Sind das traurige Parteihäupter, diese Bischöfe sammt und sonders, dieser Coucy von La Rochelle und dieser Beaupoil Saint-Aulaire von Poitiers und dieser Mercy von Luçon mit seiner verliebten Frau von l'Eschasserie .....

– Welche eigentlich Servanteau heißt, denn Sie werden ja wissen, Kapitän, daß l'Eschasserie ein Gutsname ist.

– Und dieser falsche Bischof von Agra, der nebenbei Pfarrer ist von Dingsda!

– Von Dol! Er heißt Guillot von Folleville. Hat übrigens Kourage, denn er schlägt sich.

– Priester, wenn wir Soldaten brauchen! Bischöfe, die keine Bischöfe, und Generale, die keine Generale sind! ...

– Nicht wahr, Kapitän, unterbrach La Vieuville, Sie haben doch den »Moniteur« in Ihrer Kajüte?

– Allerdings.

– Was wird denn gegenwärtig in Paris gespielt?

– »Paul und Adele« und »die Höhle«.

– Ins Theater möcht ich wieder einmal.

– Sie werden nicht lang mehr darauf warten, denn in einem Monat sind wir in Paris. Und nachdem er einen Augenblick nachgerechnet, fügte Boisberthelot hinzu:

– Allerspätestens. Lord Hood weiß es von Herrn Windham.

– Aber wenn dem so ist, Kapitän, gehen die Dinge gar so schief nicht.

– Am Schnürchen würden sie gehen, nur muß der Krieg in der Bretagne ordentlich geführt werden.

La Vieuville schüttelte den Kopf und fragte dann:

– Kapitän, wird unsere Marine-Infanterie ausgeschifft?

– Wenn es die Beschaffenheit der Küste zuläßt, ja, wonicht, nein. Der Krieg muß je nach Umständen in ein Ding hineinhageln oder hineinschleichen, zumal der Bürgerkrieg, der immer einen Nachschlüssel in der Tasche haben soll. Was geschehen kann, wird geschehen. Die Hauptsache ist und bleibt aber der Chef. Und halb in Gedanken that Boisberthelot die Frage:

– La Veuville, was halten Sie von dem Chevalier von Dieuzie?

– Dem Jungen?

– Ja.

– Als Kommandeur?

– Ja.

– Wieder nur ein Taktiker fürs Flachland. Mit dem Busch wird nur der Bauer fertig.

– Dann bleibt Ihnen auch nichts Anderes übrig, als den General Stofflet und den General Cathelineau in Geduld hinzunehmen.

La Vieuville stand eine Minute nachdenklich; dann sagte er:

– Ein Prinz müßte kommen, ein französischer Prinz, ein Prinz von Geblüt, ein echter Prinz.

– Sie meinen? Durchgebrannte Prinzen...

– Fürchten das Feuer – ich weiß schon, Kapitän; man muß aber den aufgerissenen Ochsenaugen der Bauernburschen etwas zu verschlingen geben.

– Lieber Chevalier, unsere Prinzen werden fernbleiben.

– Wir werden uns drein ergeben.

Boisberthelot fuhr sich mit einer mechanischen Geberde über die Stirn, als wolle er einen Gedanken herauspressen, und sagte schließlich:

– Nun versuchen wir's vorläufig mit diesem General.

– Er hat wenigstens einen Namen.

– Glauben Sie, daß er ansprechen wird?

– Wenn er nur nicht ohne ist! antwortete Vieuville.

– Das heißt, entsetzlich, sagte Boisberthelot.

Der Graf und der Chevalier schauten einander an.

– Sie haben den richtigen Ausdruck gefunden, Herr du Boisberthelot: entsetzlich. Das ist es, was Noth thut. In dem Krieg auf's Messer, der gegenwärtig ausgekämpft wird, ist die Blutgier das Zeitgemäße. Die Königsmörder haben Ludwig XVI. das Haupt abgeschlagen; wir wollen dafür den Königsmördern die Glieder vom Leib reißen. Ja, unser General muß die generalgewordene Unerbittlichkeit sein. In Anjou und im oberen Poitou, wo die Führer sich auf die Großmüthigen hinausspielen, wird mit der Stange in der Barmherzigkeit herumgefahren: nichts kommt vom Fleck; im Marais und in der Gegend von Retz ist man entsetzlich: da steckt Alles. Blos weil Charette entsetzlich ist, behauptet er gegen Parrain das Feld. Hyäne wider Hyäne.

