Er muß uns bleiben.
Und bilden wir dann auch umsonst an ihm,
So ist er nicht der einz'ge, den wir dulden.

Leonore.
So ohne Leidenschaft, so unparteyisch
Glaubt' ich dich nicht. Du hast dich schnell bekehrt.

Antonio.
Das Alter muß doch Einen Vorzug haben,
Daß, wenn es auch dem Irrthum nicht entgeht,
Es doch sich auf der Stelle fassen kann.
Du warst, mich deinem Freunde zu versöhnen,
Zuerst bemüht. Nun bitt' ich es von dir.
Thu' was du kannst, daß dieser Mann sich finde,
Und alles wieder bald im Gleichen sey.
Ich gehe selbst zu ihm, so bald ich nur
Von dir erfahre, daß er ruhig ist,
So bald du glaubst, daß meine Gegenwart
Das Übel nicht vermehrt. Doch was du thust,
Das thu' in dieser Stunde; denn es geht
Alphons heut' Abend noch zurück, und ich
Werd' ihn begleiten. Leb' indessen wohl.

Fünfter Auftritt.

Leonore allein.
Für dießmal, lieber Freund, sind wir nicht eins,
Mein Vortheil und der deine gehen heut
Nicht Hand in Hand. Ich nütze diese Zeit
Und suche Tasso zu gewinnen. Schnell!

Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Zimmer.

Tasso allein.
Bist du aus einem Traum erwacht, und hat
Der schöne Trug auf einmal dich verlassen?
Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust
Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun
Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja,
Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin,
Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten?
Die Tage, wo dein Geist mit freyer Sehnsucht
Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang?
Und dennoch lebst du noch, und fühlst dich an,
Du fühlst dich an, und weißt nicht ob du lebst.
Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld,
Daß ich mich nun als schuldig hier befinde?
Hab, ich verbrochen, daß ich leiden soll?
Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst?
Ich sah ihn an, und ward vom guten Willen,
Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt:
Der sey ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt.
Ich ging mit off'nen Armen auf ihn los,
Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust.
O hatt' ich doch so klug mir ausgedacht,
Wie ich den Mann empfangen wollte, der
Von alten Zeiten mir verdächtig war!
Allein was immer dir begegnet sey,
So halte dich an der Gewißheit fest:
Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir!
Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen!
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht
Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück,
Und hob mein Geist sich da zu schnell empor,
Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen
Der Flamme Luft, die mich nun selbst verzehrt,
So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst
Auf ewig das Geschick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und folgte froh
Dem Winke, der mich in's Verderben rief.
Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt
Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt,
In dieser Stunde selbst erquickt, die mir
Die schwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltsam öffnet. – Ja, nun ist's gethan!
Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst
Auf einmal unter; seinen holden Blick
Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier
Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn.
Das häßliche zweydeutige Geflügel,
Das leidige Gefolg' der alten Nacht,
Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt.
Wohin, wohin beweg' ich meinen Schritt?
Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaußt,
Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt?

Zweyter Auftritt.

Leonore. Tasso.

Leonore.
Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat
Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben?
Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt.
Und deine Sanftmuth, dein gefällig Wesen,
Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand,
Mit dem du jedem gibst was ihm gehört,
Dein Gleichmuth, der erträgt, was zu ertragen
Der Edle bald, der Eitle selten lernt,
Die kluge Herrschaft über Zung' und Lippe? –
Mein theurer Freund, fast ganz verkenn' ich dich.

Tasso.
Und wenn das alles nun verloren wäre?
Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt,
Auf einmal du als einen Bettler fändest?
Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst,
Und bin's doch noch so gut als wie ich's war.
Es scheint ein Räthsel, und doch ist es keins.
Der stille Mond, der dich bey Nacht erfreut,
Dein Auge, dein Gemüth mit seinem Schein
Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage
Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin.
Ich bin vom Glanz des Tages überschienen,
Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr.

Leonore.
Was du mir sagst, mein Freund, versteh' ich nicht
Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir.
Hat die Beleidigung des schroffen Mann's
Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns
So ganz verkennen magst? Vertraue mir.

Tasso.
Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst
Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe.
Die Knoten vieler Worte lös't das Schwert
Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen.
Du weißt wohl kaum – erschrick nicht, zarte Freundinn –
Du triffst den Freund in einem Kerker an.
Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler.
Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht.

Leonore.
Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt.

Tasso.
Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind,
Daß solch ein Fall mich gleich zerrütten könne?
Das was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief,
Allein das kränkt mich, was es mir bedeutet.
Laß meine Neider meine Feinde nur
Gewähren! Frey und offen ist das Feld.

