Und doch ist gewiß
daß ich ihn nicht kenne. O daß die Einbildung sich
wahr befinden möge, o, daß es wahr sey, daß man,
liebster Bruder, izt für dich mich angesehen habe - - Er
nannte mich Sebastian; Ich sehe meinen Bruder noch lebend so oft
ich in den Spiegel sehe, er sah vollkommen so aus, und gieng auch
eben so gekleidet, von solcher Farbe, und so ausstaffiert wie
ich; denn ihn copiere ich in dieser Verkleidung - - O, wenn es
so ist, so werd' ich den Sturm und die Wellen liebreich statt
grausam nennen.
(Sie geht ab.)
Sir Tobias.
Ein recht schlechter armseliger Bube, und eine feigere Memme als
eine Hindin; seine Schlechtigkeit zeigte sich in seiner Aufführung
gegen seinen Freund, den er in der Noth verläugnete; und
von seiner Feigheit kan euch Fabian erzählen.
Fabian.
Eine Memme ist er, eine recht fromme, friedfertiger feige Memme.
Sir Andreas.
Mein Seel! Ich will ihm nach und ihn prügeln.
Sir Tobias.
Thut das, gebt ihm Maulschellen, bis er genug hat, nur den Degen
zieht nicht gegen ihn.
Sir Andreas.
Wenn ich's nicht thue - -
(Er läuft fort.)
Fabian.
Kommt, wir müssen doch sehen, wie er das machen wird.
Sir Tobias.
Ich wollte wetten was man will, es wird doch nichts daraus werden.
(Sie gehen ab.)
Vierter Aufzug.
Erste Scene
Die Strasse.
Hans Wurst, der von Olivia geschikt worden, den Cäsario
zu ihr zu ruffen, trift den Sebastiano an, und richtet seinen
Auftrag bey ihm aus, weil er ihn für den Cäsario ansieht;
Sebastiano, der hier ganz fremd ist, und von der Verkleidung seiner
Schwester, die er sogar für todt hält, nichts wissen
kan, stellt sich zu diesem qui pro quo so befremdet an,
als man sich vorstellen kan, und will schlechterdings derjenige
nicht seyn, wofür ihn Hans Wurst ansieht: Indem sie nun mit
einander streiten, kommen Sir Andreas und Sir Tobias dazu, von
denen der Erste durch den nemlichen Optischen Betrug seinen Mann
gefunden zu haben glaubt, und dem vermeynten Cäsario eine
Ohrfeige appliciert, welche Sebastiano mit einer Tracht Schläge
erwiedert. Sir Andreas hatte sich das nicht vermuthet, und appelliert
an die Justiz; denn, sagt er, wenn ich ihm gleich den ersten Schlag
gegeben habe, so ist es doch keine Manier, daß er mir soviele
dagegen giebt. Indem nun Sir Tobias Friede machen will, wird er
selbst mit Sebastiano handgemein; von der dazwischen kommenden
Olivia aber in der
Zweyten Scene
so gleich wieder geschieden, welche ihren ungesitteten Oheim
unter den bittersten Vorwürfen aus ihren Augen gehen heißt,
den vermeynten Cäsario aber aufs zärtlichste zu besänftigen
sucht, und zu sich in ihr Haus nöthiget. Sebastiano weiß
nun vollends nicht mehr, in was für einer Welt er ist. Was
bedeutet alles diß, ruft er aus, entweder hab ich den Verstand
verlohren, oder das alles ist ein Traum. O wenn es ein Traum ist,
so laßt die Phantasie meine Sinnen immer in Lethe tauchen,
so laßt mich nie von diesem Traum erwachen. Nun, sagt Olivia,
komm, ich bitte dich; ich wollte du liessest dich von mir regieren;
von Herzen gerne, antwortet Sebastian, und so gehen sie in bester
Eintracht mit einander ab.
Dritte Scene
Ein Zimmer in Olivias Haus.
Maria und Hans Wurst.
Maria.
Ich bitte dich, mache hurtig, zieh diesen Priesterrok an, und
binde dir diesen Bart um; wir wollen ihn bereden du seyest Sir
Topas der Pfarrer; beschleunige dich; ich will indeß den
Sir Tobias ruffen.
(Sie geht ab.)
Hans Wurst.
Gut, ich will's thun, ich will mich verkleiden, und ich wollte
wünschen, ich wäre der erste der sich in einen solchen
Rok verkleidete. Ich bin nicht lang genug, um eine ansehnliche
Person in diesem Habit vorzustellen, noch mager genug, um die
Meynung von mir zu erweken, daß ich zuviel studiere; allein,
ein ehrlicher Mann und ein guter Haushälter seyn, klingt
immer so gut als ein hübscher Mann und ein grosser Gelehrter
seyn.
