Was ihr wollt
William Shakespeare
Was ihr wollt
Komödie
© 2009 buecher.de, Augsburg
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Erster Aufzug
Erste Scene
Der Pallast.
Der Herzog, Curio, und etliche Herren vom Hofe treten auf.
Herzog.
Wenn Musik die Nahrung der Liebe ist, so spielt fort; stopft mich
voll damit, ob vielleicht meine Liebe von Ueberfüllung krank
werden, und so sterben mag - - Dieses Passage noch einmal;
- - es hat einen so sterbenden Fall: O, es schlüpfte über
mein Ohr hin, wie ein sanfter Südwind, der Gerüche gebend
und stehlend über ein Violen-Bette hinsäuselt. - - Genug!
nichts mehr! Es ist nicht mehr so anmuthig, als es vorhin war.
O Geist der Liebe, wie sprudelnd und launisch bist du! weit und
unersättlich wie die See, aber auch darinn ihr ähnlich,
daß nichts da hineinkömmt, von so hohem Werth es auch
immer sey, das nicht in einer Minute von seinem Werth herab und
zu Boden sinke - -
Curio.
Wollt ihr jagen gehen, Gnädigster Herr?
Herzog.
Was?
Curio.
Den Hirsch.
Herzog.
- - Wie? das wäre das edelste was ich habe: O, wie ich Olivia
zum erstenmal sah, däuchte mich, sie reinigte die Luft von
einem giftigen Nebel; von diesem Augenblik an ward' ich in einen
Hirsch verwandelt, und meine Begierden, gleich wilden, hungrigen
Hunden, verfolgen mich seither - -
Valentin tritt auf.
Nun, was für eine Zeitung bringt ihr mir von ihr?
Valentin.
Gnädigster Herr, ich wurde nicht vorgelassen; alles was ich
statt einer Antwort erhalten konnte, war, daß ihr Kammer-Mädchen
mir sagte, die Luft selbst sollte in den nächsten sieben
Jahren ihr Gesicht nicht bloß zu sehen kriegen; sondern
gleich einer Kloster-Frau will sie in einem Schleyer herum gehen,
und alle Tage ein mal ihr Zimmer rund herum mit Thränen begiessen:
Alles diß aus Liebe zu einem verstorbenen Bruder, dessen
Andenken sie immer frisch und lebendig in ihrem Herzen erhalten
will.
Herzog.
O, Sie, die ein so fühlendes Herz hat, daß sie einen
Bruder so sehr zu lieben fähig ist; wie wird sie lieben,
wenn Amors goldner Pfeil die ganze Heerde aller andern Zuneigungen,
ausser einer einzigen, in ihrer Brust getödtet hat? Wenn
Leber, Gehirn und Herz, drey unumschränkte Thronen, alle
von Einem (o entzükende Vorstellung) von Einem und demselben
König besezt und ausgefüllt sind! Folget mir in den
Garten - - Verliebte Gedanken ligen nirgends schöner, als
unter einem grünen Thron-Himmel, auf Polstern von Blumen.
(Sie gehen ab.)
Zweite Scene
Die Strasse.
Viola, ein Schiffs-Capitain, und etliche Matrosen.
Viola.
In was für einem Lande sind wir, meine Freunde.
Capitain.
In Illyrien, Gnädiges Fräulein.
Viola.
Und was soll ich in Illyrien machen, da mein Bruder im Elysium
ist? - - Doch vielleicht ist er nicht umgekommen; was meynt ihr,
meine Freunde?
Capitain.
Es ist ein blosses Glük, daß ihr selbst gerettet worden
seyd.
Viola.
O mein armer Bruder! - - aber, hätt' er dieses Glük
nicht auch haben können?
Capitain.
Es ist wahr; und wenn die Hoffnung eines glüklichen Vielleicht
Eu. Gnaden beruhigen kan, so versichre ich euch, wie unser
Schiff strandete, und ihr und diese wenigen, die mit euch gerettet
wurden, an unserm Boot hiengen, da sah ich euern Bruder, selbst
in dieser äussersten Gefahr, Muth und Vorsicht nicht verliehrend,
sich selbst an einen starken Mast binden, der auf der See umhertrieb;
und auf diese Art schwamm er, wie Arion auf dem Rüken des
Delphins, durch die Wellen fort, bis ich ihn endlich aus den Augen
verlohr.
