Die ersteren haben ein Putsu mit Storch, die letzteren ein dergleichen Schild mit dem Bild des Einhorns zu tragen. Die Zivilbeamten werden mehr als die militärischen geehrt. Ich hatte also erfahren, daß »Monsieur Fu«, denn nur auf ihn konnten sich diese Auszeichnungen beziehen, ein Zivilmandarin allerhöchsten Ranges war, und nahm mir selbstverständlich vor, dies keinem Menschen mitzuteilen. Mehr zu sehen, wurde mir durch meinen Bleistift unmöglich gemacht. Ich hatte ihn hinter das Ohr gesteckt; er verlor dadurch, daß ich den Kopf vor und nach unten gebeugt hatte, den Halt, fiel hinab und traf grad vor dem Diener auf das Balkongeländer auf. Der Chinese stieß einen Ruf des Schreckens aus, raffte Alles schnell zusammen und war im nächsten Augenblicke ver- verschwunden. Auch dieser sein Schreck war ein Beweis, daß seine beiden Herren ihren Stand nicht zu verraten wünschten.

Wir befanden uns im Vorsommer, also in der Zeit, in welcher der Khamsin jährlich gegen fünfzig Tage lang der höchst ungern gesehene Gast Aegyptens ist. Dieser heiße, trockene Südwestwind, welcher den feinen Staub der Wüste mit sich führt, kann, wenn er stark auftritt, so erschlaffend wirken, daß sowohl der Einheimische als auch der Fremde Alles meidet, was mit einer körperlichen Anstrengung verbunden ist. Am Tage nach der soeben erzählten Entdeckung wehte er ganz besonders entkräftend von Gizeh und Aryahn herüber. Man mied die Straßen, und die sonst so gern besuchten Plätze vor den Kaffeehäusern waren noch um die Zeit des Asr, des täglichen Nachmittagsgebetes, unbesetzt. Dies veranlaßte mich, nach dem Dschebel Mokattam zu reiten. Ich war den Khamsin längst gewohnt; er konnte mich nicht belästigen und hielt im Gegenteile andere Leute ab, mich da oben in dem mir liebgewordenen Genuß zu stören. Der Blick vom Mokattam und dem Dschebel Giyuschi ist unbeschreiblich schön, mir aber doppelt wert, wenn beim Sonnenuntergange die Beleuchtung der Stadt und ihrer Umgegend durch den in der Luft schwebenden Khamsinstaub zu einer, fast mochte ich sagen, märchenhaften wird. Es sind dann alle Härten und Schärfen des Bildes abgemildert, und es liegt ein so undefinierbarer Farbenton rings ausgegossen, daß man meinen möchte, von einer jenseitigen Höhe auf eine ganz andere, un- oder überirdische Welt herabzuschauen.

Eben als ich mich aufmachte, brachte der Kommissioner des Hotels einige Wagen voller Reisende, welche mit dem Zuge angekommen waren. Ich hatte keinen Grund, sie zu beachten, doch fiel mir im Vorübergehen eine junge, blau verschleierte Dame auf, welche einfach in Grau und praktisch knöchelfrei gekleidet war und zu einem mit ihr ausgestiegenen Herrn einige englische Worte sprach. Ich hatte nur selten eine so tiefe, wohlklingende und sympathische Altstimme gehört.

