Rührt die Trummel, und gegen Athen zu. Lebe wohl, Timon, wenn es mir gelungen seyn wird, will ich dich wieder besuchen.
Timon. Wenn mich die Hoffnung nicht betrügt, werd ich dich nicht mehr sehen.
Alcibiades.
Ich that dir nie was zu leide.
Timon.
Ja, du redtest Gutes von mir.
Alcibiades.
Nennst du das beleidigen?
Timon. Die Menschen erfahren es alle Tage. Geh deines Weges, pake dich, und nimm deine Dachshunde mit.
Alcibiades.
Wir sind ihm nur beschwerlich; rührt die Trummel!
(Alcibiades, Timandra und Phrynia gehen ab.)
Fünfte Scene.
Timon. Daß die Natur noch zu eben der Zeit hungern soll, da der Unmuth über des Menschen Unbarmherzigkeit sie des Lebens überdrüßig macht!— Allgemeine Mutter, du deren unermeßliche Schoos und unbegrenzte Brust alles gebiehrt und säuget; o du, deren nemliche Zeugungs-Hize, woraus der stolze Mensch aufdunset, die schwarze Kröte zeugt, und die blaue Schlange, die goldflekichte Eidechs und den blinden vergifteten Wurm mit allem andern verabscheuten Ungeziefer, das Hyperions Feuer belebt: Gieb dem der alle deine menschlichen Söhne hasset, gieb ihm aus deinem unerschöpflichen Busen eine einzige arme Wurzel. Verstopfe deine fruchtbare gern empfangende Schooß; laß sie nichts mehr für den undankbaren Menschen hervorbringen. Geh nur mit Tygern, Drachen, Wölfen und Bären schwanger; schwill von neuen Ungeheuern auf, die dein emporgerichtetes Antliz dem umwölbenden Himmel nie gezeigt hat!—O! eine Wurzel—habet Dank, ihr Götter!—trokne deine lokern Adern auf, und deine vom Pflug zerrißne Schollen, aus denen der undankbare Mensch diese geistigen Säfte und diese niedlichen Bissen zieht, die sein reines Gemüth mit einem Fett umgeben, woran alle Betrachtung abglitscht.
Sechste Scene.
Timon (zu Apemanthus.)
Wieder ein Mensch? Pest! Pest!
Apemanthus. Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich an, meine Lebensart nachzuahmen.
Timon. So muß es deßwegen seyn, weil du keinen Hund hältst, den ich nachahmen könnte. Daß du die Schwindsucht kriegtest!
Apemanthus. Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmännliche Melancholey, die bloß aus dem Wechsel deines Glüks entsprungen ist. Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde? Warum dieser sclavenmässige Aufzug? Und diese kummervolle Blike? Deine Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein, ligen weich, schwimmen in lieblichen Gerüchen, und haben vergessen, daß jemals ein Timon war. Entehre diese Kleidung nicht, die dir das Ansehen und die Vorrechte eines Censors geben soll. Sey du izt ein Schmeichler, versuch' es, dich nun durch eben dieses fortzubringen, was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge deine Knie, und laß den blossen Athem dessen, dem du aufwartest, deine Müze vom Kopf herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten Ausschweiffungen, und nenne sie vortreflich. So redte man mit dir; und du gabst deine Ohren dazu her, den Bierwirthen ähnlich, die Schelmen und alles was zu ihnen kommt willkommen heissen. Es ist höchst billig, daß du ein Spizbube werdest; hättest du noch Vermögen, so würden Spizbuben es haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir!
Timon.
Wenn ich dir gleich wäre, ich wollte mich selbst wegwerfen.
Apemanthus. Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst; so lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte Luft, dein ungestümer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde reichen? Meynst du, diese bemooßten Bäume, die den Adler überlebt haben, werden wie Pagen hinter dir hertreten, und dir auf einen Wink zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte Bach dir ein Cordial zum Frühstük geben, um die Unverdaulichkeit der gestrigen Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschöpfen, die der rauhen Witterung, und den kämpfenden Elementen ihre unverwahrten Rümpfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu schmeicheln; o, du wirst finden —
Timon.
Daß du ein Narr bist; zieh' ab.
Apemanthus.
Du bist mir izt lieber als jemals.
Timon.
Und du mir desto verhaßter.
Apemanthus.
Warum?
Timon.
Du schmeichelst der Dürftigkeit.
Apemanthus.
Ich schmeichle nicht; ich sage nur, daß du ein elender Tropf bist.
Timon.
Warum suchst du mich auf?
Apemanthus.
Um dich zu scheeren.
Timon.
Das ist immer die Verrichtung eines Bösewichts, oder eines Narren.
Däucht sie dir kurzweilig?
Apemanthus.
Ja.
Timon.
Was für ein Schurke du bist!
Apemanthus. Wenn du diesen schwermüthigen kalten Habit angezogen hättest, deinen Stolz zu züchtigen, so hättest du wol daran gethan; aber du thust es aus Noth; du würdest ein Stuzer seyn, wenn du nicht ein Bettler wärest. Freywillige Armuth überlebt ungewisses Wohlleben; dieses wird immer gefüllt und doch nie voll, jene erreicht ihren höchsten Wunsch auf einmal; der glüklichste Stand ist mißvergnügt, der elendeste zufrieden. (Du) solltest zu sterben wünschen, weil du in einem so armseligen Zustand bist.
Timon. Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist ein Sclave, den das Glük nie mit zärtlichen Armen an ihre Brust drükte; sondern zu einem Hund gebohren. Wärest du wie wir, von der ersten Stuffe des Lebens an, durch alle die angenehmen Grade von Glükseligkeit fortgeschritten, die diese kurze Welt denjenigen gewährt, die sich nur besinnen dürfen, was sie von allen ihren Waaren haben wollen: Du hättest dich in dem diksten Schlamm der Lüderlichkeit herumgewälzt, deine Jugend in den schändlichsten Ausschweiffungen verschwendet, und nimmermehr die kalten Vorschriften der Mässigung und des Wohlstands beobachten gelernt, sondern würdest dem verzükerten Spiel vor dir her blindlings nachgeloffen seyn. Aber daß ich, für dessen Vergnügen die ganze Welt arbeitete, der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen zu seinem Gebot hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken konnte, an dem unzähliche hiengen, wie die Blätter an einer Eiche; die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoß, von ihren Zweigen abgefallen sind, und mich entblößt und unbedekt jedem Sturm ausgesezt gelassen haben: Daß ich, der nie etwas anders als bessers gekannt hat, diß ertragen soll, ist etwas schwer. Dein Wesen fieng mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu abgehärtet. Warum solltest du die Menschen hassen? Sie haben dir nie geschmeichelt. Was hast du ihnen geben können? Wenn du fluchen willt, so muß dein Vater, der arme Lumpenhund, der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoß von Brunst, irgend eine Bettlerin überfallen, und dich armseligen Erb- Lumpenhund zusammgeflikt hat—Hinweg, pake dich!—Wärest du nicht zum untersten unter allen Menschen gebohren, so würdest du ein Spizbube und Schmeichler gewesen seyn.
Apemanthus.
Bist du noch stolz?
Timon.
Ja, daß ich nicht du bin.
Apemanthus.
Und ich, daß ich kein Verschwender gewesen bin.
Timon.
1 comment