Vorhin hatte ich nur beobachten, belauschen wollen; jetzt fühlte ich einen mächtigen, ja unwiderstehlichen Drang, mitzutun. An eine junge Kuh wollte Sam sich machen; pfui! dachte ich, dazu gehört kein Mut; ein rechter Mann wählt grad den stärksten Bullen!

Mein Pferd war außerordentlich unruhig geworden; es tanzte mit den Hufen; es hatte auch noch keine Büffel gesehen, fürchtete sich und wollte fliehen; kaum vermochte ich, es zurückzuhalten. War es da nicht besser, wenn ich es zwang, den Bullen anzunehmen? Ich war nicht etwa erregt, sondern überlegte, innerlich ganz ruhig, zwischen Ja und Nein. Da entschied der Eindruck des Augenblickes.

Sam hatte sich den Bisons bis auf dreihundert Schritte genähert; dann gab er seinem Pferd die Sporen und galoppierte auf die Herde zu und an dem mächtigen Bullen vorbei, um an die Kuh zu kommen, welche er mir bezeichnet hatte. Sie stutzte und versäumte die Flucht; er erreichte sie; ich sah, daß er im Vorüberjagen auf sie schoß. Sie zuckte zusammen und senkte den Kopf. Ob sie zusammenbrach, das sah ich nicht, denn mein Auge wurde durch einen andern Anblick gefesselt. Der Riesenbulle war aufgesprungen; er stierte nach Sam Hawkens hin. Welch ein mächtiges Tier! Dieser dicke Kopf mit dem gewölbten Schädel, der breiten Stirn und den zwar kurzen, aber starken, aufwärts gekrümmten Hörnern, diese dichte, zottige Mähne um Hals und Brust! Dem Wild ursprünglichster, rohester Kraft wurde durch den hohen Widerrist die höchste Vollendung gegeben. Ja, das war ein höchst gefährliches Geschöpf; aber sein Anblick reizte förmlich zu dem Verlangen, menschliches Können an dieser ungestümen tierischen Stärke zu messen.

Wollte ich, oder wollte ich nicht? Ich weiß es nicht. Oder ging mein Rotschimmel mit mir durch? Er schoß aus den Büschen heraus und wollte nach links; ich riß ihn aber nach rechts herum und flog auf den Bullen zu. Er hörte mich kommen und wendete sich nach mir um; mich sehend, senkte er den Kopf, um Roß und Reiter mit den Hörnern zu empfangen. Ich hörte Sam aus allen Kräften schreien, hatte aber keine Zeit, den Blick nach ihm zu richten. Dem Bison eine Kugel geben, war unmöglich, denn erstens stand er mir nicht schußgerecht und zweitens wollte mir das Pferd nicht gehorchen; es schoß vor Angst grad auf die drohenden Hörner zu. Um es aufzuspießen, warf der Büffel seine Hinterbeine zur Seite und den Kopf mit einem gewaltigen Stoß in die Höhe; mit Anstrengung aller Kräfte gelang es mir, den Schimmel ein wenig abzubringen; er flog in einem weiten Satz über das Hinterteil des Bullen hinweg, während in demselben Augenblick dessen Hörner ganz nahe an meinem Bein vorbeistießen. Unser Sprung ging grad in die Schlammlache hinein, in welcher der Büffel sich gewälzt hatte; ich sah es und nahm die Füße aus den Bügeln, zu meinem Glück, denn das Pferd glitt aus und wir stürzten. Wie das so schnell geschehen konnte, ist mir heute noch unbegreiflich, doch stand ich schon im nächsten Augenblick aufrecht neben der Lache, das Gewehr noch fest in der Hand. Der Büffel hatte sich nach uns umgedreht und sprang in ungelenken Sätzen auf das Pferd zu, welches sich aufgerafft hatte und im Begriff stand, zu entfliehen. Dabei bot er mir seine Flanke zum Schuß; ich legte an; jetzt sollte sich der schwere Bärentöter zum erstenmal im Ernst bewähren. Noch einen Sprung, so hatte der Bison den Rotschimmel erreicht; ich drückte ab – – – er blieb mitten im Lauf stehen, ob vor Schreck über den Schuß oder weil ich gut getroffen hatte, das wußte ich nicht; ich gab ihm sofort auch die zweite Kugel. Er hob langsam den Kopf, stieß ein mir durch alle Glieder gehendes Brüllen aus, wankte einige Male hin und her und brach dann auf derselben Stelle, wo er stand, zusammen.

Ich hätte vor Freude über diesen schweren Sieg hell aufjubeln mögen, hatte aber Notwendigeres zu tun. Mein Pferd setzte reiterlos nach rechts hinunter, während ich Sam Hawkens am jenseitigen Talrand dahingaloppieren sah, von einem Stier verfolgt, welcher nicht viel kleiner als mein Bulle war. Man muß wissen, daß der Bison, einmal gereizt, nicht von seinem Gegner läßt und es dabei an Schnelligkeit mit dem Pferd aufnimmt. Er entwickelt dann einen Mut, eine List und eine Ausdauer, die ihm vorher gewiß niemand zutraut.

So war auch dieser Stier dem Reiter hart auf den Fersen. Um ihm zu entgehen, mußte Hawkens die gewagtesten Wendungen machen, welche das Pferd ermüdeten; es hielt jedenfalls nicht so lange aus wie der Büffel; da war also Hilfe dringend nötig. Ich hatte keine Zeit, nachzusehen, ob mein Bulle wirklich tot sei oder nicht; ich lud schnell beide Läufe des Bärentöters und sprang dann über das Tal hinüber. Sam sah dies; er wollte der Hilfe entgegenkommen und warf sein Pferd in die Richtung nach mir herum. Das war ein großer Fehler, denn der Stier, welcher eng hinter ihm war, bekam dadurch das Pferd quer vor sich; ich sah, daß er die Hörner senkte; ein Stoß, und er hob das Pferd samt dem Reiter empor und ließ, als sie dann zur Erde stürzten, mit wütenden und schüttelnden Stößen nicht von ihnen ab. Sam schrie um Hilfe, was er schreien konnte. Ich war wohl noch hundertfünfzig Schritte entfernt und durfte keinen Augenblick zögern.