Meister Steinmetz. Gesellen und Handlanger.
FRONVOGT mit dem Stabe, treibt die Arbeiter.
Nicht lang gefeiert, frisch! Die Mauersteine
Herbei, den Kalk, den Mörtel zugefahren!
Wenn der Herr Landvogt kommt, daß er das Werk
Gewachsen sieht – Das schlendert wie die Schnecken.
Zu zwei Handlangern, welche tragen.
Heißt das geladen? Gleich das Doppelte!
Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!
ERSTER GESELL.
Das ist doch hart, daß wir die Steine selbst
Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!
FRONVOGT.
Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk,
Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken,
Und faul herumzuschlendern auf den Bergen.
ALTER MANN ruht aus.
Ich kann nicht mehr.
FRONVOGT schüttelt ihn.
Frisch, Alter, an die Arbeit!
ERSTER GESELL.
Habt ihr denn gar kein Eingeweid, daß Ihr
Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann,
Zum harten Frondienst treibt?
MEISTER STEINMETZ UND GESELLEN.
's ist himmelschreiend!
FRONVOGT.
Sorgt ihr für euch, ich tu, was meines Amts.
ZWEITER GESELL.
Fronvogt, wie wird die Feste denn sich nennen,
Die wir da baun?
FRONVOGT.
Zwing Uri soll sie heißen,
Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.
GESELLEN.
Zwing Uri!
FRONVOGT.
Nun, was gibts dabei zu lachen?
ZWEITER GESELL.
Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?
ERSTER GESELL.
Laß sehn, wieviel man solcher Maulwurfshaufen
Muß übernander setzen, bis ein Berg
Draus wird, wie der geringste nur in Uri!
Fronvogt geht nach dem Hintergrund.
MEISTER STEINMETZ.
Den Hammer werf ich in den tiefsten See,
Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!
Tell und Stauffacher kommen.
STAUFFACHER.
O hätt ich nie gelebt, um das zu schauen!
TELL.
Hier ist nicht gut sein. Laßt uns weitergehn.
STAUFFACHER.
Bin ich zu Uri, in der Freiheit Land?
MEISTER STEINMETZ.
O Herr, wenn Ihr die Keller erst gesehn
Unter den Türmen! Ja, wer die bewohnt,
Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören!
STAUFFACHER.
O Gott!
STEINMETZ.
Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler,
Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!
TELL.
Was Hände bauten, können Hände stürzen.
Nach den Bergen zeigend.
Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.
Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf einer Stange tragen, ein Ausrufer folgt ihnen, Weiber und Kinder dringen tumultuarisch nach.
ERSTER GESELL.
Was will die Trommel? Gebet acht!
MEISTER STEINMETZ.
Was für
Ein Faßnachtsaufzug und was soll der Hut?
AUSRUFER.
In des Kaisers Namen! Höret!
GESELLEN.
Still doch! Höret!
AUSRUFER.
Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!
Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,
Mitten in Altorf, an dem höchsten Ort,
Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung:
Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst geschehn,
Man soll ihn mit gebognem Knie und mit
Entblößtem Haupt verehren – Daran will
Der König die Gehorsamen erkennen.
Verfallen ist mit seinem Leib und Gut
Dem Könige, wer das Gebot verachtet.
Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber.
ERSTER GESELL.
Welch neues Unerhörtes hat der Vogt
Sich ausgesonnen! Wir' nen Hut verehren!
Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?
MEISTER STEINMETZ.
Wir unsre Kniee beugen einem Hut!
Treibt er sein Spiel mit ernsthaft würdgen Leuten?
ERSTER GESELL.
Wärs noch die kaiserliche Kron! So ists
Der Hut von Österreich; ich sah ihn hangen
Über dem Thron, wo man die Lehen gibt!
MEISTER STEINMETZ.
Der Hut von Österreich! Gebt acht, es ist
Ein Fallstrick, uns an Östreich zu verraten!
GESELLEN.
Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen.
MEISTER STEINMETZ.
Kommt, laßt uns mit den andern Abred nehmen.
Sie gehen nach der Tiefe.
TELL zum Stauffacher.
Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!
STAUFFACHER.
Wo wollt Ihr hin? O eilt nicht so von dannen.
TELL.
Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.
STAUFFACHER.
Mir ist das Herz so voll, mit Euch zu reden.
TELL.
Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.
STAUFFACHER.
Doch könnten Worte uns zu Taten führen.
