Q. u.s.w. ihre verschiedenen Steckenpferde reiten sehe, einige mit langen Steigbügeln in ernstem, gemessenem Schritte, andere dagegen zusammengezogen bis ans Kinn, die Peitschen quer vor'm Maule, ihr Thier vorwärts treibend und hetzend wie buntbemalte reitende Teufel, die hinter einer armen Seele her sind, als ob sie sich durchaus vorgenommen hätten, das Genick zu brechen. Um so besser, sage ich dann zu mir; denn wenn das Schlimmste geschehen sollte, so wird die Welt sich Mühe geben, auch ohne sie ganz gut fertig zu werden; und übrigens – warum – Helf' ihnen Gott! mögen sie meinetwegen unbehindert dahin reiten, denn würden ihre Herrlichkeiten heute Nacht aus dem Sattel geworfen, was gilt's, zehn gegen eins – um halb ein Uhr des nächsten Morgens wären sie schon wieder darin und ritten dann vielleicht ein noch viel schlechteres Pferd.

Also, das stört meine Ruhe nicht. Aber einen Fall giebt es, der mich außer mich bringt, das ist, wenn ich Jemand sehe, der zu großen Thaten geboren wurde und dessen Natur – was ihm noch mehr zur Ehre gereicht – zu guten Thaten hinneigt; sehe ich einen solchen Mann, wie Sie, Mylord, dessen Grundsätze und Handlungsweise edel und großmüthig sind, und dessen die verdorbene Welt eben aus diesem Grunde keinen Augenblick entbehren kann, sehe ich einen solchen, Mylord, auf einem Steckenpferde und wenn auch nur einen Augenblick länger, als die Liebe, die ich für mein Land hege, ihm erlaubt, oder als mein Eifer für seinen Ruhm wünscht, – dann, Mylord, vergesse ich, daß ich Philosoph bin, und in der ersten Aufwallung eines ehrlichen Zornes wünsche ich sein Steckenpferd und das ganze Geschlecht der Steckenpferde zu allen Teufeln.

 

»Mylord!

 

Dies soll eine Dedikation vorstellen, obgleich dieselbe in drei wesentlichen Dingen, namentlich in Betreff ihres Inhaltes, ihrer Form und der ihr angewiesenen Stelle vom Herkömmlichen abweicht; ich bitte also, daß Sie dieselbe als solche ansehen und mir erlauben wollen, sie mit unterthänigster Ehrerbietung zu Dero Herrlichkeit Füßen zu legen, vorausgesetzt, daß Sie auf den Füßen sind, was Sie indessen immer sein können, sobald es Ihnen gefällt und sobald sich, Mylord, die Veranlassung dazu darbietet und dann – wie ich hinzufügen möchte – gewiß immer zu würdigen Zwecken.

Ich habe die Ehre zu sein

Mylord

Dero Herrlichkeit gehorsamster

und ergebenster

und unterthänigster Diener

Tristram Shandy.«

 

Neuntes Kapitel.

 

Feierlich erkläre ich hiemit Allen und Jedem, daß obenstehende Dedikation für keinen Prinzen, Prälaten, Pabst oder Potentaten, für keinen Herzog, Marquis, Viscount oder Baron dieses oder irgend eines andern Reiches der Christenheit verfaßt worden ist; daß sie bis jetzt noch nicht verhöckert, auch weder öffentlich noch privatim, weder direkt noch indirekt, irgend einer Person oder Personnage, gleichviel ob klein oder groß, angeboten wurde, sondern daß es eine reine jungfräuliche Dedikation ist, die noch keine sterbliche Seele berührt hat.

Ich möchte dies ganz festgestellt wissen, um jedem Anstoß und jedem Einwurf vorzubeugen, der etwa aus der Art und Weise, durch welche ich sie mir so vortheilbringend als möglich zu machen gedenke, entspringen könnte; – ich will sie nämlich öffentlich zum Verkauf ausbieten, welches ich hiemit thue.

