Wenn sie jedoch einmal mit der echten in Kollision gerät, zeigt sich ihre Schwäche. – Zudem: wo der gute Ton hereintritt, geht der gesunde Verstand hinaus.

Überhaupt aber kann jeder im vollkommensten Einklange nur mit sich selbst stehen; nicht mit seinem Freunde, nicht mit seiner Geliebten: denn die Unterschiede der Individualität und Stimmung führen allemal eine, wenn auch geringe, Dissonanz351 herbei: Daher ist der wahre, tiefe Friede des Herzens und die vollkommene Gemütsruhe, dieses, nächst der Gesundheit, höchste irdische Gut, allein in der Einsamkeit zu finden und als dauernde Stimmung nur in der tiefsten Zurückgezogenheit. Ist dann das eigene Selbst groß und reich; so genießt man den glücklichsten Zustand, der auf dieser armen Erde gefunden werden mag. Ja, es sei heraus gesagt: so eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen verbinden; ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde. – Je weniger einer, infolge objektiver oder subjektiver Bedingungen, nötig hat, mit den Menschen in Berührung zu kommen, desto besser ist er daran. Die Einsamkeit und Öde lässt alle ihre Übel auf einmal, wenn auch nicht empfinden, doch übersehen: hingegen die Gesellschaft ist insidiös352: sie verbirgt hinter dem Scheine der Kurzweil, der Mitteilung des geselligen Genusses usf.353 große, oft unheilbare Übel. Ein Hauptstudium der Jugend sollte sein, die Einsamkeit ertragen zu lernen; weil sie eine Quelle des Glückes, der Gemütsruhe ist. – Aus diesem allen nun folgt, dass der am besten daran ist, der nur auf sich selbst gerechnet hat und sich selber alles in allem sein kann; sogar sagt Cicero: Jeder muss ganz glücklich sein, der nur von sich abhängt und in sich sein Genügen findet. Zudem, je mehr einer an sich selber hat desto weniger können andere ihm sein. Ein gewisses Gefühl von Allgenügsamkeit ist es, welches die Leute von innerm Wert und Reichtum abhält, der Gemeinschaft mit andern die bedeutenden Opfer, welche sie verlangt, zu bringen, geschweige dieselbe, mit merklicher Selbstverleugung, zu suchen. Das Gegenteil hiervon macht die gewöhnlichen Leute so gesellig und akkommodant: es wird ihnen nämlich leichter, andere zu ertragen, als sich selbst. Noch kommt hinzu, dass was wirklichen Wert hat in der Welt nicht geachtet wird, und was geachtet wird keinen Wert hat. Hiervon ist die Zurückgezogenheit jedes Würdigen und Ausgezeichneten der Beweis und die Folge. Diesem allen nach wird es in dem, der etwas Rechtes an sich selber hat, echte Lebensweisheit sein, wenn er, erforderlichenfalls seine Bedürfnisse einschränkt, um nur seine Freiheit zu wahren, oder zu erweitern, und demnach mit seiner Person, da sie unvermeidliche Verhältnisse zur Menschenwelt hat, so kurz wie möglich sich abfindet

Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen. Innere Leere und Überdruss sind es, von denen sie sowohl in die Gesellschaft, wie in die Fremde und auf Reisen getrieben werden. Ihrem Geiste mangelt es an Federkraft, sich eigene Bewegung zu erteilen: daher suchen sie Erhöhung derselben durch Wein und werden viele auf diesem Wege zu Trunkenbolden. Eben daher bedürfen sie der steten Erregung von außen und zwar der stärksten, d. i. der durch Wesen ihresgleichen. Ohne diese sinkt ihr Geist, unter seiner eigenen Schwere, zusammen und verfällt in eine drückende Lethargie354.