TELL.
Die einzge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.
STAUFFACHER.
Soll man ertragen, was unleidlich ist?
TELL.
Die schnellen Herrscher sinds, die kurz regieren.
– Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden,
Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen
Eilends den Hafen, und der mächtge Geist
Geht ohne Schaden, spurlos, über die Erde.
Ein jeder lebe still bei sich daheim,
Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.
STAUFFACHER.
Meint Ihr?
TELL.
Die Schlange sticht nicht ungereizt.
Sie werden endlich doch von selbst ermüden,
Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.
STAUFFACHER.
Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.
TELL.
Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.
STAUFFACHER.
So kalt verlaßt Ihr die gemeine Sache?
TELL.
Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.
STAUFFACHER.
Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.
TELL.
Der Starke ist am mächtigsten allein.
STAUFFACHER.
So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen,
Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?
TELL gibt ihm die Hand.
Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,
Und sollte seinen Freunden sich entziehen?
Doch was ihr tut, laßt mich aus eurem Rat,
Ich kann nicht lange prüfen oder wählen,
Bedürft ihr meiner zu bestimmter Tat,
Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.
Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht um das Gerüste.
MEISTER STEINMETZ eilt hin.
Was gibts?
ERSTER GESELL kommt vor, rufend.
Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.
Berta mit Gefolge.
BERTA stürzt herein.
Ist er zerschmettert? Rennet, rettet, helft –
Wenn Hülfe möglich, rettet, hier ist Gold –
Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.
MEISTER.
Mit eurem Golde – Alles ist euch feil
Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern
Gerissen und den Mann von seinem Weibe,
Und Jammer habt gebracht über die Welt,
Denkt ihrs mit Golde zu vergüten – Geht!
Wir waren frohe Menschen, eh ihr kamt,
Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.
BERTA zu dem Fronvogt, der zurückkommt.
Lebt er?
Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.
O unglückselges Schloß, mit Flüchen
Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!
Geht ab.
Vierte Szene
Walter Fürsts Wohnung.
Walter Fürst und Arnold vom Melchthal treten zugleich ein, von verschiedenen Seiten.
MELCHTHAL.
Herr Walter Fürst –
WALTER FÜRST.
Wenn man uns überraschte!
Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.
MELCHTHAL.
Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts
Von meinem Vater? Nicht ertrag ichs länger,
Als ein Gefangner müßig hier zu liegen.
Was hab ich denn so Sträfliches getan,
Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?
Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,
Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen
Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß,
Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.
WALTER FÜRST.
Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts,
Von Eurer Obrigkeit war er gesendet,
Ihr wart in Straf gefallen, mußtet Euch,
Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.
MELCHTHAL.
Ertragen sollt ich die leichtfertge Rede
Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot
Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!«
In die Seele schnitt mirs, als der Bub die Ochsen,
Die schönen Tiere, von dem Pfluge spannte,
Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl
Der Ungebühr, und stießen mit den Hörnern,
Da übernahm mich der gerechte Zorn,
Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.
WALTER FÜRST.
O kaum bezwingen wir das eigne Herz,
Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!
MELCHTHAL.
Mich jammert nur der Vater – Er bedarf
So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.
Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets
Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.
Drum werden sie den alten Mann bedrängen,
Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.
– Werde mit mir was will, ich muß hinüber.
WALTER FÜRST.
Erwartet nur und faßt euch in Geduld,
Bis Nachricht uns herüber kommt vom Walde.
– Ich höre klopfen, geht – Vielleicht ein Bote
Vom Landvogt – Geht hinein – Ihr seid in Uri
Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,
Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.
MELCHTHAL.
Sie lehren uns, was wir tun sollten.
WALTER FÜRST.
Geht!
Ich ruf Euch wieder, wenns hier sicher ist.
Melchthal geht hinein.
Der Unglückselige, ich darf ihm nicht
Gestehen, was mir Böses schwant – Wer klopft?
Sooft die Türe rauscht, erwart ich Unglück.
Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken,
Bis in das Innerste der Häuser dringen
Die Boten der Gewalt, bald tät es not,
Wir hätten Schloß und Riegel an den Türen.
Er öffnet und tritt erstaunt zurück, da Werner Stauffacher hereintritt.
Was seh ich? Ihr, Herr Werner! Nun, bei Gott!
Ein werter, teurer Gast – Kein beßrer Mann
Ist über diese Schwelle noch gegangen.
