Gott helf dir, braver Schwimmer!

Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!

KUONI am Ufer.

Die Flut geht drüber weg – Ich sehs nicht mehr.

Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich

Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.

SEPPI.

Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.

KUONI.

Weiß Gott, sie sinds! Das war Hülf in der Not.

 

Ein Trupp Landenbergischer Reiter.

 

ERSTER REITER.

Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.

ZWEITER.

Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.

KUONI UND RUODI.

Wen meint ihr, Reiter?

ERSTER REITER entdeckt den Nachen.

Ha, was seh ich! Teufel!

WERNI oben.

Ists der im Nachen, den ihr sucht? – Reit zu,

Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.

ZWEITER.

Verwünscht! Er ist entwischt.

ERSTER zum Hirten und Fischer.

Ihr habt ihm fortgeholfen,

Ihr sollt uns büßen – Fallt in ihre Herde!

Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!

 

Eilen fort.

 

SEPPI stürzt nach.

O meine Lämmer!

KUONI folgt.

Weh mir! Meine Herde!

WERNI.

Die Wütriche!

RUODI ringt die Hände.

Gerechtigkeit des Himmels,

Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

 

Folgt ihnen.

 

 

Zweite Szene

Zu Steinen in Schwyz. Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.

Werner Stauffacher, Pfeiffer von Luzern kommen im Gespräch.

 

PFEIFFER.

Ja, ja, Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.

Schwört nicht zu Östreich, wenn Ihrs könnt vermeiden.

Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,

Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!

 

Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.

 

STAUFFACHER.

Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid

Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.

PFEIFFER.

Viel Dank! Muß heute Gersau noch erreichen.

– Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben

Von eurer Vögte Geiz und Übermut,

Tragts in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,

Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.

Seid ihr erst Österreichs, seid ihrs auf immer.

 

Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich neben ihn stellt und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.

 

GERTRUD.

So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.

Schon viele Tage seh ichs schweigend an,

Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.

Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,

Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,

Und meine Hälfte fodr ich deines Grams.

 

Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.

 

Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.

Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,

Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,

Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht

Ist von den Bergen glücklich heimgebracht

Zur Winterung in den bequemen Ställen.

– Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,

Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert

Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt,

Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,

Mit bunten Wappenschildern ists bemalt,

Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann

Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.

STAUFFACHER.

Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,

Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.

GERTRUD.

Mein Werner, sage, wie verstehst du das?

STAUFFACHER.

Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,

Das schön Vollbrachte freudig überdenkend,

Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,

Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.

Vor diesem Hause hielt er wundernd an,

Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig,

Wie sichs gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,

Der uns des Kaisers richterliche Macht

Vorstellt im Lande. Wessen ist dies Haus?

Fragt' er bösmeinend, denn er wußt es wohl.

Doch schnell besonnen ich entgegn ihm so:

Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,

Und Eures und mein Lehen – da versetzt er:

»Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt

Und will nicht, daß der Bauer Häuser baue

Auf seine eigne Hand, und also frei

Hinleb, als ob er Herr wär in dem Lande,

Ich werd mich unterstehn, Euch das zu wehren.«

Dies sagend ritt er trutziglich von dannen,

Ich aber blieb mit kummervoller Seele,

Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.

GERTRUD.

Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du

Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?

Des edeln Ibergs Tochter rühm ich mich,

Des vielerfahrnen Manns. Wir Schwestern saßen,

Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,

Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter

Versammelten, die Pergamente lasen

Der alten Kaiser, und des Landes Wohl

Bedachten in vernünftigem Gespräch.

Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort,

Was der Verständge denkt, der Gute wünscht,

Und still im Herzen hab ich mirs bewahrt.

So höre denn und acht auf meine Rede,

Denn was dich preßte, sieh, das wußt ich längst.

