Gib ihnen einen Groschen für ihre Kollekte und einen Groschen für jenen dort, der das Klagelied bläst auf der Speiseröhre. Scheuch sie heraus, Serpent, aus ihren Löchern. Es schmerzt mich, sie so sitzen zu sehen.«
Da protestierten sie. Und entmutigt sagte der Famulus: »Sie wollen hier sitzen bleiben und ihre Großgehirnrinde verzehren. Mehr wollen sie nicht. Auch haben sie keine Beinkleider mehr. Sie haben alles geopfert bis auf das Hemd.«
»Wirf ihnen Abdul Hamids braune Hose zu!« resignierte der Meister, »und laß uns weitergehen. Da ist nicht zu helfen. Wahrlich, es könnte bei einiger Überreizung ihres Gemütes der Fall eintreten, daß sie mit Drohungen kommen, die Plempe uns an den Magen zu setzen, weil wir nicht Anstalten machen, ihre Erlebnisse aufzukaufen. Bei Gott, ein verwegener Menschenschlag!«
Jolifanto Bambla ô Falli Bambla ...
Schilderung einer Elefantenkarawane aus dem weltberüchtigten Zyklus »gadij beri bimba«. Der Verfasser zelebrierte diesen Zyklus als Novität zum ersten Mal 1916 im Cabaret Voltaire. Das Bischofskostüm aus Glanzpapier, das er damals trug, mit ragendem, blau-weiß gestreifeltem Schamanenhut wird noch heute von den sanften Bewohnern Haways als Fetisch verehrt.
jolifanto bambla ô falli bambla
grossiga m'pfa habla horem
égiga goramen
higo bloiko russula huju
hollaka hollala
anlogo bung
blago bung
blago bung
bosso fataka
ü üü ü
schampa wulla wussa ólobo
hej tatta gôrem
eschige zunbada
wulubu ssubudu ulu wassubada
tumba ba-umf
kusa gauma
ba-umf
Hymnus 3
Tenderenda seinerseits gibt die Huldigung seinem verschwiegenen Weihe-Oberhaupt weiter. Der Urvater der Hymnologen wird in diesem Hymnus unter anderem »Chaldäischer Erzengel«, »Koralle des Jenseits« und »Flüssiger Meister« genannt. Der Narrentanz dieses Büchleins wird ihm aufgeopfert: »Wir Fratzenschneider, im Feuermantel tanzend ums Wasserfaß.« Die letzten Verse insonderheit verraten eine vollkommene Hingabe. Tenderendan hat das große Heimweh gepackt. Er sagt sich die Verse in tristen Stunden zu seiner Erbauung vor.
Chaldäischer Erzengel, Asternkönig, purpurner
Mann mit den Händen, die Schlaf bedeuten,
Du lässest die Tiere in uns erscheinen,
Du heftest uns an den klingenden Magierorden,
Du schließest uns an die Gestirne an,
Die uns zerschneiden und teilen.
Aller Heiligen, aller Toten Meister,
Violenglas, darin wir entblühten,
Kreuzweise und in die Länge sterben wir,
Den letzten Husten bekommen wir,
Hinsinken wir in den ewigen Raum, Laurentius –
Tränen, leuchtend und schwärmend.
Du Zonenchef, schwarzer Chef,
Fallsüchtig sind wir wie sehr, sterbsüchtig wie sehr!
Der heilige Arzt Kosmas kann uns nicht helfen.
Wir sterben dir ab und zu, wir sterben dir gänzlich.
In dir ist alles gemeinsam.
Den großen Bären tragen wir als Geschwür am Arm,
Eine Sonne aus Terra siena am Herzen.
Besitzend von dir besessen, lösen wir uns.
Wir Zackentrompete, flatternd im Kristallwind,
Wir tragischer Pfau, zerbrechend auf allen Stufen,
Wir Fratzenschneider, im Feuermantel tanzend ums Wasserfaß.
Du Gürtel der Sterne, du Kugelwand, rollende Finsternis.
Du morgenländisches Volk, abendländisches Volk,
Kriegsmärsche in Moll murmelnd, Schaum um den Turm Deiner Gnade.
Du Zymbalum mundi, Koralle des Jenseits,
flüssiger Meister,
Laut weinet die Skala der Menschen und Tiere.
Laut jammert das Volk der Städte aus Feuer und Rauch.
Da deine Wunderhörner auftauchten, da du dein
Tönernes Spielzeug ansahest, da du dein Reich
Inspiziertest und uns, die Beamten deines Katasters.
Denn die Schminke brach. Denn die Würfel zersetzten sich.
Denn nirgends war solche Sünde wie hier.
Du Angesicht aus Metaphern gestückt,
Faschingsgedichtpuppe
Unserer Angst. Du Duft weißen Papiers!
Blatt, Tinte, Schreibzeug und Zigarette,
Alles lassen wir liegen. Kleinlaut folgen wir dir.
Aus den Zahlen, die uns gebannt hielten, lösen sich unsere Füße.
Aus den Massen, die in uns gebrannt waren, strömt Süße.
Rares eintauschen wir gegen Bares, Wahres gegen Unklares,
Eins gegen zwei, und die Nachthauptstadt gegen Benares.
Laurentius Tenderenda
Unverblümter Ausbruch oder Expektoration des Titelhelden. Der Autor nennt ihn einen Phantasten, er selbst nennt sich in seiner verstiegenen Weise ›Kirchenpoet‹. Auch als ›Ritter aus Glanzpapier‹ bezeichnet er sich, was auf den donquichotischen Aufzug hinweist, in dem Tenderenda bei Lebzeiten sich zu bewegen liebte. Er gesteht, seiner Fröhlichkeit müde zu sein und erfleht sich den Segen des Himmels. Besonderes Lob verdient die Benediktionsformel, deren heiteres Tongefälle dem himmeltänzlerischen Wesen Tenderendas gerecht wird. Da er Chimären in den Stall bringt, könnte man ihn für einen Exorzisten halten. Die Nachstellungen des Teufels, auf die der Segensspruch hinweist, sind jene Phantasmata, über die schon der heilige Ambrosius klagt, und deren Abschwörung ein anderer Heiliger als Bedingung nennt für den Eintritt in den Mönchsstand. Ansonsten ist Tenderendas Situation elegisch und massenscheu. Die Wortspiele, Wunder und Abenteuer haben ihn mürbe gemacht. Er sehnt sich nach Frieden, Stille und nach lateinischer Abwesenheit.
Mit einem Dröhnen hub es an: Laurentius Tenderenda, der Kirchenpoet, eine Halluzinade in drei Teilen. Laurentius Tenderenda, oder der Tollmätcher der Zwangsläufigkeit. Laurentius Tenderenda, die Wesensessenz der Astralkanonade.
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