Die Höhen und Senken entsprachen nicht mehr den Erhe-

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bungen und Senkungen des Bodens, viele Gruben waren bis zum Rande angefüllt, und ganze Reihen der Schutthalden von den Steinbrüchen waren aus dem Bild der Landscha verschwunden, das ich mir nach meinem gestrigen Marsch im Geiste gemacht hatte. Ich hatte mir auf einer Seite der Straße eine Reihe in Abständen von sechs bis sieben Ellen hochkant stehender Steine gemerkt, die sich durch die ganze Ausdeh-nung der Einöde fortsetzte. Die Steine waren aufgerichtet und mit Kalk bestrichen, um im Dunkeln als Wegweiser zu dienen, selbst wenn ein Schneefall wie dieser den Unterschied zwischen dem tiefer liegenden Sumpf zu beiden Seiten und dem festeren Weg verwischen sollte. Jedoch außer hin und wieder auauchenden schmutzigen Flecken waren alle Spuren ihres Vorhandenseins verschwunden, und mein Führer mußte mich häufig durch Zurufe nach rechts oder links weisen, während ich mir einbildete, genau den Windungen der Straße zu folgen.

Wir sprachen wenig miteinander. Am Parktor von Trushcross Grange machte er halt und sagte, dort könnte ich mich nicht mehr verirren. Unser Abschied beschränkte sich auf eine hastige Verbeugung, dann ging ich, auf mich selbst angewiesen, los, denn die Pförtnerwohnung ist noch nicht verpachtet. Die Entfernung vom Tor bis zum Gehö beträgt zwei Meilen; ich glaube, bei mir wurden vier daraus, weil ich mich zwischen den Bäumen nicht zurechtfand und manchmal bis zum Hals im Schnee versank, eine Lage, die nur der nachempfinden kann, der so etwas durchgemacht hat. Auf alle Fälle – wie meine Irr-fahrt auch verlief – schlug die Uhr zwölf, als ich das Haus betrat, und das entsprach genau einer Stunde für jede Meile des gewöhnlichen Weges von Wuthering Heights.

Mein Faktotum und ihre Trabanten stürzten zu meiner Be-grüßung herbei und schrien durcheinander, sie hätten schon alle Hoffnung aufgegeben, mich wiederzusehen, sie hätten geglaubt, ich sei in der Nacht umgekommen, und hätten berat-schlagt, wie die Suche nach meinen sterblichen Überresten aufgenommen werden sollte. Ich bat sie, sich zu beruhigen, da ich wieder da sei, und schleppte mich, bis ins Innerste erstarrt, die Treppe hinauf. Dort habe ich mich, nachdem ich trockene Kleider angezogen hatte und dreißig bis vierzig Minuten lang auf und ab gegangen war, um mein Blut wieder in rechten

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Gang zu bringen, in meine Studierstube geschleppt, schwach wie ein Kätzchen, beinahe zu schwach, mich an dem lustigen Feuer und dem dampfenden Kaffee zu erfreuen, den die Magd zu meiner Belebung bereitet hatte.

Viertes Kapitel

Was für eitle Wetterfahnen sind wir doch! Ich, der ich beschlossen hatte, mich allem geselligen Verkehr fernzuhalten, und meinen Sternen dafür dankte, daß ich endlich einen Fleck entdeckt hatte, wo das nicht unausführbar schien, ich sah mich genötigt, die Segel zu streichen, nachdem ich, schwach und elend, bis zum Dunkelwerden einen Kampf gegen Niederge-schlagenheit und Einsamkeit ausgefochten hatte. Unter dem Vorwand, Ausküne über Anschaffungen für den Haushalt einzuholen, bat ich Mrs. Dean, die mir das Abendbrot brachte, sich, während ich aß, zu mir zu setzen. Ich hoe inständig, in ihr eine regelrechte Klatschbase zu finden, die mich mit ihrem Geschwätz entweder ermuntern oder in Schlaf lullen werde.

»Sie leben hier schon recht lange«, begann ich, »sechzehn Jahre, sagten Sie?«

»Achtzehn, Mr. Lockwood. Ich kam als Mädchen her, als die gnädige Frau heiratete, und nachdem sie gestorben war, behielt mich der Herr als Haushälterin.«

»Ach so.«

Hier folgte eine Pause. Sie war doch keine Klatschbase, oder höchstens in ihren eigenen Angelegenheiten, und die interes-sierten mich kaum. Als sie jedoch eine ganze Weile, die Hände auf die Knie gestützt, mit einem grüblerischen Ausdruck in ihrem roten Gesicht, nachgedacht hatte, rief sie aus:

»Ach, wie sich die Zeiten seitdem geändert haben!«

»Ja«, sagte ich, »Sie müssen viele Wandlungen erlebt haben!«

»Das habe ich, und auch viel Unglück«, sagte sie.

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Jetzt werde ich die Rede auf die Familie meines Gutsherrn bringen‹, dachte ich bei mir. ›Ein gutes Gesprächsthema, zum Anfang – und die hübsche mädchenhae Witwe, ich möchte wohl ihre Geschichte kennen: ob sie aus dieser Gegend stammt oder, was wahrscheinlicher ist, eine Fremde ist, die engherzige Einheimische nicht als Verwandte anerkennen wollen.‹ In dieser Absicht fragte ich Mrs. Dean, warum

rushcross Grange verpachtet sei und die Familie Heathcliff in einer so kümmerlichen Behausung und in ebenso kümmerlichen Verhältnissen lebe. »Ist er nicht reich genug, die Besitzung instand halten zu können?« fragte ich.

»Reich, Mr. Lockwood?« entgegnete sie. »Er hat wer weiß wieviel Geld, und jedes Jahr wird es mehr. Ja, ja, er ist reich genug, in einem viel schöneren Hause zu leben; aber er ist sehr genau – geizig! Und wenn er auch nach rushcross Grange hätte ziehen wollen – sobald er von einem guten Pächter gehört hätte, hätte er es nicht ertragen können, daß ihm ein paar hundert entgangen wären. Es ist seltsam, daß Leute so habgierig sein können, wenn sie in der Welt allein stehen!«

»Er hatte anscheinend einen Sohn?«

»Ja, er hatte einen, aber der ist tot.«

»Und die junge Dame, Mrs.