Leonore.
Du hast gar manchen fälschlich in Verdacht,
Ich habe selbst mich überzeugen können.
Und auch Antonio feindet dich nicht an,
Wie du es wähnst. Der heutige Verdruß –

Tasso.
Den laß' ich ganz bey Seite, nehme nur
Antonio wie er war und wie er bleibt.
Verdrießlich fiel mir stets die steife Klugheit,
Und daß er immer nur den Meister spielt.
Anstatt zu forschen, ob des Hörers Geist
Nicht schon für sich auf guten Spuren wandle,
Belehrt er dich von manchem, das du besser
Und tiefer fühltest, und vernimmt kein Wort,
Das du ihm sagst, und wird dich stets verkennen.
Verkannt zu seyn, verkannt von einem Stolzen,
Der lächelnd dich zu übersehen glaubt!
Ich bin so alt noch nicht und nicht so klug,
Daß ich nur duldend gegenlächeln sollte.
Früh oder spat, es konnte sich nicht halten,
Wir mußten brechen; später wär' es nur,
Um desto schlimmer worden. Einen Herrn
Erkenn' ich nur, den Herrn der mich ernährt,
Dem folg' ich gern, sonst will ich keinen Meister.
Frey will ich seyn im Denken und im Dichten,
Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.

Leonore.
Er spricht mit Achtung oft genug von dir.

Tasso.
Mit Schonung willst du sagen, fein und klug.
Und das verdrießt mich eben; denn er weiß
So glatt und so bedingt zu sprechen, daß
Sein Lob erst recht zum Tadel wird, und daß
Nichts mehr, nichts tiefer dich verletzt, als Lob
Aus seinem Munde.

Leonore.                         Möchtest du, mein Freund
Vernommen haben, wie er sonst von dir
Und dem Talente sprach, das dir vor vielen
Die gütige Natur verlieh. Er fühlt gewiß,
Das was du bist und hast, und schätzt es auch.

Tasso.
O glaube mir, ein selbstisches Gemüth
Kann nicht der Qual des engen Neid's entfliehen.
Ein solcher Mann verzeiht dem andern wohl
Vermögen, Stand und Ehre; denn er denkt,
Das hast du selbst, das hast du wenn du willst,
Wenn du beharrst, wenn dich das Glück begünstigt.
Doch das, was die Natur allein verleiht,
Was jeglicher Bemühung, jedem Streben
Stets unerreichbar bleibt, was weder Gold,
Noch Schwert, noch Klugheit, noch Beharrlichkeit
Erzwingen kann, das wird er nie verzeihn.
Er gönnt es mir? Er, der mit steifem Sinn
Die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt?
Der, wenn er die Gedanken mancher Dichter
Zusammenreiht, sich selbst ein Dichter scheint?
Weit eher gönnt er mir des Fürsten Gunst,
Die er doch gern auf sich beschränken möchte,
Als das Talent, das jene Himmlischen
Dem armen, dem verwais'ten Jüngling gaben.

Leonore.
O sähest du so klar, wie ich es sehe!
Du irrst dich über ihn, so ist er nicht.

Tasso.
Und irr' ich mich an ihm, so irr' ich gern!
Ich denk' ihn mir als meinen ärgsten Feind,
Und wär' untröstlich, wenn ich mir ihn nun
Gelinder denken müßte. Thöricht ist's
In allen Stücken billig seyn; es heißt
Sein eigen Selbst zerstören. Sind die Menschen
Denn gegen uns so billig? Nein, o nein!
Der Mensch bedarf in seinem engen Wesen
Der doppelten Empfindung, Lieb' und Haß.
Bedarf er nicht der Nacht als wie des Tag's?
Des Schlafens wie des Wachens? Nein, ich muß
Von nun an diesen Mann als Gegenstand,
Von meinem tiefsten Haß behalten; nichts
Kann mir die Lust entreißen schlimm und schlimmer
Von ihm zu denken.

Leonore.                         Willst du, theurer Freund
Von deinem Sinn nicht lassen, seh' ich kaum,
Wie du am Hofe länger bleiben willst.
Du weißt, wie viel er gilt und gelten muß.

Tasso.
Wie sehr ich lang', o schöne Freundinn, hier
Schon überflüssig bin, das weiß ich wohl.

Leonore.
Das bist du nicht, das kannst du nimmer werden!
Du weißt vielmehr, wie gern der Fürst mit dir,
Wie gern die Fürstinn mit dir lebt; und kommt
Die Schwester von Urbino, kommt sie fast
So sehr um dein't- als der Geschwister willen.
Sie denken alle gut und gleich von dir,
Und jegliches vertraut dir unbedingt.