Sir Tobias und Maria.
Sir Tobias.
Die Götter seyen mit dir, Herr Pfarrer.
Hans Wurst.
Bonos Dies, Sir Tobias; denn wie der alte Einsiedler von
Prag, der in seinem Leben weder Feder noch Dinte gesehen hatte,
sehr sinnreich zu König Gorboduks Nichte sagte, daß
nemlich alles was ist, ist: Also, da ich der Herr Pfarrer bin,
bin ich der Herr Pfarrer; denn was ist was anders als was? Und
ist anders als ist?
Sir Tobias.
Zu euerm Patienten, Herr Pfarrer.
Hans Wurst.
Wie, holla, sag ich - - Stille da, in diesem Kerker!
Malvolio (hinter der Bühne.)
Wer ruft hier?
Hans Wurst.
Sir Topas der Pfarrer, welcher Malvolio den Mondsüchtigen
besuchen will.
Malvolio.
Sir Topas, Sir Topas, guter Sir Topas, geht zur Gnädigen
Fräulein - -
Hans Wurst.
Fahre aus, du Hyperbolicalischer Teufel, warum quälst du
diesen armen Menschen so? Redst du von nichts als von Fräulein?
Sir Tobias.
Wohl gegeben, Herr Pfarrer!
Malvolio.
Sir Topas, niemalen ist einem Menschen so übel mitgespielt
worden als mir; lieber Sir Topas, bildet euch nicht ein daß
ich rasend sey; sie haben mich hier in eine gräßliche
Finsterniß gelegt.
Hans Wurst.
Fy, du unartiger Satan; ich bediene mich der gelindesten Ausdrüke
gegen dich; denn ich bin einer von diesen manierlichen Leuten,
die dem Teufel selbst nicht anders als höflich begegnen wollten:
Sagst du, dieses Haus sey finster?
Malvolio.
Wie die Hölle, Sir Topas.
Hans Wurst.
Wie, es hat Bogen-Fenster die so durchsichtig sind wie Gitter,
und die innwendigen Steine gegen die Sud-Seite sind so glänzend
wie Eben-Holz; und du klagst über Dunkelheit?
Malvolio.
Ich bin nicht toll, Sir Topas; ich sag euch, es ist finster im
Hause.
Hans Wurst.
Tollhäusler, du betrügst dich; ich sage dir, es giebt
keine andre Finsterniß als Unwissenheit; und in dieser stekst
du tiefer als die Egypter in ihrem Schlamme.
Malvolio.
Und ich sage, dieses Haus ist so finster als Unwissenheit, wenn
gleich Unwissenheit so finster als die Hölle wäre; und
ich sage, niemalen ist einem ehrlichen Manne so übel mitgespielt
worden; ich bin nicht mehr rasend als ihr selbst; macht die Probe
mit mir, fragt mich etwas gescheidtes was ihr wollt, und seht
ob ich euch nicht antworten werde, wie sich's gehört.
Hans Wurst.
Was statuierte Pythagoras in Betreff des wilden Geflügels?
Malvolio.
Daß es leichtlich begegnen könne, daß die Seele
unsrer Großmutter in einem Schnepfen wohne.
Hans Wurst.
Was hältst du von dieser Meynung?
Malvolio.
Ich denke edler von der Seele, und billige diese Meynung keineswegs.
Hans Wurst.
Gehab du dich wohl: Bleib immer in der Finsterniß; du must
die Meynung des Pythagoras halten, wenn ich dir zugestehen soll
daß du deine fünf Sinne habest, und dich scheuen einen
Schneppen zu schiessen, aus Besorgniß du möchtest die
Seele deiner Großmutter aus ihrer Wohnung vertreiben. Leb
wohl.
Malvolio.
Sir Topas, Sir Topas - -
Sir Tobias.
Der allerliebste Sir Topas!
Hans Wurst.
Gelt, ich schike mich zu allen Rollen?
Maria.
Du hättest das alles ohne Bart und Priesterrok thun können;
er sieht dich ja nicht.
Hierauf erklärt sich Sir Tobias, daß er dieses Spiels
nach gerade überdrüssig sey, und demselben um so mehr
ein anständiges Ende gemacht wünsche, da er mit seiner
Nichte zerfallen sey. Er geht also mit Maria ab, um sich darüber
auf seinem Zimmer mit ihr zu berathen, und läßt Hans
Wursten bey Malvolio zurük, der hierauf in der
Vierten Scene
seine eigne Person wieder annimmt, und nachdem er eine Weile
den Narren mit ihm getrieben, sich endlich erbitten läßt
ihm Papier, Feder, Dinte und ein Licht zu bringen.
Fünfte Scene
Ein andres Zimmer in Olivias Haus.
Sebastian allein.
