auf des Heeres linken.

 

Kanonenschüsse in der Ferne.

 

OBRIST KOTTWITZ.

Blitzelement! Seht, aus zwölf Feuerschlünden

Wirkt jetzt der Wrangel auf den Hennings los!

ERSTER OFFIZIER.

Das nenn ich Schanzen das, die schwedischen!

ZWEITER OFFIZIER.

Bei Gott, getürmt bis an die Kirchsturmspitze,

Des Dorfs, das hinter ihrem Rücken liegt!

 

Schüsse in der Nähe.

 

GOLZ.

Das ist der Truchß!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Der Truchß?

OBRIST KOTTWITZ.

Der Truchß, er, ja;

Der Hennings jetzt von vorn zu Hülfe kommt.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wie kommt der Truchß heut in die Mitte?

 

Heftige Kanonade.

 

GOLZ.

O Himmel, schaut, mich dünkt das Dorf fing Feuer!

DRITTER OFFIZIER.

Es brennt, so wahr ich leb!

ERSTER OFFIZIER.

Es brennt! Es brennt!

Die Flamme zuckt schon an dem Turm empor!

GOLZ.

Hui! Wie die Schwedenboten fliegen rechts und links!

ZWEITER OFFIZIER.

Sie brechen auf!

OBRIST KOTTWITZ.

Wo?

ERSTER OFFIZIER.

Auf dem rechten Flügel! –

DRITTER OFFIZIER.

Freilich! In Zügen! Mit drei Regimentern!

Es scheint, den linken wollen sie verstärken.

ZWEITER OFFIZIER.

Bei meiner Treu! Und Reuterei rückt vor,

Den Marsch des rechten Flügels zu bedecken!

HOHENZOLLERN lacht.

Ha! Wie das Feld die wieder räumen wird,

Wenn sie versteckt uns hier im Tal erblickt!

 

Musketenfeuer.

 

KOTTWITZ.

Schaut, Brüder, schaut!

ZWEITER OFFIZIER.

Horcht!

ERSTER OFFIZIER.

Feuer der Musketen!

DRITTER OFFIZIER.

Jetzt sind sie bei den Schanzen aneinander! –

GOLZ.

Bei Gott! Solch einen Donner des Geschützes

Hab ich zeit meines Lebens nicht gehört!

HOHENZOLLERN.

Schießt! Schießt! Und macht den Schoß der Erde bersten!

Der Riß soll eurer Leichen Grabmal sein!

 

Pause. – Ein Siegsgeschrei in der Ferne.

 

ERSTER OFFIZIER.

Herr, du, dort oben, der den Sieg verleiht:

Der Wrangel kehrt den Rücken schon!

HOHENZOLLERN.

Nein, sprich!

GOLZ.

Beim Himmel, Freunde! Auf dem linken Flügel!

Er räumt mit seinem Feldgeschütz die Schanzen.

ALLE.

Triumph! Triumph! Triumph! Der Sieg ist unser!

DER PRINZ VON HOMBURG steigt vom Hügel herab.

Auf, Kottwitz, folg mir!

OBRIST KOTTWITZ.

Ruhig, ruhig, Kinder!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Auf! Laß Fanfare blasen! Folge mir!

OBRIST KOTTWITZ.

Ich sage, ruhig.

DER PRINZ VON HOMBURG wild.

Himmel, Erd und Hölle!

OBRIST KOTTWITZ.

Des Herrn Durchlaucht, bei der Parole gestern,

Befahl, daß wir auf Ordre warten sollen.

Golz, lies dem Herren die Parole vor.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Auf Ordr'! Ei, Kottwitz! Reitest du so langsam?

Hast du sie noch vom Herzen nicht empfangen?

OBRIST KOTTWITZ.

Ordre?

HOHENZOLLERN.

Ich bitte dich!

OBRIST KOTTWITZ.

Von meinem Herzen?

HOHENZOLLERN.

Laß dir bedeuten, Arthur!

GOLZ.

Hör mein Obrist!

OBRIST KOTTWITZ beleidigt.

Oho! Kömmst du mir so, mein junger Herr? –

Den Gaul, den du dahersprengst, schlepp ich noch

Im Notfall an dem Schwanz des meinen fort!

Marsch, marsch, ihr Herrn! Trompeter, die Fanfare!

Zum Kampf! Zum Kampf! Der Kottwitz ist dabei!

GOLZ zu Kottwitz.

Nein, nimmermehr, mein Obrist! Nimmermehr!

ZWEITER OFFIZIER.

Der Hennings hat den Rhyn noch nicht erreicht!

ERSTER OFFIZIER.

Nimm ihm den Degen ab!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Den Degen mir?

 

Er stößt ihn zurück.

 

Ei, du vorwitz'ger Knabe, der du noch

Nicht die Zehn märkischen Gebote kennst!

Hier ist der deinige, zusamt der Scheide!

 

Er reißt ihm das Schwert samt dem Gürtel ab.

 

ERSTER OFFIZIER taumelnd.

Mein Prinz, die Tat, bei Gott –!

DER PRINZ VON HOMBURG auf ihn einschreitend.