– Dir grollt der Landvogt, möchte gern dir schaden,

Denn du bist ihm ein Hindernis, daß sich

Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus

Will unterwerfen, sondern treu und fest

Beim Reich beharren, wie die würdigen

Altvordern es gehalten und getan. –

Ists nicht so, Werner? Sag es, wenn ich lüge!

STAUFFACHER.

So ists, das ist des Geßlers Groll auf mich.

GERTRUD.

Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,

Ein freier Mann auf deinem eignen Erb,

– Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich

Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen,

So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,

Denn über dir erkennst du keinen Herrn

Als nur den Höchsten in der Christenheit –

Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,

Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,

Drum sieht er jedes Biedermannes Glück

Mit scheelen Augen giftger Mißgunst an,

Dir hat er längst den Untergang geschworen –

Noch stehst du unversehrt – Willst du erwarten,

Bis er die böse Lust an dir gebüßt?

Der kluge Mann baut vor.

STAUFFACHER.

Was ist zu tun!

GERTRUD tritt näher.

So höre meinen Rat! Du weißt, wie hier

Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen

Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei.

So zweifle nicht, daß sie dort drüben auch

In Unterwalden und im Urner Land

Des Dranges müd sind und des harten Jochs –

Denn wie der Geßler hier, so schafft es frech

Der Landenberger drüben überm See –

Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,

Der nicht ein neues Unheil und Gewalt

Beginnen von den Vögten uns verkündet.

Drum tät es gut, daß eurer etliche,

Die's redlich meinen, still zu Rate gingen,

Wie man des Drucks sich möcht erledigen,

So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen

Und der gerechten Sache gnädig sein –

Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,

Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?

STAUFFACHER.

Der wackern Männer kenn ich viele dort

Und angesehen große Herrenleute,

Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.

 

Er steht auf.

 

Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken

Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes

Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,

Und was ich mir zu denken still verbot,

Du sprichsts mit leichter Zunge kecklich aus.

– Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst?

Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen

Rufst du in dieses friedgewohnte Tal –

Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,

In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?

Der gute Schein nur ists, worauf sie warten,

Um loszulassen auf dies arme Land

Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,

Darin zu schalten mit des Siegers Rechten

Und unterm Schein gerechter Züchtigung

Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.

GERTRUD.

Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt

Zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!

STAUFFACHER.

O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist

Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.

GERTRUD.

Ertragen muß man, was der Himmel sendet,

Unbilliges erträgt kein edles Herz.

STAUFFACHER.

Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.

Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.

GERTRUD.

Wüßt ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,

Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.

STAUFFACHER.

Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg

Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.

GERTRUD.

Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!

– Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich!

STAUFFACHER.

Wir Männer können tapfer fechtend sterben,

Welch Schicksal aber wird das eure sein?

GERTRUD.

Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen,

Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.

STAUFFACHER stürzt in ihre Arme.

Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt,

Der kann für Herd und Hof mit Freuden fechten,

Und keines Königs Heermacht fürchtet er –

Nach Uri fahr ich stehnden Fußes gleich,

Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walter Fürst,

Der über diese Zeiten denkt wie ich.

Auch find ich dort den edeln Bannerherrn

Von Attinghaus – obgleich von hohem Stamm

Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.

Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man

Der Landesfeinde mutig sich erwehrt –

Leb wohl – und weil ich fern bin, führe du

Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses –

Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt,

Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt,

Gib reichlich und entlaß ihn wohl gepflegt.

Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zu äußerst

Am offnen Herweg stehts, ein wirtlich Dach

Für alle Wandrer, die des Weges fahren.

 

Indem sie nach dem Hintergrunde abgehen, tritt Wilhelm Tell mit Baumgarten vorn auf die Szene.

 

TELL zu Baumgarten.

Ihr habt jetzt meiner weiter nicht vonnöten,

Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt

Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten.

– Doch sieh, da ist er selber – Folgt mir, kommt!

 

Gehen auf ihn zu, die Szene verwandelt sich.

 

 

Dritte Szene

Öffentlicher Platz bei Altorf.

