Das sag ich Euch:

Schlecht ist es, wenn man Mut zeigt gegen Leute,

Die das Geschick zwingt, ihren zu verbergen.

MERKUR.

Zur Sach also. Wer bist du?

SOSIAS für sich.

Wenn ich dem

Entkomme, will ich eine Flasche Wein

Zur Hälfte opfernd auf die Erde schütten.

MERKUR.

Bist du Sosias noch?

SOSIAS.

Ach laß mich gehn.

Dein Stock kann machen, daß ich nicht mehr bin;

Doch nicht, daß ich nicht Ich bin, weil ich bin.

Der einz'ge Unterschied ist, daß ich mich

Sosias jetzo der geschlagne, fühle.

MERKUR.

Hund, sieh, so mach ich kalt dich.

 

Er droht.

 

SOSIAS.

Laß! Laß!

Hör auf, mir zuzusetzen.

MERKUR.

Eher nicht,

Als bis du aufhörst –

SOSIAS.

Gut, ich höre auf.

Kein Wort entgegn ich mehr, recht sollst du haben,

Und allem, was du aufstellst, sag ich ja.

MERKUR.

Bist du Sosias noch, Verräter?

SOSIAS.

Ach!

Ich bin jetzt, was du willst. Befiehl, was ich

Soll sein, dein Stock macht dich zum Herren meines Lebens.

MERKUR.

Du sprachst, du hättest dich Sosias sonst genannt?

SOSIAS.

Wahr ist's, daß ich bis diesen Augenblick gewähnt,

Die Sache hätte ihre Richtigkeit.

Doch das Gewicht hat deiner Gründe mich

Belehrt: ich sehe jetzt, daß ich mich irrte.

MERKUR.

Ich bin's, der sich Sosias nennt.

SOSIAS.

Sosias –?

Du –?

MERKUR.

Ja Sosias. Und wer Glossen macht,

Hat sich vor diesen Stock in acht zu nehmen.

SOSIAS für sich.

Ihr ew'gen Götter dort! So muß ich auf

Mich selbst Verzicht jetzt leisten, mir von einem

Betrüger meinen Namen stehlen lassen?

MERKUR.

Du murmelst in die Zähne, wie ich höre?

SOSIAS.

Nichts, was dir in der Tat zu nahe träte,

Doch bei den Göttern allen Griechenlands

Beschwör ich dich, die dich und mich regieren,

Vergönne mir, auf einen Augenblick,

Daß ich dir offenherz'ge Sprache führe.

MERKUR.

Sprich.

SOSIAS.

Doch dein Stock wird stumme Rolle spielen?

Nicht von der Unterhaltung sein? Versprich mir,

Wir schließen Waffenstillstand.

MERKUR.

Gut, es sei.

Den Punkt bewillg' ich.

SOSIAS.

Nun so sage mir,

Wie kommt der unerhörte Einfall dir,

Mir meinen Namen schamlos wegzugaunern?

Wär es mein Mantel, wär's mein Abendessen;

Jedoch ein Nam! Kannst du dich darin kleiden?

Ihn essen? trinken? oder ihn versetzen?

Was also nützet dieser Diebstahl dir?

MERKUR.

Wie? Du – du unterstehst dich?

SOSIAS.

Halt! halt! sag ich.

Wir schlossen Waffenstillstand.

MERKUR.

Unverschämter!

Nichtswürdiger!

SOSIAS.

Dawider hab ich nichts.

Schimpfwörter mag ich leiden, dabei kann ein

Gespräch bestehen.

MERKUR.

Du nennst dich Sosias?

SOSIAS.

Ja, ich gesteh's, ein unverbürgtes

Gerücht hat mir –

MERKUR.

Genug. Den Waffenstillstand

Brech ich, und dieses Wort hier nehm ich wieder.

SOSIAS.

Fahr in die Höll! Ich kann mich nicht vernichten,

Verwandeln nicht, aus meiner Haut nicht fahren,

Und meine Haut dir um die Schultern hängen.

Ward, seit die Welt steht, so etwas erlebt?

Träum ich etwa? Hab ich zur Morgenstärkung

Heut mehr, als ich gewöhnlich pfleg, genossen?

Bin ich mich meiner völlig nicht bewußt?

Hat nicht Amphitryon mich hergeschickt,

Der Fürstin seine Rückkehr anzumelden?