Den Mund noch öffnest –?

HOHENZOLLERN zu dem Offizier.

Schweig! Bist du rasend?

DER PRINZ VON HOMBURG indem er den Degen abgibt.

Ordonnanzen! –

Führt ihn gefangen ab, ins Hauptquartier.

 

Zu Kottwitz und den übrigen Offizieren.

 

Und jetzt ist die Parol', ihr Herrn: ein Schurke,

Wer seinem General zur Schlacht nicht folgt!

– Wer von euch bleibt?

OBRIST KOTTWITZ.

Du hörst. Was eiferst du?

HOHENZOLLERN beilegend.

Es war ein Rat nur, den man dir erteilt.

OBRIST KOTTWITZ.

Auf deine Kappe nimm's. Ich folge dir.

DER PRINZ VON HOMBURG beruhigt.

Ich nehm's auf meine Kappe. Folgt mir, Brüder!

 

Alle ab.

 

 

Szene: Zimmer in einem Dorf.

 

Dritter Auftritt

Ein Hofkavalier in Stiefeln und Sporen tritt auf. – Ein Bauer und seine Frau sitzen an einem Tisch und arbeiten.

 

HOFKAVALIER.

Glück auf, ihr wackern Leute! Habt ihr Platz,

In eurem Hause Gäste aufzunehmen?

DER BAUER.

O ja! Von Herzen.

DIE FRAU.

Darf man wissen, wen?

HOFKAVALIER.

Die hohe Landesmutter! Keinen Schlechtern! –

Am Dorftor brach die Achse ihres Wagens,

Und weil wir hören, daß der Sieg erfochten,

So braucht es weiter dieser Reise nicht.

BEIDE stehen auf.

Der Sieg erfochten? – Himmel!

HOFKAVALIER.

Das wißt ihr nicht?

Das Heer der Schweden ist aufs Haupt geschlagen,

Wenn nicht für immer, doch auf Jahresfrist,

Die Mark vor ihrem Schwert und Feuer sicher!

– Doch seht! da kömmt die Landesfürstin schon.

 

 

Vierter Auftritt

Die Kurfürstin, bleich und verstört. Prinzessin Natalie und mehrere Hofdamen folgen. – Die Vorigen.

 

KURFÜRSTIN unter der Tür.

Bork! Winterfeld! Kommt: gebt mir euren Arm!

NATALIE zu ihr eilend.

O meine Mutter!

DIE HOFDAMEN.

Gott! Sie bleicht! Sie fällt!

 

Sie unterstützen sie.

 

KURFÜRSTIN.

Führt mich auf einen Stuhl, ich will mich setzen.

– Tot, sagt er; tot?

NATALIE.

O meine teure Mutter!

KURFÜRSTIN.

Ich will den Unglücksboten selber sprechen.

 

 

Fünfter Auftritt

Rittmeister von Mörner tritt verwundet auf, von zwei Reutern geführt. – Die Vorigen.

 

KURFÜRSTIN.

Was bringst du, Herold des Entsetzens, mir?

MÖRNER.

Was diese Augen, leider, teure Frau,

Zu meinem ew'gen Jammer, selbst gesehn.

KURFÜRSTIN.

Wohlan! Erzähl!

MÖRNER.

Der Kurfürst ist nicht mehr!

NATALIE.

O Himmel!

Soll ein so ungeheurer Schlag uns treffen?

 

Sie bedeckt sich das Gesicht.

 

KURFÜRSTIN.

Erstatte mir Bericht, wie er gesunken!

– Und wie der Blitzstrahl, der den Wandrer trifft,

Die Welt noch einmal purpurn ihm erleuchtet,

So laß dein Wort sein; Nacht, wenn du gesprochen,

Mög über meinem Haupt zusammenschlagen.

MÖRNER tritt, geführt von den beiden Reutern, vor ihr.

Der Prinz von Homburg war, sobald der Feind,

Gedrängt von Truchß, in seiner Stellung wankte,

Auf Wrangel in die Ebne vorgerückt;

Zwei Linien hatt er, mit der Reuterei,

Durchbrochen schon, und auf der Flucht vernichtet,

Als er auf eine Feldredoute stieß.

Hier schlug so mörderischer Eisenregen

Entgegen ihm, daß seine Reuterschar,

Wie eine Saat, sich knickend niederlegte:

Halt mußt er machen zwischen Busch und Hügeln,

Um sein zerstreutes Reutercorps zu sammeln.

NATALIE zur Kurfürstin.

Geliebte! Fasse dich!

KURFÜRSTIN.

Laß, laß mich, Liebe!

MÖRNER.

In diesem Augenblick, dem Staub entrückt,

Bemerken wir den Herrn, der, bei den Fahnen

Des Truchßschen Corps, dem Feind entgegenreitet;

Auf einem Schimmel herrlich saß er da,

Im Sonnenstrahl, die Bahn des Siegs erleuchtend.