Auf einer Anhöhe im Hintergrund sieht man eine Feste bauen, welche schon so weit gediehen, daß sich die Form des Ganzen darstellt. Die hintere Seite ist fertig, an der vordern wird eben gebaut, das Gerüste steht noch, an welchem die Werkleute auf und nieder steigen, auf dem höchsten Dach hängt der Schieferdecker. – Alles ist in Bewegung und Arbeit.

Fronvogt. Meister Steinmetz. Gesellen und Handlanger.

 

FRONVOGT mit dem Stabe, treibt die Arbeiter.

Nicht lang gefeiert, frisch! Die Mauersteine

Herbei, den Kalk, den Mörtel zugefahren!

Wenn der Herr Landvogt kommt, daß er das Werk

Gewachsen sieht – Das schlendert wie die Schnecken.

 

Zu zwei Handlangern, welche tragen.

 

Heißt das geladen? Gleich das Doppelte!

Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!

ERSTER GESELL.

Das ist doch hart, daß wir die Steine selbst

Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!

FRONVOGT.

Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk,

Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken,

Und faul herumzuschlendern auf den Bergen.

ALTER MANN ruht aus.

Ich kann nicht mehr.

FRONVOGT schüttelt ihn.

Frisch, Alter, an die Arbeit!

ERSTER GESELL.

Habt ihr denn gar kein Eingeweid, daß Ihr

Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann,

Zum harten Frondienst treibt?

MEISTER STEINMETZ UND GESELLEN.

's ist himmelschreiend!

FRONVOGT.

Sorgt ihr für euch, ich tu, was meines Amts.

ZWEITER GESELL.

Fronvogt, wie wird die Feste denn sich nennen,

Die wir da baun?

FRONVOGT.

Zwing Uri soll sie heißen,

Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.

GESELLEN.

Zwing Uri!

FRONVOGT.

Nun, was gibts dabei zu lachen?

ZWEITER GESELL.

Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?

ERSTER GESELL.

Laß sehn, wieviel man solcher Maulwurfshaufen

Muß übernander setzen, bis ein Berg

Draus wird, wie der geringste nur in Uri!

 

Fronvogt geht nach dem Hintergrund.

 

MEISTER STEINMETZ.

Den Hammer werf ich in den tiefsten See,

Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!

 

Tell und Stauffacher kommen.

 

STAUFFACHER.

O hätt ich nie gelebt, um das zu schauen!

TELL.

Hier ist nicht gut sein. Laßt uns weitergehn.

STAUFFACHER.

Bin ich zu Uri, in der Freiheit Land?

MEISTER STEINMETZ.

O Herr, wenn Ihr die Keller erst gesehn

Unter den Türmen! Ja, wer die bewohnt,

Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören!

STAUFFACHER.

O Gott!

STEINMETZ.

Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler,

Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!

TELL.

Was Hände bauten, können Hände stürzen.

 

Nach den Bergen zeigend.

 

Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.

 

Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf einer Stange tragen, ein Ausrufer folgt ihnen, Weiber und Kinder dringen tumultuarisch nach.

 

ERSTER GESELL.

Was will die Trommel? Gebet acht!

MEISTER STEINMETZ.

Was für

Ein Faßnachtsaufzug und was soll der Hut?

AUSRUFER.

In des Kaisers Namen! Höret!

GESELLEN.

Still doch! Höret!

AUSRUFER.

Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!

Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,

Mitten in Altorf, an dem höchsten Ort,

Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung:

Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst geschehn,

Man soll ihn mit gebognem Knie und mit

Entblößtem Haupt verehren – Daran will

Der König die Gehorsamen erkennen.

Verfallen ist mit seinem Leib und Gut

Dem Könige, wer das Gebot verachtet.

 

Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber.

 

ERSTER GESELL.

Welch neues Unerhörtes hat der Vogt

Sich ausgesonnen! Wir' nen Hut verehren!

Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?

MEISTER STEINMETZ.

Wir unsre Kniee beugen einem Hut!

Treibt er sein Spiel mit ernsthaft würdgen Leuten?

ERSTER GESELL.

Wärs noch die kaiserliche Kron! So ists

Der Hut von Österreich; ich sah ihn hangen

Über dem Thron, wo man die Lehen gibt!

MEISTER STEINMETZ.

Der Hut von Österreich! Gebt acht, es ist

Ein Fallstrick, uns an Östreich zu verraten!

GESELLEN.

Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen.

MEISTER STEINMETZ.

Kommt, laßt uns mit den andern Abred nehmen.

 

Sie gehen nach der Tiefe.

 

TELL zum Stauffacher.

Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!

STAUFFACHER.

Wo wollt Ihr hin? O eilt nicht so von dannen.

TELL.

Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.

STAUFFACHER.

Mir ist das Herz so voll, mit Euch zu reden.

TELL.

Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.

STAUFFACHER.

Doch könnten Worte uns zu Taten führen.

TELL.

Die einzge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.

STAUFFACHER.

Soll man ertragen, was unleidlich ist?

TELL.

Die schnellen Herrscher sinds, die kurz regieren.

– Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden,

Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen

Eilends den Hafen, und der mächtge Geist

Geht ohne Schaden, spurlos, über die Erde.

Ein jeder lebe still bei sich daheim,

Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.

STAUFFACHER.

Meint Ihr?

TELL.

Die Schlange sticht nicht ungereizt.

Sie werden endlich doch von selbst ermüden,

Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.

STAUFFACHER.

Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.

TELL.

Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.

STAUFFACHER.

So kalt verlaßt Ihr die gemeine Sache?

TELL.

Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.

STAUFFACHER.

Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.

TELL.

Der Starke ist am mächtigsten allein.

STAUFFACHER.

So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen,

Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?

TELL gibt ihm die Hand.

Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,

Und sollte seinen Freunden sich entziehen?

Doch was ihr tut, laßt mich aus eurem Rat,

Ich kann nicht lange prüfen oder wählen,

Bedürft ihr meiner zu bestimmter Tat,

Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.

 

Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht um das Gerüste.

 

MEISTER STEINMETZ eilt hin.

Was gibts?

ERSTER GESELL kommt vor, rufend.

Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.

 

Berta mit Gefolge.

 

BERTA stürzt herein.

Ist er zerschmettert? Rennet, rettet, helft –

Wenn Hülfe möglich, rettet, hier ist Gold –

 

Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.

 

MEISTER.

Mit eurem Golde – Alles ist euch feil

Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern

Gerissen und den Mann von seinem Weibe,

Und Jammer habt gebracht über die Welt,

Denkt ihrs mit Golde zu vergüten – Geht!

Wir waren frohe Menschen, eh ihr kamt,

Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.

BERTA zu dem Fronvogt, der zurückkommt.

Lebt er?

 

Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.

 

O unglückselges Schloß, mit Flüchen

Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!

 

Geht ab.

 

 

Vierte Szene

Walter Fürsts Wohnung.

Walter Fürst und Arnold vom Melchthal treten zugleich ein, von verschiedenen Seiten.

 

MELCHTHAL.

Herr Walter Fürst –

WALTER FÜRST.

Wenn man uns überraschte!

Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.

MELCHTHAL.

Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts

Von meinem Vater? Nicht ertrag ichs länger,

Als ein Gefangner müßig hier zu liegen.

Was hab ich denn so Sträfliches getan,

Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?

Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,

Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen

Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß,

Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.

WALTER FÜRST.

Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts,

Von Eurer Obrigkeit war er gesendet,

Ihr wart in Straf gefallen, mußtet Euch,

Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.

MELCHTHAL.