Seid hoch willkommen unter meinem Dach!
Was führt Euch her? Was sucht ihr hier in Uri?
STAUFFACHER ihm die Hand reichend.
Die alten Zeiten und die alte Schweiz.
WALTER FÜRST.
Die bringt Ihr mit Euch – Sieh, mir wird so wohl,
Warm geht das Herz mir auf bei Eurem Anblick.
– Setzt Euch, Herr Werner – Wie verließet Ihr
Frau Gertrud, Eure angenehme Wirtin,
Des weisen Ibergs hochverständge Tochter?
Von allen Wandrern aus dem deutschen Land,
Die über Meinrads Zell nach Welschland fahren,
Rühmt jeder Euer gastlich Haus – Doch sagt,
Kommt Ihr soeben frisch von Flüelen her,
Und habt Euch nirgend sonst noch umgesehn,
Eh Ihr den Fuß gesetzt auf diese Schwelle?
STAUFFACHER setzt sich.
Wohl ein erstaunlich neues Werk hab ich
Bereiten sehen, das mich nicht erfreute.
WALTER FÜRST.
O Freund, da habt Ihrs gleich mit einem Blicke!
STAUFFACHER.
Ein solches ist in Uri nie gewesen –
Seit Menschendenken war kein Twinghof hier,
Und fest war keine Wohnung als das Grab.
WALTER FÜRST.
Ein Grab der Freiheit ists. Ihr nennts mit Namen.
STAUFFACHER.
Herr Walter Fürst, ich will Euch nicht verhalten,
Nicht eine müßge Neugier führt mich her,
Mich drücken schwere Sorgen – Drangsal hab ich
Zu Haus verlassen, Drangsal find ich hier.
Denn ganz unleidlich ists, was wir erdulden,
Und dieses Dranges ist kein Ziel zu sehn.
Frei war der Schweizer von uralters her,
Wir sinds gewohnt, daß man uns gut begegnet,
Ein solches war im Lande nie erlebt,
Solang ein Hirte trieb auf diesen Bergen.
WALTER FÜRST.
Ja, es ist ohne Beispiel, wie sies treiben!
Auch unser edler Herr von Attinghausen,
Der noch die alten Zeiten hat gesehn,
Meint selber, es sei nicht mehr zu ertragen.
STAUFFACHER.
Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor,
Und blutig wirds gebüßt – Der Wolfenschießen,
Des Kaisers Vogt, der auf dem Roßberg hauste,
Gelüsten trug er nach verbotner Frucht,
Baumgartens Weib, der haushält zu Alzellen,
Wollt er zu frecher Ungebühr mißbrauchen,
Und mit der Axt hat ihn der Mann erschlagen.
WALTER FÜRST.
O die Gerichte Gottes sind gerecht!
– Baumgarten, sagt Ihr? Ein bescheidner Mann!
Er ist gerettet doch und wohl geborgen?
STAUFFACHER.
Euer Eidam hat ihn übern See geflüchtet,
Bei mir zu Steinen halt ich ihn verborgen –
– Noch Greulichers hat mir derselbe Mann
Berichtet, was zu Sarnen ist geschehn.
Das Herz muß jedem Biedermanne bluten.
WALTER FÜRST aufmerksam.
Sagt an, was ists?
STAUFFACHER.
Im Melchthal, da, wo man
Eintritt bei Kerns, wohnt ein gerechter Mann,
Sie nennen ihn den Heinrich von der Halden,
Und seine Stimm gilt was in der Gemeinde.
WALTER FÜRST.
Wer kennt ihn nicht! Was ists mit ihm! Vollendet!
STAUFFACHER.
Der Landenberger büßte seinen Sohn
Um kleinen Fehlers willen, ließ die Ochsen,
Das beste Paar, ihm aus dem Pfluge spannen,
Da schlug der Knab den Knecht und wurde flüchtig.
WALTER FÜRST in höchster Spannung.
Der Vater aber – sagt, wie stehts um den?
STAUFFACHER.
Den Vater läßt der Landenberger fodern.
Zur Stelle schaffen soll er ihm den Sohn,
Und da der alte Mann mit Wahrheit schwört,
Er habe von dem Flüchtling keine Kunde,
Da läßt der Vogt die Folterknechte kommen –
WALTER FÜRST springt auf und will ihn auf die andre Seite führen.
O still, nichts mehr!
