Daun wußte alle seine Schlachten mit vieler Kunst zu Postengefechten zu machen, und Friedrich erfuhr mehr als einmal das gewaltige Genie dieses Kunktators. Wäre er bei Torgau nicht verwundet worden, es wäre wahrscheinlich eine zweite Auflage von Kolin gewesen. Die Gegend von Kolin bis Czaßlau kam mir sehr angenehm vor; vorzüglich geben die Dörfer rechts im Tale einen schönen Anblick. Die vorletzte Anhöhe von Czaßlau gewährt eine herrliche Aussicht rechts und links, vorwärts und rückwärts, über eine fruchtbare, mit Dörfern und Städten besäte Fläche. Mich deucht, es wäre hier einer der besten militärischen Posten, so leicht und richtig kann man nach allen Gegenden hinabstreichen; und mich sollte es sehr wundern, wenn der Fleck nicht irgendwo in der Kriegsgeschichte steht. Nicht weit von Kolin aß ich zu Mittage in einem Wirtshause an der Straße, ohne mich eben viel um die Mahlzeit zu bekümmern. Meine Seele war in einer eigenen, sehr gemischten Stimmung; nicht ohne einige Wehmut, unter den furchtbaren Szenen der Vorzeit; da tönte mir aus der Ecke des großen, finstern Zimmers eine schwache, zitternde, einfach magische Musik zu. Ich gestehe Dir meine Schwachheit: ein Ton kann zuweilen meine Seele schmelzen und mich wie einen Knaben gängeln. Eine alte Böhmin saß an einem helleren Fenster uns gegenüber und trocknete sich die Augen, und ein junges, schönes Mädchen, wahrscheinlich ihre Tochter, schien ihr mit Mienen und Worten sanft zuzureden. Ich verstand hier und da in der Entfernung nur einiges aus der Ähnlichkeit mit dem Russischen, das ich, wie Du weißt, ehemals etwas zu lernen genötigt war. Die Empfindung bricht bei mir selten hervor, wenn mich nicht die Humanität allmächtig hinreißt. Ich helfe, wo ich kann; wenn ich es nur öfter könnte. Der Ton des alten Instruments, welches ein goldhaariger junger Kerl in dem andern dunkeln Winkel spielte, mochte auf die Weiberseelen stärker wirken und ihre eigentümliche Stimmung lebendiger machen. Es war nicht Harfe, nicht Laute, nicht Zither; man konnte mir den eigentlichen Namen nicht nennen; am ähnlichsten war es der russischen Balalaika.
Mich deucht, schon andere haben angemerkt, daß die Straße von Prag nach Wien vielleicht die befahrenste in ganz Europa ist. Uns begegneten eine unendliche Menge Wagen mit ungarischen Weinen, Wolle und Baumwolle, aber die meisten brachten Mehl in die Magazine bei Czaßlau und weiter hin nach der Grenze. Die böhmischen Wirtshäuser sind eben nicht als die besten in Kredit, und wir hatten schon zwischen Dresden und Prag einmal etwas zynisch essen, trinken und liegen müssen. Man tröstete uns, daß wir in Deutschbrot ein sehr gutes Haus finden würden; aber nie wurde eine so gute Hoffnung so schlecht erfüllt. Wir gingen in zwei, die eben keine sonderliche Miene machten, und konnten keine Stube erhalten; die Offiziere, hieß es, haben auf dem Durchmarsche alles besetzt. Das mochte vielleicht auch der Fall sein, denn alles ging von der Armee nach Hause; deswegen die unsicheren Wege. Im dritten legte ich mißmutig sogleich meinen Tornister auf den Tisch und quartierte mich ein, ohne ein Wort zu sagen. Der Wirt war ein Kleckser und nannte sich einen Maler, und seine Mutter war ein Muster von einem alten, häßlichen, keifischen Weibe, das schon seit vierzig Jahren aus der sechsten Bitte in die siebente getreten war. Es erschienen nach uns eine Menge Juden, Glashändler, Tabuletkrämer und Kastenträger aller Art, von denen einer bis nach Sibirien an den Jenisey zu handeln vorgab. Die Gesellschaft trank, sang und zankte sehr hoch, ohne sich um meine Ästhetik einen Pfifferling zu bekümmern; und zur Nacht schichtete man uns mit den Hebräern so enge auf das Stroh, daß ich auf dem britischen Transport nach Kolumbia kaum gedrückter eingelegt war. Solche Abende und Nächte mußten schon mit eingerechnet werden, als wir den Reisesack schnallten.
In Iglau habe ich bei meinem Durchmarsche nichts gesehen als den großen, schönen, hellen Markt, dessen Häuser aber in der Ferne sich weit besser machen als in der Nähe, wie fast alles in der Welt, das ins Prächtige fallen soll, ohne Kraft zu haben. Ziemlich in der Mitte des Marktes steht ein herrliches Dreifaltigkeitsstück von Leopold dem Ersten und Joseph dem Ersten, so christgläubig als möglich, aber traurig wie die Barbarei. Einige feine Artikel waren zerspalten und bekleckst, aber die Conceptio immaculata und die sponsa spiritus sancti standen unter dem Ave Maria zum Troste der Gläubigen noch fest und wohl erhalten. Es soll bei Iglau schon ein recht guter Wein wachsen; er muß aber nicht in Menge kommen, denn ich habe in der Gegend nicht viel Weingärten gesehen. Eine halbe Stunde diesseits Iglau stehen an der Grenze zwei Pyramiden nicht weit voneinander, welche im Jahr 1750 unter Maria Theresia von den böhmischen und mährischen Ständen errichtet worden sind. Die Inschriften sind echtes neudiplomatisches Latein und schon ziemlich verloschen, so daß man in hundert Jahren wohl schwerlich etwas mehr davon wird lesen können; und doch sind sie, wie gewöhnlich, zum ewigen Gedächtnis gesetzt. In Mähren scheint mir durchaus noch mehr Liberalität und Bonhommie zu herrschen als in Böhmen.
Im Städtchen Stannen müssen beträchtliche Wollmanufakturen sein; denn alle Fenster sind mit diesen Artikeln behangen, und man trägt sehr viel Mützen, Strümpfe, Handschuhe und dergleichen zu außerordentlich niedrigen Preisen zum Verkauf herum.
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