Ein weiches Dehnen der Züge, die Brauen hoben, rundeten sich, und die trübe Schicht der Augen geritzt, zerfloß.
Sein Kind! – Dieses Kind!
Es griff sich in den eigenen Blick, bis in das Herzblut tief, es rann wie goldblauer Schnee, so rein strahlten seine Gedanken, so kühl, so durchsichtig.
Der rote Vorhang im Schaufenster zwischen zwei hohen Lackstiefeln bewegte sich.
Er wandte sich rasch. Sein Gesicht zerknitterte wieder, aber in sich blieb er strahlend. Und er hielt schützend die Hand über die zarten scheuen Gedanken.
Dann zu Hause.
Im Korridor quoll Seifendunst. Er ging rasch in sein Zimmer, und zugeriegelt und gleich wieder vor den Spiegel.
Und nun mit Bekümmernis und pochendem Hoffen wieder untersucht, Gesicht, Haltung. Würde sein Kind ihn erkennen, er war entstellt. Dann rasch abgebrochen mit dem Zerfasern – schloß die Fenster, einen Augenblick hielt er noch den sonnenglühenden Fenstergriff in der Hand. Unten schleppte sich eine blaue Pferdebahn vorbei, schwer voll Menschenlast. Drüben gingen Menschen, pfahlsteif, immer mit den Augen an den Dachfirsten entlang, und ein Knattern und – –
Er ging ins Zimmer. Er lächelte. Immer lächelte er. Nahm die Venusstatuetten und die Faunbüsten von den Konsolen beiseite – und die Opiumphiole in den Spucknapf. Alles mit behaglichen gemäßigten Bewegungen und immer noch dies Lächeln eines Feinschmeckers, dessen Zunge im geschlossenen Munde sich zum Genusse dehnt und schwillt.
Dann noch die Etagère fortgezerrt, und die verstellte veilchenblaue Portière war nun frei.
Er schob sie zurück. Die Ringe klirrten jäh, Staub flüchtete mehldunstig. Noch die Heupolsterung fortgeschleift. Störrischer Qualm, Moder wirbelten auf, nun war sie wieder da die hohe emailleblaue Flügeltüre.
Er sah sich nochmals vorsichtig um. Horchte. Draußen nur das Glucksen und Rieseln der Wasserleitung und oben, in der Etage über der Decke, das Schieben eines Kinderwagens hin, her, hin, her.
Das Schloß war hartgerostet. Der Riegel brach ab.
Und dann drinnen.
Sah sich gar nicht um. Gleich an den weißen Schrank mit den silbernen Leisten.
Erst die Wäsche. Nahm ein dünnes Nesselhemd mit zitternden Goldspitzen. Warf die alten Kleider ab. In lange goldseidene Strümpfe bis hoch über das Knie. Beim Ankleiden krampfte sich die Erwartung heftiger.
Wie es sich freuen wird! Ob es ihn wiedererkennen wird? – O, sein Kind!
Aber die Umgebung stocherte in sein Träumen. Der glaskühle Harzduft vom Kleiderschrank und dann von der Toilette aus winzigen Flacons raunende Walddüfte – Eichen und Erdbeer und Moos. Doch in ihre Kristallglätte wühlte noch ein aufrührischer brandäugiger Dunst aus seinen alten Kleidern. Er schob sie mit zwei Fingern zur Seite.
Dann an der Toilette. Rieb sich mit einem Kirschlederballen Gesicht und Hände. Sprühte Maiglockenessenz über Gesicht und Hände. Das war des Kindes Lieblingsduft.
Und immer lächelte der stumme Mann.
Dann am Schrank. Sonst war die Wahl schwer.
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