Was soll man dazu sagen?

JUPITER.

Dank dir!

Es hat mehr Sinn und Deutung, als du glaubst.

Leb wohl, mich ruft die Pflicht.

ALKMENE.

So willst du fort?

Nicht diese kurze Nacht bei mir, Geliebter,

Die mit zehntausend Schwingen fleucht, vollenden?

JUPITER.

Schien diese Nacht dir kürzer als die andern?

ALKMENE.

Ach!

JUPITER.

Süßes Kind! Es konnte doch Aurora

Für unser Glück nicht mehr tun, als sie tat.

Leb wohl. Ich sorge, daß die anderen

Nicht länger dauern, als die Erde braucht.

ALKMENE.

Er ist berauscht, glaub ich. Ich bin es auch.

 

Ab.

 

 

Fünfte Szene

Merkur. Charis.

 

CHARIS für sich.

Das nenn ich Zärtlichkeit mir! Das mir Treue!

Das mir ein artig Fest, wenn Eheleute

Nach langer Trennung jetzt sich wiedersehn!

Doch jener Bauer dort, der mir verbunden,

Ein Klotz ist just so zärtlich auch, wie er.

MERKUR für sich.

Jetzt muß ich eilen und die Nacht erinnern,

Daß uns der Weltkreis nicht aus aller Ordnung kommt.

Die gute Göttin Kupplerin verweilte

Uns siebzehn Stunden über Theben heut;

Jetzt mag sie weiterziehn, und ihren Schleier

Auch über andre Abenteuer werfen.

CHARIS laut.

Jetzt seht den Unempfindlichen! da geht er.

MERKUR.

Nun soll ich dem Amphitryon nicht folgen?

Ich werde doch, wenn er ins Lager geht,

Nicht auf die Bärenhaut mich legen sollen?

CHARIS.

Man sagt doch was.

MERKUR.

Ei was! Dazu ist Zeit. –

Was du gefragt, das weißt du, damit basta.

In diesem Stücke bin ich ein Lakoner.

CHARIS.

Ein Tölpel bist du. Gutes Weib, sagt man,

Behalt mich lieb, und tröst dich, und was weiß ich?

MERKUR.

Was, Teufel, kommt dir in den Sinn? Soll ich

Mit dir zum Zeitvertreib hier Fratzen schneiden?

Eilf Ehstandsjahr erschöpfen das Gespräch,

Und schon seit Olims Zeit sagt ich dir alles.

CHARIS.

Verräter, sieh Amphitryon, wie er,

Den schlechtsten Leuten gleich, sich zärtlich zeigt,

Und schäme dich, daß in Ergebenheit

Zu seiner Frau, und ehelicher Liebe

Ein Herr der großen Welt dich übertrifft.

MERKUR.

Er ist noch in den Flitterwochen, Kind.

Es gibt ein Alter, wo sich alles schickt.

Was diesem jungen Paare steht, das möcht ich

Von weitem sehn, wenn wir's verüben wollten.

Es würd uns lassen, wenn wir alten Esel

Mit süßen Brocken um uns werfen wollten.

CHARIS.

Der Grobian! Was das für Reden sind.

Bin ich nicht mehr im Stand? –

MERKUR.

Das sag ich nicht,

Dein offner Schaden läßt sich übersehen,

Wenn's finster ist, so bist du grau; doch hier

Auf offnem Markt würd's einen Auflauf geben,

Wenn mich der Teufel plagte, zu scharwenzeln.

CHARIS.

Ging ich nicht gleich, sowie du kamst, Verräter,

Zur Plumpe? Kämmt ich dieses Haar mir nicht?

Legt ich dies reingewaschne Kleid nicht an?

Und das, um ausgehunzt von dir zu werden.

MERKUR.

Ei was ein reines Kleid! Wenn du das Kleid

Ausziehen könntest, das dir von Natur ward,

Ließ ich die schmutz'ge Schürze mir gefallen.

CHARIS.

Als du mich freitest, da gefiel dir's doch.

Da hätt es not getan, es in der Küche

Beim Waschen und beim Heuen anzutun.

Kann ich dafür, wenn es die Zeit genutzt?

MERKUR.

Nein, liebstes Weib. Doch ich kann's auch nicht flicken.

CHARIS.

Halunke, du verdienst es nicht, daß eine

Frau dir von Ehr und Reputation geworden.

MERKUR.

