Da er von der Unterhaltung nichts verstand, so mußte ich ihn aufmerksam machen:
"Sir, wenn ich schieße, so schießt auch, aber nur auf die Pferde!"
"Yes! Schön! Prachtvoll!" antwortete er.
Nun erklärte ich dem Bebbeh in ruhigem Tone:
"Gut, wir werden reiten; vorher aber muß ich dir eins erst sagen: Glaube nicht, daß wir um Frieden gebeten haben, weil wir uns vor euch fürchten! Wir lieben nur deshalb den Frieden, weil wir nicht das Blut von Menschen vergießen wollen. Du hast es anders gewollt; so siehe nun, was die Folgen sind!"
"Ihr? Euch nicht fürchten?" höhnte er. "Hast du nicht hier dich vor uns in den Staub gesetzt und um Barmherzigkeit gebeten, Giaur?"
"Sage dieses Wort nicht noch einmal, Bebbeh, sonst kommt es über dich wie der Blitz über den Baum! Ich wollte den Frieden haben, um euretwillen, und ich will euch beweisen, daß wir euch verachten. Wir wollen nicht einen Vorsprung von euch geschenkt haben, sondern der Kampf mag sofort beginnen. Kommt heran!"
"So sei es!" rief er und griff nach seinem Dolch. In demselben Augenblick aber schoß mein Pferd mit einem langen Satze an dem seinigen vorüber; ich ergriff ihn beim Arm und riß ihn vom Pferde. Vier Schüsse krachten - noch zwei, und als ich den Rappen rasch wandte, sah ich die Pferde der Bebbeh sich mit ihren Reitern am Boden wälzen.
"Fort! Schnell!"
Wir jagten vorwärts. Ich riß den Bebbeh zu mir empor und gab ihm einige saftige Ohrfeigen mit den Worten: "Das ist für den »Giaur«!" Dann ließ ich ihn fallen. Er kam hart neben den Hufen des Pferdes, doch ohne von ihnen verletzt zu werden, zur Erde nieder. Das alles war so schnell geschehen, daß erst jetzt die Bebbeh unter einem lauten Wutgeheul ihre Pferde in Bewegung setzten.
"Habe ich recht oder unrecht gehandelt?" fragte ich die Haddedihn während des Reitens.
"Emir," antwortete Mohammed Emin, "du hast recht gehandelt; der Mann hat nicht nur dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und wird fürchterlich gerächt. Hüte dich, jemals in die Hände der Bebbeh zu fallen; du müßtest unter entsetzlichen Martern sterben!"
In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abteilungen gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Tiere erschießen. Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die Büchse.
"Schießen?" fragte Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.
"Ja. Die Pferde weg."
"Yes! Interessant! Viel Geld wert!"
Ich bat noch, nicht eher loszudrücken, als bis jeder sicher sei, nicht den Mann, sondern das Pferd zu treffen.
Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in Schußweite, als sie unsere Absicht zu ahnen begannen. Anstatt zerstreut abzuschwenken, hielten sie an.
"Fire!" kommandierte Master Lindsay.
Obgleich die Araber das englische Wort nicht verstanden, wußten sie doch, was es zu bedeuten habe. Wir drückten ab, ich und Lindsay noch einmal, und bemerkten sofort, daß kein Fehlschuß gefallen war: - die sechs Pferde bildeten mit ihren Reitern auf dem Boden einen Knäuel, dessen Entwirrung abzuwarten, es uns leider an der nötigen Zeit gebrach.
Nun stiegen wir wieder zu Pferde. Bald blieben die Verfolger weit zurück, und nach einer Weile befanden wir uns allein auf der Ebene.
Diese erreichte jedoch sehr bald ihr Ende. Es erhoben sich Berge vor uns, und auch von den Seiten traten Höhen zu uns heran. Wir hielten unwillkürlich die Pferde an, ohne uns irgend ein Zeichen dazu gegeben zu haben.
"Wohin?" fragte Mohammed.
"Hm!" brummte ich.
Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende Richtung gewesen, wie jetzt.
"Ueberlege, Emir!" sagte Amad. "Wir haben jetzt Zeit. Unsere Pferde mögen sich verschnaufen."
"Ebenso leicht könnte ich sagen, ihr sollt überlegen," antwortete ich. "Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden, aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa, Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach Sulimania bringen - -"
"Dahin gehen wir nicht!" unterbrach mich Mohammed Emin.
"So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von dem wir gestern abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, den wir eine Tagreise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter Banna in die Berge zu kommen."
"Ich stimme bei," sagte Mohammed.
"Dieser Fluß hat für uns auch den Vorteil, daß er Persien von dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je nachdem es unsere Sicherheit erfordert."
Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Täler wechselten in immer größerem Gegensatze. Am späten Nachmittag befanden wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.
"Hier wohnt jemand, Sihdi," meinte Halef.
"Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann.
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