Soll ich ihr nicht den Sieg, den er erfochten,

Und wie Pharissa überging, beschreiben?

Bin ich soeben nicht hier angelangt?

Halt ich nicht die Laterne? Fand ich dich

Vor dieses Hauses Tür herum nicht lungern,

Und als ich mich der Pforte nähern wollte,

Nahmst du den Stock zur Hand nicht, und zerbläutest

Auf das unmenschlichste den Rücken mir,

Mir ins Gesicht behauptend, daß nicht ich,

Wohl aber du Amphitryons Diener seist.

Das alles, fühl ich, leider, ist zu wahr nur;

Gefiel's den Göttern doch, daß ich besessen wäre.

MERKUR.

Halunke, sieh, mein Zorn wird augenblicklich,

Wie Hagel wieder auf dich niederregnen!

Was du gesagt hast, alles, Zug vor Zug,

Es gilt von mir: die Prügel ausgenommen.

SOSIAS.

Von dir? – Hier die Laterne, bei den Göttern,

Ist Zeuge mir –

MERKUR.

Du lügst, sag ich, Verräter.

Mich hat Amphitryon hieher geschickt.

Mir gab der Feldherr der Thebaner gestern,

Da er vom Staub der Mordschlacht noch bedeckt,

Dem Temp'l enttrat, wo er dem Mars geopfert,

Gemeßnen Auftrag, seinen Sieg in Theben,

Und daß der Feinde Führer Labdakus

Von seiner Hand gefallen, anzukünd'gen;

Denn ich bin, sag ich dir, Sosias,

Sein Diener, Sohn des Davus, wackern Schäfers

Aus dieser Gegend, Bruder Harpagons,

Der in der Fremde starb, Gemahl der Charis,

Die mich mit ihren Launen wütend macht;

Sosias, der im Türmchen saß, und dem man

Noch kürzlich funfzig auf den Hintern zählte,

Weil er zu weit die Redlichkeit getrieben.

SOSIAS für sich.

Da hat er recht! Und ohne daß man selbst

Sosias ist, kann man von dem, was er

Zu wissen scheint, nicht unterrichtet sein.

Man muß, mein Seel, ein bißchen an ihn glauben.

Zudem, da ich ihn jetzt ins Auge fasse,

Hat er Gestalt von mir und Wuchs und Wesen

Und die spitzbüb'sche Miene, die mir eigen.

– Ich muß ihm ein paar Fragen tun, die mich

Aufs Reine bringen.

 

Laut.

 

Von der Beute,

Die in des Feindes Lager ward gefunden,

Sagst du mir wohl, wie sich Amphitryon

Dabei bedacht, und was sein Anteil war?

MERKUR.

Das Diadem ward ihm des Labdakus,

Das man im Zelt desselben aufgefunden.

SOSIAS.

Was nahm mit diesem Diadem man vor?

MERKUR.

Man grub den Namenszug Amphitryons

Auf seine goldne Stirne leuchtend ein.

SOSIAS.

Vermutlich trägt er's selber jetzt –?

MERKUR.

Alkmenen

Ist es bestimmt. Sie wird zum Angedenken

Des Siegs den Schmuck um ihren Busen tragen.

SOSIAS.

Und zugefertigt aus dem Lager wird

Ihr das Geschenk –?

MERKUR.

In einem goldnen Kästchen,

Auf das Amphitryon sein Wappen drückte.

SOSIAS für sich.

Er weiß um alles. – Alle Teufel jetzt!

Ich fang im Ernst an mir zu zweifeln an.

Durch seine Unverschämtheit ward er schon

Und seinen Stock, Sosias, und jetzt wird er,

Das fehlte nur, es auch aus Gründen noch.

Zwar wenn ich mich betaste, wollt ich schwören,

Daß dieser Leib Sosias ist.

– Wie find ich nun aus diesem Labyrinth? –

Was ich getan, da ich ganz einsam war,

Was niemand hat gesehn, kann niemand wissen,

Falls er nicht wirklich Ich ist, so wie ich.

– Gut, diese Frage wird mir Licht verschaffen.

Was gilt's? Dies fängt ihn – nun wir werden sehn.

 

Laut.

 

Als beide Heer im Handgemenge waren,

Was machtest du, sag an, in den Gezelten,

Wo du gewußt, geschickt dich hinzudrücken?

MERKUR.

Von einem Schinken –

SOSIAS für sich.

