Und das ist auch immer das beste.«
Sehr wahrscheinlich, daß sich dies Gespräch noch fortgesetzt hätte, wenn nicht in eben diesem Augenblick die Tür von rechts her aufgemacht und Stine herausgetreten wäre.
»Jott, Stine«, sagte die Pittelkow mit einem Ausdruck von Freude. »Na, das ist recht, Kind. Ein Glück, daß du da bist. Du mußt heute noch runterkommen un helfen.«
Unter diesen Worten waren die Schwestern, während sich Frau Polzin artig, aber grienend zurückzog, in Stines Zimmer eingetreten und auf ein paar kleine Stühle zugegangen, die zu beiden Seiten des Fensters auf einem Trittbrett standen. Draußen am Fenster aber war ein Dreh- und Straßenspiegel angebracht, bei dessen Anbringung der ebenso praktische wie pfiffige Polzin vor Jahr und Tag schon zu seiner Frau gesagt hatte: »Emilie, solange der da ist, so lange vermieten wir.«
Die Pittelkow setzte sich gegenüber dem Drehspiegel, der denn auch heute wieder, wie zur Bestätigung der Worte Polzins, eine Quelle herzlichen Vergnügens für die hübsche Witwe wurde, nicht aus Eitelkeit (denn sie sah sich gar nicht), sondern aus bloßer Neugier und Spielerei. Stine, die das alles schon kannte, lächelte vor sich hin; auch sie trug einen gewellten Scheitel, aber ihr Haar war flachsgelb, und die Ränder der überaus freundlichen Augen zeigten sich leicht gerötet, was, aller sonst blühenden Erscheinung und einer gewissen Ähnlichkeit mit der Pittelkow unerachtet, doch auf eine zartere Gesundheit hinzudeuten schien. Und so war es auch. Die brünette Witwe war das Bild einer südlichen Schönheit, während die jüngere Schwester als Typus einer germanischen, wenn auch freilich etwas angekränkelten Blondine gelten konnte.
Stine sah der immer noch mit dem Spiegel beschäftigten Schwester eine Weile zu, dann erhob sie sich, hielt ihr die Hand vor die Augen und sagte: »Nun hast du aber genug, Pauline. Du mußt doch nachgerade wissen, wie die Invalidenstraße aussieht.«
»Hast recht, Kind. Aber so is der Mensch; immer das Dummste gefällt ihm un beschäftigt ihn, un wenn ich in den Spiegel kucke und all die Menschen und Pferde drin sehe, dann denk ich, es is doch woll anders als so mit bloßen Augen. Un ein bißchen anders is es auch. Ich glaube, der Spiegel verkleinert, un verkleinern is fast ebensogut wie verhübschen. Aber du brauchst nicht kleiner zu werden, Stine, du kannst so bleiben, wie du bist. Ja, wahrhaftig. Aber, warum ich komme... Jott, man hat doch auch keine ruhige Stunde.«
»Was is denn?«
»Er kommt heute wieder.«
»Nu, Pauline, das is doch kein Unglück. Bedenke doch, daß er für alles sorgt. Und so gut, wie er ist, und gar nich so.«
»Na, ich wollt ihm auch. Und den alten Baron bringt er auch mit, und noch einen.«
»Und noch einen? Wen denn?«
»Lies.«
Und sie reichte Stine den eben erhaltenen Brief, und diese las nun mit halblauter Stimme: »Mein lieber schwarzer Deibel. Ich komme heute, aber nicht allein; Papageno kommt mit und ein Neffe von mir auch; natürlich noch jung und etwas blaß. ›Aber bleich und blaß, ei, die Weiber lieben das.‹ Sorge nur, daß Wanda kommt und Stine. Wein schick ich und eine Salatschüssel. Aber für alles andre mußt Du sorgen. Nichts Apartes, nichts Großes, bloß so wie immer. Dein Sarastro.«
»Wer ist denn der Neffe?« fragte Stine.
»Weiß ich nich. Wer kann alle Neffens kennen. Denkst du, daß ich mich um seinen Stammbaum kümmere. Jott, wie mag es damit aussehen. Na, überhaupt Stammbäume.«
»Laß ihn das nich hören.«
»Oh, der hört noch ganz andres. Oder denkst du, daß ich mir wegen eine Treppe hoch mit Klavier un Diwan un wegen 'nen Schreibtisch, der immer wackelt, weil er dünne Beine hat, ein Pechpflaster aufkleben soll? Nein, Stinechen, da kennst du deine Schwester schlecht.
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