Hier waren die Engländer dem Feuer des Bollwerkes und der Halbbastion St. Roche auf das Furchtbarste ausgesetzt; der Ausgang dieses erbitterten Kampfes war mit wenigen Worten folgender: die Holländer setzten sich auf dem Bollwerke fest, während sich die Engländer, trotz aller Tapferkeit der französischen Offiziere, die mit Todesverachtung auf dem Glacis kämpften, zu Herren des gedeckten Weges vor dem St. Nicolas-Thor machten.

Da dies die Hauptattake war, welcher mein Onkel Toby als Augenzeuge beigewohnt hatte, – nur daß der Zusammenfluß der Maas und Sambre die Armee der Belagerer so trennte, daß kein Theil von den Operationen des andern Theiles etwas sehen konnte, – so war er über diesen Punkt gemeiniglich ganz besonders beredt und ausführlich, und die mancherlei Verlegenheiten, in die er gerieth, entstanden aus der unübersteiglichen Schwierigkeit, seine Geschichte verständlich zu erzählen und seinen Zuhörern von dem Unterschiede zwischen Scarpen und Contrescarpen – Glacis und gedecktem Wege – Halbmond und Ravelin eine so klare Vorstellung zu geben, daß sie ihn hätten begreifen und ihm folgen können.

Selbst Schriftgelehrten passirt es, daß sie diese Ausdrücke verwechseln, und so darf es wohl nicht Wunder nehmen, wenn meines Onkels Bemühungen, sie zu erklären und ihre falsche Auffassung zu berichtigen, meist nur dazu dienten, seine Gäste (manchmal auch ihn selbst) noch mehr zu verwirren.

War also der Besuch, den mein Vater hinaufführte, nicht gerade von besonders scharfer Auffassungskraft, oder war mein Onkel Toby nicht in einer besondern Verfassung, sich klar zu machen, so blieb es, ehrlich gesagt, ein schwieriges Ding, die Unterhaltung von Dunkelheit frei zu halten.

Was die Erzählung dieser Begebenheit noch verwickelter für meinen Onkel Toby machte, war der Umstand, daß der Angriff auf die Contrescarpe vor dem St. Nicolas-Thor, welcher sich von dem Ufer der Maas bis hinauf zu der großen Schleuße erstreckte, – auf einem Terrain stattgefunden hatte, welches nach allen Seiten hin von vielen Deichen, Gräben, Bächen und Schleußen durchschnitten und coupirt war, und er sich darin bald so verirrt und festgerannt sah, daß er häufig genug weder vor- noch rückwärts konnte, um sein Leben zu retten; in solchem Falle war er genöthigt, blos aus diesem Grunde, den Angriff aufzugeben.

Diese mißlungenen Versuche verursachten meinem Onkel mehr Pein, als man hätte glauben sollen, und da meines Vaters liebevolle Gesinnung für ihn immer neue Freunde und neue Frager herbeischleppte, so hatte er es in der That schwer genug.

Unbezweifelt besaß mein Onkel Toby eine große Selbstbeherrschung, er hatte sich so gut wie Einer in der Gewalt; dennoch kann man sich vorstellen, wie er innerlich fluchen und schäumen mochte, wenn er sich aus dem Ravelin nicht anders wieder herausfand, als indem er in den Halbmond gerieth, oder die Contrescarpe hinunterfallen mußte, um sich aus dem gedeckten Wege zu retten, oder Gefahr lief in den Graben zu stürzen, wenn er über den Deich mußte; das that er denn auch ehrlich, und diese kleinen, allstündlichen Widerwärtigkeiten mögen denen vielleicht geringfügig und der Beachtung unwerth erscheinen, die den Hippokrates nicht gelesen haben, – jeder Andere, der ihn oder den Dr. James Mackenzie gelesen und darüber nachgedacht hat, welche Wirkungen Leidenschaft und Gemüthsaufregung auf die Verdauung ausüben, (warum nicht aber ebenso gut auf die einer Wunde als die eines Mittagsessens?), – der wird leicht begreifen, welche schädlichen Reizungen und Verschlimmerungen sie der Wunde Onkel Toby's bringen mußten.

Mein Onkel Toby konnte darüber nicht philosophiren, er fühlte nur, daß dem so sei, und nachdem er drei ganzer Monate die Qualen und Schmerzen ausgehalten, war er entschlossen, sich auf die eine oder andere Weise davon zu befreien.