Ein jeder Autor hat seine eigene Art, wie er sich hilft; und da ich nun das Dingen und Feilschen um ein paar Guineen im dunkeln Vorzimmer hasse, so beschloß ich gleich anfangs bei mir, in dieser Angelegenheit ehrlich und offen mit dem vornehmen Volke zu verfahren, und zu versuchen, ob ich dabei nicht besser wegkommen würde.

Sollte sich demnach in Sr. Majestät Landen irgend ein Herzog, Marquis, Graf, Viscount oder Baron finden, welchem eine saubere, nette Dedikation noth thäte und auf welchen die obige paßte (denn nur wenn sie einigermaßen paßt, gebe ich sie überhaupt ab), so steht sie ihm für 50 Guineen zu Diensten, was sicherlich zwanzig Guineen wohlfeiler ist, als wofür es irgend ein Mann von Genie sonst thäte.

Wenn Sie sie noch einmal genauer betrachten, Mylord, so werden Sie bemerken, daß es kein so grobes Stück Schmeichelei ist, wie die meisten Dedikationen. Die Idee, das sehen Sie, Herrlichkeit, ist gut – das Kolorit durchsichtig – die Zeichnung nicht übel, oder – um mich wissenschaftlicher auszudrücken, indem ich mein Bild nach der Malerskala messe, die sich in 20 Grade theilt: ich glaube, Mylord, der Contour möchte etwa = 12, die Komposition = 9, das Kolorit = 6, der Ausdruck = 131/2 und die Idee, – vorausgesetzt, Mylord, daß ich meine eigene Idee verstehe und daß die vollkommene Idee = 20 ist, – doch gewiß nicht unter 19 sein. Ueberdem ist eine gewisse Haltung darin, und die dunklen Striche im Steckenpferde, welches eine Nebenfigur ist und dem Ganzen als eine Art Hintergrund dient, geben den Hauptlichtern auch der Gestalt Eurer Herrlichkeit eine große Kraft und lassen dieselbe wundervoll hervortreten, und dann – hat das ganze Ensemble einen Anstrich von Originalität.

Befehlen Sie also nur, schätzenswerther Lord, daß die Summe für Rechnung des Autors an Herrn Dodsley ausgezahlt werde, dann werde ich in der nächsten Ausgabe Sorge dafür tragen, daß dieses Kapitel wegbleibe und Eurer Herrlichkeit Titel, Würden, Wappen und ruhmwürdige Thaten an die Spitze des vorhergehenden Kapitels kommen, welches dann von den Worten: »de gustibus non est disputandum« an, nebst allem, was in diesem Buche von Steckenpferden handelt (sonst aber weiter nichts), Eurer Herrlichkeit gewidmet sein soll. – Das Uebrige dedicire ich der Luna, die, beiläufig gesagt, von allen erdenklichen Patronen und Matronen die meiste Macht besitzt, mein Buch in Aufnahme zu bringen und die Welt toll danach zu machen.

 

Strahlende Göttin!

 

Wenn du nicht mit Candide's und Miß Kunigundens Angelegenheiten zu sehr beschäftigt bist, so nimm auch Tristram Shandy in deinen Schutz.

 

Zehntes Kapitel.

 

Ob der Akt der Mildthätigkeit gegen die Hebamme überhaupt als ein Verdienst betrachtet werden darf, oder – wer berechtigt ist, Anspruch auf dieses Verdienst zu erheben, das scheint auf den ersten Anblick für diese Geschichte nicht sehr wesentlich zu sein; doch bleibt es ausgemacht, daß zu jener Zeit der Dame, der Ehefrau des Pfarrers, das ganze Verdienst allein zuerkannt wurde. Indessen, so lieb mir mein Leben ist, ich kann nicht umhin, der Meinung zu sein, daß der Pfarrer, der zwar nicht so glücklich war, den ersten Gedanken zu fassen, der doch aber, sobald derselbe ihm mitgetheilt wurde, sich herzlich daran betheiligte und freudig sein Geld hergab, um ihn in Ausführung zu bringen, daß der Pfarrer, sage ich, auch einigen Anspruch gehabt hätte, wenn ihm nicht gar die volle Hälfte der Ehre gebührte.

