Ich möchte gern
Nicht übereilt und nicht undankbar scheinen:
Laß mich für beyde klug und sorgsam seyn.
Tasso.
Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt
Des Lebens zeigt wie sehr sie nöthig sey;
Doch schöner ist's, wenn uns die Seele sagt
Wo wir der feinen Vorsicht nicht bedürfen.
Antonio.
Darüber frage jeder sein Gemüth,
Weil er den Fehler selbst zu büßen hat.
Tasso.
So sey's! Ich habe meine Pflicht gethan,
Der Fürstinn Wort, die uns zu Freunden wünscht,
Hab' ich verehrt und mich dir vorgestellt.
Rückhalten durft' ich nicht, Antonio; doch gewiß,
Zudringen will ich nicht. Es mag denn seyn.
Zeit und Bekanntschaft heißen dich vielleicht
Die Gabe wärmer fodern, die du jetzt
So kalt bey Seite lehnst und fast verschmähst.
Antonio.
Der Mäßige wird öfters kalt genannt
Von Menschen, die sich warm vor andern glauben,
Weil sie die Hitze fliegend überfällt.
Tasso.
Du tadelst was ich tadle, was ich melde.
Auch ich verstehe wohl, so jung ich bin,
Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn.
Antonio.
Sehr weislich! Bleibe stets auf diesem Sinne.
Tasso.
Du bist berechtigt mir zu rathen, mich
Zu warnen, denn es steht Erfahrung dir
Als lang' erprobte Freundinn an der Seite.
Doch glaube nur, es horcht ein stilles Herz
Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung,
Und übt sich ingeheim an jedem Guten,
Das deine Strenge neu zu lehren glaubt.
Antonio.
Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst
Beschäft'gen, wenn es nur so nützlich wäre.
Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes
Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß
Sich bald zu klein und leider oft zu groß.
Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur
Das Leben lehret jedem was er sey.
Tasso.
Mit Beyfall und Verehrung hör' ich dich.
Antonio.
Und dennoch denkst du wohl bey diesen Worten
Ganz etwas anders, als ich sagen will.
Tasso.
Auf diese Weise rücken wir nicht näher.
Es ist nicht klug, es ist nicht wohl gethan,
Vorsetzlich einen Menschen zu verkennen,
Er sey auch wer er sey. Der Fürstinn Wort
Bedurft' es kaum, leicht hab' ich dich erkannt:
Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst.
Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt,
An Andre denkst du, Andern stehst du bey,
Und auf des Lebens leicht bewegter Woge
Bleibt dir ein stetes Herz. So seh' ich dich.
Und was wär' ich, ging ich dir nicht entgegen?
Sucht' ich begierig nicht auch einen Theil
An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst?
Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest;
Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst:
Und eines solchen Freunds bedurft' ich lange.
Ich schäme mich der Unerfahrenheit
Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch
Der Zukunft goldne Wolke mir um's Haupt.
O nimm mich, edler Mann, an deine Brust,
Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen,
Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein.
Antonio.
In Einem Augenblicke forderst du,
Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.
Tasso.
In Einem Augenblick gewährt die Liebe,
Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht.
Ich bitt' es nicht von dir, ich darf es fodern.
Dich ruf ich in der Tugend Namen auf,
Die gute Menschen zu verbinden eifert.
Und soll ich dir noch einen Namen nennen?
Die Fürstinn hofft's, Sie will's – Eleonore,
Sie will mich zu dir führen, dich zu mir.
O laß uns ihrem Wunsch entgegen gehn!
Laß uns verbunden vor die Göttinn treten,
Ihr unsern Dienst, die ganze Seele biethen,
Vereint für sie das Würdigste zu thun.
Noch einmal! – Hier ist meine Hand! Schlag' ein!
Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger,
O edler Mann, und gönne mir die Wollust,
Die schönste guter Menschen, sich dem Bessern
Vertrauend ohne Rückhalt hinzugeben!
Antonio.
Du gehst mit vollen Segeln! Scheint es doch,
Du bist gewohnt zu siegen, überall
Die Wege breit, die Pforten weit zu finden.
Ich gönne jeden Werth und jedes Glück
Dir gern, allein ich sehe nur zu sehr,
Wir stehn zu weit noch von einander ab.
Tasso.
Es sey an Jahren, an geprüftem Werth:
An frohem Muth und Willen weich' ich keinem.
Antonio.
Der Wille lockt die Thaten nicht herbey;
Der Muth stellt sich die Wege kürzer vor.
Wer angelangt am Ziel ist, wird gekrönt,
Und oft entbehrt ein Würd'ger eine Krone.
Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es
Von sehr verschiedner Art, sie lassen sich
Oft im Spazierengehn bequem erreichen.
Tasso.
Was eine Gottheit diesem frey gewährt
Und jenem streng versagt, ein solches Gut
Erreicht nicht jeder wie er will und mag.
Antonio.
Schreib' es dem Glück vor andern Göttern zu,
So hör' ich's gern, denn seine Wahl ist blind.
Tasso.
Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde
Und schließt die Augen jedem Blendwerk zu.
Antonio.
Das Glück erhebe billig der Beglückte!
Er dicht' ihm hundert Augen für's Verdienst
Und kluge Wahl und strenge Sorgfalt an,
Nenn' es Minerva, nenn' es wie er will,
Er halte gnädiges Geschenk für Lohn,
Zufälligen Putz für wohlverdienten Schmuck.
Tasso.
Du brauchst nicht deutlicher zu seyn. Es ist genug!
Ich blicke tief dir in das Herz und kenne
Für's ganze Leben dich. O kennte so
Dich meine Fürstinn auch! Verschwende nicht
Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge!
Du richtest sie vergebens nach dem Kranze,
Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt.
Sey erst so groß, mir ihn nicht zu beneiden!
Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen.
Ich acht' ihn heilig und das höchste Gut:
Doch zeige mir den Mann, der das erreicht,
Wornach ich strebe, zeige mir den Helden,
Von dem mir die Geschichten nur erzählten;
Den Dichter stell' mir vor, der sich Homeren,
Virgilen sich vergleichen darf, ja, was
Noch mehr gesagt ist, zeige mir den Mann,
Der dreyfach diesen Lohn verdiente, den
Die schöne Krone dreyfach mehr als mich
Beschämte: dann sollst du mich knieend sehn
Vor jener Gottheit, die mich so begabte;
Nicht eher stünd' ich auf, bis sie die Zierde
Von meinem Haupt auf seins hinüber drückte.
Antonio.
Bis dahin bleibst du freylich ihrer werth.
Tasso.
Man wäge mich, das will ich nicht vermeiden,
Allein Verachtung hab' ich nicht verdient.
Die Krone, der mein Fürst mich würdig achtete,
Die meiner Fürstinn Hand für mich gewunden,
Soll keiner mir bezweifeln noch begrinsen!
Antonio.
Es ziemt der hohe Ton, die rasche Glut
Nicht dir zu mir, noch dir an diesem Orte.
Tasso.
Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir.
Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt?
Ist im Pallast der freye Geist gekerkert?
Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden?
Mich dünkt hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz,
Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe
Der Großen dieser Erde nicht erfreun?
Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten
Durch Adel nur, der uns von Vätern kam;
Warum nicht durch's Gemüth, das die Natur
Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem
Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte.
Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen,
Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt:
Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe
An diesen Marmorwänden haften soll.
Antonio.
Du zeigst mir selbst mein Recht dich zu verschmähn!
Der übereilte Knabe will des Mann's
Vertraun und Freundschaft mit Gewalt ertrotzen?
Unsittlich wie du bist hältst du dich gut?
Tasso.
Viel lieber was ihr euch unsittlich nennt,
Als was ich mir unedel nennen müßte.
Antonio.
Du bist noch jung genug, daß gute Zucht
Dich eines bessern Wegs belehren kann.
Tasso.
Nicht jung genug, vor Götzen mich zu neigen,
Und Trotz mit Trotz zu bänd'gen, alt genug.
Antonio.
Wo Lippenspiel und Saitenspiel entscheiden,
Ziehst du als Held und Sieger wohl davon.
Tasso.
Verwegen wär' es meine Faust zu rühmen,
Denn sie hat nichts gethan, doch ich vertrau' ihr.
Antonio.
Du traust auf Schonung, die dich nur zu sehr
im frechen Laufe deines Glücks verzog.
Tasso.
Daß ich erwachsen bin, das fühl' ich nun;
Mit dir am wenigsten hätt' ich gewünscht
Das Wagespiel der Waffen zu versuchen:
Allein du schürest Glut auf Glut, es kocht
Das inn're Mark, die schmerzliche Begier
Der Rache siedet schäumend in der Brust.
Bist du der Mann der du dich rühmst, so steh' mir.
Antonio.
Du weißt so wenig wer, als wo du bist.
Tasso.
Kein Heiligthum heißt uns den Schimpf ertragen.
Du lästerst, du entweihest diesen Ort,
Nicht ich, der ich Vertraun, Verehrung, Liebe,
Das schönste Opfer, dir entgegen trug.