Eines Morgens lag er in seinem Bette, auf dem Rücken, denn die Beschaffenheit seiner Wunde und die Qual, die sie ihm verursachte, erlaubten ihm keine andere Lage; da kam ihm der Gedanke in den Kopf: wenn er so ein Ding wie einen Plan der Stadt und Festung Namur kaufen könnte, und wenn er ihn dann auf eine Tafel kleben ließe, – das würde ihm wohl Ruhe verschaffen. – Ich bemerke hier, daß er die Umgebungen der Stadt und Festung deshalb mitzuhaben wünschte, weil er seine Wunde in einer der Traversen, ohngefähr 30 Toisen von dem Rückzugswinkel des Laufgrabens, gegenüber dem vorspringenden Winkel der Halbbastion St. Roche erhalten hatte, so daß er, wie er sicher meinte, die Stelle, wo ihn der Stein getroffen, genau mit einer Nadel würde bezeichnen können.

Sein Wunsch ging in Erfüllung, und so sah sich mein Onkel Toby nicht allein endloser, unangenehmer Erklärungen überhoben, sondern dieses glückliche Auskunftsmittel half ihm auch, wie wir später sehen werden, zu seinem Steckenpferde.

 

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

 

Nichts ist thörichter, als wenn man eine Gasterei, wie diese, veranstaltet und die Sache dann so schlecht einrichtet, daß Kritiker und Leute von feinem Geschmacke sie herunterreißen; außerdem giebt es keine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie es thun werden, als wenn man sie nicht dazu einladet, oder, was wenigstens ebenso beleidigend ist, seine Aufmerksamkeit den andern Gästen so ausschließlich zuwendet, als wenn gar keine solche Wesen wie Kritiker vom Fach am Tische säßen.

Ich verwahre mich gegen beides, denn erstens habe ich hier absichtlich ein halbes Dutzend Plätze für sie offen gelassen, und dann bezeuge ich ihnen hier insgesammt meine tiefste Hochachtung. Meine Herren, ich küsse Ihnen die Hand, ich versichere Ihnen, daß keine Gesellschaft mir halb so viel Vergnügen machen könnte, als die Ihrige – weiß Gott, ich bin erfreut Sie bei mir zu sehen. Ich bitte, machen Sie sich's bequem, setzen Sie sich ohne Umstände und langen Sie tapfer zu.

Ich sagte, ich hätte sechs Plätze offen gelassen und war schon im Begriff meine Zuvorkommenheit noch weiter zu treiben und auch den siebenten noch für Sie leer zu machen, gerade den, den ich selbst einnehme; aber da mir ein Kritiker (zwar keiner von Fach, sondern ein natürlicher) eben sagte, daß ich meine Sache gar nicht übel gemacht hätte, so will ich ihn selbst ausfüllen, hoffe aber im nächsten Jahre noch mehr Platz zu erübrigen.

– »Potz tausend! wie konnte Ihr Onkel Toby, der doch Soldat war und den Sie keineswegs als einen Narren schildern, dennoch ein so konfuser, grützköpfiger, verwirrter Gesell sein, wie« – Das beantworten Sie sich selbst.

So, Herr Kritiker, hätte ich erwiedern können, aber ich verschmähe es. Es wäre eine unhöfliche Rede, und schickte sich allenfalls nur für Jemand, der nicht im Stande wäre, klare und befriedigende Auskunft über die Dinge zu geben, oder bis auf den Grund menschlicher Unwissenheit und Verwirrung unterzutauchen. Außerdem wäre es eine herausfordernde Erwiederung und deshalb verwerfe ich sie; denn obgleich sie dem soldatischen Charakter meines Onkels Toby ganz angemessen wäre und er gewiß keine andere gegeben haben würde (denn an Muth fehlte es ihm gewiß nicht), wäre es nicht seine Gewohnheit gewesen, bei solchen Angriffen den Lillebullero zu pfeifen, – so schickt sich dieselbe doch nicht für mich. – Sie sehen klar und deutlich, ich schreibe als Gelehrter – selbst meine Gleichnisse, meine Anspielungen, meine Erläuterungen, meine Metaphern, alles ist gelehrt; ich muß meinen Charakter aufrecht erhalten und ihn Andern gegenüber in sein eigenes Licht stellen; – was würde sonst aus mir werden? Ei, mein Herr, ich wäre verloren! denn in demselben Augenblicke, wo ich meinen Platz hier gegen einen Kritiker vertheidigte, würde ich ein paar andern Raum geben.