Hat den Kerl der Teufel –?

MERKUR.

Den ich im Winkel des Gezeltes fand,

Schnitt ich ein Kernstück mir, ein saftiges,

Und öffnete geschickt ein Flaschenfutter,

Um für die Schlacht, die draußen ward gefochten,

Ein wenig Munterkeit mir zu verschaffen.

SOSIAS für sich.

Nun ist es gut. Nun wär's gleichviel, wenn mich

Die Erde gleich von diesem Platz verschlänge,

Denn aus dem Flaschenfutter trinkt man nicht,

Wenn man, wie ich, zufällig nicht im Sacke

Den Schlüssel, der gepaßt, gefunden hätte.

 

Laut.

 

Ich sehe, alter Freund, nunmehr, daß du

Die ganze Portion Sosias bist,

Die man auf dieser Erde brauchen kann.

Ein mehreres scheint überflüssig mir.

Fern sei mir, den Zudringlichen zu spielen,

Und gern tret ich vor dir zurück. Nur habe die

Gefälligkeit für mich, und sage mir,

Da ich Sosias nicht bin, wer ich bin?

Denn etwas, gibst du zu, muß ich doch sein.

MERKUR.

Wenn ich nicht mehr Sosias werde sein,

Sei du's, es ist mir recht, ich will'ge drein.

Jedoch solang ich's bin, wagst du den Hals,

Wenn dir der unverschämte Einfall kommt.

SOSIAS.

Gut, gut. Mir fängt der Kopf zu schwirren an,

Ich sehe jetzt, mein Seel, wie sich's verhält,

Wenn ich's auch gleich noch völlig nicht begreife.

Jedoch – die Sache muß ein Ende nehmen;

Und das Gescheiteste, zum Schluß zu kommen,

Ist, daß ich meiner Wege geh. – Leb wohl.

 

Er geht dem Hause zu.

 

MERKUR stößt ihn zurück.

Wie, Galgenstrick! So muß ich alle Knochen

Dir lähmen?

 

Er schlägt ihn.

 

SOSIAS.

Ihr gerechten Götter!

Wo bleibt mir euer Schutz? Mein Rücken heilt

In Wochen nicht, wenn auch Amphitryon

Den Stock nicht rührt. Wohlan! Ich meide denn

Den Teufelskerl, und geh zurück ins Lager,

So finster diese Höllennacht auch glotzt. –

Das war mir eine rühmliche Gesandtschaft!

Wie wird dein Herr, Sosias, dich empfangen?

 

Ab.

 

Dritte Szene

MERKUR.

Nun, endlich! Warum trolltest du nicht früher?

Du hättst dir böse Risse sparen können. –

Denn daß ihn eines Gottes Arm getroffen,

Die Ehre kümmert den Halunken nicht:

Ich traf ihn wie der beste Büttel auch.

Nun, mag es sein. Gesündigt hat er gnug,

Verdient, wenn auch nicht eben heut, die Prügel;

Er mag auf Abschlag sie empfangen haben. –

Wenn mir der Schuft mit seinem Zeterschrei,

Als ob man ihn zum Braten spießen wollte,

Nur nicht die Liebenden geweckt! – So wahr ich lebe,

Zeus bricht schon auf. Er kommt, der Göttervater,

Und zärtlich gibt Alkmen', als wär's ihr teurer

Gemahl Amphitryon, ihm das Geleit.

 

 

Vierte Szene

Jupiter in der Gestalt Amphitryons. Alkmene; Charis; Merkur; Fackeln.

 

JUPITER.

Laß, meine teuerste Alkmene, dort

Die Fackeln sich entfernen. Zwar sie leuchten

Dem schönsten Reiz, der auf der Erde blüht,

Und keiner der Olympier sah ihn schöner;

Jedoch – wie sag ich? Sie verraten den,

Den dieser Reiz hieher gelockt, Geliebte,

Und besser wird es ein Geheimnis bleiben,

Daß dein Amphitryon in Theben war,

Sie sind dem Krieg geraubt, die Augenblicke,

Die ich der Liebe opfernd dargebracht;

Die Welt könnt ihn mißdeuten, diesen Raub;

Und gern entbehrt ich andre Zeugen seiner,

Als nur die eine, die ihn mir verdankt.

ALKMENE.

Amphitryon! So willst du gehn? Ach, wie

So lästig ist so vieler Ruhm, Geliebter!