Der Welt gefiel es zu jener Zeit, die Sache anders zu entscheiden.

Legen Sie das Buch bei Seite, und dann gebe ich Ihnen einen halben Tag Zeit, die muthmaßlichen Gründe zu diesem Verfahren aufzufinden.

Man muß wissen, daß sich der Pfarrer, von dem wir reden, ungefähr 5 Jahre vor der Zeit, in welche jene umständlich erwähnte Licenz fiel, durch einen Verstoß gegen sich selbst, seine Stellung und sein Amt in den Mund aller Leute gebracht hatte. Dieser Verstoß bestand darin, daß er nie besser oder überhaupt anders beritten erschien, als auf einem magern elenden Gaule, der sicherlich nicht mehr als anderthalb Pfund werth war, und der – um es kurz zu machen – der Familienähnlichkeit nach für einen ächten Bruder des Rosinante gelten konnte, jedoch mit der Ausnahme, daß, soweit ich mich erinnere, nirgends gesagt ist, Rosinante hätte gekeucht, und daß Rosinante, wie dies der Vorzug aller spanischen Pferde, sowohl der fetten als der mageren, ist, unzweifelhaft in allen Punkten ein Pferd war.

Ich weiß sehr gut, daß jenes Helden Roß ein Pferd von keuscher Gesinnung war, was vielleicht etwas für die entgegengesetzte Ansicht sprechen könnte; doch ebenso ausgemacht ist es, daß Rosinantens Enthaltsamkeit (vide das Abenteuer mit den yanguesianischen Maulthiertreibern) keineswegs aus körperlicher Unzulänglichkeit oder sonst einem andern Grunde, sondern allein aus der Ruhe und dem geregelten Laufe seines Blutes entsprang. Und ich muß Ihnen sagen, Madame, von einem guten Theil Keuschheit in dieser Welt könnten Sie bei Leibe nicht mehr rühmen. Doch dem sei wie ihm wolle; da ich mir einmal vorgenommen habe, jedem Geschöpfe, das ich auf die Bühne dieses dramatischen Werkes hinstelle, vollkommene Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, so durfte ich diesen Unterschied zu Gunsten des Don Quixotischen Rosses nicht unerwähnt lassen; in allen andern Punkten, sage ich, war des Pfarrers Gaul das Ebenbild jenes Rosses, denn es war eine so magere, ausgedörrte, erbärmliche Mähre, daß Demuth selbst es hätte besteigen können. Nun hätte es nach der Meinung einiger Leute von schwachem Urtheil wohl in des Pfarrers Macht gestanden, seinem Gaule etwas mehr Ansehn zu geben, denn er besaß einen sehr schönen, grünplüschnen, gepolsterten Reitsattel, der mit einer doppelten Reihe silberner Nägel beschlagen war, und zu dem ein Paar glänzender Steigbügel und eine höchst anständige Schabrake gehörte, welche letztere von feinem grauem Tuche und mit einer schwarzen Borte besetzt war, die in einer langen schwarzseidenen Franse poudré d'or endigte; alles dies, nebst einem reich mit getriebener Arbeit verzierten Zaume hatte er einst in der Glanz- und Blüthezeit seines Lebens gekauft. Aber da er sein Thier damit nicht lächerlich machen wollte, so hatte er all diese Pracht hinter der Thür seines Studierzimmers aufgehängt und ihm dafür einen solchen Zaum und solchen Sattel aufgelegt, die der Gestalt und dem Werthe des Gaules besser entsprachen.