Also antworte ich so:

Haben Sie, mein Herr, wohl je unter den Büchern, die Sie gelesen haben, auch eines gelesen, das den Titel trägt: »Locke's Versuch über den menschlichen Verstand?« – Antworten Sie nicht zu rasch, denn ich weiß, Viele citiren das Buch, ohne es gelesen, und Viele haben es gelesen, ohne es verstanden zu haben. Sollte eines von beiden Ihr Fall sein, so will ich Ihnen mit drei Worten sagen, was für ein Buch das ist, denn ich schreibe, um zu belehren. Es ist eine Geschichte! – Eine Geschichte? von wem?, wovon? wie? wann? – Uebereilen Sie sich nicht. Es ist ein Geschichtsbuch, mein Herr, (vielleicht, daß es sich so der Welt empfiehlt,) von dem, was in dem Geiste des Menschen vorgeht, und wenn Sie so viel und nicht mehr von dem Buche sagen, so werden Sie, verlassen Sie sich darauf, in einem metaphysischen Kränzchen gar keine üble Figur spielen.

Aber dies nebenbei.

Wenn Sie es nun darauf wagen wollen, weiter mit mir und der Sache auf den Grund zu gehen, so wird es sich zeigen, daß die Ursache der Unklarheit und Verwirrtheit im Geiste eines Menschen eine dreifache sein kann.

Zuerst, Verehrtester, stumpfe Organe; zweitens, wenn die Organe nicht stumpf sind, schwache und oberflächliche Eindrücke der Gegenstände auf sie; drittens ein siebartiges Gedächtniß, unfähig das Empfangene zu behalten. – Rufen Sie Dolly, Ihr Stubenmädchen, und ich schenke Ihnen meine Kappe sammt dem Glöcklein daran, wenn ich Ihnen die Sache nicht so klar mache, daß Dolly sie ebenso gut wie Malebranche verstehen soll. – Wenn Dolly ihren Brief an Robin fertig geschrieben hat und dann mit der Hand in die Tasche greift, die an ihrer rechten Seite hängt, so erinnern Sie sich dabei, daß die Begriffsorgane und das Begriffsvermögen durch gar nichts in der Welt so angemessen bezeichnet und erklärt werden können, als durch das, wonach Dolly's Hand sucht. Ihre Organe sind nicht so stumpf, mein Werther, daß ich Ihnen zu sagen brauchte: es ist ein Stückchen rothes Siegellack.

Wenn der Siegellack geschmolzen und auf den Brief geträufelt ist, Dolly aber nun so lange nach ihrem Fingerhute herumsucht, bis der Lack zu hart wurde, so wird er von dem Drucke des Fingerhutes, der sonst immer eine Spur hinterließ, keinen Eindruck annehmen. Nun gut! Nimmt Dolly aber in Ermangelung eines Stückchen Siegellacks ein Stück Wachs, oder ihr Lack ist zu weich, so wird beides zwar den Eindruck annehmen, aber es wird ihn trotz alles Drückens nicht behalten, – und endlich – nehmen wir an, der Lack ist gut und der Fingerhut auch, aber der letztere wird zu hastig und oberflächlich daraufgedrückt, weil Dolly's Herrin eben schellt: – in allen drei Fällen wird der Eindruck, welchen der Fingerhut hinterläßt, dem Urbilde so wenig gleichen wie einem Kupferpfennig.

Nun muß man wohl verstehen, daß meines Onkels Unklarheit in seinen Reden aus keiner dieser Ursachen entsprang, und deshalb gerade habe ich mich, nach Art großer Physiologen, so weit über dieselben verbreitet, um zu zeigen, woher sie nicht stammte.

Woher sie stammte, habe ich oben angedeutet, und das ist und wird immer eine ergiebige Quelle der Unklarheit sein, – nämlich der schwankende Gebrauch der Wörter, der selbst die klarsten und bedeutendsten Geister in Verlegenheit gesetzt hat.

Es ist mehr als unwahrscheinlich, ob Sie die Literaturgeschichte älterer Zeit gelesen haben; wenn aber, was für schreckliche Schlachten sind in dem Kriege um Worte gekämpft, wie viel Galle und Dinte ist dabei vergossen worden, so daß ein sanftmüthiger Mensch die Berichte davon nicht ohne Thränen lesen kann.

