Bill ließ einen Ausruf hören. Es war alles, was von Treiber übrig war – der Stock, womit er angebunden gewesen war.

»Sie haben ihn mit Haut und Haar aufgefressen«, verkündete Bill. »Der Stock ist so kahl wie ’ne Pfeife. Sogar die Lederriemen an beiden Enden sind weg. Sie müssen verdammt hungrig sein; und ich sehe schon, sie werden uns auch noch kriegen, bevor die Fahrt vorbei ist.«

Heinrich lachte trotzig. »Ich bin zwar von Wölfen noch nie so sehr verfolgt worden, aber ich hab Schlimmeres im Leben durchgemacht. Es braucht mehr als so ’ne Handvoll vertrackter Bestien, um dir und mir den Garaus zu machen, Bill, mein Sohn.«

»Das weiß ich doch nicht«, murmelte Bill voll böser Ahnung.

»Schön, du wirst es wissen, wenn wir nach McGurry kommen.«

»Ich glaube nicht recht daran«, beharrte Bill.

»Dein Magen ist nicht in Ordnung, und das quält dich«, belehrte Heinrich. »Dir fehlt eine tüchtige Dosis Chinin, und die werd’ ich dir verabfolgen, wenn wir nach McGurry kommen.«

Bill brummte unwirsch zu dieser Diagnose und versank in sein früheres Schweigen. Der Tag verging wie die anderen alle. Um neun Uhr wurde es hell, und um zwölf erwärmte die unsichtbare Sonne den südlichen Horizont, worauf das kalte Grau des Nachmittags einsetzte, das drei Stunden später in dunkle Nacht versank.

Gerade als die Sonne die machtlose Anstrengung zu scheinen machte, zog Bill die Büchse unter den Stricken des Schlittens heraus und sagte: »Geh nur ruhig weiter, Heinrich, ich will sehen, was ich tun kann.«

»Du tätest besser, beim Schlitten zu bleiben«, ermahnte ihn der Gefährte. »Du hast nur drei Patronen, und man weiß nie, was noch kommen kann.«

»Wer unkt nun?« versetzte Bill triumphierend.

Heinrich gab keine Antwort und wanderte allein weiter, indem er oft ängstliche Blicke in die graue Einöde warf, worin der Gefährte verschwunden war. Eine Stunde später traf er auf Bill, der die Biegungen, die der Schlitten machen mußte, abgeschnitten hatte.

»Sie sind über eine weite Fläche verstreut«, meldete er. »Sie folgen uns und schauen zugleich nach Raub aus. Du siehst, sie haben uns sicher, nur daß sie wissen, sie müssen auf uns warten. Mittlerweile suchen sie alles Eßbare auf, was ihnen in den Weg kommt.«

»Du meinst doch wohl nur, sie glauben uns sicher zu haben«, warf Heinrich ein.

Aber Bill hörte nicht auf ihn. »Ich habe einige gesehen. Sie sind fürchterlich mager. Seit Wochen, glaube ich, haben sie keinen Bissen gehabt außer Fett, Frosch und Treiber, und es sind ihrer so viele, daß das nicht weit gereicht hat. Ja, furchtbar mager sind sie. Die Rippen sehen wie ein Waschbrett aus, und der Bauch ist dicht unter dem Rückgrat. Sie sind verzweifelt, kann ich dir sagen, und werden noch toll werden, dann paß aber auf.«

Ein paar Minuten später ließ Heinrich, der nun hinter dem Schlitten ging, ein leises, warnendes Pfeifen hören. Bill wandte sich um und schaute, dann hielt er ruhig die Hunde an. Hinter ihnen trabte um die letzte Biegung des Weges auf der Bahn, die sie eben zurückgelegt hatten, schleichend eine Gestalt in dickem Pelze. Die Nase hielt das Tier dicht am Boden und trabte mit eigentümlich leichten, gleitenden Schritten. Als die Männer stehenblieben, blieb es auch stehen, hob den Kopf, schaute sie fest an und sog durch die Nasenlöcher zuckend die Witterung ein. »Das ist die Wölfin«, sagte Bill.

Die Hunde hatten sich im Schnee niedergelegt, und er ging an ihnen vorüber zu dem Gefährten. Zusammen betrachteten sie das seltsame Tier, das sie seit Tagen verfolgt und sie das halbe Gespann gekostet hatte.

Vorsichtig machte das Tier immer ein paar Schritte vorwärts, bis es auf etwa hundert Meter herangekommen war. Dann stand es mit erhobenem Kopfe neben einer Tannengruppe still und studierte mit Auge und Nase die beobachtenden Männer. Es blickte sie in seltsam gespannter Weise an wie ein Hund, aber ohne die Zuneigung eines solchen, vielmehr lag in dem Blick die Gier des Hungers, grausam wie seine Zähne und unbarmherzig wie die Kälte.

Es war für einen Wolf groß, seine hagere Gestalt zeigte die Umrisse eines Tieres, das zu den größten seiner Art zählte.

»Es hat eine Schulterhöhe von gut zwei und einem halben Fuß«, bemerkte Heinrich, »und ich wette, es ist nicht weniger als fünf Fuß lang.«

»Und was für eine sonderbare Farbe für einen Wolf!« versetzte Bill. »Noch nie hab ich einen roten Wolf gesehen, und dieser sieht ganz zimmetfarben aus.«

Nun war wohl das Tier nicht zimmetfarben, denn die vorherrschende Farbe seines Felles war die des echten Wolfes, nämlich grau, dennoch lag darüber ein rötlicher Schimmer, der kam und ging und mehr einer Augentäuschung glich, denn bald sah es grau, entschieden grau aus, bald zeigte es jene seltsame Färbung, für die es keine rechte Bezeichnung gab.

»Es sieht wie ein großer Schlittenhund aus«, sagte Bill.