Allein sobald er weggegangen ist, entdekt Tobias dem Fabian
daß er weit entfernt sey, einem so feinen jungen Edelmann
als Cäsario zu seyn scheine, ein so vollgültiges Document
der verächtlichen Schwäche seines Gegners zu geben;
denn so würde der Spaß gleich ein Ende haben: er finde
also besser, seine Comission mündlich abzulegen, und dem
jungen Cäsario einen ganz entsezlichen Begriff von Sir Andreassen
Tapferkeit, und unbezwingbarer Wuth beyzubringen; auf diese Art,
sezt er hinzu, werden beyde in eine solche Furcht gesezt werden,
daß sie einander nur durch Blike tödten werden, wie
die Basilisken.
Eilfte Scene
Olivia und Viola treten auf.
Olivia.
Zu einem Herzen von Stein hab' ich zuviel gesagt, und meine Ehre
zu wohlfeil ausgelegt. Es ist etwas in mir, das mir meinen Fehler
vorrükt; aber es ist ein so eigensinniger hartnäkiger
Fehler, daß ihm Vorwürfe nichts abgewinnen können.
Viola.
Der Herzog, mein Herr befindet sich in dem nemlichen Falle.
Olivia.
Hier, tragt dieses Kleinod zu meinem Andenken; es enthält
mein Bild; schlagt es nicht aus, es hat keine Zunge euch zu plagen;
und ich bitte euch, kommt morgen wieder. Was könntet ihr
von mir begehren, das mit Ehren gegeben werden kan, und ich euch
abschlagen würde?
Viola.
Ich bitte um nichts als eure Liebe für meinen Herrn.
Olivia.
Wie kan ich ihm mit Ehren geben, was ich euch schon gegeben habe?
Viola.
Ich will euch dessen quitt halten.
Olivia.
Gut, komm morgen wieder; lebe wohl - - (Sie geht ab - -)
Ein Teufel der deine Gestalt hätte, könnte meine Seele
bis in die Hölle loken - -
Zwölfte und dreyzehnte Scene
Sir Tobias kündigt den Zorn des furchtbaren Sir Andreas
und seine Ausforderung dem verkappten Cäsario an, der Mühe
genug hat seinen wenigen Muth zu einem solchen Zweykampf zu verbergen.
Tobias verspricht ihm endlich seine guten Dienste, um wenigstens
die Ursache der grausamen Ungnade zu erkundigen, welche Cäsario
durch nichts verdient zu haben sich bewußt ist, und wo möglich
den wüthenden Sir Andreas in etwas zu besänftigen. Tobias
stellt sich als ob er zu diesem Ende abgehe, da indessen Fabian
fortfährt der armen Viola Schreken einzujagen, und ihren
Gegner als den besten Fechter und den fatalesten Widerpart den
man in ganz Illyrien finden könne, abzumahlen. Sie gehen
ab, um dem Sir Tobias Plaz zu geben, in der folgenden Scene, seinen
Freund Andreas in eine eben so friedliebende Gemüths-Verfassung
zu sezen. Er beschreibt ihm den Cäsario als einen eingefleischten
Teufel, der des Sophi Hof-Fechtmeister gewesen sey, und keinen
Stoß zu thun pflege, der nicht eine tödtliche Wunde
mache. Andreas geräth darüber in solche Angst, daß
er verspricht er wolle ihm sein bestes Pferd geben, wenn er die
Sache auf sich beruhen lassen wolle. Indessen kommt Fabian mit
Cäsario zurük, der, sobald er den Andreas erblikt, sich
allen Heiligen zu empfehlen anfängt, ohne gewahr zu werden,
daß Andreas wie eine Memme schlottert. Sir Tobias geht von
dem einen zum andern, sagt einem jeden, sein Gegner wolle sich
durch nichts in der Welt besänftigen lassen, und bringt sie
endlich dahin, daß sie, ungern genug, die Degen zu ziehen
anfangen; welches alles auf dem Theater eine äusserst lächerliche
Scene machen muß.