STAUFFACHER mit steigendem Ton.
»Ist mir der Sohn entgangen,
So hab ich dich!« – Läßt ihn zu Boden werfen,
Den spitzgen Stahl ihm in die Augen bohren –
WALTER FÜRST.
Barmherzger Himmel!
MELCHTHAL stürzt heraus.
In die Augen, sagt Ihr?
STAUFFACHER erstaunt zu Walter Fürst.
Wer ist der Jüngling?
MELCHTHAL faßt ihn mit krampfhafter Heftigkeit.
In die Augen? Redet!
WALTER FÜRST.
O der Bejammernswürdige!
STAUFFACHER.
Wer ists?
Da Walter Fürst ihm ein Zeichen gibt.
Der Sohn ists? Allgerechter Gott!
MELCHTHAL.
Und ich
Muß ferne sein! – In seine beiden Augen?
WALTER FÜRST.
Bezwinget Euch, ertragt es wie ein Mann!
MELCHTHAL.
Um meiner Schuld, um meines Frevels willen!
– Blind also! Wirklich blind und ganz geblendet?
STAUFFACHER.
Ich sagts. Der Quell des Sehns ist ausgeflossen,
Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.
WALTER FÜRST.
Schont seines Schmerzens!
MELCHTHAL.
Niemals! Niemals wieder!
Er drückt die Hand vor die Augen und schweigt einige Momente, dann wendet er sich von dem einen zu dem andern und spricht mit sanfter, von Tränen erstickter Stimme.
O, eine edle Himmelsgabe ist
Das Licht des Auges – Alle Wesen leben
Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf –
Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte.
Und er muß sitzen, fühlend, in der Nacht,
Im ewig Finstern – ihn erquickt nicht mehr
Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz,
Die roten Firnen kann er nicht mehr schauen –
Sterben ist nichts – doch leben und nicht sehen,
Das ist ein Unglück – Warum seht ihr mich
So jammernd an? Ich hab zwei frische Augen,
Und kann dem blinden Vater keines geben,
Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,
Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.
STAUFFACHER.
Ach, ich muß Euren Jammer noch vergrößern,
Statt ihn zu heilen – Er bedarf noch mehr!
Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt,
Nichts hat er ihm gelassen als den Stab,
Um nackt und blind von Tür zu Tür zu wandern.
MELCHTHAL.
Nichts als den Stab dem augenlosen Greis!
Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne,
Des Ärmsten allgemeines Gut – Jetzt rede
Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen!
Was für ein feiger Elender bin ich,
Daß ich auf meine Sicherheit gedacht,
Und nicht auf deine – dein geliebtes Haupt
Als Pfand gelassen in des Wütrichs Händen!
Feigherzge Vorsicht, fahre hin – Auf nichts
Als blutige Vergeltung will ich denken –
Hinüber will ich – Keiner soll mich halten –
Des Vaters Auge von dem Landvogt fodern –
Aus allen seinen Reisigen heraus
Will ich ihn finden – Nichts liegt mir am Leben,
Wenn ich den heißen, ungeheuren Schmerz
In seinem Lebensblute kühle.
Er will gehen.
WALTER FÜRST.
Bleibt!
Was könnt Ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen
Auf seiner hohen Herrenburg und spottet
Ohnmächtgen Zorns in seiner sichern Feste.
MELCHTHAL.
Und wohnt' er droben auf dem Eispalast
Des Schreckhorns oder höher, wo die Jungfrau
Seit Ewigkeit verschleiert sitzt – Ich mache
Mir Bahn zu ihm, mir zwanzig Jünglingen,
Gesinnt wie ich, zerbrech ich seine Feste.
Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle
Für eure Hütten bang und eure Herden,
Euch dem Tyrannenjoche beugt – die Hirten
Will ich zusammenrufen im Gebirg,
Dort unterm freien Himmelsdache, wo
Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund,
Das ungeheuer Gräßliche erzählen.
STAUFFACHER zu Walter Fürst.
Es ist auf seinem Gipfel – Wollen wir
Erwarten, bis das Äußerste –
MELCHTHAL.
Welch Äußerstes
Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges
In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?
– Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir
Die Armbrust spannen und die schwere Wucht
Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward
Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst,
Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt
Der Meute sein gefürchtetes Geweih,
Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –
Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß
Des Menschen, der die ungeheure Kraft
Des Halses duldsam unters Joch gebogen,
Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn
Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.