Tasso.
O Leonore, welch Vertraun ist das?
Hat er von seinem Staate je ein Wort,
Ein ernstes Wort mit mir gesprochen? Kam
Ein eigner Fall, worüber er sogar
In meiner Gegenwart mit seiner Schwester,
Mit andern sich berieth, mich fragt' er nie.
Da hieß es immer nur: Antonio kommt!
Man muß Antonio schreiben! fragt Antonio!

Leonore.
Du klagst anstatt zu danken. Wenn er dich
In unbedingter Freyheit lassen mag,
So ehrt er dich, wie er dich ehren kann.

Tasso.
Er läßt mich ruhn, weil er mich unnütz glaubt.

Leonore.
Du bist nicht unnütz, eben weil du ruhst.
So lange hegst du schon Verdruß und Sorge,
Wie ein geliebtes Kind, an deiner Brust.
Ich hab' es oft bedacht, und mag's bedenken
Wie ich es will, auf diesem schönen Boden,
Wohin das Glück dich zu verpflanzen schien,
Gedeihst du nicht. O Tasso! – rath' ich dir's?
Sprech' ich es aus? – Du solltest dich entfernen!

Tasso.
Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt!
Reich' ihm das Mittel, denke nicht daran,
Ob's bitter sey. – Ob er geneßen könne,
Das überlege wohl, o kluge, gute Freundinn!
Ich seh' es alles selbst, es ist vorbey!
Ich kann ihm wohl verzeihen, er nicht mir;
Und sein bedarf man, leider! meiner nicht.
Und er ist klug, und leider! bin ich's nicht.
Er wirkt zu meinem Schaden, und ich kann,
Ich mag nicht gegenwirken. Meine Freunde
Sie lassen's gehn, sie sehen's anders an,
Sie widerstreben kaum, und sollten kämpfen.
Du glaubst, ich soll hinweg, ich glaub' es selbst –
So lebt denn wohl! ich werd' auch das ertragen.
Ihr seyd von mir geschieden – werd' auch mir
Von euch zu scheiden, Kraft und Muth verliehn!

Leonore.
Ach in der Ferne zeigt sich alles reiner,
Was in der Gegenwart uns nur verwirrt.
Vielleicht wirst du erkennen, welche Liebe
Dich überall umgab, und welchen Werth
Die Treue wahrer Freunde hat, und wie
Die weite Welt die Nächsten nicht ersetzt.

Tasso.
Das werden wir erfahren! Kenn' ich doch
Die Welt von Jugend auf, wie sie so leicht
Uns hülflos, einsam läßt, und ihren Weg
Wie Sonn' und Mond und andre Götter geht.

Leonore.
Vernimmst du mich, mein Freund, so sollst du nie
Die traurige Erfahrung wiederhohlen.
Soll ich dir rathen, so begibst du dich
Erst nach Florenz, und eine Freundinn wird
Gar freundlich für dich sorgen. Sey getrost,
Ich bin es selbst. Ich reise, den Gemahl
Die nächsten Tage dort zu finden, kann
Nichts freudiger für ihn und mich bereiten,
Als wenn ich dich in unsre Mitte bringe.
Ich sage dir kein Wort, du weißt es selbst,
Welch einem Fürsten du dich nahen wirst,
Und welche Männer diese schöne Stadt
In ihrem Busen hegt, und welche Frauen.
Du schweigst? Bedenk' es wohl! Entschließe dich.

Tasso.
Gar reitzend ist, was du mir sagst, so ganz
Dem Wunsch gemäß, den ich im Stillen nähre;
Allein es ist zu neu: ich bitte dich
Laß mich bedenken, ich beschließe bald.

Leonore.
Ich gehe mit der schönsten Hoffnung weg
Für dich und uns und auch für dieses Haus.
Bedenke nur, und wenn du recht bedenkst,
So wirst du schwerlich etwas bessers denken.

Tasso.
Noch eins, geliebte Freundinn! sage mir,
Wie ist die Fürstinn gegen mich gesinnt?
War sie erzürnt auf mich? Was sagte sie? –
Sie hat mich sehr getadelt? Rede frey.

Leonore.
Da sie dich kennt, hat sie dich leicht entschuldigt.

Tasso.
Hab' ich bey ihr verloren? schmeichle nicht.

Leonore.
Der Frauen Gunst wird nicht so leicht verscherzt.

Tasso.
Wird sie mich gern entlassen, wenn ich gehe?

Leonore.
Wenn es zu deinem Wohl gereicht, gewiß.

Tasso.
Werd' ich des Fürsten Gnade nicht verlieren?

Leonore.
In seiner Großmuth kannst du sicher ruhn.

Tasso.
Und lassen wir die Fürstinn ganz allein?
Du gehst hinweg; und wenn ich wenig bin,
So weiß ich doch, daß ich ihr etwas war.