Dein Geist verunreint dieses Paradies
Und deine Worte diesen reinen Saal,
Nicht meines Herzens schwellendes Gefühl,
Das braus't, den kleinsten Flecken nicht zu leiden.
Antonio.
Welch hoher Geist in einer engen Brust!
Tasso.
Hier ist noch Raum dem Busen Luft zu machen.
Antonio.
Es macht das Volk sich auch mit Worten Luft.
Tasso.
Bist du ein Edelmann wie ich, so zeig' es.
Antonio.
Ich bin es wohl, doch weiß ich wo ich bin.
Tasso.
Komm mit herab, wo unsre Waffen gelten.
Antonio.
Wie du nicht fordern solltest, folg' ich nicht.
Tasso.
Der Feigheit ist solch Hinderniß willkommen.
Antonio.
Der Feige droht nur, wo er sicher ist.
Tasso.
Mit Freuden kann ich diesem Schutz entsagen.
Antonio.
Vergib dir nur, dem Ort vergibst du nichts.
Tasso.
Verzeihe mir der Ort daß ich es litt.
Er zieht den Degen.
Zieh' oder folge, wenn ich nicht auf ewig,
Wie ich dich hasse, dich verachten soll.
Vierter Auftritt.
Alphons. Die Vorigen.
Alphons.
In welchem Streit treff' ich euch unerwartet?
Antonio.
Du findest mich, o Fürst, gelassen stehn
Vor einem, den die Wuth ergriffen hat.
Tasso.
Ich bethe dich als eine Gottheit an,
Daß du mit Einem Blick mich warnend bändigst.
Alphons.
Erzähl', Antonio, Tasso, sag' mir an,
Wie hat der Zwist sich in mein Haus gedrungen?
Wie hat er euch ergriffen, von der Bahn
Der Sitten, der Gesetze kluge Männer
Im Taumel weggerissen? Ich erstaune.
Tasso.
Du kennst uns beyde nicht, ich glaub' es wohl:
Hier dieser Mann, berühmt als klug und sittlich,
Hat roh und hämisch, wie ein unerzogner,
Unedler Mensch sich gegen mich betragen.
Zutraulich nahe ich ihm, er stieß mich weg;
Beharrlich liebend drang ich mich zu ihm,
Und bitter, immer bittrer ruht' er nicht,
Bis er den reinsten Tropfen Bluts in mir
Zu Galle wandelte. Verzeih'! Du hast mich hier
Als einen Wüthenden getroffen. Dieser
Hat alle schuld, wenn ich mich schuldig machte.
Er hat die Glut gewaltsam angefacht,
Die mich ergriff und mich und ihn verletzte.
Antonio.
Ihn riß der hohe Dichterschwung hinweg!
Du hast, o Fürst, zuerst mich angeredet,
Hast mich gefragt: es sey mir nun erlaubt,
Nach diesem raschen Redner auch zu sprechen.
Tasso.
O ja, erzähl', erzähl' von Wort zu Wort,
Und kannst du jede Sylbe, jede Miene
Vor diesen Richter stellen, wag' es nur!
Beleidige dich selbst zum zweytenmale,
Und zeuge wider dich! dagegen will
Ich keinen Hauch und keinen Pulsschlag läugnen.
Antonio.
Wenn du noch mehr zu reden hast, so sprich:
Wo nicht, so schweig' und unterbrich mich nicht.
Ob ich, mein Fürst, ob dieser heiße Kopf
Den Streit zuerst begonnen? wer es sey,
Der Unrecht hat? ist eine weite Frage,
Die wohl zuvörderst noch auf sich beruht.
Tasso.
Wie das? mich dünkt, das ist die erste Frage,
Wer von uns beyden Recht und Unrecht hat.
Antonio.
Nicht ganz, wie sich's der unbegränzte Sinn
Gedenken mag.
Alphons. Antonio!
Antonio. Gnädigster,
Ich ehre deinen Wink, doch laß ihn schweigen:
Hab' ich gesprochen, mag er weiter reden;
Du wirst entscheiden. Also sag' ich nur:
Ich kann mit ihm nicht rechten, kann ihn weder
Verklagen, noch mich selbst vertheid'gen, noch
Ihm jetzt genug zu thun mich anerbiethen.
Denn wie er steht, ist er kein freyer Mann.
Es waltet über ihm ein schwer Gesetz,
Das deine Gnade höchstens lindern wird.
Er hat mir hier gedroht, hat mich gefodert;
Vor dir verbarg er kaum das nackte Schwert.
Und tratst du, Herr, nicht zwischen uns herein,
So stünde jetzt auch ich als pflichtvergessen,
Mitschuldig und beschämt vor deinem Blick.
Alphons zu Tasso.