Bekanntlich werden Übel dadurch erleichtert, dass man sie gemeinschaftlich erträgt: zu diesen scheinen die Leute die Langeweile zu zählen; daher sie sich zusammensetzen, um sich gemeinschaftlich zu langweilen. Wie die Liebe zum Leben im Grunde nur Furcht vor dem Tode ist, so ist auch der Geselligkeitstrieb der Menschen im Grunde kein direkter, beruht nämlich nicht auf Liebe zur Gesellschaft, sondern auf Furcht vor der Einsamkeit, indem es nicht sowohl die holdselige Gegenwart der andern ist, die gesucht, als vielmehr die Öde und Beklommenheit des Alleinseins, nebst der Monotonie355 des eigenen Bewusstseins, die geflohen wird; welcher zu entgehn man daher auch mit schlechter Gesellschaft vorlieb nimmt, im gleichen das Lästige und den Zwang, den eine jede notwendig mit sich bringt, sich gefallen lässt. – Hat hingegen der Widerwille gegen dieses alles gesiegt, und ist, infolge davon, die Gewohnheit der Einsamkeit und die Abhärtung gegen ihren unmittelbaren Eindruck eingetreten, so dass sie die oben bezeichneten Wirkungen nicht mehr hervorbringt, dann kann man mit größter Behaglichkeit immerfort allein sein, ohne sich nach Gesellschaft zu sehnen; eben weil das Bedürfnis derselben kein direktes ist und man andererseits sich jetzt an die wohltätigen Eigenschaften der Einsamkeit gewöhnt hat.356

Im gleichen ließe sich sagen, dass jeder von ihnen nur ein kleiner Bruch der Idee der Menschheit sei, daher er vieler Ergänzung durch andere bedarf, damit einigermaßen ein volles menschliches Bewusstsein herauskomme: hingegen wer ein ganzer Mensch ist, ein ausgezeichneter Mensch, der stellt eine Einheit und keinen Bruch dar, hat daher an sich selbst genug. Man kann, in diesem Sinne, die gewöhnliche Gesellschaft jener russischen Hornmusik vergleichen, bei der jedes Horn nur einen Ton hat und bloß durch das pünktliche Zusammentreffen aller eine Musik herauskommt. Denn monoton, wie ein solches eintöniges Horn, ist der Sinn und Geist der allermeisten Menschen: sehn doch viele von ihnen schon aus, als hätten sie immerfort nur einen und denselben Gedanken, unfähig irgendeinen andern zu denken. Hieraus also erklärt sich nicht nur, warum sie so langweilig, sondern auch warum sie so gesellig sind und am liebsten herdenweise einhergehn: Der Herdentrieb der Menschenheit. Die Monotonie seines eigenen Wesens ist es, die jedem von ihnen unerträglich wird: Alle Dummheit leidet am Überdruss ihrer selbst: – nur zusammen und durch die Vereinigung sind sie irgendetwas; – wie jene Hornbläser. Dagegen ist der geistvolle Mensch einem Virtuosen zu vergleichen, der sein Konzert allein ausführt; oder auch dem Klavier. Wie nämlich dieses, für sich allein, ein kleines Orchester, so ist er eine kleine Welt und was jene alle erst durch das Zusammenwirken sind, stellt er dar in der Einheit eines Bewusstseins. Wie das Klavier, ist er kein Teil der Symphonie, sondern für das Solo und die Einsamkeit geeignet: soll er mit ihnen zusammenwirken; so kann er es nur sein als Prinzipalstimme357 mit Begleitung, wie das Klavier; oder zum Tonangeben, bei Vokalmusik, wie das Klavier. – Wer inzwischen Gesellschaft liebt kann sich aus diesem Gleichnis die Regel abstrahieren358, dass, was den Personen seines Umgangs an Qualität abgeht durch die Quantität einigermaßen ersetzt werden muss. An einem einzigen geistvollen Menschen kann er Umgang genug haben: ist aber nichts als die gewöhnliche Sorte zu finden; so ist es gut, von dieser recht viele zu haben, damit durch die Mannigfaltigkeit und das Zusammenwirken etwas herauskomme, – nach Analogie der besagten Hornmusik: – und der Himmel schenke ihm dazu Geduld.

Jener inneren Leere aber und Dürftigkeit der Menschen ist auch dieses zuzuschreiben, dass, wenn einmal, irgend einen edelen, idealen Zweck beabsichtigend, Menschen besserer Art zu einem Verein zusammentreten, alsdann der Ausgang fast immer dieser ist, dass aus jener Plebs359 der Menschheit, welcher, in zahlloser Menge, wie Ungeziefer, überall alles erfüllt und bedeckt, und stets bereit ist, jedes, ohne Unterschied, zu ergreifen, um damit seiner Langenweile, wie unter andern Umständen seinem Mangel, zu Hilfe zu kommen, – auch doch einige sich einschleichen oder eindrängen und dann bald entweder die ganze Sache zerstören oder sie so verändern, dass sie ziemlich das Gegenteil der ersten Absicht wird.