Es ist wohl leicht begreiflich, daß der Pfarrer, wenn er in diesem Aufzuge durch das Kirchspiel ritt oder die Edelleute der Nachbarschaft besuchte, manches zu hören und zu sehen bekam, was seine Philosophie vor dem Einrosten bewahrte. Die Wahrheit zu sagen, konnte er in kein Dorf hineinreiten, ohne sogleich die Aufmerksamkeit von Alt und Jung auf sich zu ziehen. Die Arbeit stand still, wo er vorüberkam; der Eimer hing schwebend in halber Tiefe des Brunnens; das Spinnrad vergaß sich zu drehen, selbst Drittenschlagen und Ballspiel feierten, bis er außer Sicht war; und da seine Lokomotion keineswegs schnell genannt werden konnte, so hatte er gewöhnlich Zeit genug, allerhand Beobachtungen anzustellen, und die Verwunderungslaute der Ernsthaften, sowie das Gelächter der Leichtherzigen mit anzuhören, was er alles mit der größten Seelenruhe zu Stande brachte. Das war sein Charakter – er liebte von Herzen einen Spaß, und da er selbst sich lächerlich vorkam, so meinte er, er könne doch Andern unmöglich zürnen, daß sie ihn in eben dem Lichte sähen, wie er sich selbst; und wenn seine Freunde, die wohl wußten, daß nicht Geiz seine Schwäche sei, sich ungenirt über seine Grille (wie sie's nannten) lustig machten, so mochte er doch lieber in ihr Gelächter einstimmen, als die wahre Ursache dieser Grille angeben. Er habe selbst, meinte er dann, nie ein Loth Fleisch auf den Knochen gehabt und sei ebenso spindeldürr wie sein Thier, daher wäre der Gaul gerade so gut, wie ihn der Reiter verdiene; sie beide wären wie die Centauren aus einem Stücke. Ein anderes Mal und in anderer Stimmung, wenn sich sein Geist über die Verlockungen eines falschen Witzes erhob, sagte er wohl, er fühle, daß er siechend dahinschwinde, und erklärte mit großem Ernste, daß er den Anblick eines fetten Pferdes nicht ohne Herzweh und fühlbare Aufregung ertragen könne, und daß er sich deshalb den abgemagerten Gaul, den er reite, ausgesucht habe, nicht allein, um sich durch ihn nicht aufzuregen, sondern selbst um sich an ihm zu erheitern.

Zu verschiedenen Zeiten konnte er fünfzig lustige und passende Gründe dafür angeben, weshalb eine sanftmüthige, windbrüchige Mähre besser zum Reiten sei, als ein feuriges Roß; denn auf jener könne er mechanisch sitzen und gar köstlich de vanitate mundi et fuga saeculi meditiren, mit dem besondern Vortheil eines Todtenkopfes vor sich; zu allen möglichen Arbeiten könne er, wenn er so langsam dahinreite, seine Zeit ausnützen, gerade wie in seinem Studierzimmer; er könne ein Argument in seiner Predigt oder ein Loch in seiner Hose ausbessern, eins so gut und fest wie das andere; schneller Trab und langsame Beweisführung seien zwei ebenso unvereinbare Bewegungen, wie Witz und Urtheil; – aber auf seinem Gaule brächte er die verschiedensten Dinge zusammen, so daß sie sich mit einander vertrügen, er könne da seine Predigt abmachen, seinen Husten, ja, wenn die Natur es verlange, sogar sein Schläfchen. Kurz, der Pfarrer gab bei solchen Gelegenheiten allerhand Gründe an, nur nicht den wahren; diesen verschwieg er aus Zartgefühl, weil er meinte, derselbe könne ihm zur Ehre gereichen.