Wärst du ein wenig minder Frau von Ehre,

Und rissest mir dafür die Ohren nicht

Mit deinen ew'gen Zänkereien ab.

CHARIS.

Was? so mißfällt's dir wohl, daß ich in Ehren

Mich stets erhielt, mir guten Ruf erwarb?

MERKUR.

Behüt der Himmel mich. Pfleg deiner Tugend,

Nur führe sie nicht, wie ein Schlittenpferd,

Stets durch die Straße läutend, und den Markt.

CHARIS.

Dir wär ein Weib gut, wie man sie in Theben

Verschmitzt und voller Ränke finden kann,

Ein Weib, das dich in süße Wort' ertränkte,

Damit du ihr den Hahnrei niederschluckst.

MERKUR.

Was das betrifft, mein Seel, da sag ich dir:

Gedankenübel quälen nur die Narren,

Den Mann vielmehr beneid ich, dem ein Freund

Den Sold der Ehe vorschießt; alt wird er,

Und lebt das Leben aller seiner Kinder.

CHARIS.

Du wärst so schamlos, mich zu reizen? Wärst

So frech, mich förmlich aufzufordern, dir

Den freundlichen Thebaner, welcher abends

Mir auf der Fährte schleicht, zu adjungieren?

MERKUR.

Hol mich der Teufel, ja. Wenn du mir nur

Ersparst, Bericht darüber anzuhören.

Bequeme Sünd ist, find ich, so viel wert,

Als läst'ge Tugend; und mein Wahlspruch ist,

Nicht so viel Ehr in Theben, und mehr Ruhe –

Fahr wohl jetzt, Charis, Schatzkind! Fort muß ich.

Amphitryon wird schon im Lager sein.

 

Ab.

 

CHARIS.

Warum, um diesen Niederträchtigen

Mit einer offenbaren Tat zu strafen,

Fehlt's an Entschlossenheit mir? O ihr Götter!

Wie ich es jetzt bereue, daß die Welt

Für eine ordentliche Frau mich hält!

 

Zweiter Akt

 

Es ist Tag.

 

Erste Szene

Amphitryon. Sosias.

 

AMPHITRYON.

Steh, Gaudieb, sag ich, mir, vermaledeiter

Halunke! Weißt du, Taugenichts, daß dein

Geschwätz dich an den Galgen bringen wird?

Und daß, mit dir nach Würden zu verfahren,

Nur meinem Zorn ein tücht'ges Rohr gebricht?

SOSIAS.

Wenn Ihr's aus diesem Ton nehmt, sag ich nichts.

Befehlt, so träum ich, oder bin betrunken.

AMPHITRYON.

Mir solche Märchen schamlos aufzubürden!

Erzählungen, wie unsre Ammen sie

Den Kindern abends in die Ohren lullen. –

Meinst du, ich werde dir die Possen glauben?

SOSIAS.

Behüt! Ihr seid der Herr und ich der Diener,

Ihr werdet tun und lassen, was Ihr wollt.

AMPHITRYON.

Es sei. Ich unterdrücke meinen Zorn,

Gewinne die Geduld mir ab, noch einmal

Vom Ei den ganzen Hergang anzuhören.

– Ich muß dies Teufelsrätsel mir entwirren,

Und nicht den Fuß ehr setz ich dort ins Haus.

– Nimm alle deine Sinne wohl zusammen,

Und steh mir Rede, pünktlich, Wort für Wort.

SOSIAS.

Doch, Herr, aus Furcht, vergebt mir, anzustoßen,

Ersuch ich Euch, eh wir zur Sache schreiten,

Den Ton mir der Verhandlung anzugeben.

Soll ich nach meiner Überzeugung reden,

Ein ehrlicher Kerl, versteht mich, oder so,

Wie es bei Hofe üblich, mit Euch sprechen?

Sag ich Euch dreist die Wahrheit, oder soll ich

Mich wie ein wohlgezogner Mensch betragen?

AMPHITRYON.

Nichts von den Fratzen. Ich verpflichte dich,

Bericht mir unverhohlen abzustatten.

SOSIAS.

Gut. Laßt mich machen jetzt. Ihr sollt bedient sein.

Ihr habt bloß mir die Fragen auszuwerfen.

AMPHITRYON.

Auf den Befehl, den ich dir gab –?

SOSIAS.

Ging ich

Durch eine Höllenfinsternis, als wäre

Der Tag zehntausend Klaftern tief versunken,

Euch allen Teufeln, und den Auftrag gebend,

Den Weg nach Theben, und die Königsburg.