Viola.
Hier ist Gold für diese gute Nachricht. Meine eigne Rettung
läßt mich auch die seinige hoffen, und dein Bericht
bestärkt mich hierinn. Bist du in dieser Gegend bekannt?
Capitain.
Ja, Madam, sehr wohl; der Ort wo ich gebohren und erzogen wurde,
ist nicht drey Stunden Wegs von hier entfernt.
Viola.
Wer regiert hier?
Capitain.
Ein edler Herzog, den Eigenschaften und dem Namen nach.
Viola.
Wie nennt er sich?
Capitain.
Orsino.
Viola.
Orsino? Ich erinnre mich, daß ich von meinem Vater ihn nennen
hörte; er war damals noch unvermählt.
Capitain.
Er ist's auch noch, oder war's doch vor kurzem; denn es ist nicht
über einen Monat, daß ich von her abreisete, und damals
murmelte man nur einander in die Ohren, (ihr wißt, wie gerne
die Kleinern von dem, was die Grossen thun, schwazen,) daß
er sich um die Liebe der schönen Olivia bewerbe.
Viola.
Wer ist diese Olivia?
Capitain.
Eine junge Dame von grossen Eigenschaften, die Tochter eines Grafen,
der vor ungefehr einem Jahr starb, und sie unter dem Schuz seines
Sohns, ihres Bruders, hinterließ; aber auch diesen hat sie
erst kürzlich durch den Tod verlohren; und man sagt, sie
sey so betrübt darüber, daß sie die Gesellschaft,
ja so gar den blossen Anblik der Menschen verschworen habe.
Viola.
Wenn ich nur ein Mittel wißte, in die Dienste dieser Dame
zu kommen, ohne eher in der Welt für das was ich bin bekannt
zu werden, als ich es selbst meinen Absichten verträglich
finden werde.
Capitain.
Das wird schwer halten; denn sie läßt schlechterdings
niemand vor sich, sogar den Herzog nicht.
Viola.
Du hast das Ansehen eines rechtschaffnen Manns, Capitain; und
obgleich die Natur manchmal den häßlichsten Unrath
mit einer schönen Mauer einfaßt, so will ich doch von
dir glauben, daß dein Gemüth mit diesem feinen äusserlichen
Schein übereinstimme: Ich bitte dich also, (und ich will
deine Mühe reichlich belohnen,) verheele was ich bin, und
verhilf mir zu einer Verkleidung, die meinen Absichten beförderlich
seyn mag. Ich will mich in die Dienste dieses Herzogs begeben;
stelle mich ihm als einen Castraten vor; es kan deiner Mühe
werth seyn; ich kan singen, ich spiele verschiedene Instrumente,
und bin also nicht ungeschikt ihm die Zeit zu verkürzen;
was weiter begegnen kan, will ich der Zeit überlassen; nur
beobachte du auf deiner Seite ein gänzliches Stillschweigen
über mein Geheimniß.
Capitain.
Seyd ihr sein Castrat, ich will euer Stummer seyn. Verlaßt
euch auf meine Redlichkeit.
Viola.
Ich danke dir; führe mich weiter.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene
Verwandelt sich in ein Zimmer in Olivias Hause.
Sir Tobias und Maria treten auf.
Vierte Scene
Sir Andreas zu den Vorigen.
Der Character des Sir Tobias und seines Freundes gehört
in die unterste Tiefe des niedrigen Comischen; ein paar mäßige,
lüderliche, rauschichte Schlingels, deren platte Scherze,
Wortspiele und tolle Einfälle nirgends als auf einem Engländischen
Theater, und auch da nur die Freunde des Ostadischen Geschmaks
und den Pöbel belustigen können. Wir lassen also diese
Zwischen-Scenen um so mehr weg, als wir der häuffigen Wortspiele
wegen, öfters Lüken machen müßten. Alles
was in diesen beyden Scenen einigen Zusammenhang mit unserm Stüke
hat, ist dieses, daß Sir Tobias seinen Zechbruder, Sir Andreas,
als einen Liebhaber der schönen Olivia ins Haus einführt
und ganz ernsthaft der Meynung ist, daß sie ein recht artiges
wohlzusammengegattetes Paar ausmachen würden; und daß
Jungfer Maria den würdigen Oheim ihrer Dame höflich
ersucht, um seiner Gesundheit willen sich weniger zu besauffen;
und um der Ehre des Hauses willen, seine Bacchanalien nicht so
tief in die Nacht hinein zu verlängern.