WALTER FÜRST.
Wenn die drei Lande dächten wie wir drei,
So möchten wir vielleicht etwas vermögen.
STAUFFACHER.
Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,
Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.
MELCHTHAL.
Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft,
Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,
Wenn er am andern einen Rücken hat
Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!
Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch,
Den Vielerfahrnen – meine Stimme muß
Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.
Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,
Verachtet meinen Rat und meine Rede,
Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt
Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,
Was auch den Stein des Felsen muß erbarmen.
Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,
Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,
Der eures Hauptes heilge Locken ehre,
Und euch den Stern des Auges fromm bewache.
O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut
Noch nichts erlitten, eure Augen sich
Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,
So sei euch darum unsre Not nicht fremd.
Auch über euch hängt das Tyrannenschwert,
Ihr habt das Land von Östreich abgewendet,
Kein anderes war meines Vaters Unrecht,
Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammnis.
STAUFFACHER zu Walter Fürst.
Beschließet Ihr! Ich bin bereit zu folgen.
WALTER FÜRST.
Wir wollen hören, was die edeln Herrn
Von Sillinen, von Attinghausen raten –
Ihr Name, denk ich, wird uns Freunde werben.
MELCHTHAL.
Wo ist ein Name in dem Waldgebirg
Ehrwürdiger als Eurer und der Eure?
An solcher Namen echte Währung glaubt
Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.
Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend
Und habt es selber reich vermehrt – Was brauchts
Des Edelmanns? Laßts uns allein vollenden.
Wären wir doch allein im Land! Ich meine,
Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.
STAUFFACHER.
Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns,
Der Strom, der in den Niederungen wütet,
Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht –
Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn,
Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.
WALTER FÜRST.
Wäre ein Obmann zwischen uns und Östreich,
So möchte Recht entscheiden und Gesetz,
Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser
Und höchster Richter – so muß Gott uns helfen
Durch unsern Arm – Erforschet Ihr die Männer
Von Schwyz, ich will in Uri Freunde werben.
Wen aber senden wir nach Unterwalden –
MELCHTHAL.
Mich sendet hin – wem läg es näher an –
WALTER FÜRST.
Ich gebs nicht zu, Ihr seid mein Gast, ich muß
Für Eure Sicherheit gewähren!
MELCHTHAL.
Laßt mich!
Die Schliche kenn ich und die Felsensteige,
Auch Freunde find ich gnug, die mich dem Feind
Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.
STAUFFACHER.
Laßt ihn mit Gott hinübergehn. Dort drüben
Ist kein Verräter – so verabscheut ist
Die Tyrannei, daß sie kein Werkzeug findet.
Auch der Alzeller soll uns nid dem Wald
Genossen werben und das Land erregen.
MELCHTHAL.
Wie bringen wir uns sichre Kunde zu,
Daß wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?
STAUFFACHER.
Wir könnten uns zu Brunnen oder Treib
Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.
WALTER FÜRST.
So offen dürfen wir das Werk nicht treiben.
– Hört meine Meinung. Links am See, wenn man
Nach Brunnen fährt, dem Mythenstein grad über,
Liegt eine Matte heimlich im Gehölz,
Das Rütli heißt sie bei dem Volk der Hirten,
Weil dort die Waldung ausgereutet ward.
Dort ists, wo unsre Landmark und die Eure
Zu Melchthal.
Zusammengrenzen, und in kurzer Fahrt
Zu Stauffacher.
Trägt Euch der leichte Kahn von Schwyz herüber.
Auf öden Pfaden können wir dahin
Bei Nachtzeit wandern und uns still beraten.
Dahin mag jeder zehn vertraute Männer
Mitbringen, die herzeinig sind mit uns,
So können wir gemeinsam das Gemeine
Besprechen und mit Gott es frisch beschließen.
STAUFFACHER.
So seis. Jetzt reicht mir Eure biedre Rechte,
Reicht Ihr die Eure her, und so, wie wir
Drei Männer jetzo, unter uns, die Hände
Zusammenflechten, redlich, ohne Falsch,
So wollen wir drei Länder auch, zu Schutz
Und Trutz, zusammenstehn auf Tod und Leben.
WALTER FÜRST UND MELCHTHAL.
Auf Tod und Leben!
Sie halten die Hände noch einige Pausen lang zusammengeflochten und schweigen.
MELCHTHAL.
Blinder, alter Vater!
Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr schauen,
Du sollst ihn hören – Wenn von Alp zu Alp
Die Feuerzeichen flammend sich erheben,
Die festen Schlösser der Tyrannen fallen,
In deine Hütte soll der Schweizer wallen,
Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen,
Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen.
Sie gehen auseinander.
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Edelhof des Freiherrn von Attinghausen.
Ein gotischer Saal mit Wappenschildern und Helmen verziert. Der Freiherr ein Greis von fünfundachtzig Jahren, von hoher edler Statur, an einem Stabe, worauf ein Gemsenhorn, und in ein Pelzwams gekleidet. Kuoni und noch sechs Knechte stehen um ihn her mit Rechen und Sensen. – Ulrich von Rudenz tritt ein in Ritterkleidung.
RUDENZ.
Hier bin ich, Oheim – Was ist Euer Wille?
ATTINGHAUSEN.
Erlaubt, daß ich nach altem Hausgebrauch
Den Frühtrunk erst mit meinen Knechten teile.
Er trinkt aus einem Becher, der dann in der Reihe herumgeht.
Sonst war ich selber mit in Feld und Wald,
Mit meinem Auge ihren Fleiß regierend,
Wie sie mein Banner führte in der Schlacht,
Jetzt kann ich nichts mehr als den Schaffner machen,
Und kommt die warme Sonne nicht zu mir,
Ich kann sie nicht mehr suchen auf den Bergen.
Und so in enger stets und engerm Kreis,
Beweg ich mich dem engesten und letzten,
Wo alles Leben stillsteht, langsam zu,
Mein Schatte bin ich nur, bald nur mein Name.
KUONI zu Rudenz mit dem Becher.
Ich brings Euch, Junker.
Da Rudenz zaudert, den Becher zu nehmen.
Trinket frisch! Es geht
Aus einem Becher und aus einem Herzen.
ATTINGHAUSEN.
Geht, Kinder, und wenns Feierabend ist,
Dann reden wir auch von des Lands Geschäften.
Knechte gehen ab.
Attinghausen und Rudenz.
ATTINGHAUSEN.
Ich sehe dich gegürtet und gerüstet,
Du willst nach Altorf in die Herrenburg?
RUDENZ.
Ja, Oheim, und ich darf nicht länger säumen –
ATTINGHAUSEN setzt sich.
Hast dus so eilig? Wie? Ist deiner Jugend
Die Zeit so karg gemessen, daß du sie
An deinem alten Oheim mußt ersparen?
RUDENZ.
Ich sehe, daß Ihr meiner nicht bedürft,
Ich bin ein Fremdling nur in diesem Hause.
ATTINGHAUSEN hat ihn lange mit den Augen gemustert.
Ja leider bist dus. Leider ist die Heimat
Zur Fremde dir geworden! – Uly! Uly!
Ich kenne dich nicht mehr. In Seide prangst du,
Die Pfauenfeder trägst du stolz zur Schau,
Und schlägst den Purpurmantel um die Schultern,
Den Landmann blickst du mit Verachtung an,
Und schämst dich seiner traulichen Begrüßung.
RUDENZ.
Die Ehr, die ihm gebührt, geb ich ihm gern,
Das Recht, das er sich nimmt, verweigr ich ihm.
ATTINGHAUSEN.
Das ganze Land liegt unterm schweren Zorn
Des Königs – Jedes Biedermannes Herz
Ist kummervoll ob der tyrannischen Gewalt,
Die wir erdulden – Dich allein rührt nicht
Der allgemeine Schmerz – Dich siehet man
Abtrünnig von den Deinen auf der Seite
Des Landesfeindes stehen, unsrer Not
Hohnsprechend nach der leichten Freude jagen,
Und buhlen um die Fürstengunst, indes
Dein Vaterland von schwerer Geißel blutet.
RUDENZ.
Das Land ist schwer bedrängt – Warum, mein Oheim?
Wer ists, der es gestürzt in diese Not?
Es kostete ein einzig leichtes Wort,
Um augenblicks des Dranges los zu sein,
Und einen gnädgen Kaiser zu gewinnen.
Weh ihnen, die dem Volk die Augen halten,
Daß es dem wahren Besten widerstrebt.
Um eignen Vorteils willen hindern sie,
Daß die Waldstätte nicht zu Östreich schwören,
Wie ringsum alle Lande doch getan.
