Zu ebener Erde und erster Stock

Nestroy, Johann

Zu ebener Erde und erster Stock

 

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Johann Nestroy

Zu ebener Erde und erster Stock

oder

Die Launen des Glückes

Lokalposse mit Gesang in drei Aufzügen

 

 

Personenverzeichnis.

Herr von Goldfuchs, Spekulant und Millionär.

 

Emilie, seine Tochter.

 

Johann, Bedienter,

Fanny, Kammermädchen,

Friedrich, Bedienter,

Anton, Bedienter, , im Goldfuchs'schen Hause.

 

Schlucker, ein armer Tandler.

 

Frau Sepherl, sein Weib.

 

Adolf, 21 Jahre alt, Tagaschreiber bei einem Notar,

Christoph, 13 Jahre alt,

Nettel, 11 Jahre alt,

Seppel, 8 Jahre alt,

Resi, 5 Jahre alt, , seine Kinder.

 

Damian Stutzel, Frau Sepherls Bruder, ein zugrunde gegangener Tandler und jetzt Gehilfe seines Schwagers.

 

Salerl, eine entfernte Anverwandte Schluckers.

 

Georg Michael Zins, ein Hausherr.

 

Monsieur Bonbon.

 

Wilm, Sekretär eines Lords.

 

Plutzerkern, ein Greisler.

 

Zuwag, ein Aufhackknecht.

 

Zech, ein Kellner.

 

Meridon, erster Koch,

Aspik, zweiter Koch,

François, Küchenjunge, , im Goldfuchs'schen Hause.

 

Wermuth, Buchhalter eines Großhandlungshauses.

 

Herr von Steinfels,

Dessen Frau,

Herr von Wachsweich,

Dessen Frau, , Hausfreunde bei Herrn von Goldfuchs.

 

Ein Gerichtsbeamter.

 

Grob,

Trumpf, , Tandler.

 

Erster,

Zweiter , Wächter.

 

Mehrere Herren und Damen, Tandler und Tandlerinnen, Bediente, Küchenpersonale.

 

Die Handlung spielt zugleich in der Wohnung des Herrn von Goldfuchs im ersten Stocke und in

Schluckers Wohnung zu ebener Erde in einem und demselben Hause.

Anmerkung. Alles links Stehende wird zu ebener Erde gespielt, so wie alles rechts Stehende im ersten Stocke.

[Anmerkung zur digitalen Ausgabe: Was im ersten Stock gespielt wird, ist – abweichend zur gedruckten Ausgabe – durch eine durchgehende vertikale Linie am linken Seitenrand gekennzeichnet.]

 

 

Erster Aufzug

 

Die untere Abteilung zu ebener Erde stellt ein ärmliches Zimmer dar. Rechts eine Seitentüre, links gegen den Hintergrund die allgemeine Eingangstüre, mehr gegen den Vordergrund ein Fenster.

 

Die obere Abteilung stellt ein äußerst elegant möbliertes Zimmer in der Wohnung des Herrn von Goldfuchs dar. Im Hintergrunde zwei mit Flügeltüren verschlossene Bogen; rechts eine Seitentüre, links gegen den Hintergrund die allgemeine Eingangstüre, mehr gegen den Vordergrund ein Fenster.

 

Erster Auftritt

Sepherl, Plutzerkern, Zuwag, Zech, Christoph, Seppel, Nettel, Resi.

 

Friedrich, Anton, Mehrere Bediente.

 

Introduktion

Frau Sepherl geht ängstlich auf und nieder. Plutzerkern, Zuwag und Zech fordern ungestüm ihr Geld. Die Kinder stehen ängstlich zur Seite.

 

Alle sind beschäftigt auf einer prachtvoll gedeckten Tafel die Aufsätze in Ordnung zu bringen.

 

PLUTZERKERN, ZUWAG, ZECH zugleich wie im Chor.

Wird's einmal werden oder nicht?

Wann krieg'n wir unser Geld?

Was wär' denn das, wenn man's verspricht

Und 's Wort gar niemals hält!?