Ertragen sollt ich die leichtfertge Rede

Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot

Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!«

In die Seele schnitt mirs, als der Bub die Ochsen,

Die schönen Tiere, von dem Pfluge spannte,

Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl

Der Ungebühr, und stießen mit den Hörnern,

Da übernahm mich der gerechte Zorn,

Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.

WALTER FÜRST.

O kaum bezwingen wir das eigne Herz,

Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!

MELCHTHAL.

Mich jammert nur der Vater – Er bedarf

So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.

Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets

Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.

Drum werden sie den alten Mann bedrängen,

Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.

– Werde mit mir was will, ich muß hinüber.

WALTER FÜRST.

Erwartet nur und faßt euch in Geduld,

Bis Nachricht uns herüber kommt vom Walde.

– Ich höre klopfen, geht – Vielleicht ein Bote

Vom Landvogt – Geht hinein – Ihr seid in Uri

Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,

Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.

MELCHTHAL.

Sie lehren uns, was wir tun sollten.

WALTER FÜRST.

Geht!

Ich ruf Euch wieder, wenns hier sicher ist.

 

Melchthal geht hinein.

 

Der Unglückselige, ich darf ihm nicht

Gestehen, was mir Böses schwant – Wer klopft?

Sooft die Türe rauscht, erwart ich Unglück.

Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken,

Bis in das Innerste der Häuser dringen

Die Boten der Gewalt, bald tät es not,

Wir hätten Schloß und Riegel an den Türen.

 

Er öffnet und tritt erstaunt zurück, da Werner Stauffacher hereintritt.

 

Was seh ich? Ihr, Herr Werner! Nun, bei Gott!

Ein werter, teurer Gast – Kein beßrer Mann

Ist über diese Schwelle noch gegangen.

Seid hoch willkommen unter meinem Dach!

Was führt Euch her? Was sucht ihr hier in Uri?

STAUFFACHER ihm die Hand reichend.

Die alten Zeiten und die alte Schweiz.

WALTER FÜRST.

Die bringt Ihr mit Euch – Sieh, mir wird so wohl,

Warm geht das Herz mir auf bei Eurem Anblick.

– Setzt Euch, Herr Werner – Wie verließet Ihr

Frau Gertrud, Eure angenehme Wirtin,

Des weisen Ibergs hochverständge Tochter?

Von allen Wandrern aus dem deutschen Land,

Die über Meinrads Zell nach Welschland fahren,

Rühmt jeder Euer gastlich Haus – Doch sagt,

Kommt Ihr soeben frisch von Flüelen her,

Und habt Euch nirgend sonst noch umgesehn,

Eh Ihr den Fuß gesetzt auf diese Schwelle?

STAUFFACHER setzt sich.

Wohl ein erstaunlich neues Werk hab ich

Bereiten sehen, das mich nicht erfreute.

WALTER FÜRST.

O Freund, da habt Ihrs gleich mit einem Blicke!

STAUFFACHER.

Ein solches ist in Uri nie gewesen –

Seit Menschendenken war kein Twinghof hier,

Und fest war keine Wohnung als das Grab.

WALTER FÜRST.

Ein Grab der Freiheit ists. Ihr nennts mit Namen.

STAUFFACHER.

Herr Walter Fürst, ich will Euch nicht verhalten,

Nicht eine müßge Neugier führt mich her,

Mich drücken schwere Sorgen – Drangsal hab ich

Zu Haus verlassen, Drangsal find ich hier.

Denn ganz unleidlich ists, was wir erdulden,

Und dieses Dranges ist kein Ziel zu sehn.

Frei war der Schweizer von uralters her,

Wir sinds gewohnt, daß man uns gut begegnet,

Ein solches war im Lande nie erlebt,

Solang ein Hirte trieb auf diesen Bergen.

WALTER FÜRST.

Ja, es ist ohne Beispiel, wie sies treiben!

Auch unser edler Herr von Attinghausen,

Der noch die alten Zeiten hat gesehn,

Meint selber, es sei nicht mehr zu ertragen.