Fünfte Scene
Verwandelt sich in den Pallast.
Valentin, und Viola in Mannskleidern, treten auf.
Valentin.
Wenn der Herzog fortfährt euch so zu begegnen wie bisher,
Cäsario, so werdet ihr in kurzem einen grossen Weg machen;
er kennt euch kaum drey Tage, und er begegnet euch schon, als
ob es so viele Jahre wären.
Viola.
Ihr müßt entweder seiner Laune oder meiner Aufführung
nicht viel gutes zutrauen, wenn ihr die Fortsezung seiner Gunst
in Zweifel ziehet. Ist er denn so unbeständig in seinen Zuneigungen,
mein Herr?
Valentin.
Nein, das ist er nicht.
Der Herzog, Curio und Gefolge treten auf.
Viola.
Ich danke euch; hier kommt der Herzog.
Herzog.
Sah keiner von euch den Cäsario, he?
Viola.
Hier ist er, Gnädigster Herr, zu Befehl.
Herzog (zu den andern.)
Geht ihr ein wenig auf die Seite - - Cäsario, du weist
bereits nicht weniger als alles; ich habe dir das Innerste meines
Herzens entfaltet. Geh also zu ihr, mein guter Junge; laß
dich nicht abweisen, postiere dich vor ihrer Thüre, und sag
ihr, du werdest da wie eingewurzelt stehen bleiben, bis sie dir
Gehör gebe.
Viola.
Gnädigster Herr, wenn sie sich ihrer Betrübniß
so sehr überläßt, wie man sagt, so ist nichts
gewissers, als daß sie mich nimmermehr vorlassen wird.
Herzog.
Du must ungestüm seyn, schreyen, und eher über alle
Höflichkeit und Anständigkeit hinüberspringen,
als unverrichteter Sachen zurük kommen.
Viola.
Und gesezt, ich werde vorgelassen, Gnädigster Herr, was soll
ich sagen?
Herzog.
O dann entfalte ihr die ganze Heftigkeit meiner Liebe; preise
ihr meine ungemeine Treue an; es wird dir wol anstehen, ihr mein
Leiden vorzumahlen; sie wird es von einem jungen Menschen, wie
du, besser aufnehmen, und mehr darauf Acht geben, als wenn ich
einen Unterhändler von ernsthafteren Ansehen gebrauchte.
Viola.
Ich denke ganz anders, Gnädigster Herr.
Herzog.
Glaube mir's, mein lieber Junge; deine Jugend wäre schon
genug, diejenigen lügen zu heissen, die dich einen Mann nennten.
Dianens Lippen sind nicht sanfter und rubinfarbiger als die deinigen;
deine Stimme ist wie eines Mädchens, zart und hell, und dein
ganzes Wesen hat etwas weibliches an sich. Ich bin gewiß,
du bist unter einer Constellation gebohren, die dich in solchen
Unterhandlungen glüklich macht; du wirst meine Sache besser
führen, als ich selbst thun könnte. Geh also, sey glüklich
in deiner Verrichtung, und du sollst alles was mein ist, dein
nennen können.
Viola.
Ich will mein Bestes thun, Gnädigster Herr - - (vor sich.)
Eine beschwerliche Commission! Ich soll ihm eine andre kuppeln,
und wäre lieber selbst sein Weib.
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene
Olivia's Haus.
Maria und der Narr vom Hause treten auf.
