Das Licht der Sterne war so stark, daß ich, trotzdem der Mond weder im Kalender noch am Himmel stand, die Zeiger meiner Taschenuhr auf drei Schritte Entfernung ganz deutlich erkennen konnte. Lesen hätte ich, selbst bei kleiner Schrift, ganz gut vermocht. Die Strahlen des Jupiter waren so hell, daß seine Trabanten selbst dann mit einem Fernrohre mit ausgeschraubten Gläsern wohl schwerlich zu entdecken gewesen wären, wenn man den Körper des Planeten mit dem Rande des Rohres zu bedecken versucht hätte. Sogar teleskopische Gestirne kamen zum Vorscheine. Der siebente Stern des Siebengestirns war ohne bedeutende Anstrengung des Auges zu erkennen. Die Klarheit eines solchen Firmamentes macht einen tiefen Eindruck auf das Gemüt, und ich lernte einsehen, warum Persien die Heimat der Astrologie ist, dieser unfrei geborenen Mutter der edlen Tochter, welche uns die leuchtenden Welten des Himmels kennen lehrt.

Unsere Lage ließ uns vorziehen, im Freien zu übernachten. Wir hatten uns im Laufe des Tages von einem Hirten ein Lamm gekauft und brannten uns jetzt ein Feuer an, um das Lamm gleich in der Haut zu braten, nachdem wir es ausgenommen und mit dem Messer geschoren hatten.

Unsere Pferde grasten in der Nähe. Sie waren in der letzten Zeit ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine mehrtägige Ruhe zu gönnen gewesen, was sich leider aber nicht ermöglichen ließ. Wir selbst befanden uns alle wohl, mit Ausnahme eines Einzigen. Dies war Sir David, welcher unter einem großen Aerger zu leiden hatte.

Er war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt. Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolle Geschenk des Orientes entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis, der Franzose aber Mal d'Aleppo oder Bouton d'Alep nennt. Diese "Aleppobeule", welche nicht nur Menschen, sondern auch gewisse Tiere z¨B¨ Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im Gesicht oder auch auf der Brust, an den Armen und Beinen eine große Beule bildet, welche unter Aussickern einer Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia, Mossul, Diarbekr, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens auftritt.

Ich hatte diese verunstaltende Beule schon öfters gesehen, noch niemals aber in der ungewöhnlichen Größe wie bei unserm guten Master Lindsay. Nicht genug, daß bei ihm die außerordentliche Anschwellung im dunkelsten Rot erglänzte, war sie auch so impertinent gewesen, sich just die Nase zu ihrem Sitze auszuwählen - diese arme Nase, welche so schon an einer ganz abnormen Dimension zu leiden hatte. Unser Englishman trug das Uebel nicht etwa mit Ergebenheit, wie es seine Pflicht als Gentleman und Vertreter der very great and excellent nation gewesen wäre, sondern er verriet einen Aerger und eine Ungeduld, deren Ausbrüche oft das Zwerchfell der Zuhörer in Mitleidenschaft zog.

Auch jetzt saß er am Feuer und befühlte fortwährend mit beiden Händen die unverschämte Pustel.

"Master!" sagte er zu mir. "Hersehen!"

"Wohin?"

"Hm! Dumme Frage! Auf mein Gesicht natürlich! Yes! Ist wieder gewachsen?"

"Was? Wer?"

"'s death! Diese Beule hier! Viel gewachsen?"

"Sehr! Sieht grad wie eine Gurke aus."

"All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!"

"Vielleicht wird's mit der Zeit ein Fowling-bull, Sir!"

"Wollt Ihr eine Ohrfeige haben, Master? Stehe sofort zu Diensten! Wollte, Ihr selbst hättet dieses armselige Swelling (* Englisch: Geschwulst.) auf Eurer Nase!"

"Habt Ihr Schmerzen?"

"Nein."

"So seid froh!"

"Froh? Zounds! Wie kann ich froh sein, wenn die Leute denken, meine Nase hätte die Snuff-box gleich mit auf die Welt gebracht! Wie lange werde ich dieses Ding haben?"