Diß ist die Luft, diß ist die strahlende Sonne;
diese Perle gab sie mir, ich fühle sie und sehe sie, und
obgleich alles um mich her lauter Wunder ist, so ist es doch nicht
Wahnwiz. Wo ist denn Antonio? Ich konnt' ihn im Elephanten nicht
finden; alles was ich erfahren konnte war daß er da gewesen
und wieder ausgegangen sey, mich überall in der Stadt aufzusuchen.
Sein Rath könnte mir izt den grössesten Dienst thun
- - Denn wenn gleich meine Vernunft gegen meine Sinnen behauptet,
daß diß alles irgend ein Irrthum seyn könne,
ohne daß es Einbildungen oder Tollheit seyn müsse;
so geht doch dieser Zufall und ein so ausserordentliches Glük
so weit über alles, was man sich vorstellen kan, oder was
jemals erhört worden ist; daß ich bereit bin, ein Mißtrauen
in meine eigne Augen zu sezen, und mit meiner Vernunft zu streiten,
wenn sie mich bereden will, irgend etwas anders zu glauben, als
daß ich toll sey oder daß es diese junge Dame sey;
und doch, wenn das leztere wäre, würde sie ihr Haus
regieren, ihren Bedienten Befehle geben, Geschäfte annehmen
und auftragen, und das alles mit einer so guten Art, mit einem
so sanften, vernünftigen, gesezten Wesen, wie ich sehe, daß
sie thut? In der That, es ist etwas unbegreifliches in dieser
Sache. Aber da kommt sie ja selbst.
Olivia mit einem Priester.
Olivia.
Tadelt nicht, daß ich zu hastig sey; wenn eure Absicht ehrlich
ist, so kommt mit mir und diesem heiligen Mann in die Capelle,
und unter ihrer geweyhten Umwölbung schwöret mir da,
vor ihm, das Gelübd eurer Treue zu, damit meine noch immer
mißtrauische, noch immer zweifelnde Seele beruhigt werde.
Er soll es geheim halten, bis es euch selbst gefallen wird, die
Zeit zu einer öffentlichen Feyer, die meiner Geburt gemäß
sey, zu bestimmen. Was sagt ihr hiezu?
Sebastiano.
Ich will diesem heiligen Manne folgen und euch begleiten; und
die Treue, die ich euch schwören werde, will ich ewig halten.
Olivia.
So geht dann voran, ehrwürdiger Vater, und der Himmel schaue
mit Beyfall auf mein Vorhaben herab!
(Sie gehen ab.)
Fünfter Aufzug.
Dieser ganze lezte Aufzug enthält nichts mehr als eine
Entwiklung, welche leicht vorauszusehen ist. Man weiß schon,
daß die Anlegung des Plans und die Entwiklung des Knotens
diejenigen Theile nicht sind, worinn unser Autor vortrefflich
ist. Hier scheint er, wie es ihm mehrmal in den fünften Aufzügen
begegnet, begieriger gewesen zu seyn, sein Stük fertig zu
machen, als von den Situationen, worein er seine Personen gesezt
hat, Vortheil zu ziehen. Wir werden uns daher begnügen, den
blossen Inhalt jeder Scene auszuziehen.
Erste Scene
Die Strasse.
Der Herzog kommt, mit Viola, Curio und seinem Gefolge, um in
eigner Person den lezten Versuch auf das Herz seiner Unerbittlichen
zu machen, und da er nicht gleich vorkommen kan, so unterhält
er sich unterdessen mit Hans Wurst, den er vor der Porte antrift.