Maria schilt den Narren aus, daß er so lange ausgeblieben,
und sagt ihm, die Gnädige Frau werde ihn davor hängen
lassen. Der Narr erwiedert dieses Compliment mit Einfällen,
an denen der Leser nichts verliehrt; man weiß daß
auch der allersinnreichste und unerschöpflichste Hans Wurst
doch endlich genöthiget ist, sich selbst zu wiederholen,
so gut als ein andrer wiziger Kopf; und so geht es Shakespears
Clowns oder Narren von Profeßion auch; sie haben ihre locos
communes, auf denen sie wie auf Steken-Pferden herumreiten,
wenn ihnen nichts bessers einfallen will; und dieser wird endlich
der Zuhörer und der Leser satt.
Siebende Scene
Olivia und Malvolio zu den Vorigen.
Narr.
O Verstand, sey so gut und hilf mir den Narren machen - - Diese
gescheidten Leute, welche sich einbilden sie haben dich, beweisen
sehr oft daß sie Narren sind; und ich, bey dem es ausgemacht
ist, daß ich dich nicht habe, mag für einen weisen
Mann gelten. Denn was sagt Quinapalus? Besser ein wiziger Narr,
als ein närrischer Wizling! Guten Tag, Frau!
Olivia.
Schaft mir den Narren weg.
Narr.
Hört ihr's nicht, Kerls? Schaft mir die Frau weg.
Olivia.
O, geh; du bist ein trokner Narr; ich habe deiner genug; zu allem
Ueberfluß wirst du zu deiner Albernheit noch ungesittet.
Narr.
Das sind zween Fehler, die sich durch guten Rath und einen Krug
Halb-Bier verbessern lassen. Denn, gebt dem troknen Narren zu
trinken, so ist der Narr nicht mehr troken: Sagt dem ungesitteten
Menschen, wie er sich verbessern soll, so wird er nicht länger
ungesittet seyn. Alle Dinge in der Welt, die man ausbessert, werden
geflikt; Tugend, die sich vergeht, ist nur mit Sünde geflikt;
und Sünde, die sich bessert, ist nur mit Tugend geflikt.
Wenn dieser einfältige Syllogismus die Sache ausmacht, wol
gut; wo nicht, was ist zu thun? Gleichwie kein andrer wahrer Hahnrey
ist als Elend; so ist Schönheit eine vergängliche Blume:
Die Gnädige Frau sagte, man solle den Narren wegschaffen,
also sag ich noch einmal, schafft sie weg.
Olivia.
Sir, ich befahl daß man euch wegschaffen sollte.
Narr.
Mißverstand im höchsten Grade Gnädiges Fräulein,
cucullus non facit monachum; das ist auf Deutsch: Mein
Hirn sieht nicht so buntschekicht aus als mein Rok: Liebe Madonna,
wollt ihr mir erlauben, euch zu beweisen, daß ihr eine Närrin
seyd?
Olivia.
Wie willt du das machen?
Narr.
Gar geschikt, gute Madonna.
Olivia.
Nun, so beweise dann.
Narr.
Ich muß euch vorher catechisieren, Madonna, wenn ihr mir
antworten wollt.
Olivia.
Gut, Sir, so schlecht der Zeitvertrieb ist, so wollen wir doch
euern Beweis hören.
Narr.
Gute Madonna, warum traurest du?
Olivia.
Um meinen Bruder, guter Narr.
Narr.
Ich denke, seine Seele ist also in der Hölle, Madonna?
Olivia.
Ich weiß, seine Seele ist im Himmel, Narr.
Narr.
Eine desto grössere Närrin seyd ihr, Madonna, dafür
zu trauern, daß euer Bruder im Himmel ist; schaft mir die
Närrin weg, meine Herren.
Olivia.
Was denkt ihr von diesem Narren, Malvolio? Verbessert er sich
nicht?
Malvolio.
Ja, und wird sich verbessern bis ihm die Seele ausgehen wird.
Zunehmende Jahre machen den vernünftigen Mann abnehmen, und
verbessern hingegen den Narren, weil er je älter je närrischer
wird.
Narr.
Gott send' euch ein frühzeitiges Alter, Herr, um eure Narrheit
desto bälder zu ihrer Vollkommenheit zu bringen! Sir Tobias
würde schwören wenn man's verlangte, daß ich kein
Fuchs sey; aber er würde sich nicht für zwey Pfenninge
verbürgen, daß ihr kein Narr seyd.
Olivia.
Was sagt ihr hiezu, Malvolio?
Malvolio.
