Wie wenig es braucht, um
in ein wächsernes Weiber-Herz Eindruk zu machen! Himmel!
daran hat unsre Gebrechlichkeit Schuld, nicht wir; wenn wir so
gemacht sind, was können wir dafür, daß wir so
sind? - - Aber wie wird sich das zusammen schiken? Mein Herr liebt
sie aufs äusserste; ich, arme Mißgestalt, bin eben
so stark von ihm bethört; und sie, durch den Schein betrogen,
seufzt um mich. Was wird aus diesem allem werden? In so fern ich
ein Mann bin, könnte meine Liebe zu Orsino in keinem verzweifeltern
Zustand seyn; in so fern ich ein Mädchen bin, wie viele vergebliche
Seufzer wird die arme Olivia aushauchen! Hier ist lauter Hoffnunglose
Liebe, auf allen Seiten. O Zeit, du must diß entwikeln,
nicht ich; es ist ein Knoten, der zu hart verschlungen ist, als
daß ich ihn auflösen könnte.
(Sie geht ab.)
Dritte Scene
Verwandelt sich in Olivias Haus.
Sir Tobias und Sir Andreas, nebst dem Narren.
Vierte Scene
Maria, und endlich auch Malvolio zu den Vorigen.
Diese beyden Zwischen-Scenen sind der Uebersezung unwürdig,
und eines Aufzugs unfähig.
Fünfte Scene
Verwandelt sich in den Pallast.
Der Herzog, Viola, Curio, und andre.
Herzog.
Macht mir ein wenig Musik; nun guten Morgen, meine Freunde: Wie,
mein wakrer Cäsario, in der That, das Stükchen, das
alte ehrliche Gassen-Liedchen, das wir lezte Nacht hörten,
machte mir leichter ums Herz als diese flüchtigen Läuffe,
diese studierten Säze einer rauschenden und schwindlicht
sich im Kreise herumdrehenden Symphonie - - Kommt, nur eine Strophe - -
Curio.
Gnädigster Herr, es ist niemand da, der es singen könnte.
Herzog.
Wer sang es denn gestern?
Curio.
Fest, der Pikelhäring, der Narr, mit dem der Gräfin
Olivia Vater soviel Kurzweil hatte. Er ist ausgegangen.
Herzog.
Sucht ihn auf, und spielt indessen die Melodie. Komm hieher, Junge:
wenn du jemals erfahren wirst was Liebe ist, so denk' in ihren
süssen Beklemmungen an mich; so wie ich bin, sind alle Liebhaber:
unstät und launisch in allen andern Vorstellungen, als allein
in dem Bilde des Geliebten, das immer vor ihren Augen schwebt
- - wie gefällt dir dieser Ton?
Viola.
Er giebt ein wahres Echo von dem Siz, wo die Liebe thront.
Herzog.
Du sprichst meisterlich. Ich seze mein Leben dran, dein Herz ist
nicht so unerfahren als du jung bist; du hast geliebt, nicht wahr,
Junge?
Viola.
Ein wenig, Gnädigster Herr.
Herzog.
Von was für einer Gattung Weibsbilder ist sie?
Viola.
Sie sieht Eu. Gnaden gleich.
Herzog.
So ist sie deiner nicht werth. Wie alt, ernsthafter Weise?
Viola.
Von euerm Alter, Gnädigster Herr.
Herzog.
So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern
nehmen als sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren
Plaz in ihres Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir,
Junge, wir mögen uns so schön machen als wir wollen,
so sind doch unsre Zuneigungen immer weit schwindlichter, unsteter,
schwankender, und leichter abgenuzt und verlohren, als der Weiber
ihre.
Viola.
Das denk' ich selbst, Gnädigster Herr.
Herzog.
Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist,
oder deine Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind
wie Rosen; in der nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume
sich völlig entfaltet, fällt sie ab.
Viola.
Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß
sie in dem Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit
erreicht haben.
Curio und der Narr zu den Vorigen.
Herzog.
O, komm du, guter Freund - - Das Lied von gestern Nachts - - Gieb
Acht darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die
Spinnerinnen und Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer
Arbeit sizen, und die muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln,
pflegen es zu singen; es ist ein läppisches, kindisches Ding,
aber es sympathisiert mit der Unschuld der Liebe, wie man vor
Alters liebte.
Narr.
Seyd ihr fertig, Herr?
Herzog.
Ja; sing, ich bitte dich.
Ein Lied.*
Herzog.
Hier ist was für deine Mühe.
Narr.
Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für
mich, Herr.
Herzog.
So will ich dir dein Vergnügen bezahlen.
Narr.
Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder
lange bezahlt seyn.
Herzog.
Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst.
Narr.
Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der
Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein
Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit
müßte man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte
allenthalben und ihr Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade
was man braucht, um von einer langen Reise nichts nach Hause zu
bringen. Lebt wohl.
(Er geht ab.)
* Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser Uebersezung,
in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine so
glükliche Probe mit einem Liede des Narren im König
Lear gemacht, daß wir ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen
wollen. Es ist in der That alles was Orsino davon sagt, aber es
müßte, um nicht alles zu verliehren in der Sprache
Sebastian Brands oder einer noch ältern, in der nemlichen
oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der nemlichen Wahrheit
der Erfindung, und tändelnden Einfalt des Ausdruks, übersezt
werden - - eine Arbeit, welche vielleicht schwerer ist, als das
feinste Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen.
Sechste Scene
Herzog.
Macht uns Plaz ihr andern - - Versuch es noch zum leztenmal, Cäsario;
geh noch einmal zu dieser schönen Unerbittlichen; sag ihr,
meine Liebe lege einer Menge von ausgebreiteten Erdschollen die
man Ländereyen heißt, keinen Werth bey; sag ihr, die
Güter die das Glük ihr zugelegt habe, seyen in meinen
Augen so eitel als das Glük selbst; ihr Gemüth allein,
dieses Wunder, dieses unvergleichliche Kleinod, das die Natur
so schön gefaßt hat, ziehe meine Seele an, und wenn
sie die ganze Welt zum Brautschaz hätte, so würde sie
in meinen Augen nicht reizender seyn.
Viola.
Aber wenn sie euch nun nicht lieben kan, Gn. Herr?
Herzog.
Ich will keine solche Antwort haben.
Viola.
Aber wie dann, wenn ihr müßt? Sezet den Fall, es gäbe
eine junge Dame, wie es vielleicht eine giebt, die aus Liebe zu
euch diese nemliche Quaal in ihrem Herzen fühlte, die ihr
für Olivia fühlt; und ihr könntet sie nicht lieben,
und ihr sagtet ihr das; müßte sie sich diese Antwort
nicht gefallen lassen?
Herzog.
Es giebt kein weibliches Herz das stark genug wäre, den Sturm
einer so heftigen Leidenschaft auszuhalten, wie die meinige ist
- - es giebt keines, das groß genug wäre, eine solche
Liebe zu fassen. Ihre Liebe verdient mehr den Namen eines flüchtigen
Gelusts, sie reizt nur ihren Gaumen, nicht ihre Leber, und endigt
sich bald durch Ueberfüllungen Ekel und Abscheu; da die meinige
hingegen so hungrig ist wie die See, und eben so viel verdauen
kan. Mache keine Vergleichung zwischen der Liebe die ein Weibsbild
für mich haben kan, und der meinigen für Olivia.
Viola.
Gut, und doch weiß ich - -
Herzog.
Was weißst du?
Viola.
Nur zuwohl was für einer Liebe die Weibsbilder zu den Mannsleuten
fähig sind. Aufrichtig zu reden, sie haben so getreue Herzen
als wir immer. Mein Vater hatte eine Tochter die jemand so sehr
liebte, als ich vielleicht, wenn ich ein Weibsbild wäre,
Euer Gnaden lieben würde.