Das Wahre an der Sache war aber Folgendes: In den ersten Jahren, etwa um die Zeit, als unser Pfarrer den prächtigen Sattel und Zaum gekauft hatte, war es des guten Mannes Art oder Eitelkeit gewesen (nenne man es, wie man will), sich in das entgegengesetzte Extrem zu werfen. In der Gegend, wo er wohnte, war er dafür bekannt, daß er ein gutes Pferd liebe, und gewöhnlich stand eines, wie es besser im ganzen Kirchspiel nicht zu finden war, zum Satteln fertig in seinem Stalle. Da nun die nächste Hebamme, wie gesagt, sieben Meilen vom Dorfe entfernt und in einer unwegsamen Gegend wohnte, so kam es denn, daß der arme Mann wenigstens einmal in der Woche um sein Pferd angesprochen wurde; er war aber nichts weniger als hartherzig, und da jeder neue Fall noch pressanter und mitleiderweckender als der vorhergegangene war, so hatte er nie das Herz, die Bitte abzuschlagen, wie sehr er auch sein Pferd lieben mochte, was denn die natürliche Folge hatte, daß dasselbe entweder überritten oder spatig, oder steif, oder hüftenlahm, oder windbrüchig oder sonst etwas der Art wurde, und er alle neun oder zehn Monate ein schlechtes Pferd verkaufen und an seiner Statt ein gutes Pferd wieder einhandeln mußte.

Wie hoch sich bei solcher Bilance communibus annis der Verlust belaufen mußte, überlasse ich einer Specialjury von Märtyrern derartiger Geschäfte zu bestimmen, aber wie groß er auch gewesen sein möge, der redliche Mann ertrug ihn viele Jahre ohne Murren, bis er endlich, nach wiederholten Unfällen dieser Art, es für nöthig erachtete, die Sache in Betracht zu ziehen. Nach reiflicher Ueberlegung und nachdem er alles summirt hatte, fand er, der Verlust stünde nicht allein außer allem Verhältniß zu seinen anderweitigen Ausgaben, sondern mache auch an und für sich einen so bedeutenden Posten aus, daß er dadurch an jeder andern Art von Wohlthun innerhalb seines Kirchspiels verhindert werde. Dazu kam die Ueberzeugung, daß er mit der Hälfte der Summe, die jetzt verritten wurde, zehnmal mehr Gutes stiften könne und – was mehr als alle diese Erwägungen bei ihm ins Gewicht fiel – daß sein Wohlthun jetzt ausschließlich in einen Kanal geleitet sei, und zwar in einen solchen, wo es seiner Meinung nach am wenigsten nothwendig wäre, nämlich zum Vortheil des kindererzeugenden und kindergebärenden Theiles seines Kirchspiels, somit aber nichts übrig bleibe für die Schwachen, nichts für die Alten, nichts für die vielen trostlosen Fälle, deren Zeuge er fast stündlich sein mußte, wo Krankheit und Elend ihm vereint vors Auge träten.

Aus diesen Gründen beschloß er, die Ausgabe nicht ferner zu machen, aber ihr aus dem Wege zu gehen, dazu zeigten sich seinem Blicke nur zwei mögliche Wege: entweder mußte er es sich zum unverbrüchlichen Gesetze machen, Niemandem und zu keinem Zwecke sein Pferd herzuleihen, oder er mußte sich damit begnügen, den letzten armen Teufel, so wie sie ihn heruntergebracht hatten, mit allen seinen Mängeln und Schäden bis zu Ende zu reiten.

Da er sich nicht die Kraft zutraute, den ersten Weg entschlossen zu verfolgen, so wählte er fröhlichen Herzens den zweiten, und obgleich er, wie oben gesagt, die Sache zu seiner Ehre offen hätte darlegen können, so verschmähte er dies doch gerade aus diesem Grunde, denn er wollte lieber die Verachtung seiner Feinde und das Gelächter seiner Freunde ertragen, als sich der Pein unterziehen, eine Geschichte zu erzählen, die leicht wie Eigenlob hätte aussehen können.

Dieser einzige Charakterzug giebt mir die höchste Meinung von der Denk- und Fühlart dieses würdigen Mannes; es ist ein Zug, der an das wahrhaftige Zartgefühl des unvergeßlichen Ritters von la Mancha reicht, dieses Ritters, den ich, beiläufig gesagt, trotz aller seiner Thorheiten mehr liebe, und dem zu begegnen ich einen weitern Weg machen würde, als um den größten Helden des Alterthums zu sehen.