STAUFFACHER.

Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor,

Und blutig wirds gebüßt – Der Wolfenschießen,

Des Kaisers Vogt, der auf dem Roßberg hauste,

Gelüsten trug er nach verbotner Frucht,

Baumgartens Weib, der haushält zu Alzellen,

Wollt er zu frecher Ungebühr mißbrauchen,

Und mit der Axt hat ihn der Mann erschlagen.

WALTER FÜRST.

O die Gerichte Gottes sind gerecht!

– Baumgarten, sagt Ihr? Ein bescheidner Mann!

Er ist gerettet doch und wohl geborgen?

STAUFFACHER.

Euer Eidam hat ihn übern See geflüchtet,

Bei mir zu Steinen halt ich ihn verborgen –

– Noch Greulichers hat mir derselbe Mann

Berichtet, was zu Sarnen ist geschehn.

Das Herz muß jedem Biedermanne bluten.

WALTER FÜRST aufmerksam.

Sagt an, was ists?

STAUFFACHER.

Im Melchthal, da, wo man

Eintritt bei Kerns, wohnt ein gerechter Mann,

Sie nennen ihn den Heinrich von der Halden,

Und seine Stimm gilt was in der Gemeinde.

WALTER FÜRST.

Wer kennt ihn nicht! Was ists mit ihm! Vollendet!

STAUFFACHER.

Der Landenberger büßte seinen Sohn

Um kleinen Fehlers willen, ließ die Ochsen,

Das beste Paar, ihm aus dem Pfluge spannen,

Da schlug der Knab den Knecht und wurde flüchtig.

WALTER FÜRST in höchster Spannung.

Der Vater aber – sagt, wie stehts um den?

STAUFFACHER.

Den Vater läßt der Landenberger fodern.

Zur Stelle schaffen soll er ihm den Sohn,

Und da der alte Mann mit Wahrheit schwört,

Er habe von dem Flüchtling keine Kunde,

Da läßt der Vogt die Folterknechte kommen –

WALTER FÜRST springt auf und will ihn auf die andre Seite führen.

O still, nichts mehr!

STAUFFACHER mit steigendem Ton.

»Ist mir der Sohn entgangen,

So hab ich dich!« – Läßt ihn zu Boden werfen,

Den spitzgen Stahl ihm in die Augen bohren –

WALTER FÜRST.

Barmherzger Himmel!

MELCHTHAL stürzt heraus.

In die Augen, sagt Ihr?

STAUFFACHER erstaunt zu Walter Fürst.

Wer ist der Jüngling?

MELCHTHAL faßt ihn mit krampfhafter Heftigkeit.

In die Augen? Redet!

WALTER FÜRST.

O der Bejammernswürdige!

STAUFFACHER.

Wer ists?

 

Da Walter Fürst ihm ein Zeichen gibt.

 

Der Sohn ists? Allgerechter Gott!

MELCHTHAL.

Und ich

Muß ferne sein! – In seine beiden Augen?

WALTER FÜRST.

Bezwinget Euch, ertragt es wie ein Mann!

MELCHTHAL.

Um meiner Schuld, um meines Frevels willen!

– Blind also! Wirklich blind und ganz geblendet?

STAUFFACHER.

Ich sagts. Der Quell des Sehns ist ausgeflossen,

Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.

WALTER FÜRST.

Schont seines Schmerzens!

MELCHTHAL.

Niemals! Niemals wieder!

 

Er drückt die Hand vor die Augen und schweigt einige Momente, dann wendet er sich von dem einen zu dem andern und spricht mit sanfter, von Tränen erstickter Stimme.

 

O, eine edle Himmelsgabe ist

Das Licht des Auges – Alle Wesen leben

Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf –

Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte.