Herzog.
Und was ist ihre Geschichte?
Viola.
Ein weisses Blatt Papier: Nie entdekte sie ihre Liebe sondern
ließ ihr Geheimniß, gleich einem Wurm in der Knospe,
an ihrer Rosenwange nagen: Sie verschloß ihre Quaal in ihr
Herz, und, in blasser hinwelkender Schwermuth, saß sie wie
die Geduld auf einem Grabmal, und lächelte ihren Kummer an.
War das nicht Liebe, wahre Liebe? Wir Männer mögen mehr
reden, mehr schwören, aber daß wir besser lieben, daran
läßt sich zweiffeln, ohne uns Unrecht zu thun; wir
zeigen immer mehr als wir fühlen - - und unsre Liebe ist
oft desto schwächer, je stärker wir sie ausdruken.
Herzog.
Aber starb deine Schwester an ihrer Liebe, Junge?
Viola.
Ich bin alle Töchter die von meines Vaters übrig sind,
und alle Brüder dazu - - und doch weiß ich nicht -
- Gnädigster Herr, soll ich zu dieser Dame gehen?
Herzog.
Ja, das ist die Sache. Eile zu ihr; gieb ihr dieses Kleinod; sag
ihr, meine Liebe könne und werde sich nicht abtreiben lassen.
(Sie gehen ab.)
Siebende, achte und neunte Scene
Jungfer Maria hatte mit den beyden würdigen Junkern Sir
Tobias und Sir Andreas, in der vierten Scene den Plan zu einem
kleinen Streich angelegt, den sie, zu ihrer allerseitigen Belustigung,
dem Malvolio, einem einbildischen, in sich selbst verliebten,
dummen und dabey sehr feyrlichen Gesellen, spielen wollten. Dieses
Complott wird nun in diesen dreyen Scenen ausgeführt. Maria
schreibt in ihrer Gebieterinn Namen einen Brief worinn Oliviens
Hand so gut als möglich nachgeahmt ist, und legt ihn an einen
Ort, wo ihn Malvolio finden muß. Man kan sich vorstellen,
was für närrisches Zeug ein solcher Bursche anzugeben
fähig ist, da er Oliviens eigne Hand dafür zu haben
glaubt, daß sie sterblich in ihn verliebt sey. Alles was
wir aus diesem Intermezzo der Uebersezung würdig halten,
ist das Gespräch des Malvolio das er mit sich selbst hält,
eh und da er den unterschobnen Brief findet, und aus welchem wir
nur die abgeschmakten Ausruffungen, Schwüre und Parenthesen
weglassen, welche die beyden Junkers a parte machen.
Die Scene ist in Olivias Garten.
Maria zu Sir Tobias, Sir Andreas und Fabian.
Maria.
Geht, verbergt euch alle drey in die Laube dort; Malvolio kommt
diesen Gang herauf; er stuhnd schon diese halbe Stunde lang dort
in der Sonne, und gesticulirte gegen seinem eignen Schatten - -
gebt auf ihn acht, ich bitte euch, ihr werdet Spaß davon
haben: Denn ich bin sicher, dieser Brief wird ihn in die lächerlichste
Betrachtungen versenken - - Haltet euch still, wenn ihr euch nicht
selbst einen Spaß verderben wollt - - lieg du da - -
(Sie wirft den Brief hin, und entfernt sich.)
Malvolio tritt auf; mit sich selbst redend.
Malvolio.