Du hast nicht wohl gethan.
Tasso. Mich spricht, o Herr,
Mein eigen Herz, gewiß auch deines frey.
Ja, es ist wahr, ich drohte, forderte,
Ich zog. Allein, wie tückisch seine Zunge
Mit wohlgewählten Worten mich verletzt,
Wie scharf und schnell sein Zahn das feine Gift
Mir in das Blut geflößt, wie er das Fieber
Nur mehr und mehr erhitzt – Du denkst es nicht!
Gelassen, kalt, hat er mich ausgehalten,
Auf's höchste mich getrieben. O! du kennst,
Du kennst ihn nicht und wirst ihn niemals kennen!
Ich trug ihm warm die schönste Freundschaft an;
Er warf mir meine Gaben vor die Füße;
Und hätte meine Seele nicht geglüht,
So war sie deiner Gnade, deines Dienstes
Auf ewig unwerth. Hab' ich des Gesetzes
Und dieses Orts vergessen, so verzeih.
Auf keinem Boden darf ich niedrig seyn,
Erniedrigung auf keinem Boden dulden.
Wenn dieses Herz, es sey auch wo es will,
Dir fehlt und sich, dann strafe, dann verstoße,
Und laß mich nie dein Auge wiedersehn.
Antonio.
Wie leicht der Jüngling schwere Lasten trägt
Und Fehler wie den Staub vom Kleide schüttelt!
Es wäre zu verwundern, wenn die Zauberkraft
Der Dichtung nicht bekannter wäre, die
Mit dem Unmöglichen so gern ihr Spiel
Zu treiben liebt. Ob du auch so, mein Fürst,
Ob alle deine Diener diese That
So unbedeutend halten; zweifl' ich fast.
Die Majestät verbreitet ihren Schutz
Auf jeden, der sich ihr wie einer Gottheit
Und ihrer unverletzten Wohnung naht.
Wie an dem Fuße des Altars, bezähmt
Sich auf der Schwelle jede Leidenschaft.
Da blinkt kein Schwert, da fällt kein drohend Wort,
Da fordert selbst Beleid'gung keine Rache.
Es bleibt das weite Feld ein offner Raum
Für Grimm und Unversöhnlichkeit genug.
Dort wird kein Feiger drohn, kein Mann wird fliehn.
Hier diese Mauern haben deine Väter
Auf Sicherheit gegründet, ihrer Würde
Ein Heiligthum befestigt, diese Ruhe
Mit schweren Strafen ernst und klug erhalten;
Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schuldigen.
Da war kein Ansehn der Person, es hielt
Die Milde nicht den Arm des Rechts zurück;
Und selbst der Frevler fühlte sich geschreckt.
Nun sehen wir nach langem schönem Frieden
In das Gebieth der Sitten rohe Wuth
Im Taumel wiederkehren. Herr, entscheide,
Bestrafe! denn wer kann in seiner Pflicht
Beschränkten Gränzen wandeln, schützet ihn
Nicht das Gesetz und seines Fürsten Kraft?
Alphons.
Mehr als ihr beyde sagt und sagen könnt,
Läßt unparteyisch das Gemüth mich hören.
Ihr hättet schöner eure Pflicht gethan,
Wenn ich dieß Urtheil nicht zu sprechen hätte.
Denn hier sind Recht und Unrecht nah verwandt.
Wenn dich Antonio beleidigt hat,
So hat er dir auf irgend eine Weise
Genugzuthun, wie du es fordern wirst.
Mir wär' es lieb, ihr wähltet mich zum Austrag.
Indessen, dein Vergehen macht, o Tasso,
Dich zum Gefangnen. Wie ich dir vergebe:
So lindr' ich das Gesetz um deinetwillen.
Verlaß uns, Tasso! bleib' auf deinem Zimmer,
Von dir und mit dir selbst allein bewacht.
Tasso.
Ist dieß, o Fürst, dein richterlicher Spruch?
Antonio.
Erkennest du des Vaters Milde nicht?
Tasso zu Antonio.
Mit dir hab' ich vorerst nichts mehr zu reden.
Zu Alphons.
O Fürst, es übergibt dein ernstes Wort
Mich Freyen der Gefangenschaft. Es sey!
Du hältst es Recht. Dein heilig Wort verehrend,
Heiß' ich mein innres Herz im tiefsten schweigen.
Es ist mir neu, so neu, daß ich fast dich
Und mich und diesen schönen Ort nicht kenne.
Doch diesen kenn' ich wohl – Gehorchen will ich,
Ob ich gleich hier noch manches sagen könnte,
Und sagen sollte. Mir verstummt die Lippe.
