Das Wasser des Flusses schimmerte in den Mondstrahlen wie ein unbewegliches, launisch verbogenes Silberband, die Ulmen und Platanen, die seine Ufer säumten, bewegten kräftig rauschend ihre Kronen.
Zweites Kapitel
DIE HOCHZEITSFEIER
Am andern Tag fand die den Makedoniern versprochene Schuldenzahlung statt. An vielen Stellen des Lagers wurden große Tische aufgestellt, und Hunderte von Sklaven schleppten aus dem Palast goldgefüllte Säcke herüber. Zuerst kamen die Makedonier nicht; sie fürchteten, Alexander wolle nur die Verschwender kennenlernen, um sie nachher ihren Leicht-sinn doppelt entgelten zu lassen. Da verkündeten die Herolde, daß keiner seinen Namen nennen oder aufschreiben müsse, es genüge, wenn sie den Schatzmeistern die Höhe der Summe und den Gläubiger angäben. Dies stolze Vertrauen schmeichelte den Soldaten, und die meisten verschmähten es, Vorteile zu erlangen, wo die Gelegenheit zu List und Betrug allzu leicht war. Doch eine dunkle Mißstimmung verschwand nur bei jenen, die sich sogleich wieder zum Trinken lagerten oder ihren Ausschweifungen ergaben. Die andern liehen den herumschwirrenden, kaum zu fassenden Gerüchten das Ohr. Ein grauer Regenhimmel hatte sich über Stadt und Lager verwoben, und sie betrachteten das Verschwinden der Sonne als ein böses Zeichen.
Daß sie von den drückenden Schuldenlasten erlöst waren, erleichterte oder befriedigte sie nicht im geringsten; nur die Wünsche hatten noch Reiz für sie, jede Erfüllung war zugleich eine Enttäuschung. In nüchternen Stunden waren sie die un-glücklichsten aller Menschen; der Freund fürchtete im Freund einen Verleumder und Verräter, sie wagten nicht mehr, ihre Gedanken in Worte umzusetzen, an die guten Götter glaubten sie nicht mehr, und die Mächte des Bösen fürchteten sie bis zum Wahnwitz; zu jeder Minute fühlten sie sich preisgegeben; da sie einem fremden Leben niemals den geringsten Wert beige-messen, sahen sie auch das eigene beständig vor dem Abgrund des Todes. Durch das lange Fernsein von der Heimat waren auch diejenigen entwurzelt, die einst aus dem mütterlichen Boden Kraft und Beständigkeit gesogen hatten; in ihnen war kein Glauben, kein Vertrauen, keine Hoffnung, keine Freude, keine Festigkeit, kein wahrer Ernst. Die Schlacht entflammte sie zum Blutdurst wie der Wein zur Trunkenheit, und ohne Schlacht und ohne Trunkenheit waren diese Abertausende von erwachsenen Männern wie traurige Bestien, müde an sich selbst, müde an der Welt, aufgeregt durch schwere Träume, gepeinigt von maßlosen, aber leeren Begierden, willenlose Werkzeuge für jeden fremden Willen.
So geschah es auch, daß unter den Edelknaben plötzlich eine Verschwörung gegen das Leben Alexanders ausbrach. Eigentlich um nichts — die Sonne brütet Maden aus; der Sumpf treibt Blasen, die der leichteste Luftzug zerplatzen läßt. Aus einem trägen Knabengehirn war ein träges Gelüst aufgestiegen, empfangen im übersättigten Behagen, geboren und gehegt in der stachelnden Langeweile einer dumpfen Seele. Der eine fand einen zweiten, und auf dem Bett unnatürlicher Liebe reifte der Entschluß. Wenn die Verwegenheit von Männern nach dem Höchsten greift, wird ihre Tat im Feuer der Leidenschaft geglüht, aber diese vorzeitig ins wilde Leben gerissenen Knaben erlagen ihrem tückischen Trieb wie einer Krankheit. Ein rauhes Wort Alexanders gab den letzten Anstoß. In der Nacht der Hochzeiten sollte der Plan ausgeführt werden, am Morgen vorher wurde Hephästion durch einen Sklaven benachrichtigt, der ein verdächtiges Wort während des Bades der Edelknaben aufgeschnappt hatte. Hephästions erste Sorge war, alle Kunde von Alexander fernzuhalten und das giftige Gewebe in der Stille zu zerreißen. Wenn er davon erfuhr, dann war es aus mit den festlichen Tagen, noch ehe sie begonnen, dann geschah es wie damals in Baktra, daß mit drei Schuldigen dreihundert Unschuldige fielen, daß wochenlang das Gespenst des Verrates alle Lippen verschloß, daß Alexander, rasend gegen Freund und Feind, zum entfesselten Raubtier wurde. Deshalb pries Hephästion den Glückszufall, der ihm das Geheimnis entschleiert hatte, und ohne eine Minute zu säumen, entfaltete er eine fieberhafte Tätigkeit. Den Sklaven, dessen Mit-wissen unbequem war, schickte er mit Aufträgen nach Babylon.
Die beiden Edelknaben ließ er gefangensetzen und befahl, sie zu foltern, denn er brauchte Geständnisse, um die Ausdehnung des verbrecherischen Anschlags kennenzulernen. In seiner Gegenwart wurden die Knaben entkleidet und noch einmal in Milde befragt. Sie schwiegen. Nun wurden sie an Pfähle gebunden, und ihre Haut wurde mit glühenden Eisenspitzen durchbohrt. Es waren halbe Kinder, ihre Standhaftigkeit war keiner Probe gewachsen, sie versprachen, alles zu gestehen, und Hephästion blieb mit ihnen allein.
Sie erzählten.
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