Die Späne aber fielen ringsum hernieder, die Gespenster aber verzehreten sie.
Da senkte Gott die Trompete nach unten und rief: »Satana, Satana, ribellione!« Und es erschien der rote Mann, die falsche Majestät und erschlug den Tod, daß kein Mensch ihn fürdermehr erkennen konnte. Und die Gespenster verspeiseten ihn.
Aber siehe, da wurden sie sehr mächtig und schrieen: »Man reiche uns einen gebratenen Dichter!«
»Kuh, du bist unser!« sprach der Teufel.
»Freiheit, Verbrüderung, Himmel, du bist unser.«
»Unserigkeit und Knauserigkeit«, sprach der Teufel, »was soll nun dieses heißen?«
Da überließ ihnen der Herr den gebratenen Dichter. Die Gespenster aber hockten sich nieder im Kreis, entkeimten ihn, pellten die Kruste ab und den Federflaum und verspeiseten ihn. Da stellte sich heraus, daß Oblaten seine Hosenknöpfe waren, ungegoren der Kehlkopf, duftig das Gehirn, aber schief genabelt. Und der Gespenster jüngstes hielt ihm die Totenrede:
»Dieser war ein Psychofakt«, begann die Rede, »kein Mensch. Hermaphrodit vom Kopf bis zur Sohle. Spitz stachen die geistigen Schultern durch die Achselstücke seines Cutaway. Sein Kopf eine Wunderzwiebel der Geistigkeit. Blind beherrscht vom Drange, sich bruchlos zu bekennen, war sein Beginn, sein Ende und Anfang von solch jungfräulicher, völlig kompromißloser Seelensauberkeit, das wir Nachwachsenden den Zweifel an der Pflicht zu revolutionär sittlichkeitsbildender Mutterschaft unserem annoch kraftlosen Streben nach einem Kosmos von Flugwillen und Erdüberwinderschaft als ein zwar unerläßliches, aber süßes Problem binnentragisch einzuordnen nicht können.
Herrliches liegt hier verschüttet in einem Wust unvergorener, abstrakt verbliebener Rednerei. Subjetivistische Ekstatik vermochte nicht immer theatralischem Selbstzweck sich zu entheben. Stämmiger Schwärmer und fakirhafter Erlösungssucher, Hoherpriester und Seher, Queller und Sporn dithyrambischen Schwunges fügt seinem löblichen Vorbild herbe Beeinträchtigung der einzige Umstand, daß Max Reinhardt, dessen schöpferische Regie den Aufriß der einzelnen Visionen befruchtete, sein Können dem Könner erst lange nach dessen Hingang hat spenden dürfen. Requiescat in pace.«
Und sie verspeiseten ihn; den Leichenredner aber verspeiseten sie ebenfalls. Und die Teller verspeiseten sie. Und die Gabeln verspeiseten sie. Und den Tanzplatz ebenfalls. Oh, wie gut war es, daß der Herr sich der Szene vorher enthoben hatte. Sie hätten auch ihn verspeist.
Hymnus 1
Zu sagen ist nichts mehr. Vielleicht, daß etwas noch gesungen werden kann. »Du magisch Quadrat, jetzt ist es zu spat.« So spricht einer, der zu schweigen versteht. »Ambriosanischer Stier«: gemeint ist der ambrosianische Lobgesang. Eine Hinwendung zur Kirche zeigt sich an in Vokabeln und Vokalen. Der Hymnus beginnt mit militärischen Reminiszenzen und schließt mit einer Anrufung Salomos, jenes großen Magiers, der sich tröstete, indem er die ägyptische Königstochter an sein Herz zog. Die ägyptische Königstochter ist die Magie.
Du Herr der Vögel, Hunde und Katzen, der Geister und Leiber, Gespenster und Fratzen,
Du Oben und Unten, Rechtsum und Linksum, Geradeaus, Kehrteuch und Haltwerda,
Der Geist ist in dir und du bist in ihm, und ihr seid in euch und wir sind in uns.
Der Auferstandene bist du, der überwunden war.
Der Entfesselte, der seine Ketten zerriß.
Der Allmächtige bist du, Allnächtige, Prächtige, mit einem brennenden Topf auf dem Kopf. In alle Sprachen und Windrichtungen ist dir der Donner im Kasten zersprungen.
In Vernunft und Unvernunft, im toten und lebenden Reiche raget dein Blechhals und saust deine Speiche.
Mit großem Brüllen kamst du, Sturmhaube der Rebellion, Krähtrompete, Völkersohn.
In Feuerschlünden und Kugelsaat, in Sterbegewinsel und endlosem Fluche,
In Blasphemien sonder Zahl, in Schwaden von Druckerschwärze, Oblaten und Kuchen.