FRIEDRICH, ANTON zugleich mit dem Chor.

Nur hurtig, fleißig, zaudert nicht,

Die Tafel trägt uns Geld;

Wenn s' unsers Herren Wunsch entspricht,

Ein jeder was erhält,

ZECH.

Ich hab' fünf Gulden Heut dreiß'g Kreuzer z' krieg'n!

ZUWAG.

So lang gib ich's Fleisch auf Kredit!

PLUTZERKERN.

Ich will das Geld hab'n für mein Schmalz!

FRIEDRICH.

Heut' muß der Tisch sich völlig bieg'n.

ANTON.

Der Aufsatz kommt daher in d' Mitt'!

FRIEDRICH.

Da neb'n die Blumen kommt das Salz.

ALLE DREI zugleich wie oben.

Wird's einmal werden oder nicht?

Wann krieg's wir unser Geld?

Was wär' denn das, wenn man's verspricht

Und 's Wort gar niemals hält!?

FRIEDRICH, ANTON zugleich mit dem Chor.

Nur hurtig, fleißig, zaudert nicht,

Die Tafel trägt und Geld,

Wenn s' unsers Herren Wunsch entspricht,

Ein jeder was erhält.

SEPHERL zu den Gläubigern. Meine lieben Herrn, martern S' mich nicht. Wenn ich kein Geld hab', kann ich nicht zahlen, und wenn ich eins krieg', so werd' ich zahl'n.

PLUTZERKERN. Wer kein Geld hat, soll auch nix essen.

CHRISTOPH. Versteht sich! Kinder haben nie ein Geld und essen alleweil.

 

Die Bedienten beschäftigen sich mit dem Ordnen der Tafel.

 

SEPHERL ängstlich zu Christoph. Wirst still sein, du machst ja die Herrn bös!

 

Plutzerkern, Zech und Zuwag beratschlagen sich im stillen miteinander.

 

FRIEDRICH zu den übrigen. Kameraden, Trinkgelder wird's regnen heut'.

ANTON. Nur achtgeben, daß uns der Johann bei der Teilung nicht betrügt.

PLUTZERKERN. Es is nix anzufangen mit der Bagage!

FRIEDRICH. Beim Arbeiten laßt er sich nicht sehn, beim Hinunterleuchten aber, da is er der Fleißigste.

ANTON. Wir müssen ihm recht auf die Kappen gehen.

ALLE. O, er wird uns nicht zu g'scheit. Mit Anton links ab.

 

Friedrich bleibt zurück und stellt die Stühle um die Tafel.

 

PLUTZERKERN zu Sepherl. Bis wann kann d' Frau zahl'n?

SEPHERL. Ich hoff', in vierzehn Täg'n.

PLUTZERKERN. Gut, so lang wollen wir warten, aber während die vierzehn Tag' kommen wir alle Tag' her und machen ein Spektakel.

SEPHERL bittend. Aber zu was denn?

ZUWAG. Das sein unsere Interessen.

PLUTZERKERN, ZUWAG UND ZECH zugleich. Alle Tag' wird ein Skandal g'macht! Links im Hintergrunde ab.

 

Zweiter Auftritt

Sepherl, die Kinder Friedrich, dann Goldfuchs.

 

SEPHERL. Ich bin doch ein recht unglückliches Weib. Mein' Mann sein Verdienst so schlecht und die Schar Kinder zum Abfüttern!

CHRISTOPH. Und das glaubt kein Mensch, was die Kinder essen, und essen müssen s', sonst wachsen s' nicht.

SEPHERL. Halt's Maul! Schau' deine jüngern G'schwister an, die sagen nix, und du, der größte, du hast all'weil 's Essen im Kopf.

CHRISTOPH. Freilich hab' ich's in Kopf, aber warum? Weil ich's nit in Magen hab'.

NETTEL. Wenn mir der Vater ein neu's Kleid gibt, was er als so alter kauft, das ist mir lieber als alles Essen der Welt.

SEPPEL.