Aber das ist die Moral meiner Geschichte nicht: was ich dabei im Auge habe, ist, das eigenthümliche Verfahren der Welt an diesem Exempel ins Licht zu setzen. Denn man muß wissen, daß kein Teufel nach dem Grunde der Handlungsweise des Pfarrers fragte, so lange ihm derselbe Ehre gemacht hätte; seinen Feinden, meine ich, lag nichts daran, diesen Grund aufzufinden, und seine Freunde verfielen nicht darauf. Aber kaum fing er an, sich für die Hebamme zu interessiren, kaum hatte er sie durch die Bezahlung der Gerichtskosten für die Licenz installirt, so kam das ganze Geheimniß heraus; jedes Pferd, das er verloren hatte, und noch zwei darüber, jeder Umstand, wie sie zu Grunde gerichtet worden waren, wurde hergezählt, und Jeder erinnerte sich der Sache ganz deutlich. Wie Feuer griff das Gerücht um sich: der Pfarrer hätte wieder einen Anfall seines alten Hochmuths, er wolle wieder einmal ein gutes Pferd reiten; und in dem Falle wäre es klar wie die Sonne am Himmel, daß er die Kosten für die Licenz schon im ersten Jahre zehnmal wieder herausschlüge; danach könnte Jeder selbst urtheilen, weshalb er wohl so mildthätig gewesen sei.

Weshalb er es gewesen war und was jeglicher Handlung seines Lebens zu Grunde lag – oder vielmehr, welches die Meinungen waren, die betreffs seiner in den Köpfen der Leute umgingen, das war ein Gedanke, der nur zu sehr in seinem eignen Kopfe umging, und der nur zu oft die Ruhe von ihm scheuchte, wenn er fest hätte schlafen sollen.

Es mögen nun etwa zehn Jahre her sein, daß der gute Mann das Glück hatte, von dieser Sorge gänzlich befreit zu werden; damals verließ er gerade sein Kirchspiel – und die Welt überhaupt und steht nun, um Rechenschaft abzulegen, vor einem Richter, über den zu klagen er keinen Grund haben wird.

Aber ob den Handlungen gewisser Menschen waltet ein Fatum; wie sie's auch anfangen mögen, dieselben gehen stets durch ein gewisses Medium, das sie bricht und ihre Strahlen von der geraden Richtung so ableitet, daß die Thäter, ungeachtet aller Ansprüche auf Ruhm und Ehre, welche Herzensgeradheit geben kann, dennoch gezwungen sind, ohne jene zu leben und zu sterben.

Von dieser Wahrheit war unser Pfarrer ein beklagenswerthes Beispiel. Aber um zu erfahren, auf welche Weise dies kam, und um aus solcher Kenntniß Nutzen zu ziehen, wird es nöthig sein, die beiden folgenden Kapitel zu lesen, welche so viel von seinem Leben und seinen Aeußerungen enthalten sollen, um die Moral deutlich herauszustellen. Nachdem dies geschehen, wollen wir dann mit der Hebamme fortfahren, vorausgesetzt, daß uns nichts in den Weg kommt.

 

Elftes Kapitel.

 

Yorick war des Pfarrers Name und – was höchst merkwürdig ist – dieser Name wurde (das zeigt eine alte auf starkem Pergament geschriebene und wohlkonservirte Familienurkunde) seit – beinah hätt' ich gesagt seit 900 Jahren, aber ich will keinen Zweifel an meiner Wahrhaftigkeit erregen, indem ich eine so unwahrscheinliche, obgleich an sich unbestreitbare Thatsache berichte, also bescheide ich mich und sage einfach – dieser Name wurde, ich weiß nicht seit wie lange, genau auf ein und dieselbe Weise geschrieben, was mehr ist, als ich von der guten Hälfte der besten Familiennamen unseres Landes sagen möchte, die im Lauf der Jahre gemeiniglich ebenso viel Veränderungen und Risse bekommen haben, als ihre Eigenthümer.