Zweyte Scene
Antonio wird von dem Gerichts-Beamten, der sich seiner bemächtiget
hatte, herbeygeführt, und dem Herzog als jener berüchtigte
See-Räuber vorgestellt, gegen welchen er so viele Ursache
habe erbittert zu seyn. Viola, die, wie wir wissen, eine gutherzige
Art von Mädchen ist, rühmt sogleich den guten Dienst,
den er ihr gethan, fügt aber hinzu, daß er zulezt aus
einem so seltsamen Ton zu ihr gesprochen habe, daß sie nichts
anders vermuthen könne, als er müsse im Kopf nicht gar
zu richtig seyn. Antonio vertheidigt sich hierauf gegen den Vorwurf
der Seeräuberey, und da er Viola für ihren Bruder ansieht,
so erzählt er auf ihre Rechnung alles was wir bereits von
seinen Verdiensten um Sebastian wissen, und beklagt sich bitterlich
über ihre Undankbarkeit. Indem nun der Herzog der Zeit nachfrägt,
und durch den Umstand, daß Cäsario die verflossenen
drey Monate an seinem Hofe zugebracht, den Antonio der Unwahrheit
überwiesen zu haben glaubt, kommt in der
Dritten Scene
Olivia dazu, und befremdet sich sehr ihren Cäsario gegen
sein gegebnes Wort, wieder an des Herzogs Seite zu sehen. Da nun
Viola nicht begreiffen kan, was Olivia sagen will, so beginnt
sich ein Wortwechsel unter ihnen, der aber sogleich durch die
Händel worein diese Dame mit dem Herzog geräth, unterbrochen
wird. Sie sagt ihm rund heraus daß ihr seine Standhaftigkeit
unerträglich, und seine Liebes-Klagen so angenehm seyen als
Heulen nach Musik. Der Herzog wird dadurch so aufgebracht, daß
er schwört, die Unerbittlichkeit seiner marmorherzigen Tyrannin
an ihrem jungen Liebling, an Cäsario zu rächen - - Ich
will ihn, sagt er, aus diesem grausamen Auge reissen, wo er siegreich
und gekrönt dasizt und seines Herrn spottet; ich will das
Lamm das ich liebe, opfern, um ein Raben-Herz in der Brust einer
Daube zu durchboren. Mit diesen Worten, will er fortgehen und
befiehlt dem Cäsario ihm zu folgen. Viola erklärt sich
bereit tausend Tode zu sterben, wenn seine Zufriedenheit dadurch
befördert werde, und will ihm folgen - - Wohin wollt ihr,
Cäsario, ruft Olivia - - Dem folgen, antwortet Viola, den
ich, der Himmel sey mein Zeuge, mehr als alle Weiber der ganzen
Welt, mehr als meine Augen und mein Leben liebe. Izt fängt
Olivia auch an aus dem tragischen Ton zu sprechen, und da ihr
vermeynter Bräutigam so unverschämt ist, von allem was
zwischen ihnen vorgegangen seyn soll, nichts wissen zu wollen,
und der Herzog über den Namen eines Gemahls den sie der Viola
giebt, wüthend wird, so sieht sie sich endlich genöthiget
den Priester, der sie mit Sebastian getraut hat, herausruffen
zu lassen, auf dessen vollgültiges Zeugniß hin der
Herzog sich überzeugt hat, daß er von Cäsario
betrogen worden, und unter bittern Vorwürfen über seine
Falschheit das Verbannungs-Urtheil über beyde ausspricht.
Indem nun Cäsario sich vergeblich auf seine Unschuld beruft,
und Olivia, welche glaubt, daß es nur aus Furcht vor dem
Herzog geschehe, ihm Muth einspricht, kommt in der
Vierten Scene
Sir Andreas mit zerbrochnem Kopf heraus, und erhebt ein jämmerliches
Geschrey über einen gewissen Kammer-Junker des Herzogs, Cäsario,
der ihn und Sir Tobiesen jämmerlich abgeprügelt habe;
wir hielten ihn anfangs für eine Memme, sagt er weinend,
aber er ist der leibhafte Teufel selbst. Mein Kammer-Junker Cäsario?
fragt der Herzog, Ja, Sapperment, (ruft Sir Andreas) hier ist
er ja in Person: Ihr habt mir umsonst und um nichts ein Loch in
den Kopf geschlagen; und wenn ich euch was gethan habe, so that
ich's nur auf Anstiften des Sir Tobiesen - - Viola, welche von
dieser neuen Anklage eben so wenig als von einer Vermählung
mit Olivia weiß, hat das Mißvergnügen sich von
Sir Tobias und vom Hans Wurst überwiesen zu sehen; die Verwirrung
nimmt zu, und steigt endlich auf den höchsten Grad, da in
der
Fünften Scene
Sebastian selbst erscheint und der erstaunten Versammlung den
Cäsario gedoppelt sehen läßt. Dieser nemliche
Augenblik der äussersten Verwirrung bey Orsino und Olivia
zieht Antonio und Viola aus der ihrigen. Jener erkennt in Sebastian
seinen jungen Freund und diese ihren Bruder: das Geheimniß
entdekt sich, Olivia findet sich dem Schiksal mehr verbunden als
sie gewußt hatte; Sebastian begreift, was er kurz vorher
für einen Traum oder für Bezauberung halten mußte,
und der Herzog ergiebt sich den ausserordentlichen Proben die
ihm Viola von ihrer Zärtlichkeit gegeben und erklärt
sie zur Königin seines Herzens. Damit alles sich entwikle
und niemand unglüklich bleibe, so entdekt sich in der
Sechsten und siebenten Scene
durch den Brief des Malvolio, welchen Hans Wurst überbringt,
auch der unglükliche Irrthum dieses Bedienten, und der Betrug
der ihm gespielt worden; welches dem Hans Wurst Gelegenheit, sich
über ihn lustig zu machen, jenem aber, nach einer kleinen
Demüthigung seiner Einbildung, die Freyheit verschaft.
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