Seine Muskeln wurden hart wie Stahl, und er wurde unempfindlich gegen jeden gewöhnlichen Schmerz. Das oberste Gebot wurde Sparsamkeit, alles mußte bis aufs äußerste ausgenützt werden. Er konnte alles fressen, und wenn es noch so ekelhaft und unverdaulich war, und war es einmal gefressen, so sogen die Magensäfte auch das letzte, geringste Partikelchen Nährwert daraus, und sein Blut trug es zu allen Teilen seines Körpers und baute damit die zähesten und festesten Gewebe auf. Sicht und Geruch schärften sich, und sein Gehör wurde so fein, daß er im Schlaf den schwächsten Laut vernahm und wußte, ob er Friede oder Gefahr verkündete. Er lernte das Eis, wenn es sich zwischen den Zehen festsetzte, herauszubeißen; und wenn er durstig war und eine dicke Eisschicht das Wasserloch bedeckte, sprang er mit steifen Vorderbeinen darauf und zerschlug es. Seine außergewöhnlichste Fähigkeit aber war es, den Wind zu wittern und für eine Nacht vorauszusagen. Wie ruhig die Luft auch sein mochte, wenn er sich sein Lager unter Bäumen und neben Flußbänken grub, der Sturm, der sich unweigerlich später erhob, fand ihn beharrlich in einem windgeschützten Nest.

Und er lernte nicht nur durch Erfahrung, längst abgestumpfte Instinkte wurden wieder lebendig. Generationen gezähmter, friedlicher Haustiere fielen von ihm ab, und uralte Kenntnisse kamen ganz von selbst, ohne sein Zutun, zum Vorschein, verschwommene Erinnerungen an die Urzeit seiner Rasse, da wilde Hunde in Rudeln den Wald durchstreift und ihre Beute getötet hatten. Reißen, Aufschlitzen und schnelles Zuschnappen – die Kampfart eines Wolfes – lernte er ganz von selbst. So hatten seine längst vergessenen Vorfahren gekämpft. Und wenn er in den stillen, kalten Nächten wie ein Wolf einen Stern anheulte, so war es nicht seine eigene Stimme, sondern die seiner Ahnen. Buck fand zu sich selbst zurück, und er fand sich, weil die Menschen im Norden ein gelbes Metall entdeckt hatten und weil Manuel nur ein Hilfsgärtner war, der spielte und dessen Lohn dafür nicht ausreichte.

Kapitel 3. Das wilde Tier

Das Raubtier in Buck war lebendig geworden, und es wurde in der wilden, rauhen Umwelt immer stärker und stärker in ihm. Aber noch war es ein verborgenes, geheimes Wachsen. Instinkt und Klugheit verhinderten eine vorzeitige Entfaltung. Buck war sich auch über die Veränderung in ihm noch nicht im klaren, zuerst mußte er sich in die neuen Verhältnisse einleben. Er begann keinen Streit und ging jeder Gelegenheit eines Kampfes aus dem Weg. Selbst der Haß, den er gegen Spitz empfand, verleitete ihn nicht zu einem verfrühten Angriff.

Dagegen versäumte Spitz nie eine Gelegenheit, seine Stärke zu zeigen, vielleicht weil er in Buck einen gefährlichen Rivalen ahnte. Er fiel Buck ständig an und lauerte darauf, den entscheidenden, Kampf zu beginnen, der nur mit dem Tod des einen oder des anderen enden konnte. Dieser Kampf hätte schon ziemlich bald ausgetragen werden können, wenn ihn nicht ein ungewöhnlicher Vorfall verhindert hätte.

Eines Tages schlugen sie am Abend ein elendes, ödes Lager am Ufer des Le-Barge-Sees auf. Schneetreiben, ein Sturm, der wie mit weißglühenden Messern schnitt, und frühe Dunkelheit hatten sie gezwungen, den erstbesten Lagerplatz zu nehmen. Hinter ihrem Rücken stieg eine senkrechte Felsmauer auf. Perrault und François lagerten auf dem Eis des Sees, breiteten ihre Schlafsäcke aus und zündeten ein Feuer an. Das Zelt hatten sie in Dyea zurückgelassen, um die Ladung zu erleichtern. Sie warfen ein paar Treibhölzer auf das bescheidene Feuer, das sich in das Eis einfraß und bald wieder verlöschte. Sie aßen ihr kärgliches Abendbrot im Dunkeln.

Dicht unter dem schützenden Felsen grub sich Buck sein Nest. So gemütlich und warm war es dort, daß er es nur widerwillig verließ, als François die am Feuer aufgetauten Fische verteilte. Als Buck wieder zu seiner Schlafstätte zurückkam, fand er sie besetzt. Ein warnendes Knurren sagte ihm, daß Spitz der Eindringling war. Bis jetzt hatte Buck Zusammenstöße mit seinem Feind vermieden, doch dies war zuviel.