Mich wundert, wie Eu. Gnaden an einem so abgeschmakten Schurken
ein Belieben finden kan; ich sah ihn erst gestern von einem alltäglichen
Narren, der nicht mehr Hirn hatte als ein Stein, zu Boden gelegt.
Seht nur, er weiß sich schon nicht mehr zu helfen; wenn
ihr nicht vorher schon lacht, und ihm die Einfälle die er
haben soll auf die Zunge legt, so steht er da, als ob er geknebelt
wäre. Ich versichre, diese gescheidte Leute, die über
die albernen Frazen dieser Art von gedungenen Narren so krähen
können, sind in meinen Augen die Narren der Narren.
Olivia.
O, ihr seyd am Eigendünkel krank, Malvolio, und habt einen
ungesunden Geschmak. Edelmüthige, schuldlose und aufgeräumte
Leute sehen diese Dinge für Vögel-Schrot an, die euch
Canon-Kugeln scheinen; ein Narr von Profeßion kan niemand
beschimpfen, wenn er gleich nichts anders thut als spotten; so
wie ein Mann von bekannter Klugheit niemals spottet, wenn er gleich
nichts anders thäte als tadeln.
Maria zu den Vorigen.
Maria.
Gnädige Frau, es ist ein junger Herr vor der Thüre,
der ein grosses Verlangen trägt, mit Euer Gnaden zu sprechen.
Olivia.
Von dem Grafen Orsino, nicht wahr?
Maria.
Ich weiß es nicht, Gnädige Frau, er ist ein hübscher
junger Mann, und er macht Figur.
Olivia.
Wer von meinen Leuten unterhält ihn?
Maria.
Sir Tobias, Gnädige Frau, euer Oehm.
Olivia.
Macht daß ihr ihn auf die Seite bringt, ich bitte euch;
er spricht nichts als tolles Zeug; der garstige Mann! Geht ihr,
Malvolio; wenn es eine Gesandschaft vom Grafen ist, so bin ich
krank oder nicht bey Hause: Sagt was ihr wollt, um seiner los
zu werden.
(Malvolio geht ab.)
Ihr seht also, Sir, eure Narrheit wird alt und gefällt
den Leuten nicht mehr.
Narr.
Du hast unsre Parthey genommen, Madonna, als ob dein ältester
Sohn zu einem Narren bestimmt wäre; Jupiter füll' ihm
seinen Schedel mit Hirn aus! Hier kommt einer von deiner Familie,
der eine sehr schwache pia mater hat - -
Achte Scene
Sir Tobias zu den Vorigen.
Olivia.
Auf meine Ehre, halb betrunken. Wer ist vor der Thür, Onkel?
Sir Tobias.
Ein Edelmann.
Olivia.
Ein Edelmann? Was für ein Edelmann?
Sir Tobias.
Ein Mutter-Söhnchen, dem Ansehen nach - - der Henker hole
diese Pikelhäringe! Was machst du hier, Dumkopf?
Narr.
Guter Sir Toby - -
Olivia.
Onkel, Onkel, wie kommt ihr schon so früh zu dieser Lethargie?
Sir Tobias.
Es ist einer vor der Pforte, sag ich.
Olivia.
Nun, wer ist er denn?
Sir Tobias.
Er kan meinethalb der Teufel selber seyn, wenn er will, was bekümmert
mich's; glaubt mir was ich sage. Gut, es ist all eins.
(Er geht ab.)
Olivia.
Wem ist ein berauschter Mann gleich, Narr?
Narr.
Einem Narren, einem Ertrunknen und einem Rasenden. Das erste Glas
über das was genug ist macht ihn närrisch; das zweyte
macht ihn rasend; und das dritte ertränkt ihn gar.
Olivia.
So kanst du nur gehen und ein visum repertum über
meinen Oehm machen lassen; er ist würklich im dritten Grade
der Trunkenheit; er ist ertrunken; geh, sieh zu ihm.
Narr.
Er ist dermalen erst toll, Madonna, und der Narr wird gehn und
zu dem Tollhäusler sehen.
(Er geht ab.)
Malvolio zu den Vorigen.
Malvolio.