Verehrter Kritiker! wenn Du alles dies bei Dir wirst erwogen haben und in Betracht ziehst, wie oft Dein eigenes Wissen, Deine Diskussion, Deine Besprechungen zu dieser oder jener Zeit dadurch und dadurch allein gestört und in Unordnung gerathen sind; – was für Lärm und Toben in den Koncilien über oysia und ypostasis, in den Schulen der Gelehrten über Kraft und Geist, Essenz und Quintessenz, Substanz und Raum ausbrach; welche Verwirrung auf noch größeren Bühnen aus geringfügigen und ebenso vieldeutigen Wörtern entstanden ist, – so wirst Du Dich über meines Onkels Verlegenheit nicht länger wundern; Du wirst auf seine Scarpe und Contrescarpe, auf sein Glacis und seinen gedeckten Weg, auf seinen Ravelin und Halbmond eine Thräne des Mitleids fallen lassen: – wahrlich! nicht Ideen, Wörter waren es, die seinem Leben Gefahr drohten.

 

Achtundzwanzigstes Kapitel.

 

Sobald mein Onkel Toby den Plan von Namur erhalten hatte, machte er sich darüber, ihn mit dem größten Eifer zu studiren; denn da ihm nichts so sehr am Herzen lag als seine Genesung, diese aber, wie wir sahen, von den Leidenschaften und Aufregungen des Gemüthes abhängig war so war es natürlich, daß er sich in so weit seines Gegenstandes zu bemächtigen suchte, um ohne Aufregung darüber reden zu können.

Ein vierzehntägiges unablässiges und emsiges Studium, das, nebenbei gesagt, seiner Wunde nicht günstig war, befähigte ihn, mit Hülfe einiger Randglossen unter dem Text und mit Hülfe der aus dem Vlämischen übersetzten Befestigungs- und Feuerwerker-Kunst des Gobesius seinem Vortrage eine ziemliche Klarheit zu geben; und ehe noch zwei Monate vergangen waren, hatte er sich eine solche Beredsamkeit erworben, daß er nicht allein den Angriff auf die vorgeschobene Contrescarpe in größter Ordnung bewerkstelligen konnte, sondern auch, da er unterdeß viel tiefer in die Kunst eingedrungen war, als es zu erst zu seinem Zwecke nöthig schien, sich sogar im Stande fühlte, die Maas und Sambre zu überschreiten, Diversionen bis zu Vaubans Linie, bis zur Abtei Salsines u.s.w. zu machen und seinen Besuchern eine ebenso genaue Darstellung von allen andern Attaken zu geben, wie von der beim St. Nicolas-Thor, wo er die Ehre gehabt hatte verwundet zu werden.

Aber es geht mit dem Durst nach Wissen wie mit dem Durst nach Reichthümern: er wächst, je mehr man ihn zu löschen sucht. Je länger mein Onkel Toby über seinem Plane saß, desto mehr Vergnügen fand er daran, analog dem Vorgange und vermittelst derselben elektrischen Assimilation, wodurch, wie gesagt, die Seelen der Kenner durch Reibung und Anfüllung so glücklich sind, in Tugendseelen, Gemäldeseelen, Schmetterlings- oder Geigenseelen umgewandelt zu werden.

Je mehr mein Onkel Toby aus dem süßen Quell der Wissenschaft trank, um so größer wurde die Heftigkeit und Begierde seines Durstes; und noch war das erste Jahr seiner Krankenhaft nicht vorüber, als es kaum eine befestigte Stadt in Italien oder Flandern gab, von der er sich nicht auf diesem oder jenem Wege einen Plan verschafft hätte, den er dann, kaum erhalten, eifrig studirte; und dazu sammelte er alles, was auf die Geschichte der Belagerungen, Zerstörungen, Erweiterungen und Neubefestigungen dieser Plätze Bezug hatte, indem er es mit unablässigem Fleiße und immer neuer Lust wieder und wieder las, so daß darüber Wunde, Krankenhaft und Mittagsessen vergessen wurden.

Im zweiten Jahre schaffte sich mein Onkel Toby die Uebersetzungen der Italiener Ramelli und Cataneo an, sowie den Stevinus, Moralis, den Chevalier de Ville, Lorini, Coehorn, Sheeter, den Grafen von Pagan, den Marschall Vauban, und Monsieur Blondel, nebst vielen andern Werken über Befestigungskunst – mehr als Don Quixote über Ritterschaft besessen haben würde, selbst wenn der Pfarrer und der Barbier nicht in seine Bibliothek eingebrochen wären.

