Ein Greenhorn ist demnach ein Mensch, welcher noch grün, also neu und unerfahren im Lande ist und seine Fühlhörner behutsam ausstrecken muß, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, ausgelacht zu werden.

Ein Greenhorn ist ein Mensch, welcher nicht von seinem Stuhl aufsteht, wenn eine Lady sich auf denselben setzen will, welcher den Herrn des Hauses grüßt, ehe er der Mistreß und Miß seine Verbeugungen gemacht hat, welcher beim Laden des Gewehres die Patrone verkehrt in den Lauf schiebt oder erst den Pfropfen, dann die Kugel und zuletzt das Pulver in den Vorderlader stößt. Ein Greenhorn spricht entweder gar kein oder ein sehr reines und geziertes Englisch; ihm ist das Yankee-Englisch oder gar das Hinterwälder-Idiom ein Greuel; es will ihm nicht in den Kopf und noch viel weniger über die Zunge. Ein Greenhorn hält ein Racoon für ein Opossom und eine leidlich hübsche Mulattin für eine Quadroone. Ein Greenhorn raucht Zigaretten und verabscheut den tabaksaftspeienden Sir. Ein Greenhorn läuft, wenn er von Paddy (Irländer) eine Ohrfeige erhalten hat, mit seiner Klage zum Friedensrichter, anstatt, wie ein richtiger Yankee tun soll, den Kerl einfach und auf der Stelle niederzuschießen. Ein Greenhorn hält die Stapfen eines Turkey für eine Bärenfährte und eine schlanke Sportyacht für einen Mississippisteamer. Ein Greenhorn geniert sich, seine schmutzigen Stiefel auf die Knie seines Mitpassagiers zu legen und seine Suppe mit dem Schnaufen eines verendenden Büffels hinabzuschlürfen. Ein Greenhorn schleppt der Reinlichkeit wegen einen Waschschwamm von der Größe eines Riesenkürbis und zehn Pfund Seife mit in die Prärie und steckt sich dazu einen Kompaß bei, welcher schon am dritten oder vierten Tag nach allen möglichen anderen Richtungen, aber nie mehr nach Norden zeigt. Ein Greenhorn notiert sich achthundert Indianerausdrücke, und wenn er dem ersten Roten begegnet, so bemerkt er, daß er diese Notizen im letzten Kuvert nach Hause geschickt und dafür den Brief aufgehoben hat. Ein Greenhorn kauft Schießpulver, und wenn er den ersten Schuß tun will, erkennt er, daß man ihm gemahlene Holzkohle gegeben hat. Ein Greenhorn hat zehn Jahre lang Astronomie studiert, kann aber ebenso lang den gestirnten Himmel angucken, ohne zu wissen, wieviel Uhr es ist. Ein Greenhorn steckt das Bowiemesser so in den Gürtel, daß er, wenn er sich bückt, sich die Klinge in den Schenkel sticht. Ein Greenhorn macht im wilden Westen ein so starkes Lagerfeuer, daß es baumhoch emporlodert, und wundert sich dann, wenn er von den Indianern entdeckt und erschossen worden ist, darüber, daß sie ihn haben finden können. Ein Greenhorn ist eben ein Greenhorn – – – und ein solches Greenhorn war damals auch ich.

Aber man denke ja nicht etwa, daß ich die Überzeugung oder auch nur die Ahnung gehabt hätte, daß diese kränkende Bezeichnung auf mich passe! O nein, denn es ist ja eben die hervorragendste Eigentümlichkeit jedes Greenhorns, eher alle anderen Menschen, aber nur nicht sich selbst für ‚grün’ zu halten.

