Gnaden nur Scherz mit mir treibt; es kan ihm nicht an fünfzigmal fünfhundert Talenten fehlen.

Servilius.
Indessen fehlt es ihm doch dißmal an einer viel kleinern Summe,
Gnädiger Herr. Wenn er sie nicht so nothwendig brauchte, würd' ich
nicht halb so eifrig mich darum bewerben.

Lucius.
Sprichst du im Ernst, Servilius?

Servilius.
Bey meiner Seele, Milord, es ist Ernst.

Lucius. Was für ein verwünschtes dummes Thier war ich, daß ich mich auf eine so gute Gelegenheit so sehr an Geld entblößt habe, wo ich hätte zeigen können, daß ich ein Mann bin, der auf Ehre hält! Wie unglüklich es doch zutreffen muß, daß er mich gerad in einer Zeit auf die Probe sezt, da ich ausser Stand bin—In der That, Servilius, bey den Göttern, ich bin ausser Stand—(ein desto dummeres Vieh, sag ich) Ich wollte diesen Augenblik selbst zum Lord Timon schiken, und ihn um eine Summe Gelds ansprechen, diese Herren können Zeugschaft geben: Aber izt wollt' ich nicht um alles Geld in Athen, daß ich es gethan hätte. Empfehlt mich Sr. Gnaden zu geneigtem Wohlwollen, und ich hoffe, Se. Gnaden werde keine schlimmere Meynung deßwegen von mir fassen, weil ich nicht im Stande bin, ihm meine Dienstwilligkeit zu zeigen. Und sagt ihm in meinem Namen, ich rechne es unter meine grösten Widerwärtigkeiten, daß ich einem so würdigen Edelmann nicht zu Gefallen seyn könne. Mein guter Servilius, wollt ihr so viel Freundschaft für mich haben, und ihm meine eignen Worte hinterbringen?

Servilius.
Ja, Herr, ich will.

(Servilius geht ab.)

Lucius.
Ich will euch eine ziemliche Streke nachsehen, Servilius—Es ist,
wie ihr sagtet; Timon ist hin, in der That; wer kan helfen? Euer
Diener, meine Herren.

(Er geht ab.)

1. Fremder. Merkt ihr das, Hostilius?

2. Fremder. Nur gar zu wohl.

1. Fremder. Das ist der Lauf der Welt; so denken alle Schmeichler: Wer kan den seinen Freund nennen, der in Eine Schüssel mit ihm taucht? Denn, wie mir bekannt ist, war Lord Timon wie ein Vater zu diesem Herrn; er unterhielt seinen Credit und seine Haushaltung aus seinem Beutel, und bezahlte sogar seinen Bedienten ihren Lohn. Er trinkt nie, ohne daß Timons Silber seine Lippen drükt; und dennoch—o! was für ein Ungeheuer ist der Mensch, wenn er aus einer undankbaren Gestalt hervorgukt! Er schlägt ihm ab, was gutthätige Leute Bettlern nicht versagen.

3. Fremder. Die Menschlichkeit schauert vor einer solchen Gefühllosigkeit.

1. Fremder. Was mich betrift, so hab' ich in meinem Leben niemals die geringste Gutthat von Timon genossen, die mich vor andern verbände, sein Freund zu seyn; und doch versichre ich, um seines edeln und wohlthätigen Gemüths willen, und aus Hochachtung für seine Tugend, wollt' ich ihm die Helfte meines Vermögens geschenkt haben, wenn er sich in seinem Bedürfniß an mich gewendet hätte, so sehr lieb' ich sein Herz; allein, so wie die Welt geht, muß man sein Mitleiden zurükhalten lernen; denn Klugheit geht über Gewissen.

(Sie gehen ab.)

Dritte Scene.
(Ein dritter Bedienter des Timon mit Sempronius.)

Sempronius. Mußt' er denn gerade mich damit beunruhigen? Vor allen andern? Er hätt' es bey Lord Lucius oder Lucullus versuchen können, und nun ist auch Ventidius reich, den er aus dem Gefängniß erledigt hat; alle diese drey haben ihm ihr Vermögen zu danken.

Bedienter. O Gnädiger Herr, sie sind alle auf die Probe gesezt und falsch befunden worden; sie haben ihn alle abgewiesen.

Sempronius. Wie? Abgewiesen? Ventidius und Lucullus, beyde ihn abgewiesen? Und nun schikt er zu mir? Drey! hum—Es zeigt wenig Freundschaft oder Vernunft auf seiner Seite an. Muß ich seine lezte Zuflucht seyn? Seine Freunde, die gleich Aerzten sich auf seine Unkosten bereichert haben, geben ihn au? Muß ich nun die Cur übernehmen? er hat mir eine schlechte Ehre damit angethan; es verdrießt mich, er hätte wol wissen können, wer ich bin; ich kan keinen Grund erdenken, warum er nicht zuerst an mich gekommen ist, wenn er jemands Hülfe nöthig hatte. Auf mein Gewissen, ich war der erste unter allen die iemals Gutes von ihm genossen haben; und denkt er denn so unbillig von mir, daß ich der lezte seyn werde, es wett zu machen? Es wird allen übrigen eine Materie zum Lachen geben, und ich werde der Narr unter dem Atheniensischen Adel seyn. Ich wollte dreymal so viel als er von mir verlangt darum geben, er hätte zu mir zuerst geschikt, wenn es auch nur gewesen wäre, um meiner Gemüthsart Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; ich wäre so geneigt gewesen ihm Gutes zu thun. Aber so geh' nur wieder heim, und seze zu den abschlägigen Antworten der übrigen, in meinem Namen, noch dieses hinzu: Wer meiner Ehre zu nahe tritt, soll nimmermehr mein Geld zu sehen kriegen.

(Er geht ab.)

Bedienter. Vortreflich! Euer Gnaden ist ein feiner Spizbube. Der Teufel wußte gewiß nicht was er that, wie er die Leute politisch machte; er schadete sich selbst dadurch; und ich kan nichts anders als glauben, am Ende werden sie ihn selbst mit ihren Schelmenstreichen zum Narren machen.—Das waren nun diejenigen, auf die mein Herr seine besten Hoffnungen gesezt hatte; nun sind alle zurükgetreten, und ausser den Göttern bleibt ihm niemand übrig. Seine Freunde sind todt. Thüren, die so manches glükliche Jahr her nie mit ihren Schlössern bekannt worden, müssen nun gebraucht werden, ihren Herrn vor dem Ungestüm seiner Glaubiger sicher zu stellen.