Wie gern gäb ich das Diadem, das du

Erkämpft, für einen Strauß von Veilchen hin,

Um eine niedre Hütte eingesammelt.

Was brauchen wir, als nur uns selbst? Warum

Wird so viel Fremdes noch dir aufgedrungen,

Dir eine Krone und der Feldherrnstab?

Zwar wenn das Volk dir jauchzt, und sein Entzücken

In jedem großen Namen sich verschwendet,

Ist der Gedanke süß, daß du mir angehörst;

Doch dieser flücht'ge Reiz, kann er vergelten,

Was ich empfinde, wenn im wilden Treffen

Der Pfeil auf diesen teuern Busen zielt.

Wie öd ist, ohne dich, dies Haus! Wie träge,

Bist du mir fern, der muntre Reihn der Stunden,

Wenn sie den Tag herauf mir führen sollen!

Ach was das Vaterland mir alles raubt,

Das fühl ich, mein Amphitryon, erst seit heute,

Da ich zwei kurze Stunden dich besaß.

JUPITER.

Geliebte! Wie du mich entzückst! Doch eine

Besorgnis auch erregst du mir, die ich,

So scherzhaft sie auch klingt, dir nennen muß.

Du weißt, daß ein Gesetz der Ehe ist,

Und eine Pflicht, und daß, wer Liebe nicht erwirbt,

Noch Liebe vor dem Richter fordern kann.

Sieh dies Gesetz, es stört mein schönstes Glück.

Dir möcht ich, deinem Herzen, Teuerste,

Jedwede Gunst verdanken, möchte gern

Nicht, daß du einer Förmlichkeit dich fügtest,

Zu der du dich vielleicht verbunden wähnst.

Wie leicht verscheuchst du diese kleinen Zweifel?

So öffne mir dein Innres denn, und sprich,

Ob den Gemahl du heut, dem du verlobt bist,

Ob den Geliebten du empfangen hast?

ALKMENE.

Geliebter und Gemahl! Was sprichst du da?

Ist es dies heilige Verhältnis nicht,

Das mich allein, dich zu empfahn, berechtigt?

Wie kann dich ein Gesetz der Welt nur quälen,

Das weit entfernt, beschränkend hier zu sein,

Vielmehr den kühnsten Wünschen, die sich regen,

Jedwede Schranke glücklich niederreißt?

JUPITER.

Was ich dir fühle, teuerste Alkmene,

Das überflügelt, sieh, um Sonnenferne,

Was ein Gemahl dir schuldig ist. Entwöhne,

Geliebte, von dem Gatten dich,

Und unterscheide zwischen mir und ihm.

Sie schmerzt mich, diese schmähliche Verwechslung,

Und der Gedanke ist mir unerträglich,

Daß du den Laffen bloß empfangen hast,

Der kalt ein Recht auf dich zu haben wähnt.

Ich möchte dir, mein süßes Licht,

Dies Wesen eigner Art erschienen sein,

Besieger dein, weil über dich zu siegen,

Die Kunst, die großen Götter mich gelehrt.

Wozu den eitlen Feldherrn der Thebaner

Einmischen hier, der für ein großes Haus

Jüngst eine reiche Fürstentochter freite?

Was sagst du? Sieh, ich möchte deine Tugend

Ihm, jenem öffentlichen Gecken, lassen,

Und mir, mir deine Liebe vorbehalten.

ALKMENE.

Amphitryon! Du scherzest. Wenn das Volk hier

Auf den Amphitryon dich schmähen hörte,

Es müßte doch dich einen andern wähnen,

Ich weiß nicht wen? Nicht, daß es mir entschlüpft

In dieser heitern Nacht, wie, vor dem Gatten,

Oft der Geliebte aus sich zeichnen kann;

Doch da die Götter eines und das andre

In dir mir einigten, verzeih ich diesem

Von Herzen gern, was der vielleicht verbrach.

JUPITER.

Versprich mir denn, daß dieses heitre Fest,

Das wir jetzt frohem Wiedersehn gefeiert,

Dir nicht aus dem Gedächtnis weichen soll;

Daß du den Göttertag, den wir durchlebt,

Geliebteste, mit deiner weitern Ehe

Gemeinen Tag' lauf nicht verwechseln willst.

Versprich, sag ich, daß du an mich willst denken,

Wenn einst Amphitryon zurücke kehrt –?

ALKMENE.

Nun ja.