Leonore.
Gar freundliche Gesellschaft leistet uns
Ein ferner Freund, wenn wir ihn glücklich wissen.
Und es gelingt, ich sehe dich beglückt,
Du wirst von hier nicht unzufrieden gehn.
Der Fürst befahl's, Antonio sucht dich auf.
Er tadelt selbst an sich die Bitterkeit,
Womit er dich verletzt. Ich bitte dich,
Nimm ihn gelassen auf, so wie er kommt.

Tasso.
Ich darf in jedem Sinne vor ihm stehn.

Leonore.
Und schenke mir der Himmel, lieber Freund,
Noch eh' du scheidest, dir das Aug' zu öffnen:
Daß niemand dich im ganzen Vaterlande
Verfolgt und haßt, und heimlich druckt und neckt!
Du irrst gewiß, und wie du sonst zur Freude
Von andern dichtest, leider dichtest du
In diesem Fall ein seltenes Gewebe,
Dich selbst zu kränken. Alles will ich thun,
Um es entzwey zu reißen, daß du frey
Den schönen Weg des Lebens wandeln mögest.
Leb' wohl! Ich hoffe bald ein glücklich Wort.

Dritter Auftritt.

Tasso allein.
Ich soll erkennen, daß mich niemand haßt.
Daß niemand mich verfolgt, daß alle List
Und alles heimliche Gewebe sich
Allein in meinem Kopfe spinnt und webt!
Bekennen soll ich, daß ich unrecht habe,
Und manchem unrecht thue, der es nicht
Um mich verdient! Und das in einer Stunde,
Da vor dem Angesicht der Sonne klar
Mein volles Recht, wie ihre Tücke, liegt!
Ich soll es tief empfinden, wie der Fürst
Mit offner Brust mir seine Gunst gewährt,
Mit reichem Maß die Gaben mir ertheilt,
Im Augenblicke, da er, schwach genug,
Von meinen Feinden sich das Auge trüben
Und seine Hand gewiß auch fesseln läßt!

Daß er betrogen ist, kann er nicht sehen,
Daß sie Betrüger sind, kann ich nicht zeigen,
Und nur damit er ruhig sich betrüge,
Daß sie gemächlich ihn betrügen können,
Soll ich mich stille halten, weichen gar!

Und wer gibt mir den Rath? Wer dringt so klug
Mit treuer, lieber Meinung auf mich ein?
Lenore selbst, Lenore Sanvitale,
Die zarte Freundinn! Ha, dich kenn' ich nun!
O warum traut' ich ihrer Lippe je!
Sie war nicht redlich, wenn sie noch so sehr
Mir ihre Gunst, mir ihre Zärtlichkeit
Mit süßen Worten zeigte! Nein, sie war
Und bleibt ein listig Herz, sie wendet sich
Mit leisen klugen Tritten nach der Gunst.

Wie oft hab' ich mich willig selbst betrogen,
Auch über sie; und doch im Grunde hat
Mich nur – die Eitelkeit betrogen. Wohl!
Ich kannte sie, und schmeichelte mir selbst.
So ist sie gegen andre, sagt' ich mir,
Doch gegen dich ist's offne treue Meinung.
Nun seh' ich's wohl, und seh' es nur zu spät:
Ich war begünstigt, und sie schmiegte sich
So zart – an den Beglückten. Nun ich falle,
Sie wendet mir den Rücken wie das Glück.

Nun kommt sie als ein Werkzeug meines Feindes,
Sie schleicht heran und zischt mit glatter Zunge,
Die kleine Schlange, zauberische Töne.
Wie lieblich schien sie! Lieblicher als je!
Wie wohl that von der Lippe jedes Wort!
Doch konnte mir die Schmeicheley nicht lang'
Den falschen Sinn verbergen; an der Stirne
Schien ihr das Gegentheil zu klar geschrieben
Von allem was sie sprach. Ich fühl' es leicht,
Wenn man den Weg zu meinem Herzen sucht
Und es nicht herzlich meint. Ich soll hinweg?
Soll nach Florenz, sobald ich immer kann?

Und warum nach Florenz? Ich seh' es wohl.
Dort herrscht der Mediceer neues Haus,
Zwar nicht in offner Feindschaft mit Ferrara,
Doch hält der stille Neid mit kalter Hand,
Die edelsten Gemüther aus einander.
Empfang' ich dort von jenen edlen Fürsten
Erhabne Zeichen ihrer Gunst, wie ich
Gewiß erwarten dürfte, würde bald
Der Höfling meine Treu' und Dankbarkeit
Verdächtig machen.