Ich glaubte ganz im Gegenteil, ein außerordentlich kluger und erfahrener Mensch zu sein; hatte ich doch, so was man zu sagen pflegt, studiert und nie vor einem Examen Angst gehabt! Daß dann das Leben die eigentliche und richtige Hochschule ist, deren Schüler täglich und stündlich geprüft werden und vor der Vorsehung zu bestehen haben, daran wollte mein jugendlicher Sinn damals nicht denken. Unerquickliche Verhältnisse in der Heimat und ein, ich möchte sagen, angeborener Tatendrang hatten mich über den Ozean nach den Vereinigten Staaten getrieben, wo die Bedingungen für das Fortkommen eines strebsamen jungen Menschen damals weit bessere und günstigere waren als heutzutage. Ich hätte in den Oststaaten recht wohl ein gutes Unterkommen gefunden, aber es trieb mich nach dem Westen. Bald auf diese und bald auf jene Weise für kurze Zeit tätig, verdiente ich mir so viel, daß ich, äußerlich wohl ausgerüstet und innerlich von frohem Mut erfüllt, in St. Louis ankam. Dort führte mich das Glück in eine deutsche Familie, in welcher ich einen einstweiligen Unterschlupf als Hauslehrer fand. In dieser Familie verkehrte Mr. Henry, ein Original und Büchsenmacher, welcher sein Handwerk mit der Hingebung eines Künstlers betrieb und sich mit altväterischem Stolze Mr. Henry, the Gunsmith nannte.

Dieser Mann war ein außerordentlicher Menschenfreund, obgleich er das Gegenteil zu sein schien, da er außer der erwähnten Familie mit keinem Menschen verkehrte und selbst seine Kunden so kurz und schroff behandelte, daß sie nur der Güte seiner Ware wegen zu ihm kamen. Er hatte seine Frau und Kinder durch ein grausiges Ereignis verloren, über welches er nie sprach, doch vermutete ich infolge einiger seiner Äußerungen, daß sie bei einem Überfall ermordet worden waren. Das hatte ihn äußerlich rauh gemacht; er wußte es vielleicht gar nicht, daß er eigentlich ein perfekter Grobian war; der Kern aber war mild und gut, und ich habe oft sein Auge feucht gesehen, wenn ich von der Heimat und den Meinen erzählte, an denen ich mit ganzem Herzen hing und auch heut noch hänge.

Warum er, der alte Mann, grad für mich, den jungen, fremden Menschen, eine solche Vorliebe zeigte, das wußte ich nicht, bis er es mir einmal sagte. Seit ich da war, kam er öfters als vorher, hörte dem Unterricht zu, nahm mich, wenn dieser beendet war, für sich in Beschlag und lud mich schließlich sogar ein, ihn zu besuchen. Ein solcher Vorzug war noch keinem andern zuteil geworden, und ich hütete mich daher, die mir gewordene Erlaubnis auszubeuten. Diese Zurückhaltung schien ihm aber keineswegs lieb zu sein; ich erinnere mich noch heut des zornigen Gesichtes, welches er mir eines Abends, als ich zu ihm kam, zeigte, und des Tones, in welchem er mich empfing, ohne auf mein ‚good evening’ zu antworten:

„Wo habt Ihr denn gestern gesteckt, Sir?“

„Zu Hause.“

„Und vorgestern?“

„Auch zu Hause.“

„Macht mir doch nichts weis!“

„Es ist wahr, Mr. Henry.“

„Pshaw! Solche grüne Vögel, wie Ihr einer seid, bleiben nicht im Nest hocken; die stecken die Schnäbel überall hin, nur nicht da, wo sie hingehören!“

„Und wo gehöre ich hin, wenn es Euch beliebt, es mir zu sagen?“

„Hierher zu mir, verstanden! Habe Euch schon lange einmal nach etwas fragen wollen.“

„Warum habt Ihr es nicht getan?“

„Weil ich nicht wollte. Hört Ihr es?“

„Und wenn wollt Ihr denn?“

„Heut vielleicht.“

„So fragt getrost nur zu“, forderte ich ihn auf, indem ich mich hoch auf die Schraubenbank setzte, an welcher er arbeitete.

Er sah mir ganz verwundert in das Gesicht, schüttelte mißbilligend den Kopf und rief aus:

„Getrost! Als ob ich so ein Greenhorn, wie Ihr seid, erst um Erlaubnis fragen müßte, wenn ich mit ihm reden will!“

„Greenhorn?“ antwortete ich, die Stirn in Falten ziehend, denn ich fühlte mich bedeutend verletzt. „Ich will annehmen, Mr.