Und er muß sitzen, fühlend, in der Nacht,

Im ewig Finstern – ihn erquickt nicht mehr

Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz,

Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen –

Sterben ist nichts – doch leben und nicht sehen,

Das ist ein Unglück – Warum seht ihr mich

So jammernd an? Ich hab zwei frische Augen,

Und kann dem blinden Vater keines geben,

Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,

Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.

STAUFFACHER.

Ach, ich muß Euren Jammer noch vergrößern,

Statt ihn zu heilen – Er bedarf noch mehr!

Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt,

Nichts hat er ihm gelassen als den Stab,

Um nackt und blind von Tür zu Tür zu wandern.

MELCHTHAL.

Nichts als den Stab dem augenlosen Greis!

Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne,

Des Ärmsten allgemeines Gut – Jetzt rede

Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen!

Was für ein feiger Elender bin ich,

Daß ich auf meine Sicherheit gedacht,

Und nicht auf deine – dein geliebtes Haupt

Als Pfand gelassen in des Wütrichs Händen!

Feigherzge Vorsicht, fahre hin – Auf nichts

Als blutige Vergeltung will ich denken –

Hinüber will ich – Keiner soll mich halten –

Des Vaters Auge von dem Landvogt fodern –

Aus allen seinen Reisigen heraus

Will ich ihn finden – Nichts liegt mir am Leben,

Wenn ich den heißen, ungeheuren Schmerz

In seinem Lebensblute kühle.

 

Er will gehen.

 

WALTER FÜRST.

Bleibt!

Was könnt Ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen

Auf seiner hohen Herrenburg und spottet

Ohnmächtgen Zorns in seiner sichern Feste.

MELCHTHAL.

Und wohnt' er droben auf dem Eispalast

Des Schreckhorns oder höher, wo die Jungfrau

Seit Ewigkeit verschleiert sitzt – Ich mache

Mir Bahn zu ihm, mir zwanzig Jünglingen,

Gesinnt wie ich, zerbrech ich seine Feste.

Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle

Für eure Hütten bang und eure Herden,

Euch dem Tyrannenjoche beugt – die Hirten

Will ich zusammenrufen im Gebirg,

Dort unterm freien Himmelsdache, wo

Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund,

Das ungeheuer Gräßliche erzählen.

STAUFFACHER zu Walter Fürst.

Es ist auf seinem Gipfel – Wollen wir

Erwarten, bis das Äußerste –

MELCHTHAL.

Welch Äußerstes

Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges

In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?

– Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir

Die Armbrust spannen und die schwere Wucht

Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward

Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst,

Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt

Der Meute sein gefürchtetes Geweih,

Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –

Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß

Des Menschen, der die ungeheure Kraft

Des Halses duldsam unters Joch gebogen,

Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn

Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.

WALTER FÜRST.

Wenn die drei Lande dächten wie wir drei,

So möchten wir vielleicht etwas vermögen.

STAUFFACHER.

Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,

Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.

MELCHTHAL.

Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft,

Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,

Wenn er am andern einen Rücken hat

Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!

Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch,

Den Vielerfahrnen – meine Stimme muß

Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.

Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,

Verachtet meinen Rat und meine Rede,

Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt

Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,

Was auch den Stein des Felsen muß erbarmen.

Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,

Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,

Der eures Hauptes heilge Locken ehre,

Und euch den Stern des Auges fromm bewache.

O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut

Noch nichts erlitten, eure Augen sich

Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,

So sei euch darum unsre Not nicht fremd.

Auch über euch hängt das Tyrannenschwert,

Ihr habt das Land von Östreich abgewendet,

Kein anderes war meines Vaters Unrecht,

Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammnis.

STAUFFACHER zu Walter Fürst.

Beschließet Ihr! Ich bin bereit zu folgen.

WALTER FÜRST.

Wir wollen hören, was die edeln Herrn

Von Sillinen, von Attinghausen raten –

Ihr Name, denk ich, wird uns Freunde werben.

MELCHTHAL.