"Ziemlich ein Jahr, Sir!"

Er machte ein Paar Augen, daß ich vor Schreck beinahe zurückgewichen wäre, zumal das Entsetzen ihm den Mund so weit aufriß, daß die Nase mitsamt der Snuff-box (Schnupftabaksdose) geradewegs hätte hineinspazieren können.

"Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Zwölf ganze Monate?"

"So ungefähr."

"Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel? Pflaster? Salbe? Brei auflegen? Wegschneiden?"

"Nichts, gar nichts."

"Aber jede Krankheit hat ihr Mittel!"

"Diese nicht, Sir. Diese Beule ist nicht im mindesten gefährlich; aber wenn man sie zu zerteilen sucht oder gar ritzt und schneidet, dann kann sie sehr schlimm werden."

"Hm! Was dann, wenn sie fort ist? Sieht man es noch?"

"Das ist verschieden. Je größer die Beule, desto größer auch das Loch, welches zurückbleibt."

"My sky! Ein Loch?"

"Leider!"

"O weh! Schauderhaftes Land hier! Miserable Gegend! Werde machen, daß ich nach Old England komme! Well!"

"Nehmt Euch Zeit, Sir!"

"Warum?"

"Was würde man in Altengland sagen, wenn Sir David Lindsay seiner Nase erlaubt, sich eine Filiale anzulegen!"

"Hm! Habt recht, Master! Die Straßenjungen würden mir nachtrollen. Werde also hier bleiben und mich - -"

"Sihdi!" unterbrach ihn Halef. "Blicke nicht um!"

Ich saß mit dem Rücken gegen den Waldesrand und dachte mir natürlich sofort, daß der kleine Hadschi hinter mir etwas Verdächtiges bemerkt habe.

"Was siehst du?" fragte ich ihn darum.

"Ein Paar Augen. Grad hinter dir stehen zwei Tschimars, und zwischen ihnen gibt es einen wilden Birnbusch. Dort steckt der Mann, dessen Augen ich gesehen habe."

"Siehst du sie noch?"

"Warte!"

Er beobachtete so unauffällig wie möglich den Busch, und ich instruierte unterdessen die anderen, sich ganz so unbefangen wie vorher zu verhalten.

"Jetzt!" sagte Halef.

Ich erhob mich und gab mir den Anschein, als ob ich dürres Holz für das Feuer suchen wolle. Dabei entfernte ich mich so weit von dem Lager, daß ich nicht mehr gesehen werden konnte. Dann drang ich in den Waldsaum ein und schlich mich zwischen den Bäumen wieder zurück. Es waren nicht fünf Minuten vergangen, so befand ich mich hinter den beiden Tschimarbäumen und fand da allerdings Gelegenheit, das scharfe Auge Halefs zu bewundern. Zwischen den Bäumen und dem Busche kauerte eine menschliche Gestalt, welche unser Treiben am Lagerfeuer beobachtete.

Weshalb geschah dies? Wir befanden uns hier in einer Gegend, wo in meilenweitem Umkreise kein Dorf zu finden war. Allerdings gab es rund umher verschiedene kleine kurdische Stämme, welche sich bekämpften, und es mochte wohl auch zuweilen geschehen, daß irgend ein persischer Nomadenstamm über die Grenze kam, um einen Raub auszuführen. Dabei gab es genug Umhertreiber, Ueberreste von vernichteten Stämmen, die Gelegenheit suchten, sich einem andern Stamm anzuschließen.

Ich durfte nicht trauen; daher schob ich mich ganz leise an den Mann heran und faßte ihn dann rasch bei der Kehle. Er erschrak so sehr, daß er ganz steif wurde und sich auch gar nicht wehrte, als ich ihn in die Höhe nahm und an das Feuer trug.

Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.

"Mann, rühre dich nicht, sonst ersteche ich dich!" drohte ich.

Es war mir gar nicht so grimmig um das Herz, aber der Fremde nahm meine Drohung ernst auf und faltete bittend die Hände.

"Herr, Gnade!"

"Das soll auf dich ankommen. Belügst du mich, so bist du verloren.