War's ein Verbrechen? Wenigstens es scheint,
Ich bin als ein Verbrecher angesehn.
Und, was mein Herz auch sagt, ich bin gefangen.
Alphons.
Du nimmst es höher, Tasso, als ich selbst.
Tasso.
Mir bleibt es unbegreiflich wie es ist;
Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind;
Ich meine fast, ich müßt' es denken können.
Auf einmal winkt mich eine Klarheit an,
Doch augenblicklich schließt sich's wieder zu,
Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich.
Das sind zu viel vergebne Worte schon!
Gewöhne dich von nun an zu gehorchen;
Ohnmächt'ger! du vergaßest wo du standst;
Der Götter Saal schien dir auf gleicher Erde,
Nun überwältigt dich der jähe Fall,
Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne,
Auch willig das Beschwerliche zu thun.
Hier nimm den Degen erst, den du mir gabst,
Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte,
Ich führe ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande,
Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe
Entäußr' ich mich mit tief gerührtem Herzen.
Alphons.
Wie ich zu dir gesinnt bin fühlst du nicht.
Tasso.
Gehorchen ist mein Loos und nicht zu denken!
Und leider eines herrlichern Geschenks
Verläugnung fordert das Geschick von mir.
Die Krone kleidet den Gefangnen nicht:
Ich nehme selbst von meinem Haupt die Zierde,
Die für die Ewigkeit gegönnt mir schien.
Zu früh war mir das schönste Glück verliehen,
Und wird, als hätt' ich sein mich überhoben,
Mir nur zu bald geraubt.
Du nimmst dir selbst, was keiner nehmen konnte
Und was kein Gott zum zweytenmale gibt.
Wir Menschen werden wunderbar geprüft;
Wir könnten's nicht ertragen, hätt' uns nicht
Den holden Leichtsinn die Natur verliehn.
Mit unschätzbaren Gütern lehret uns
Verschwenderisch die Noth gelassen spielen:
Wir öffnen willig unsre Hände, daß
Unwiederbringlich uns ein Gut entschlüpfe:
Mit diesem Kuß vereint sich eine Thräne,
Und weiht dich der Vergänglichkeit! es ist
Erlaubt das holde Zeichen unsrer Schwäche!
Wer weinte nicht, wenn das Unsterbliche
Vor der Zerstörung selbst nicht sicher ist?
Geselle dich zu diesem Degen, der
Dich leider nicht erwarb, um ihn geschlungen
Ruhe, wie auf dem Sarg der Tapfern, auf
Dem Grabe meines Glücks und meiner Hoffnung!
Hier leg' ich beyde willig dir zu Füßen;
Denn wer ist wohl gewaffnet, wenn du zürnst?
Und wer geschmückt, o Herr, den du verkennst?
Gefangen geh' ich, warte des Gerichts.
Auf des Fürsten Wink, hebt ein Page den Degen mit dem Kranze auf und trägt ihn weg.
Fünfter Auftritt.
Alphons. Antonio.
Antonio.
Wo schwärmt der Knabe hin? Mit welchen Farben
Mahlt er sich seinen Werth und sein Geschick?
Beschränkt und unerfahren hält die Jugend
Sich für ein einzig auserwähltes Wesen,
Und alles über alle sich erlaubt.
Er fühle sich gestraft, und strafen heißt
Dem Jüngling wohlthun, daß der Mann uns danke.
Alphons.
Er ist gestraft, ich fürchte, nur zu viel.
Antonio.
Wenn du gelind mit ihm verfahren magst,
So gib, o Fürst, ihm seine Freyheit wieder,
Und unsern Zwist entscheide dann das Schwert.
Alphons.
Wenn es die Meinung fordert, mag es seyn.
Doch sprich, wie hast du seinen Zorn gereitzt?
Antonio.
Ich wüßte kaum zu sagen, wie's geschah.
Als Menschen hab' ich ihn vielleicht gekränkt,
Als Edelmann hab' ich ihn nicht beleidigt.
Und seinen Lippen ist im größten Zorne
Kein sittenloses Wort entflohn.
Alphons. So schien
Mir euer Streit, und was ich gleich gedacht,
Bekräftigt deine Rede mir noch mehr.
Wenn Männer sich entzweyen, hält man billig
Den Klügsten für den Schuldigen. Du solltest
Mit ihm nicht zürnen; ihn zu leiten stünde
Dir besser an. Noch immer ist es Zeit:
Hier ist kein Fall, der euch zu streiten zwänge.
So lang' mir Friede bleibt, so lange wünsch' ich
In meinem Haus ihn zu genießen.
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