Es kommt alles aufs Glük an, alles aufs Glük! Maria
sagte mir neulich, sie könne mich überaus wohl leiden,
und ich habe selbst gehört, daß sie sich herausgelassen
hat, wenn sie sich verlieben wollte, so müßt' es in
einen von meiner Figur seyn. Ueberdem begegnet sie mir immer mit
einer gewissen Achtung, das sie sonst für keinen von ihren
Bedienten thut. Was soll ich von der Sache denken - - das wäre
mir eins, Graf Malvolio - - Man hat doch dergleichen Exempel - -
Die Princessin von Thracien heurathete einen Bedienten von der
Garderobe - - Wenn ich dann drey Monate mit ihr verheurathet wäre,
und sässe da auf meinem Guthe - - und rieffe meine Officianten
um mich herum, in meinem ausgeschnittnen Samtnen Rok - - nachmittags,
vom Ruhbette aufgestanden, wo ich Olivia schlafend gelassen hätte
- - und dann nähm ich den Humor an den mein Stand erforderte;
gienge, die Hände kreuzweis auf den Rüken gelegt, ganz
ernsthaft auf und ab, schaute sie dann mit einem kalten, überhinfahrenden
Blik an, und sagte ihnen, ich wisse wer ich sey, und wünschte,
sie möchten auch wissen wer sie seyen - fragte nach meinem
Onkel Tobias - - Sechs oder Sieben von meinen Leuten führen
dann plözlich auf, und rennten einander nieder vor Eilfertigkeit
ihn aufzusuchen; indessen mach ich eine weil' ein finstres Gesicht,
ziehe vielleicht meine Uhr auf, oder tändle mit dem Schaupfenning
an der goldnen Kette, die ich um die Schultern hängen habe
- - Dann kommt Tobias herbey, macht seine Verbeugungen sobald
er mich erblikt - - ich streke meine Hand so gegen ihn aus, und
lösche mein vertrauliches Lächeln mit einem strengen
herrischen Blik - - sag ihm, Onkel Tobias, da mein Schiksal mich
eurer Nichte zugeworfen hat, so hoff ich das Recht zu haben zu
reden - - ihr müßt euer starkes Trinken lassen - -
und zudem verderbt ihr eure kostbare Zeit mit einem närrischen
Junker - - einem gewissen Sir Andreas - - He? was giebts hier
zu thun? - - (Er hebt den Brief auf.) Bey meinem Leben,
das ist der Gnädigen Frau ihre Hand: Das sind ihre natürlichen
C., ihre U., und ihre T., und so macht sie ihre grosse P. Es ist
ihre Hand, da ist nicht dawider einzuwenden - - Dem Geliebten
Ungenannten dieses und meine Zärtlichsten Wünsche: Das
ist ihre Schreib-Art: Mit Erlaubniß, Wachs. Sachte! Und
das Sigel ihre Lucretia, mit der sie alle ihre Briefe zu sigeln
pflegt: An wen mag das seyn?
Das ich lieb', ist euch, ihr Götter, kund;
aber wen, verschweige stets, mein Mund
Das soll also ein Geheimniß seyn? - - Seltsam! was folgt
weiter? Aber wen, verschweige stets mein Mund - - wie wenn du
das wärest, Malvolio? - - Sachte, hier haben wir auch Prosa
- - »Wenn dieses in deine Hände kommt, so liese es mehr
als ein mal. Mein Gestirn hat mich über dich gesezt, aber
fürchte dich nicht vor Grösse; einige werden groß
gebohren, andre arbeiten sich zu Grösse empor, andern wird
sie zugeworffen. Dein glükliches Schiksal öffnet seine
Arme gegen dich; habe den Muth ihm entgegen zu eilen; und um dich
bey Zeiten an das zu gewöhnen, was du wahrscheinlicher Weise
werden wirst, so wirf dein allzu demüthiges Betragen von
dir, und zeige dich in einem vortheilhaftern Lichte. Begegne meinem
Vetter zuversichtlich, und den Bedienten trozig; rede von Staats-Sachen;
nimm in allen Stüken etwas sonderliches an. Das ist der Rath
derjenigen, die für dich seufzet.
1 comment