ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
Andersens Sämtliche Märchen

Hans Christian Andersen
ILLUSTRIERTE AUSGABE
Deutscher Kinder Verlag
© 2011
INHALTZVERZEICHNIS
TEIL 1
ALLES
AM
RECHTEN PLATZ
DAS BRONZESCHWEIN
DAS JUDENMÄDCHEN
DAS SCHWANENNEST
DAS WICHTELMÄNNCHEN
UND
DER HÖKER
DAS
STUMME BUCH
DER FLASCHENHALS
DER KRAGEN
DER
ALTE GRABSTEIN
DER
KLEINE TUK
DER
UNARTIGE KNABE
DIE GESCHICHTE
DES JAHRES
DIE GESCHICHTE
VON
EINER MUTTER
DIE SCHNELLLÄUFER
DIE SPRINGER
DIE
KLEINE SEEJUNGFER
DIE
ROTEN SCHUHE
DIE
LETZTE PERLE
EINE GESCHICHTE
ELFENHÜGEL
ES
IST
EIN UNTERSCHIED
FÜNF
AUS
EINER HÜLSE
HERZELEID
IB
UND
DIE
KLEINE CHRISTINE
MOORKÖNIGS TOCHTER
SIE
TAUGTE
NICHTS
VOGEL PHÖNIX
VON
EINEM FENSTER
IM VARTOU
TEIL 2
DIE GALOSCHEN
DES GLÜCKS
1. EIN ANFANG.
2. WIE
ES
DEM JUSTIZRAT
ERGING.
3. DES WÄCHTERS ABENTEUER.
4. EIN HAUPTMOMENT. EINE DEKLAMATIONSNUMMER.
5. DIE VERWANDLUNG
DES SCHREIBERS.
6. DAS DAS BESTE, WAS
DIE GALOSCHEN
BRACHTEN.
DIE
GLÜCKLICHE FAMILIE
DER FLACHS
EIN BLATT
VOM HIMMEL
DIE GLOCKE
DAS
ALTE HAUS
HOLGER DANSKE
DIE BLUMEN
DER
KLEINEN IDA
NACH JAHRTAUSENDEN
ZWEI JUNGFERN
GUTE LAUNE
AM
ÄUßERSTEN MEER
DIE NACHBARFAMILIEN
DER REISEKAMERAD
DER SCHATTEN
DIE SPARBÜCHSE
SUPPE
VON
EINEM WURSTSPEILER
I. SUPPE
VON
EINEM WURSTSPEILER.
II. WAS
DAS
ERSTE MÄUSCHEN
AUF
DER REISE
GESEHEN
UND
GELERNT
HATTE.
III. WAS
DAS
ZWEITE MÄUSCHEN
ZU
ERZÄHLEN
WUßTE.
IV. WAS
DIE
VIERTE MAUS, DIE
DIE REDE
AN
SICH
RIß, EHE
DIE
DRITTE MAUS
GESPROCHEN
HATTE, ZU
ERZÄHLEN
WUßTE.
DER WASSERTROPFEN
DAS
IST
WIRKLICH
WAHR
DER STEIN
DER WEISEN
GROßMÜTTERCHEN
EIN BILD
VOM KASTELLWALL
DER
LETZTE TAG
DES JUNGGESELLEN NACHTMÜTZE
DIE
SCHÖNSTE ROSE
DER WELT
DAS FEUERZEUG
UNTER
DEM WEIDENBAUM





Teil 1
Alles am rechten Platz
Es ist über hundert Jahre her.
Da lag hinter dem Walde an dem großen See ein alter Herrenhof, der war rings von tiefen Gräben umgeben, in denen Kolbenrohr, Schilf und Röhricht wuchsen.
Drüben vom Hohlwege herüber erklangen Jagdhornruf und Pferdegetrappel, und deshalb beeilte sich das kleine Gänsemädchen, die Gänse auf der Brücke zur Seite zu treiben, ehe die Jagdgesellschaft herangaloppiert kam.
Sie kamen so geschwind daher, daß sie hurtig auf einen der großen Steine an der Seite der Brücke springen mußte, um nicht unter die Hufe zu kommen. Ein halbes Kind war sie noch, fein und zierlich, doch mit einem wunderbaren Ausdruck im Antlitz und in den großen, hellen Augen; aber das sah der Gutsherr nicht. Während seines sausenden Galopps drehte er die Peitsche in seiner Hand, und in roher Lust stieß er sie mit dem Schafte vor die Brust, daß sie hintenüber fiel.
"Alles am rechten Platze!" rief er, "in den Mist mit Dir." Und dann lachte er; denn es sollte ein guter Witz sein, und die anderen lachten mit. Die ganze Gesellschaft schrie und lärmte und die Jagdhunde bellten, es war ganz wie im Liede: "Reiche Vögel kommen geflogen."
Gott weiß, wie reich er damals war.
Das arme Gänsemädchen griff um sich, als sie fiel und bekam einen der herabhängenden Weidenzweige zu fassen. An diesem hielt sie sich krampfhaft über dem Schlamm, und sobald die Herrschaft und die Hunde im Tore verschwunden waren, versuchte sie, sich heraufzuarbeiten. Aber der Zweig brach oben am Stamme ab und das Gänsemädchen fiel schwer zurück ins Rohr. Im selben Augenblick griff von oben her eine kräftige Hand nach ihr. Es war ein wandernder Hausierer, der ein Stückchen weiter davon zugesehen hatte und sich nun beeilte, ihr zu Hülfe zu kommen.
"Alles am rechten Platze!" sagte er höhnend hinter dem Gutsherrn her und zog sie auf das Trockene. Den abgebrochenen Zweig drückte er gegen die Stelle, wo er sich abgespalten hatte, aber "alles am rechten Platze" läßt sich nicht immer tun. Deshalb steckte er den Zweig in die weiche Erde. "Wachse, wenn Du kannst und schneide denen dort oben auf dem Hofe eine gute Flöte." Er hätte dem Gutsbesitzer und den seinen wohl einen tüchtigen Spießrutenmarsch gegönnt. Dann ging er in den Herrenhof, aber nicht oben in den Festsaal, dazu war er zu geringe. Er ging zu den Dienstleuten in die Gesindestube und sie beschauten seine Waren und handelten. Aber oben von der Festtafel tönte Gekreisch und Gebrüll, das sollte Gesang vorstellen, sie konnte es nicht besser. Es klang Gelächter und Hundegebell. Es war ein wahres Freß- und Saufgelage. Wein und altes Bier schäumten in Gläsern und Krügen und die Leibhunde fraßen mit. Ein oder das andere von den Tieren wurde von den Junkern geküßt, nachdem sie ihnen erst mit den langen Hängeohren die Schnauzen abgewischt hatten. Der Hausierer wurde mit seinen Waren heraufgerufen, aber nur, damit sie ihre Späße mit ihm treiben konnten.
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