Dann saß ich oben auf dem Berge, in stiller, zunächst ununterbrochener Einsamkeit. Mein Lieblingsplatz war ein Felsensitz in der Nähe der alten, verfallenen Giyuschi-Moschee. Die Sonne hielt sich hinter einem flimmernden, orangefarbenen Dufte halb verborgen. Wie ein im Einschlummern unvollendet gebliebenes Gebet lagen die Mamelukengräber tief zu meinen Füßen. Von der Alabastermoschee bis nach Kasr el Ain hinüber und von der ahnenhaften Amr Ibn el As bis zur früheren ez Zahir hinunter klangen die in Stein gedichteten tausend Strophen der Minarehs zu Allahs Thron empor. Durch Masr el Atika, das einstige Fostat, dampfte, einer Entheiligung gleich, ein Zug hinauf nach Heluan, und hinter den Lebbachbäumen der Dakrurstraße und dem Grün der Kanalfelder lagen am Wüstenrande die Pyramiden - - aus Angst vor der Ewigkeit erstarrte Todesgedanken der Pharaonen. Tod und Leben, Vergangenheit und Gegenwart um und in sich vereinigend, vom Wüstenwind überweht und doch so jugendschön und jugendwarm, so breitete sie sich vor meinen Augen aus, El Kahira, die Siegreiche, die mir nebst Bagdad und Damaskus so lieb geworden ist wie keine andere Stadt des Orientes.

Es kamen von da unten herauf, von den Königsgräbern da drüben und dem Sinai im Osten hinter mir Gedanken über mich, welche ich nicht verloren gehen lassen wollte; darum zog ich Papier und Blei hervor. Ich begann damals, an meinen »Himmelsgedanken« zu dichten, deren erster Band inzwischen erschienen ist. Dieses Buch war auch einer der Gründe, welche mich zur gegenwärtigen Reise veranlaßt hatten. Wer Gedichte über und für die Menschheitsseele schreiben und den Völkern gerecht werden will, denen diese Seele ihre Jugendbegeisterung widmete, der darf nicht meinen, daß er die Gedanken dazu im kalten, selbstsüchtigen Abendlande finden werde, sondern er muß dorthin gehen, wo einst Gott selbst zur Erde kam und seine Engel sich den Menschen zeigen durften, ohne, wie es allerdings ein einziges Mal, und zwar zu Sodom und Gomorrhas Verderben geschah, für ihre Himmelsliebe schlimmen Erdendank zu ernten.

Da, wo die nackt gewordenen Steine Palästinas wieder zu Brot zu werden haben, wo Memnons Kolosse nicht nur leise erklingen, sondern deutlich sprechen sollen, wo zwischen Pison, Gihon, Phrat und Hidekel noch heut die beseligende Idee des Paradieses wieder auszugraben ist, da muß man sein, da muß man sehen und lauschen, äußerlich und innerlich, und dann, wenn in stiller Mondesnacht aus den Wogen des Niles ganz dieselbe Offenbarung wie aus den Fluten des Tigris steigt und um die Minarehs dasselbe linde Säuseln klingt, welches Elias einst auf dem Karmel hörte, dann wird es der Menschenseele klar, daß auch ganz dieselben Strophen wieder zu ertönen haben, welche der Orient einst zu dichten begonnen, der Occident aber als Hoheslied der Gottes- und der Nächstenliebe zu vollenden hat.

Es war mir eine Lust, diese und ähnliche Gedanken in Worte zu kleiden; aber ich brachte es zu keinem Schlusse, denn ich wurde unterbrochen. Vom Felsenwege her erklang das lebhafte Getrappel kleiner Eselshufe. Mich umschauend, sah ich die erwähnte, grau gekleidete Dame und den Herrn kommen, mit welchem sie gesprochen hatte. Als dritten Reiter bemerkte ich einen jener christlichen oder jüdischen Levantiner, welche jedes von ihnen gehörte, wenn auch gänzlich unverstandene, fremdsprachige Wort in dem Mehlwürmertopfe ihres Gedächtnisses sorgfältig aufbewahren, um sich dann, wenn sie mit diesen Würmern nicht mehr allein fertig werden können, für Dolmetscher auszugeben und sie gegen möglichst hohe Vergütung an den Mann zu bringen. Diese Dragomans sind eine Plage, welcher sich zu erwehren der gewöhnliche Tourist weder genug Erfahrung noch die nötigen Kenntnisse besitzt. Wenn sie sich einmal festgesogen haben, so lassen sie nur selten wieder los, und der von ihnen, den ich hier kommen sah, war eine Klette von der allerschlimmsten Sorte.