Boisberthelot mußte die Antwort schuldig bleiben, denn ein Verzweiflungsschrei schnitt La Vieuville plötzlich die Rede ab, und gleichzeitig erdröhnte etwas, das nichts sonst Gehörtem gleichkam. Beides, der Schrei und dieses Etwas aus den untern Schiffsräumen.

Kapitän und Lieutenant stürzten zum Zwischendeck, vermochten jedoch nicht, in dasselbe einzudringen. Alle Artilleristen stürmten ihnen fassungslos entgegen.

Ein furchtbares Ereigniß hatte stattgefunden.

 

IV. Tormentum belli.

Ein Geschütz der Batterie, ein Vierundzwanzigpfünder, war losgerissen.

Im ganzen Seeleben giebt es vielleicht keinen gleich schrecklichen Moment. Es ist dies das Furchtbarste, was einem Kriegsschiff auf offener See begegnen kann. Ein Geschütz, das seine Bande entzweibricht, verwandelt sich urplötzlich wie in ein übernatürliches Wesen. Die Maschine ist zum Ungeheuer geworden, und diese Masse rollt nun mit den Sprüngen einer Billardkugel auf ihren Rädern umher, seitwärts, wenn das Schiff der Breite nach, vorwärts, wenn es der Länge nach bewegt wird; sie kommt und geht, steht still, als sänne sie über etwas nach, rast dann von Neuem wieder auf und davon, wie ein Pfeil von einem Ende des Fahrzeugs zum andern fliegend: das schlägt Pirouetten und entwischt, schnellt hin und bäumt sich, stößt, schmettert, mordet, vernichtet. Es gleicht einem Sturmbock, der nach Willkür eine Mauer berennt; dabei ist der Sturmbock von Erz und die Mauer von Holz. Es ist, als ob sich die Materie, dieser ewige Sklave, befreit hätte, um Rache zu nehmen, als löse die Bosheit der sogenannten leblosen Dinge sich los und breche plötzlich vor, die Geduld abschüttelnd, dumpf räthselhaft antobend gegen Alles; es giebt nichts Unwiderstehlicheres als solch Wüthen der willenlosen Masse. Der tollgewordene Metallblock vereinigt die Sprungkraft des Panthers mit der Schwerfälligkeit des Elephanten, der Behendigkeit der Maus, der Ausdauer der Axt, der Unberechenbarkeit der Windsbraut, dem Zickzack des Blitzes, der Taubheit der Gruft; er wiegt zehntausend Pfund und hüpft hin und wieder wie der Spielball eines Kindes, in sinnverwirrendem Wechsel zwischen schwindelnden Kreisen und geradwinkligem Abspringen. Und was vermag da der Mensch? Was soll er beginnen? Ein Sturm legt sich, ein Wirbelwind saust vorüber, ein Orkan erlahmt, ein geborstener Mast läßt sich ersetzen, ein Leck verstopfen, eine Feuersbrunst löschen. Wie aber soll man vor dieser kolossalen erzenen Bestie bestehen? wo sie anfassen? Einem Köter kann man zureden, einen Stier stutzig machen, eine Schlange einschläfern, einen Tiger fortschrecken, einen Löwen zähmen; diesem Ungeheuer, dem losgebrochenen Geschütz gegenüber vermag man nichts: man kann es nicht tödten: es ist leblos, und dennoch hat es eine Existenz, eine grausige, von Naturkräften ihm verliehene Existenz: Das Schiff, dessen Fußboden es schaukelt, wird von den Wellen und diese werden von dem Wind in Bewegung erhalten; die Vertilgungsmaschine ist ihr Spielzeug; Schiff, Wellen, Windstöße, Alles greift in einander und haucht ihr eine elementarische Seele ein. Wie ist diesem Causalsystem beizukommen? Wie diesem übermenschlichen Räderwerk des Schiffbruchs Halt zu gebieten? und wie läßt es sich berechnen, dieses abwechselnde Kommen und Gehen, Wiederkehren, Stehenbleiben und Anprallen? Jeder einzelne Stoß gegen die Verkleidung des Fahrzeugs kann sie entzweisprengen. Wie die Ursachen dieses mäandrischen Herumtobens ergründen? Man hat es mit einem Geschoß zu thun, das sich fortwährend eines Bessern zu besinnen, die vermuthete Richtung zu ändern, räthselhafte Absichten zu haben scheint.