Immer holt mich ein Wagen ab, und immer ein anderer.«
»Du machst mich neugierig, Nachtigall«, meinte Fridolin kühl.
»Här' zu«, sagte Nachtigall nach einigem Zögern. »Wenn ich einem auf der Welt vergennte – aber, wie macht man nur –«, und plötzlich: »Hast du Courage?«
»Sonderbare Frage«, sagte Fridolin im Ton eines beleidigten Couleurstudenten.
»Ich meine nicht soo.«
»Also wie meinst du eigentlich? Wozu braucht man bei dieser Gelegenheit so besondere Courage? Was kann einem denn passieren?« Und er lachte kurz und verächtlich.
» Mir kann nichts passieren, heechstens, daß ich zum letzten Male heite – aber das ist vielleicht auch soo.« Er schwieg und blickte wieder durch den Vorhangspalt hinaus.
»Na also?«
»Wie meinst du?« fragte Nachtigall wie aus einem Traum.
»Erzähl' doch weiter. Wenn du schon einmal angefangen hast... Geheime Veranstaltung? Geschlossene Gesellschaft? Geladene Gäste?«
»Ich weiß nicht. Neilich waren dreißig Menschen, das erstemal nur sechzehn.«
»Ein Ball?«
»Natürlich ein Ball.« Er schien jetzt zu bereuen, daß er überhaupt gesprochen hatte.
»Und du machst Musik dazu?«
»Wieso dazu? Ich weiß nicht wozu. Wirklich, ich weiß nicht. Ich spielle, ich spielle – mit verbundene Augen.«
»Nachtigall, Nachtigall, was singst du da für ein Lied!«
Nachtigall seufzte leise. »Aber leider nicht ganz verbunden. Nicht so, daß ich gar nichts sehe. Ich seh' nämlich im Spiegel durch das schwarze Seidentuch über meine Augen...« Und wieder schwieg er.
»Mit einem Wort«, sagte Fridolin ungeduldig und verächtlich, fühlte sich aber sonderbar erregt... »nackte Frauenzimmer. «
»Sag nicht Frauenzimmer, Fridolin«, erwiderte Nachtigall wie beleidigt, »solche Weiber hast du nie gesehen.«
Fridolin räusperte sich leicht. »Und wie hoch ist das Entrée?« fragte er beiläufig.
»Billetts meinst du und soo? Ha, was fallt dir ein.«
»Also wie verschafft man sich Eintritt?« fragte Fridolin mit gepreßten Lippen und trommelte auf die Tischplatte.
»Parolle mußt du kennen, und jedesmal ist eine andere.«
»Und die heutige?«
»Weiß ich noch nicht. Erfahr' ich erst vom Kutscher.«
»Nimm mich mit, Nachtigall.«
»Unmeglich, zu gefährlich.«
»Vor einer Minute hattest du doch selbst die Absicht... mir zu ›vergennen‹. Es wird schon möglich sein.«
Nachtigall betrachtete ihn prüfend. »So wie du bist – kenntest du auf keinen Fall, nämlich alle sind maskiert, Herren und Damen. Hast du eine Maske bei dir und soo? Unmeglich. Vielleicht nächstes Mal. Werde mir was ausspekulieren.« Er horchte auf und blickte wieder durch den Vorhangspalt auf die Straße, und aufatmend: »Da ist der Wagen. Adieu.«
Fridolin hielt ihn beim Arm fest. »So kommst du mir nicht davon. Du wirst mich mitnehmen.«
»Aber Kollega...«
»Überlaß mir alles Weitere. Ich weiß schon, daß es ›gefährlich‹ ist – vielleicht lockt mich gerade das.«
»Aber ich sage dir schon – ohne Kostim und Larve –«
»Es gibt Maskenleihanstalten.«
»Um ein Uhr früh –!«
»Hör einmal zu, Nachtigall. Ecke Wickenburgstraße befindet sich so ein Unternehmen. Täglich gehe ich ein paarmal an der Tafel vorbei.« Und hastig, in wachsender Erregung: »Du bleibst hier noch eine Viertelstunde, Nachtigall, ich versuch' indessen dort mein Glück. Der Besitzer der Leihanstalt wohnt vermutlich im gleichen Haus. Wenn nicht – dann verzichte ich eben. Das Schicksal soll entscheiden. Im selben Haus ist ein Café, Café Vindobona heißt es, glaube ich.
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