AMPHITRYON.

Was, Schurke, sagst du?

SOSIAS.

Herr, es ist die Wahrheit.

AMPHITRYON.

Gut. Weiter. Während du den Weg verfolgtest –?

SOSIAS.

Setzt ich den Fuß stets einen vor den andern,

Und ließ die Spuren hinter mir zurück.

AMPHITRYON.

Was! Ob dir was begegnet, will ich wissen!

SOSIAS.

Nichts, Herr, als daß ich salva venia

Die Seele voll von Furcht und Schrecken hatte.

AMPHITRYON.

Drauf eingetroffen hier –?

SOSIAS.

Übt ich ein wenig

Mich auf den Vortrag, den ich halten sollte,

Und stellte witzig die Laterne mir,

Als Eure Gattin, die Prinzessin, vor.

AMPHITRYON.

Dies abgemacht –?

SOSIAS.

Ward ich gestört. Jetzt kömmt's.

AMPHITRYON.

Gestört? Wodurch? Wer störte dich?

SOSIAS.

Sosias.

AMPHITRYON.

Wie soll ich das verstehn?

SOSIAS.

Wie Ihr's verstehn sollt?

Mein Seel! Da fragt Ihr mich zu viel.

Sosias störte mich, da ich mich übte.

AMPHITRYON.

Sosias! Welch ein Sosias! Was für

Ein Galgenstrick, Halunke, von Sosias,

Der außer dir den Namen führt in Theben,

Hat dich gestört, da du dich eingeübt?

SOSIAS.

Sosias! Der bei Euch in Diensten steht,

Den Ihr vom Lager gestern abgeschickt,

Im Schlosse Eure Ankunft anzumelden.

AMPHITRYON.

Du? Was?

SOSIAS.

Ich, ja. Ein Ich, das Wissenschaft

Von allen unsern Heimlichkeiten hat,

Das Kästchen und die Diamanten kennt,

Dem Ich vollkommen gleich, das mit Euch spricht.

AMPHITRYON.

Was für Erzählungen?

SOSIAS.

Wahrhaftige.

Ich will nicht leben, Herr, belüg ich Euch.

Dies Ich war früher angelangt, als ich,

Und ich war hier, in diesem Fall, mein Seel,

Noch eh ich angekommen war.

AMPHITRYON.

Woher entspringt dies Irrgeschwätz? Der Wischwasch?

Ist's Träumerei? Ist es Betrunkenheit?

Gehirnverrückung? Oder soll's ein Scherz sein?

SOSIAS.

Es ist mein völl'ger Ernst, Herr, und Ihr werdet,

Auf Ehrenwort, mir Euren Glauben schenken,

Wenn Ihr so gut sein wollt. Ich schwör's Euch zu,

Daß ich, der einfach aus dem Lager ging,

Ein Doppelter in Theben eingetroffen;

Daß ich mir glotzend hier begegnet bin;

Daß hier dies eine Ich, das vor Euch steht,

Vor Müdigkeit und Hunger ganz erschöpft,

Das andere, das aus dem Hause trat,

Frisch, einen Teufelskerl, gefunden hat;

Daß diese beiden Schufte, eifersüchtig

Jedweder, Euern Auftrag auszurichten,

Sofort in Streit gerieten, und daß ich

Mich wieder ab ins Lager trollen mußte,

Weil ich ein unvernünft'ger Schlingel war.

AMPHITRYON.

Man muß von meiner Sanftmut sein, von meiner

Friedfertigkeit, von meiner Selbstverleugnung,

Um einem Diener solche Sprache zu gestatten.

SOSIAS.

Herr, wenn Ihr Euch ereifert, schweig ich still.

Wir wollen von was andern sprechen.

AMPHITRYON.

Gut. Weiter denn. Du siehst, ich mäß'ge mich.

Ich will geduldig bis ans End dich hören.

Doch sage mir auf dein Gewissen jetzt,

Ob das, was du für wahr mir geben willst,

Wahrscheinlich auch nur auf den Schatten ist.

Kann man's begreifen? reimen? Kann man's fassen?

SOSIAS.

Behüte! Wer verlangt denn das von Euch?

Ins Tollhaus weis ich den, der sagen kann,

Daß er von dieser Sache was begreift.

Es ist gehauen nicht und nicht gestochen,

Ein Vorfall, koboldartig, wie ein Märchen,

Und dennoch ist es, wie das Sonnenlicht.