Wohl tut es ihnen, auf der Herrenbank
Zu sitzen mit dem Edelmann – den Kaiser
Will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben.
ATTINGHAUSEN.
Muß ich das hören und aus deinem Munde!
RUDENZ.
Ihr habt mich aufgefodert, laßt mich enden.
– Welche Person ists, Oheim, die Ihr selbst
Hier spielt, Habt Ihr nicht höhern Stolz, als hier
Landammann oder Bannerherr zu sein
Und neben diesen Hirten zu regieren?
Wie? Ists nicht eine rühmlichere Wahl,
Zu huldigen dem königlichen Herrn,
Sich an sein glänzend Lager anzuschließen,
Als Eurer eignen Knechte Pair zu sein,
Und zu Gericht zu sitzen mit dem Bauer?
ATTINGHAUSEN.
Ach Uly! Uly! Ich erkenne sie,
Die Stimme der Verführung! Sie ergriff
Dein offnes Ohr, sie hat dein Herz vergiftet.
RUDENZ.
Ja, ich verberg es nicht – in tiefer Seele
Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns
Den Baurenadel schelten – Nicht ertrag ichs,
Indes die edle Jugend rings umher
Sich Ehre sammelt unter Habsburgs Fahnen,
Auf meinem Erb hier müßig stillzuliegen,
Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz
Des Lebens zu verlieren – Anderswo
Geschehen Taten, eine Welt des Ruhms
Bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge –
Mir rosten in der Halle Helm und Schild,
Der Kriegstrommete mutiges Getön,
Der Heroldsruf, der zum Turniere ladet,
Er dringt in diese Täler nicht herein,
Nichts als den Kuhreihn und der Herdeglocken
Einförmiges Geläut vernehm ich hier.
ATTINGHAUSEN.
Verblendeter, vom eiteln Glanz verführt!
Verachte dein Geburtsland! Schäme dich
Der uralt frommen Sitte deiner Väter!
Mit heißen Tränen wirst du dich dereinst
Heimsehnen nach den väterlichen Bergen,
Und dieses Herdenreihens Melodie,
Die du in stolzem Überdruß verschmähst,
Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen,
Wenn sie dir anklingt auf der fremden Erde.
O, mächtig ist der Trieb des Vaterlands!
Die fremde falsche Welt ist nicht für dich,
Dort an dem stolzen Kaiserhof bleibst du
Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen!
Die Welt, sie fodert andre Tugenden,
Als du in diesen Tälern dir erworben.
– Geh hin, verkaufe deine freie Seele,
Nimm Land zu Lehen, werd ein Fürstenknecht,
Da du ein Selbstherr sein kannst und ein Fürst
Auf deinem eignen Erb und freien Boden.
Ach Uly! Uly! Bleibe bei den Deinen!
Geh nicht nach Altorf – O, verlaß sie nicht,
Die heilge Sache deines Vaterlands!
– Ich bin der Letzte meines Stamms. Mein Name
Endet mit mir. Da hängen Helm und Schild,
Die werden sie mir in das Grab mitgeben.
Und muß ich denken bei dem letzten Hauch,
Daß du mein brechend Auge nur erwartest,
Um hinzugehn vor diesen neuen Lehenhof,
Und meine edeln Güter, die ich frei
Von Gott empfing, von Östreich zu empfangen!
RUDENZ.
Vergebens widerstreben wir dem König,
Die Welt gehört ihm, wollen wir allein
Uns eigensinnig steifen und verstocken,
Die Länderkette ihm zu unterbrechen,
Die er gewaltig rings um uns gezogen?
Sein sind die Märkte, die Gerichte, sein
Die Kaufmannsstraßen, und das Saumroß selbst,
Das auf dem Gotthard ziehet, muß ihm zollen.
Von seinen Ländern wie mit einem Netz
Sind wir umgarnet rings und eingeschlossen.
– Wird uns das Reich beschützen? Kann es selbst
Sich schützen gegen Östreichs wachsende Gewalt?
Hilft Gott uns nicht, kein Kaiser kann uns helfen.
Was ist zu geben auf der Kaiser Wort,
Wenn sie in Geld- und Kriegesnot die Städte,
Die untern Schirm des Adlers sich geflüchtet,
Verpfänden dürfen und dem Reich veräußern?
– Nein, Oheim! Wohltat ists und weise Vorsicht,
In diesen schweren Zeiten der Parteiung
Sich anzuschließen an ein mächtig Haupt.