Wo ist ein Name in dem Waldgebirg

Ehrwürdiger als Eurer und der Eure?

An solcher Namen echte Währung glaubt

Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.

Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend

Und habt es selber reich vermehrt – Was brauchts

Des Edelmanns? Laßts uns allein vollenden.

Wären wir doch allein im Land! Ich meine,

Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.

STAUFFACHER.

Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns,

Der Strom, der in den Niederungen wütet,

Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht –

Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn,

Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.

WALTER FÜRST.

Wäre ein Obmann zwischen uns und Östreich,

So möchte Recht entscheiden und Gesetz,

Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser

Und höchster Richter – so muß Gott uns helfen

Durch unsern Arm – Erforschet Ihr die Männer

Von Schwyz, ich will in Uri Freunde werben.

Wen aber senden wir nach Unterwalden –

MELCHTHAL.

Mich sendet hin – wem läg es näher an –

WALTER FÜRST.

Ich gebs nicht zu, Ihr seid mein Gast, ich muß

Für Eure Sicherheit gewähren!

MELCHTHAL.

Laßt mich!

Die Schliche kenn ich und die Felsensteige,

Auch Freunde find ich gnug, die mich dem Feind

Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.

STAUFFACHER.

Laßt ihn mit Gott hinübergehn. Dort drüben

Ist kein Verräter – so verabscheut ist

Die Tyrannei, daß sie kein Werkzeug findet.

Auch der Alzeller soll uns nid dem Wald

Genossen werben und das Land erregen.

MELCHTHAL.

Wie bringen wir uns sichre Kunde zu,

Daß wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?

STAUFFACHER.

Wir könnten uns zu Brunnen oder Treib

Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.

WALTER FÜRST.

So offen dürfen wir das Werk nicht treiben.

– Hört meine Meinung. Links am See, wenn man

Nach Brunnen fährt, dem Mythenstein grad über,

Liegt eine Matte heimlich im Gehölz,

Das Rütli heißt sie bei dem Volk der Hirten,

Weil dort die Waldung ausgereutet ward.

Dort ists, wo unsre Landmark und die Eure

 

Zu Melchthal.

 

Zusammengrenzen, und in kurzer Fahrt

 

Zu Stauffacher.

 

Trägt Euch der leichte Kahn von Schwyz herüber.

Auf öden Pfaden können wir dahin

Bei Nachtzeit wandern und uns still beraten.

Dahin mag jeder zehn vertraute Männer

Mitbringen, die herzeinig sind mit uns,

So können wir gemeinsam das Gemeine

Besprechen und mit Gott es frisch beschließen.

STAUFFACHER.

So seis. Jetzt reicht mir Eure biedre Rechte,

Reicht Ihr die Eure her, und so, wie wir

Drei Männer jetzo, unter uns, die Hände

Zusammenflechten, redlich, ohne Falsch,

So wollen wir drei Länder auch, zu Schutz

Und Trutz, zusammenstehn auf Tod und Leben.

WALTER FÜRST UND MELCHTHAL.

Auf Tod und Leben!

 

Sie halten die Hände noch einige Pausen lang zusammengeflochten und schweigen.

 

MELCHTHAL.

Blinder, alter Vater!

Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr schauen,

Du sollst ihn hören – Wenn von Alp zu Alp

Die Feuerzeichen flammend sich erheben,

Die festen Schlösser der Tyrannen fallen,

In deine Hütte soll der Schweizer wallen,

Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen,

Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen.

 

Sie gehen auseinander.

 

 

Zweiter Aufzug

 

Erste Szene

Edelhof des Freiherrn von Attinghausen.

Ein gotischer Saal mit Wappenschildern und Helmen verziert. Der Freiherr ein Greis von fünfundachtzig Jahren, von hoher edler Statur, an einem Stabe, worauf ein Gemsenhorn, und in ein Pelzwams gekleidet.