AMPHITRYON.

Falls man demnach fünf Sinne hat, wie glaubt man's.

SOSIAS.

Mein Seel! Es kostete die größte Pein mir,

So gut, wie Euch, eh ich es glauben lernte.

Ich hielt mich für besessen, als ich mich

Hier aufgepflanzt fand lärmend auf dem Platze,

Und einen Gauner schalt ich lange mich.

Jedoch zuletzt erkannt ich, mußt ich mich,

Ein Ich, so wie das andre, anerkennen.

Hier stand's, als wär die Luft ein Spiegel vor mir,

Ein Wesen völlig wie das meinige,

Von diesem Anstand, seht, und diesem Wuchse,

Zwei Tropfen Wasser sind nicht ähnlicher.

Ja, wär es nur geselliger gewesen,

Kein solcher mürr'scher Grobian, ich könnte,

Auf Ehre, sehr damit zufrieden sein.

AMPHITRYON.

Zu welcher Überwindung ich verdammt bin!

– Doch endlich, bist du nicht ins Haus gegangen?

SOSIAS.

Ins Haus! Was! Ihr seid gut! Auf welche Weise?

Litt ich's? Hört ich Vernunft an? Untersagt ich

Nicht eigensinnig stets die Pforte mir?

AMPHITRYON.

Wie? Was? Zum Teufel!

SOSIAS.

Wie? Mit einem Stocke,

Von dem mein Rücken noch die Spuren trägt.

AMPHITRYON.

So schlug man dich?

SOSIAS.

Und tüchtig.

AMPHITRYON.

Wer – wer schlug dich?

Wer unterstand sich das?

SOSIAS.

Ich.

AMPHITRYON.

Du? Dich schlagen?

SOSIAS.

Mein Seel, ja, ich! Nicht dieses Ich von hier,

Doch das vermaledeite Ich vom Hause,

Das wie fünf Ruderknechte schlägt.

AMPHITRYON.

Unglück verfolge dich, mit mir also zu reden!

SOSIAS.

Ich kann's Euch dartun, Herr, wenn Ihr's begehrt.

Mein Zeuge, mein glaubwürdiger, ist der

Gefährte meines Mißgeschicks, mein Rücken.

– Das Ich, das mich von hier verjagte, stand

Im Vorteil gegen mich; es hatte Mut

Und zwei geübte Arme, wie ein Fechter.

AMPHITRYON.

Zum Schlusse. Hast du meine Frau gesprochen?

SOSIAS.

Nein.

AMPHITRYON.

Nicht! Warum nicht?

SOSIAS.

Ei! Aus guten Gründen.

AMPHITRYON.

Und wer hat dich, Verräter, deine Pflicht

Verfehlen lassen? Hund, Nichtswürdiger!

SOSIAS.

Muß ich es zehn und zehnmal wiederholen?

Ich, hab ich Euch gesagt, dies Teufels-Ich,

Das sich der Türe dort bemächtigt hatte;

Das Ich, das das allein'ge Ich will sein;

Das Ich vom Hause dort, das Ich vom Stocke,

Das Ich, das mich halbtot geprügelt hat.

AMPHITRYON.

Es muß die Bestie getrunken haben,

Sich vollends um das bißchen Hirn gebracht.

SOSIAS.

Ich will des Teufels sein, wenn ich heut mehr

Als meine Portion getrunken habe.

Auf meinen Schwur, mein Seel, könnt Ihr mir glauben.

AMPHITRYON.

– So hast du dich unmäß'gem Schlaf vielleicht

Ergeben? – Vielleicht daß dir ein böser Traum

Den aberwitz'gen Vorfall vorgespiegelt,

Den du mir hier für Wirklichkeit erzählst –?

SOSIAS.

Nichts, nichts von dem. Ich schlief seit gestern nicht

Und hatt im Wald auch gar nicht Lust zu schlafen,

Ich war erwacht vollkommen, als ich eintraf,

Und sehr erwacht und munter war der andre

Sosias, als er mich so tüchtig walkte.

AMPHITRYON.

Schweig. Was ermüd ich mein Gehirn? Ich bin

Verrückt selbst, solchen Wischwasch anzuhören.

Unnützes, marklos-albernes Gewäsch,

In dem kein Menschensinn ist, und Verstand.

Folg mir.

SOSIAS für sich.

So ist's.