Er wollte nicht lange fortbleiben. Aber er ist noch nicht zurück, und jetzt ist es beinahe eins. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe den ganzen Vormittag keine Menschenseele gesehen.« »Du hast doch deine kleinen Jungen bei dir gehabt.«
»Ja, solange ich ihren Krach ertragen konnte. Aber sie sind so ungezogen, daß sie mich kränker machen, als ich bin. Klein-Charles will überhaupt nicht auf mich hören, und Walter ist schon beinahe ebenso schlimm.«
»Na ja, jetzt geht es dir bald besser«, erwiderte Anne heiter.
»Du weißt doch, wenn ich komme, wirst du immer gleich gesund. Wie geht es deinen Nachbarn im Herrenhaus?«
»Das kann ich dir doch nicht sagen. Ich habe heute noch keinen von ihnen gesehen. Außer Mr. Musgrove, der nur kurz angehalten und durchs Fenster mit mir gesprochen hat, aber ohne vom Pferd zu steigen. Und obwohl ich ihm gesagt habe, wie krank ich bin, hat sich nicht ein einziger von ihnen blicken lassen. Es kam den Miss Musgrove wohl ungelegen, und sie strengen sich sowieso nicht gern an.«
»Du bekommst sie ja vielleicht noch zu sehen, ehe der Vormittag vorbei ist. Es ist noch früh.«
»Das will ich gar nicht, das kannst du mir glauben. Sie schwatzen und lachen mir viel zu viel. Ach, Anne, es geht mir so schlecht! Es war gar nicht nett von dir, daß du am Donnerstag nicht gekommen bist.«
»Meine liebe Mary, vergiß nicht, was für beruhigende Nachrichten du selbst mir geschickt hast! Du hast mir nur Positives geschrieben und gesagt, es ginge dir ausgezeichnet und ich brauchte mich nicht zu beeilen; und da das der Fall war, kannst du dir denken, wie viel mir daran lag, bis zuletzt mit Lady Russell zusammenzusein; und abgesehen von meinen Verpflichtungen ihr gegenüber war ich so beschäftigt, hatte ich so viel zu tun, daß ich Kellynch nicht gut früher hätte verlassen können.« »Du liebe Güte, was kannst du denn schon zu tun haben!«
»Eine ganze Menge, das kannst du mir glauben. Mehr als mir im Moment einfällt. Aber einiges kann ich dir aufzählen. Ich habe eine Abschrift des Katalogs von Vaters Büchern und Bildern gemacht. Ich bin mehrmals mit Mackenzie im Garten gewesen, um zu begreifen und ihm begreiflich zu machen, welche von Elizabeths Blumen für Lady Russell sind. Ich mußte alle meine eigenen kleinen Angelegenheiten ordnen – Bücher und Noten aussortieren und alle meine Kisten umpacken, weil ich nicht rechtzeitig begriffen hatte, was auf den Wagen mitgehen sollte; und eine wirklich unangenehme Aufgabe mußte ich erledigen, Mary: ich mußte beinahe jedes Haus in der Gemeinde besuchen, so eine Art Abschied. Ich hatte gehört, daß man es erwartete. Aber alle diese Dinge haben mich sehr viel Zeit gekostet.«
»Na ja« – und nach kurzer Pause –, »aber du hast dich noch mit keiner Silbe nach unserem Dinner bei den Pooles gestern erkundigt.«
»Dann bist du also hingegangen! Ich habe nicht danach gefragt, weil ich annahm, daß du gezwungen warst, auf die Party zu verzichten.«
»Ach so – doch, ich war da. Mir ging es gestern sehr gut; mir hat gar nichts gefehlt bis heute morgen. Es hätte komisch ausgesehen, wenn ich nicht hingegangen wäre.«
»Wie schön, daß es dir so gut ging, und ich hoffe, du hast dich gut amüsiert.« »Nicht besonders. Man weiß ja schon vorher immer, wie das Dinner ist und wer da sein wird; und es ist so furchtbar lästig, keine eigene Kutsche zu haben. Mr. und Mrs. Musgrove haben mich mitgenommen, und es war vielleicht eng! Sie sind beide so furchtbar dick und nehmen so viel Platz ein, und Mr. Musgrove sitzt immer vorne. Da saß ich also und mußte mich mit Henrietta und Louisa auf den Rücksitz zwängen, und es ist gut möglich, daß meine Krankheit daher kommt.«
Ein bißchen zusätzliche Geduld und forcierte Heiterkeit auf seiten Annes bewirkten eine fast völlige Genesung auf seiten Marys. Bald konnte sie aufrecht auf dem Sofa sitzen und begann zu hoffen, zum Dinner vielleicht schon aufstehen zu können; und als sie vergaß, daran zu denken, war sie plötzlich am anderen Ende des Zimmers und arrangierte einen Blumenstrauß.
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