Gnädige Frau, der junge Bursche schwört, daß er
mit euch reden wolle. Ich sagte ihm, ihr befändet euch nicht
wohl; er antwortet, so komme er eben recht, denn er habe ein vortrefliches
Arcanum gegen dergleichen Unpäßlichkeiten. Ich sagte
ihm, ihr schliefet, aber es scheint er habe das auch vorher gewußt,
und will deßwegen mit euch sprechen. Was soll man ihm sagen,
Gnädige Frau? Er will sich schlechterdings nicht abweisen
lassen.
Olivia.
Sagt ihm, er solle mich nicht zu sprechen kriegen.
Malvolio.
Das hat man ihm gesagt; und seine Antwort ist, er wolle vor eurer
Pforte stehen bleiben wie eine Säule, er wolle das Fußgestell
zu einer Bank abgeben; aber er wolle mit euch sprechen.
Olivia.
Von was für einer Gattung Menschen-Kindern ist er?
Malvolio.
Wie, von der männlichen.
Olivia.
Aber was für eine Art von einem Mann?
Malvolio.
Von einer sehr unartigen; er will mit euch reden, ihr mögt
wollen oder nicht.
Olivia.
Wie sieht er aus, und wie alt mag er seyn?
Malvolio.
Nicht alt genug, einen Mann und nicht jung genug, einen Knaben
vorzustellen; mit einem Wort, ein Mittelding zwischen beyden,
ein hübsches, wohlgemachtes Bürschgen, und er spricht
ziemlich nasenweise; man dächte, er habe noch was von seiner
Mutter Milch im Leibe.
Olivia.
Laßt ihn kommen; ruft mir mein Mädchen.
Malvolio.
Jungfer, die Gnädige Frau ruft.
(Er geht ab.)
Neunte Scene
Maria tritt auf.
Olivia.
Gieb mir meinen Schleyer: Komm, zieh ihn über mein Gesicht:
Wir wollen doch noch einmal hören, was Orsino's Gesandtschaft
anzubringen haben wird.
Viola zu den Vorigen.
Viola.
Wo ist die Gnädige Frau von diesem Hause?
Olivia.
Redet mit mir, ich will für sie antworten; was wollt ihr?
Viola.
Allerglänzendste, auserlesenste und unvergleichlichste Schönheit
- - ich bitte euch, sagt mir, ob das die Frau vom Hause ist, denn
ich sah sie noch niemals. Es wäre mir leid, wenn ich meine
Rede umsonst gehalten hätte; denn ausserdem daß sie
über die maassen wol gesezt ist, so hab ich mir grosse Mühe
gegeben, sie auswendig zu lernen. Meine Schönen, eine deutliche
Antwort; ich bin sehr kurz angebunden, wenn mir nur im geringsten
mißbeliebig begegnet wird.
Olivia.
Woher kommt ihr, mein Herr?
Viola.
Ich kan nicht viel mehr sagen als ich studiert habe und diese
Frage ist nicht in meiner Rolle. Mein gutes junges Frauenzimmer,
gebt mir hinlängliche Versicherung daß ihr die Frau
von diesem Hause seyd, damit ich in meiner Rede fortfahren kan.
Olivia.
Seyd ihr ein Comödiant?
Viola.
Nein, vom innersten meines Herzens wegzureden; und doch schwör'
ich bey den Klauen der Bosheit, ich bin nicht was ich vorstelle.
Seyd ihr die Frau vom Hause?
Olivia.
Wenn ich mich selbst nicht usurpiere, so bin ich's.
Viola.
Unfehlbar, wenn ihr sie seyd, usurpiert ihr euch selbst; denn
was euer ist um es wegzugeben, das kömmt euch nicht zu, für
euch selbst zurük zu behalten; doch das ist aus meiner Commißion.
Ich will den Eingang meiner Rede mit euerm Lobe machen, und euch
dann das Herz meines Auftrags entdeken.
Olivia.
Kommt nur gleich zur Hauptsache; ich schenke euch das Lob.
Viola.
Desto schlimmer für mich; ich gab mir so viele Müh es
zu studieren, und es ist so poetisch!
Olivia.
Desto mehr ist zu vermuthen, daß es übertrieben und
voller Dichtung ist. Ich bitte euch, behaltet es zurük.
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