Ihre Beichte trug den Stempel der Wahrheit, jedes Wort war in Tränen gebadet. Wie es gekommen, warum es gekommen, wußten sie nicht zu sagen. Hephästion schauderte bis ins Mark hinein, als sie anfingen, Namen zu nennen; er schauderte und staunte über den Umkreis, den der finstere Plan in der Kürze der Zeit gezogen hatte. Manche hatten sich her-zugedrängt, die nicht einmal wußten, was im Werke war, sie rochen es in der Luft, kamen nur aus dem dumpfen Trieb zur dunklen Tat, aus verruchter Neugier, aus Veränderungssucht. Da waren Leute, denen Alexander nur Gutes erwiesen, Männer von scheinbar erprobter Treue, die man sonst als Freunde, als Kameraden hochschätzen durfte, und nun!
Warum? Warum?
In Hephästions Innern verging alles Licht. Er wurde an sich selbst irre. Er haßte den Boden, den sein Fuß betrat, die Luft, die sein Mund atmete. Doch er durfte sich den gefährlichen Regungen nicht hingeben; klar und rasch im Urteil, begann er zu handeln. Er ließ die zwei Knaben auf der Stelle erdrosseln, ihre Leiber in einer Sänfte außerhalb des Lagers schaffen und in seinem Beisein verscharren. Zurückgekommen, schickte er Boten herum und beschied die andern Verschwörer, es waren neun an der Zahl, zu sich in den Palast. Als sie kamen, ertönte im Lager schon die Hochzeitsfanfare. Er begab sich mit ihnen in einen abgelegenen Raum und redete sie an. Er machte ihnen weder Vorwürfe, noch zeigte er ihnen seine innere Betrübnis, noch erinnerte er sie an die Wohltaten, die sie von Alexander empfangen hatten, sondern er erzählte ihnen eine kleine Parabel.
Einer der persischen Großen trachtete einst seinem König nach dem Leben und zettelte eine Verschwörung an. Da kam ein Einsiedler aus Syrien zu diesem Mann und brachte ihm einen Schädel, einen ganz gewöhnlichen Schädel von einem Totenge-rippe. Was soll ich damit? fragte der Mann. Wäge ihn und bewahre ihn, erwiderte der Einsiedler. Der Perser ließ eine Waage kommen und legte den Schädel auf die eine und Gewichte auf die andere Schale.
Aber sonderbar, der Schädel war schwerer als alle Gewichte, die man auftreiben konnte, es wurde nichts gefunden, was ihn aufgewogen hätte. Als man darüber ganz ratlos geworden war, nahm der Einsiedler eine Handvoll Staub und verstopfte damit die Augenhöhlen des Schädels. Und da erhob sich plötzlich der Schädel, obwohl nur ein kleiner Stein auf der andern Schale lag.
Der Perser wurde darüber sehr nachdenklich, und von der Stunde an ließ er ab von seinem schwarzen Vorhaben.
Die Wirkung der simplen Geschichte war erschütternd. Vielleicht war Hephästions Ruhe schuld, seine Vernunft, seine Klarheit, seine Einfachheit. Die neun Männer gerieten ganz außer sich, sie wehklagten, rauften ihre Haare, weinten, warfen sich auf den Boden und überließen sich ohne Ausnahme dem Schmerz ihrer Scham und Reue. Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, da gebot Hephästion, jeder solle den Oberarm entblößen und mit dem Schwert ein blutiges Mal in die Haut ritzen, und jeder solle das gleiche Zeichen eingraben zum Andenken an diese Stunde, damit sie bei künftigen Versuchungen durch einen Talisman gefeit seien. Das geschah, und darauf entließ er die Männer zum Feste.
Er selbst eilte ins Bad, ließ sich abreiben und salben und mit dem reichen Perserkleid schmücken. Es war spät. Der Zug der Bräute war schon aufgebrochen.
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