Ohngefähr im Anfang des dritten Jahres, also etwa im August 99, fand mein Onkel Toby es nothwendig, daß er auch von den Wurfgeschossen etwas verstünde, und da er der Ansicht war, daß es am besten sei, sein Wissen an der Hauptquelle zu schöpfen, so fing er mit N. Tartaglia an, der, so scheint es, zuerst entdeckte, daß es ein Irrthum sei, wenn man glaube, eine Kanonenkugel richte ihre Verheerung in gerader Linie an. – Das, bewies N. Tartaglia meinem Onkel Toby, sei ganz unmöglich.

Das Forschen nach Wahrheit hat kein Ende.

Nicht sobald war mein Onkel Toby über den Weg, welchen die Kanonenkugel nicht nimmt, zufrieden gestellt, als er unmerklich weiter geführt wurde und bei sich beschloß, darüber nachzudenken und ausfindig zu machen, welches denn nun der Weg sei, den sie ginge; dazu mußte er sich mit dem alten Maltus in Verkehr setzen, und er studirte ihn eifrig. Dann ging er zunächst zu Galileo und Torricellius über und fand, gestützt auf gewisse geometrische Lehrsätze, die hier klar bewiesen waren, daß ihr eigentlicher Weg eine Parabel oder vielmehr eine Hyperbel beschreibe, und daß der Parameter oder latus rectum der Hyperbel besagten Weges sich zur Quantität und Bogenweite gerade so verhielte, wie die ganze Linie zu dem Sinus des doppelten Einfallwinkels, der von dem Hintertheil der Kanonen auf einer horizontalen Fläche gebildet werde, und daß der Halbparameter. – Aber halt, lieber Onkel Toby, halt! – keinen Schritt weiter auf diesem dornenvollen und verwirrenden Pfade; ein jeder weitere ist gefahrvoll! Gefahrvoll sind die Irrgänge dieses Labyrinthes, gefahrvoll die Beschwerden, welche die Verfolgung dieses lockenden Phantoms, Wissenschaft, über dich bringen wird. O Herzensonkel, fliehe, fliehe, fliehe es wie eine Schlange! Ist es recht, du sanftmüthiger Mann, daß du mit deinem verwundeten Schambeine ganze Nächte lang aufsitzest und dir das Blut mit angreifendem Wachen erhitzest? – Ach! es wird deine Wunde verschlimmern, deine Hautthätigkeit stören, deine Lebensgeister verflüchtigen, deine Lebenskraft aufreiben, deine Säfte austrocknen, dich verstopfen, deine Gesundheit schädigen und die Gebrechen des Alters frühzeitig heraufführen. O Herzensonkel! lieber Onkel Toby! –

 

Neunundzwanzigstes Kapitel.

 

Für des Mannes Verständniß vom Schriftstellerhandwerk möchte ich keinen Deut geben, der das nicht einsähe: daß die allerbeste Erzählung von der Welt, wenn man sie unmittelbar hinter die gefühlvolle Apostrophe an meinen Onkel Toby gestellt hätte, dem Gaumen des Lesers schaal und nüchtern vorkommen müßte; deshalb schloß ich mein Kapitel, obgleich ich mitten in meiner Geschichte war.

Schriftsteller haben einen Grundsatz mit den Malern gemein: Wo genaues Nachbilden unsere Gemälde weniger effektvoll machen würde, da wählen wir das kleinere Uebel, denn es dünkt uns verzeihlicher, gegen die Wahrheit als gegen die Schönheit zu sündigen. Dies muß indeß cum grano salis verstanden werden; doch dem sei wie ihm wolle, – denn da der Vergleich eigentlich nur deshalb hier angebracht wurde, um die Apostrophe sich abkühlen zu lassen, so ist es gar nicht wesentlich, ob der Leser damit einverstanden ist oder nicht.

Da mein Onkel Toby am Ende des dritten Jahres bemerkte, daß der Parameter und Halbparameter der Hyperbel seine Wunde irritire, so gab er plötzlich das Studium der Wurfgeschosse auf und befaßte sich nur noch mit dem praktischen Theile der Befestigungskunst, zu welcher die Neigung, wie ein zurückgehaltener Springquell, jetzt mit doppelter Kraft wieder in ihm aufsprudelte.

In diesem Jahre war es, wo mein Onkel anfing, von dem täglichen Wechseln eines frischen Hemdes abzusehen, seinen Barbier oft unverrichteter Sache wegschickte, und seinem Wundarzte kaum Zeit genug zum Verbinden seiner Wunde gab, um die er sich jetzt so wenig bekümmerte, daß er unter sieben Malen nicht Einmal fragte, wie es damit stünde.