Wir alle sammeln uns, bei diesem Anblick,

Auf eines Hügels Abhang, schwer besorgt,

Inmitten ihn des Feuers zu erblicken:

Als plötzlich jetzt der Kurfürst, Roß und Reuter,

In Staub vor unsern Augen niedersinkt;

Zwei Fahnenträger fielen über ihn,

Und deckten ihn mit ihren Fahnen zu.

NATALIE.

O meine Mutter!

ERSTE HOFDAME.

Himmel!

KURFÜRSTIN.

Weiter! Weiter!

MÖRNER.

Drauf faßt, bei diesem schreckenvollen Anblick,

Schmerz, unermeßlicher, des Prinzen Herz;

Dem Bären gleich, von Wut gespornt und Rache,

Bricht er mit uns auf die Verschanzung los:

Der Graben wird, der Erdwall, der sie deckt,

Im Anlauf überflogen, die Besatzung

Geworfen, auf das Feld zerstreut, vernichtet,

Kanonen, Fahnen, Pauken und Standarten,

Der Schweden ganzes Kriegsgepäck, erbeutet:

Und hätte nicht der Brückenkopf am Rhyn

Im Würgen uns gehemmt, so wäre keiner,

Der an dem Herd der Väter, sagen könnte:

Bei Fehrbellin sah ich den Helden fallen!

KURFÜRSTIN.

Ein Sieg, zu teu'r erkauft! Ich mag ihn nicht.

Gebt mir den Preis, den er gekostet, wieder.

 

Sie sinkt in Ohnmacht.

 

ERSTE HOFDAME.

Hilf, Gott im Himmel! Ihre Sinne schwinden.

 

Natalie weint.

 

 

Sechster Auftritt

Der Prinz von Homburg tritt auf. – Die Vorigen.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

O meine teuerste Natalie!

 

Er legt ihre Hand gerührt an sein Herz.

 

NATALIE.

So ist es wahr?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Oh! könnt ich sagen: nein!

Könnt ich mit Blut, aus diesem treuen Herzen,

Das seinige zurück ins Dasein rufen! –

NATALIE trocknet sich die Tränen.

Hat man denn schon die Leiche aufgefunden?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ach, mein Geschäft, bis diesen Augenblick,

War Rache nur an Wrangel; wie vermocht ich,

Solch einer Sorge mich bis jetzt zu weihn?

Doch eine Schar von Männern sandt ich aus,

Ihn, im Gefild des Todes, aufzusuchen:

Vor Nacht noch zweifelsohne trifft er ein.

NATALIE.

Wer wird, in diesem schauderhaften Kampf,

Jetzt diese Schweden niederhalten? Wer

Vor dieser Welt von Feinden uns beschirmen,

Die uns sein Glück, die uns sein Ruhm erworben?

DER PRINZ VON HOMBURG nimmt ihre Hand.

Ich, Fräulein, übernehme eure Sache!

Ein Engel will ich, mit dem Flammenschwert,

An eures Throns verwaiste Stufen stehn!

Der Kurfürst wollte, eh das Jahr noch wechselt,

Befreit die Marken sehn; wohlan! ich will der

Vollstrecker solchen letzten Willens sein!

NATALIE.

Mein lieber, teurer Vetter!

 

Sie zieht ihre Hand zurück.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

O Natalie!

 

Er hält einen Augenblick inne.

 

Wie denkt Ihr über Eure Zukunft jetzt?

NATALIE.

Ja, was soll ich, nach diesem Wetterschlag,

Der unter mir den Grund zerreißt, beginnen?

Mir ruht der Vater, mir die teure Mutter,

Im Grab zu Amsterdam; in Schutt und Asche

Liegt Dortrecht, meines Hauses Erbe, da;

Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren,

Weiß Moritz kaum, mein Vetter von Oranien,

Wo er die eignen Kinder retten soll:

Und jetzt sinkt mir die letzte Stütze nieder,

Die meines Glückes Rebe aufrecht hielt.

Ich ward zum zweiten Male heut verwaist.

DER PRINZ VON HOMBURG schlägt einen Arm um ihren Leib.

O meine Freundin! Wäre diese Stunde

Der Trauer nicht geweiht, so wollt ich sagen:

Schlingt Eure Zweige hier um diese Brust,

Um sie, die schon seit Jahren, einsam blühend,

Nach eurer Glocken holden Duft sich sehnt!

NATALIE.

Mein lieber, guter Vetter!

DER PRINZ VON HOMBURG.

– Wollt Ihr? Wollt Ihr?

NATALIE.

– Wenn ich ins innre Mark ihr wachsen darf?

 

Sie legt sich an seine Brust.

 

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wie? Was war das?

NATALIE.

Hinweg!

DER PRINZ VON HOMBURG hält sie.

In ihren Kern!

In ihres Herzens Kern, Natalie!

 

Er küßt sie; sie reißt sich los.

 

O Gott, wär er jetzt da, den wir beweinen,

Um diesen Bund zu schauen! Könnten wir

Zu ihm aufstammeln: Vater, segne uns!

 

Er bedeckt sein Gesicht mit seinen Händen; Natalie wendet sich wieder zur Kurfürstin zurück.

 

 

Siebenter Auftritt

Ein Wachtmeister tritt eilig auf.