Die Kaiserkrone geht von Stamm zu Stamm,
Die hat für treue Dienste kein Gedächtnis,
Doch um den mächtgen Erbherrn wohl verdienen,
Heißt Saaten in die Zukunft streun.
ATTINGHAUSEN.
Bist du so weise?
Willst heller sehn, als deine edeln Väter,
Die um der Freiheit kostbarn Edelstein
Mit Gut und Blut und Heldenkraft gestritten?
– Schiff nach Luzern hinunter, frage dort,
Wie Östreichs Herrschaft lastet auf den Ländern!
Sie werden kommen, unsre Schaf und Rinder
Zu zählen, unsre Alpen abzumessen,
Den Hochflug und das Hochgewilde bannen
In unsern freien Wäldern, ihren Schlagbaum
An unsre Brücken, unsre Tore setzen,
Mit unsrer Armut ihre Länderkäufe,
Mit unserm Blute ihre Kriege zahlen –
– Nein, wenn wir unser Blut dransetzen sollen,
So seis für uns – wohlfeiler kaufen wir
Die Freiheit als die Knechtschaft ein!
RUDENZ.
Was können wir,
Ein Volk der Hirten, gegen Albrechts Heere!
ATTINGHAUSEN.
Lern dieses Volk der Hirten kennen, Knabe!
Ich kenns, ich hab es angeführt in Schlachten,
Ich hab es fechten sehen bei Favenz.
Sie sollen kommen, uns ein Joch aufzwingen,
Das wir entschlossen sind, nicht zu ertragen!
– O lerne fühlen, welches Stamms du bist!
Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein
Die echte Perle deines Wertes hin –
Das Haupt zu heißen eines freien Volks,
Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht,
Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod –
Das sei dein Stolz, des Adels rühme dich –
Die angebornen Bande knüpfe fest,
Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen.
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,
Dort in der fremden Welt stehst du allein,
Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.
O komm, du hast uns lang nicht mehr gesehn,
Versuchs mit uns nur einen Tag – nur heute
Geh nicht nach Altorf – Hörst du? Heute nicht,
Den einen Tag nur schenke dich den Deinen!
Er faßt seine Hand.
RUDENZ.
Ich gab mein Wort – Laßt mich – Ich bin gebunden.
ATTINGHAUSEN läßt seine Hand los, mit Ernst.
Du bist gebunden – Ja, Unglücklicher!
Du bists, doch nicht durch Wort und Schwur,
Gebunden bist du durch der Liebe Seile!
Rudenz wendet sich weg.
– Verbirg dich, wie du willst. Das Fräulein ists,
Berta von Bruneck, die zur Herrenburg
Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst.
Das Ritterfräulein willst du dir erwerben
Mit deinem Abfall von dem Land – Betrüg dich nicht!
Dich anzulocken zeigt man dir die Braut,
Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.
RUDENZ.
Genug hab ich gehört. Gehabt Euch wohl.
Er geht ab.
ATTINGHAUSEN.
Wahnsinnger Jüngling, bleib! – Er geht dahin!
Ich kann ihn nicht erhalten, nicht erretten –
So ist der Wolfenschießen abgefallen
Von seinem Land – so werden andre folgen,
Der fremde Zauber reißt die Jugend fort,
Gewaltsam strebend über unsre Berge.
– O unglückselge Stunde, da das Fremde
In diese still beglückten Täler kam,
Der Sitten fromme Unschuld zu zerstören!
Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte,
Das Würdge scheidet, andre Zeiten kommen,
Es lebt ein andersdenkendes Geschlecht!
Was tu ich hier? Sie sind begraben alle,
Mit denen ich gewaltet und gelebt.
Unter der Erde schon liegt meine Zeit;
Wohl dem, der mit der neuen nicht mehr braucht zu leben!
Geht ab.
Zweite Szene
Eine Wiese von hohen Felsen und Wald umgeben.
Auf den Felsen sind Steige, mit Geländern, auch Leitern, von denen man nachher die Landleute herabsteigen sieht. Im Hintergrunde zeigt sich der See, über welchem anfangs ein Mondregenbogen zu sehen ist. Den Prospekt schließen hohe Berge, hinter welchen noch höhere Eisgebirge ragen. Es ist völlig Nacht auf der Szene, nur der See und die weißen Gletscher leuchten im Mondenlicht.
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