Vierzehnte Scene
Indem sie ziehen, und Viola mit weinerlicher Stimme protestiert,
daß es wider ihren Willen geschehe, kommt Antonio dazu,
der durch die vollkommne Aehnlichkeit zwischen ihr und ihrem Bruder
und durch ihre Verkleidung betrogen, sie für seinen jungen
Freund Sebastiano ansieht, sich ins Mittel schlägt, und sich
erklärt, er möge nun der beleidigte Theil oder der Beleidiger
seyn, so mache er seine Sache zu seiner eignen. Sir Tobias der
es übel nimmt, daß ihm sein Spaß verdorben werden
soll, erklärt sich, wenn der Neuangekommne sich zu Cäsarios
Secundanten aufwerfe, so wolle er sein Mann seyn; allein kaum
haben sie gezogen, so kommt die Wache, bey deren Erblikung Viola
den Sir Andreas bittet seinen Degen wieder einzusteken, welches
sich dieser nicht zweymal sagen läßt. Antonio, der
sich, wie man weiß, des Herzogs Ungnade zugezogen hatte,
war verrathen worden. Die Wache suchte ihn auf; und da sie, der
gemachten Beschreibung nach, ihren Mann gefunden zu haben glaubt,
wird er auf Befehl des Herzogs Orsino in Verhaft genommen.
Antonio (nachdem er sich vergeblich hatte verläugnen
wollen.)
Ich muß gehorchen. (Zu Cäsario.) Das begegnet
mir, weil ich euch allenthalben aufsuchte. Aber dafür ist
nun kein Mittel. Ich werde mich zu verantworten wissen. Was wollt
ihr thun? Meine eigne Noth zwingt mich, daß ich meinen Beutel
wieder abfordern muß. Dieser Zufall bekümmert mich
viel weniger um meiner selbst willen, als weil ich euch unnüz
werden muß: Ihr seyd betroffen, seh ich; aber laßt
den Muth noch nicht sinken.
1. Officier.
Kommt, Herr, wir müssen fort.
Antonio (Zu Cäsario.)
Ich bin genöthigt euch um etwas Geld zu bitten.
Viola.
Was für Geld, mein Herr? - - Um eures edeln Bezeugens gegen
mich willen, und weil ich zum Theil durch den verdrieslichen Zufall,
der euch hier zugestossen ist, aus der grösten Verlegenheit
gezogen worden bin, will ich euch etwas vorstreken; was ich habe
ist was weniges, aber ich will doch mit euch theilen was ich habe;
nemmt, das ist die Hälfte meines Vermögens.
Antonio.
Und ihr seyd fähig, mich izt zu mißkennen? Ist's möglich
daß meine guten Dienste - - o sezt meine Noth nicht auf
eine so harte Probe, oder ihr könntet mich zu der Niederträchtigkeit
versuchen, euch die Freundschaft, die ich euch bewiesen habe,
vorzurüken.
Viola.
Ich weiß von keiner, und kenne euch weder an eurer Stimme
noch Gestalt. Ich hasse Undankbarkeit mehr an einem Mann als Aufschneiden,
einbildisches Wesen, waschhafte Trunkenheit, oder irgend eine
andre Untugend, wovon der anstekende Saame in unserm Blute stekt.
Antonio.
O Himmel! - -
Ein Officier.
Kommt, mein Herr, ich bitte euch, geht.
Antonio.
Laßt mich nur noch ein Wort sagen. Diesen jungen Menschen,
den ihr hier seht, zog ich aus dem Rachen des Todes; ich that
alles was der zärtlichste Bruder thun könnte, ihn wieder
herzustellen; ich liebte ihn, und ließ mich von seiner Gestalt,
die mir die besten Eigenschaften anzukündigen schien, so
sehr einnehmen, daß ich ihn fast abgöttisch verehrte.
1. Officier.
Was geht das uns an? Die Zeit verstreicht indessen; fort!
