Buck begegnete ein paar Hunden aus dem Süden, aber fast alle gehörten der wilden, wolfsähnlichen Nordlandrasse an. Jede Nacht stimmten sie pünktlich um neun, zwölf und drei Uhr ein infernalisches Geheul an, und Buck fiel in diesen unheimlichen, geisterhaften Gesang mit ein.

Unter dem kaltflammenden Nordlicht, wenn das eisige Licht der Sterne an dem frostdurchschauerten Himmel zu tanzen schien, saßen sie im Kreis und sangen das uralte Lied, das so alt war wie das Geschlecht der Hunde selbst, das Lied von den Leiden und Schmerzen der Welt. Aus der Kehle Bucks schrie der Geist seiner Vorfahren, und der traurige Gesang war erfüllt von dem Weh unzähliger Generationen. Wenn er stöhnte und klagte, so war es die ewige Klage der leidenden Kreatur, jene Klage, in die schon seine wilden Väter ausgebrochen waren; und seine Angst vor dem schrecklichen Geheimnis der Kälte und der Finsternis war schon ihre Angst gewesen.
Sieben Tage nach ihrer Ankunft in Dawson fuhren sie die Abhänge zum Yukon Trail zurück und zogen gegen Dyea und dem Salzwasser zu. Perrault führte Depeschen mit sich, die noch dringender waren als jene, die er gebracht hatte. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt, und er wollte diese Fahrt zur schnellsten des Jahres machen. Die Voraussetzungen waren günstig. Die einwöchige Rast hatte den Hunden ihre Kraft wiedergegeben, und sie waren in bester Verfassung. Die Spur, die sie so mühsam gebahnt hatten, war von den nachfolgenden Gespannen gut ausgefahren worden, auch hatte die Polizei an zwei oder drei Stellen Proviantdepots errichtet, und die Schlitten mußten nicht übermäßig beladen werden.
Am ersten Tag legten sie über fünfzig Meilen zurück, und schon am zweiten Tag erreichten sie den Yukon. François aber hatte mit den Hunden nur Verdruß und Ärger. Die geheime Rebellion Bucks hatte das Gemeinschaftsgefühl des Gespanns zerstört, und Spitz fehlte die Macht, sich Geltung zu verschaffen. Er war kein Führer mehr, dem sich alle unterwarfen. Die Aufrührer fanden bei Buck Unterstützung, die frühere Scheu vor Spitz wich, und die Hunde fühlten sich ihm ebenbürtig. Pike raubte offen dem Leithund seine halbe Fischration, und Buck beschützte den Dieb. Ein anderes Mal lehnten sich Dub und Joe gegen eine wohlverdiente Strafe auf, drehten den Spieß um und gingen auf Spitz los. Selbst Billie, der sonst so gutmütige, winselte weniger erbarmungswürdig als früher und zeigte rebellische Gelüste. Wenn Buck in die Nähe des Leithundes kam, knurrte er drohend, und seine Nackenhaare sträubten sich. Buck war ein Unruhestifter geworden, und immer öfter forderte er Spitz prahlerisch heraus.
Je mehr die Disziplin nachließ, um so streitsüchtiger wurde das Gespann, und manchmal glich das Lager einem Tollhaus. Selbst Dave und Solleks, die sich um alle diese Dinge wenig kümmerten, wurden reizbar und empfindlich. François’ Fluchen half nur wenig, und wenn er auch oft in ohnmächtiger Wut auf den Boden stampfte und seine Peitsche mitten in die Meute niedersausen ließ, nützte es nichts. Sobald er ihr den Rücken kehrte, ging es von neuem los. François wußte genau, daß Buck hinter diesem Aufruhr steckte, aber er konnte ihn nie auf frischer Tat ertappen. Vor dem Schlitten erfüllte Buck gewissenhaft seine Pflichten, die Plage im Gespann war ihm längst zum Vergnügen geworden. Aber noch größer war die versteckte Lust, Verwirrung zu stiften und die Stränge in Unordnung zu bringen.
An der Mündung des Takhenaflusses, abends nach dem Essen, stöberte Dub einen Schneehasen auf, verfehlte ihn aber. Innerhalb einer Sekunde beteiligte sich das ganze Gespann an der Jagd, und etwa fünfzig Hunde aus einem nahegelegenen Lager der Nordwest-Polizei schlossen sich an. Der Hase rannte den Fluß hinunter, bog in einen kleinen Bach ein, auf dessen Eis-und Schneedecke er weiterlief. Er sprang leichtfüßig über den Schnee, während die schweren Pfoten der Hunde tief einsanken. Buck lief an der Spitze des Rudels. Im fahlen, weißen Mondlicht fegte sein machtvoller Körper über die weiße Schneedecke, aber er kam dem Hasen nicht näher.
Jener Instinkt, der die Menschen von Zeit zu Zeit aus ihren lärmerfüllten Städten hinaus in die Wälder auf die Jagd treibt, die gleiche Mordlust, die gleiche Freude am Töten ergriff auch Buck, nur war sie ihm unendlich vertrauter, seinem Wesen zutiefst entsprechend. Er stürmte und hetzte das Wild, das lebende Fleisch, um es mit seinen Zähnen niederzureißen und die Schnauze im warmen Blut baden zu können.
Spitz, der auch in so aufregenden Momenten kalt und berechnend blieb, verließ das Rudel und schnitt den großen Bogen ab, den der Bach machte.
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