So sahen wir dich, so hielten wir dich, in Gesichterregen, geschnitzt aus Achat.
Auf umgestürzten Thronen, zerspellten Kanonen, auf Zeitungsfetzen, Devisen und Akten,
Bunt aufgeputzte Puppe, hobst du das Richtschwert über die Vertrackten.
Du Gott der Verwünschungen und der Kloaken, Dämonenfürst, Gott der Besessenen.
Du Mannequin mit Veilchen, Strumpfbändern, Parfums und mit einem Hurenkopfe bemalt.
Deine sieben Jungen blecken die Zungen, deine Großtanten werden zuschanden, eine rote Kugel ist deine Gugel.
Du Fürst der Krankheiten und Medikamente, Vater der Bulbo und Tenderende,
Der Arsenike und Salvarsäne, der Revolver, eingeseiften Stricke und Gashähne,
Du Löser aller Bindungen, Kasuist aller Windungen,
Du Gott der Lampen und der Laternen, du nährst dich von Lichtkegeln, Dreieck und Sternen.
Du Folterrad, russische Schaukel der Qual, Homozentaurus, in Flügelhosen schwebend durch den Krankensaal,
Du Holz, Kupfer, Bronze, Turm, Zinke und Blei, als Eisengockel schwirrst du geölt vorbei.
Du magisch Quadrat, jetzt ist es zu spat, du mystisch Quartier ambrosianischer Stier,
Herr unserer Entblößung, deine fünf Finger sind das Fundament der Erlösung.
Herr unseres Jäger- und Küchenlateins, Lamentotrommel unseres Daseins, Äthernist, Kommunist, Antichrist, oh! Hochweisige Weisheit des Salomo!
Hymnus 2
Man beachte, wie sich in dieses Hymnusses zweiter Hälfte aus der Buffonade eine Litanei loslöst. Die liturgischen Formeln nehmen überhand. Die Stimmen und Parteien streiten zwar noch, und demgemäß ist der Gegenstand umstritten, von dem erlöst werden soll.
Der unsere Ehrenjungfrauen beiseite schob, unsere Blumensträuße und Parfumerien und unsere berauschenden Drogen,
Mit Bombardon, Pfeifen und Schellen, mit hellen Tschinellen und Redeschwällen grüßen wir dich.
Der unsere Mondkälber auf die Straßen warf, unsere Kochbücher und Astrologien,
Der aufschrie mit den Stimmen von zehntausend Wechselbälgern,
Der herankam und seinen Einzug hielt, lachender Kinderdrachen und Triumphator,
Mit Ersatzscheinen, Blech-, Email-, Papier- und Knopfgeld grüßen wir dich.
Der in den Backentaschen seines gehörnten Hauptes skrofulöse Kinder und Zebras verwahrt,
Für eine Mark haben sich hingegeben der tändelnde Dichter, der warme Prolet, der Zeitungsmann und der Priester.
Lege den Ring deiner Allmacht uns in die Nase und einen Zaun in den Kinnbacken, zähme du unsere Herrlichkeit.
Einen großen Tanz führen wir auf in Kleidern aus Lumpen und Papier, aus Fensterglas, Dachpappe und Zement.
Unsere alldeutschen Knotenstöcke schwingen wir, bemalt mit Runen und Hakenkreuzen. Vom Nabel bis zu den Knieen dauert dein Reich, und der lutheranische Kabeljau bellt.
Von den Nachstellungen der Ketzer und Utopisten, der Widersacher und Propheten erlöse uns, o Herr.
Von den Anmaßungen der Theoretikaster und Liturgiker, von den vereinigten Glockenspielern erlöse uns, o Herr.
Aus diesem Lande der Pflichtenkäfer, der naßkalten Kuchen und der mit Totenscheinen gepflasterten Orte führe uns weg, o Herr.
Höre auf zu klappern mit Holz, Kupfer, Bronze, Elfenbein, Stein und den andern gewaltigen Trommeln.
Höre auf, unsere Toten erscheinen zu lassen und unsere Wärme zu stören, darum bitten wir dich, o Herr.
Höre auf, die Gespenster uns auf den Tisch, die Gespenster uns in die Kaffeetassen zu setzen, und kein Inkubus raßle im Treppengebälk.
III
Der Verwesungsdirigent
In diesem Kapitel wird angenommen, daß ein Fleischwarenhändler der letzte sein wird, den man begräbt. Späterhin stellt sich jedoch heraus, daß noch einige andere das große Sterben überdauert haben. Die Leidtragenden sind Revenants und Dreimonatsleichen. Das Begräbnis gestaltet sich zu einem Festzug ähnlich demjenigen, der bei den eleusinischen Mysterien stattfand.
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