Antonio.
Aber, oh, was für ein häßlicher Göze ist
aus diesem Gotte worden. O Sebastiano, du machst der Schönheit
Unehre. Wahrhaftig, man sollte niemand häßlich nennen,
als Leute die kein gutes Herz haben. Tugend ist Schönheit;
böse Leute, welche schön aussehen, sind hohle Klöze
die der Teufel angestrichen hat.
1. Officier.
Der Mann fangt an zu rasen: weg mit ihm. Kommt, kommt, Herr.
Antonio.
Führt mich wohin ihr wollt.
(Sie gehen ab.)
Viola.
Mich däucht es ist eine so wahre Leidenschaft in seinen Reden,
daß er würklich glaubt was er sagt. Und doch ist gewiß
daß ich ihn nicht kenne. O daß die Einbildung sich
wahr befinden möge, o, daß es wahr sey, daß man,
liebster Bruder, izt für dich mich angesehen habe - - Er
nannte mich Sebastian; Ich sehe meinen Bruder noch lebend so oft
ich in den Spiegel sehe, er sah vollkommen so aus, und gieng auch
eben so gekleidet, von solcher Farbe, und so ausstaffiert wie
ich; denn ihn copiere ich in dieser Verkleidung - - O, wenn es
so ist, so werd' ich den Sturm und die Wellen liebreich statt
grausam nennen.
(Sie geht ab.)
Sir Tobias.
Ein recht schlechter armseliger Bube, und eine feigere Memme als
eine Hindin; seine Schlechtigkeit zeigte sich in seiner Aufführung
gegen seinen Freund, den er in der Noth verläugnete; und
von seiner Feigheit kan euch Fabian erzählen.
Fabian.
Eine Memme ist er, eine recht fromme, friedfertiger feige Memme.
Sir Andreas.
Mein Seel! Ich will ihm nach und ihn prügeln.
Sir Tobias.
Thut das, gebt ihm Maulschellen, bis er genug hat, nur den Degen
zieht nicht gegen ihn.
Sir Andreas.
Wenn ich's nicht thue - -
(Er läuft fort.)
Fabian.
Kommt, wir müssen doch sehen, wie er das machen wird.
Sir Tobias.
Ich wollte wetten was man will, es wird doch nichts daraus werden.
(Sie gehen ab.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene
Die Strasse.
Hans Wurst, der von Olivia geschikt worden, den Cäsario
zu ihr zu ruffen, trift den Sebastiano an, und richtet seinen
Auftrag bey ihm aus, weil er ihn für den Cäsario ansieht;
Sebastiano, der hier ganz fremd ist, und von der Verkleidung seiner
Schwester, die er sogar für todt hält, nichts wissen
kan, stellt sich zu diesem qui pro quo so befremdet an,
als man sich vorstellen kan, und will schlechterdings derjenige
nicht seyn, wofür ihn Hans Wurst ansieht: Indem sie nun mit
einander streiten, kommen Sir Andreas und Sir Tobias dazu, von
denen der Erste durch den nemlichen Optischen Betrug seinen Mann
gefunden zu haben glaubt, und dem vermeynten Cäsario eine
Ohrfeige appliciert, welche Sebastiano mit einer Tracht Schläge
erwiedert. Sir Andreas hatte sich das nicht vermuthet, und appelliert
an die Justiz; denn, sagt er, wenn ich ihm gleich den ersten Schlag
gegeben habe, so ist es doch keine Manier, daß er mir soviele
dagegen giebt. Indem nun Sir Tobias Friede machen will, wird er
selbst mit Sebastiano handgemein; von der dazwischen kommenden
Olivia aber in der
Zweyten Scene
so gleich wieder geschieden, welche ihren ungesitteten Oheim
unter den bittersten Vorwürfen aus ihren Augen gehen heißt,
den vermeynten Cäsario aber aufs zärtlichste zu besänftigen
sucht, und zu sich in ihr Haus nöthiget.
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