– Stehenbleibend. – Wie lange will man mich hier noch warten lassen!
Auf ihr letztes Wort tritt der Marquis Casti Piani durch die Mitteltür ein. Er ist ein Mann von hoher Statur, mit kahlem Schädel, hoher Stirn, großen, melancholischen, schwarzen Augen, starker Adlernase und starkem, herabhängendem schwarzen Schnurrbart. Er trägt schwarzen Gehrock, dunkle Phantasieweste, tiefgraue Beinkleider, Lackstiefel und schwarze Krawatte mit Brillantnadel.
CASTI PIANI mit Verbeugung. Sie wünschen, gnädige Frau?
ELFRIEDE erregt. Das habe ich vorhin der – Dame schon so klar wie nur irgendwie menschenmöglich auseinandergesetzt, weshalb ich hier bin.
CASTI PIANI. Die – Dame hat mir gesagt, weshalb Sie hier sind. Die Dame sagte mir auch, Sie seien Mitglied des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels.
ELFRIEDE. Das bin ich allerdings! Ich bin Mitglied des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Aber wenn ich es auch nicht wäre, hätte ich mir diesen Weg doch um keinen noch so hohen Preis ersparen können. Seit dreiviertel Jahren bin ich auf der Spur dieses unglücklichen Geschöpfes. Überall, wohin ich bis jetzt gekommen bin, hatte man das Mädchen immer kurz zuvor wieder in eine andere Stadt verschleppt. Aber in diesem Hause ist sie! Sie ist jetzt noch hier! Das hat mir die – Dame, die eben hier war, auch ohne Umschweife zugestanden. Die Dame gab mir die Versicherung, sie werde das Mädchen hierher in dieses Zimmer schicken, damit ich hier ungestört unter vier Augen mit ihm sprechen könne. Ich warte hier jetzt nur auf das Mädchen. Ich habe keine Lust und keine Veranlassung dazu, hier noch ein zweites Verhör über mich ergehen zu lassen.
CASTI PIANI. Ich bitte Sie, gnädiges Fräulein, sich nicht noch mehr zu erregen. Das Mädchen möchte Ihnen – anständig gekleidet vor Augen treten. Die Dame bat mich, aus Furcht, Sie könnten sich in Ihrer Aufregung zu irgendeiner überflüssigen Gewaltmaßregel hinreißen lassen, Ihnen das zu sagen und Ihnen über die Beklommenheit, die Ihnen das Warten in diesen Räumlichkeiten verursachen muß, möglichst hinwegzuhelfen.
ELFRIEDE aufgeregt auf und ab gehend. Ich bitte Sie, sich Ihre liebenswürdige Unterhaltung zu ersparen. Die Atmosphäre, die hier herrscht, hat für mich nichts Neues mehr. Als ich solch ein Haus zum ersten Male betrat, hatte ich mit physischer Übelkeit zu kämpfen. An jenem Tage wurde mir erst klar, welch einen unerschwinglichen Aufwand von Selbstüberwindung ich durch meinen Eintritt in den Verein zur Bekämpfung des Mädchenhandels auf mich genommen hatte. Vorher waren mir unsere Bestrebungen ein eitler Zeitvertreib gewesen, den ich mitmachte, nur um nicht als nutzloses Geschöpf alt und grau zu werden.
CASTI PIANI. Diese Äußerung erweckt so viel Teilnahme in mir, daß ich mich versucht fühle, Sie um die Ehre zu bitten, sich in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels mir gegenüber legitimieren zu wollen. Erfahrungsgemäß drängen sich eine Menge Personen zu diesem Beruf, die ganz andere Ziele als die Rettung gefallener Mädchen verfolgen. Wenn es Ihnen um die Erreichung Ihrer hohen Ziele ernst ist, muß Ihnen die strenge Kontrolle, die wir auszuüben genötigt sind, im höchsten Maße willkommen sein.
ELFRIEDE. Ich bin seit nun schon bald drei Jahren Mitglied unseres Vereins. Mein Name ist – Fräulein von Malchus.
CASTI PIANI. Elfriede von Malchus?
ELFRIEDE.
1 comment