Im Ausland schob man einfach die Wertpapiere in die eine Luke und bekam das Bargeld durch eine andere Luke ausbezahlt. Nein, sie mußten eine Bank in der Bucht haben, was Pauline dazu meinte?
Ja - vielleicht wohl.
Die Sparbank der Bucht. Die größte Ausgabe würde ein riesiger Geldschrank sein, er hatte schon einen angeschaut in Drontheim, in dem man Geld und Protokolle aufbewahren konnte. Im übrigen: Hatten Joakim und die Netzmannschaft schon etwas von sich hören lassen?
Nein.
Es war auch nicht die Zeit dazu, weit entfernt; August
wollte nichts sagen, selbst wenn sie in diesem Jahr überhaupt keinen Fang machten, er hatte andere Eisen im Feuer. Waren während seiner Abwesenheit keine Telegramme angekommen?
Nein.
Er erwartete Telegramme aus mehreren Städten im Ausland. Nun, heute war der Zwanzigste, man hatte noch zehn Tage bis zum Ersten.
Was hast du denn vor? fragte Pauline.
Ja, wenn du das wüßtest!
August hatte seinen Ruf wiederhergestellt, es fiel jetzt kein Schatten mehr auf ihn in der Bucht, er hatte die Angelegenheit mit dem Netzgerät geordnet und war nun Besitzer, hatte obendrein ausländische Wertpapiere, man hatte ihm schweres Unrecht getan, die Menschen hatten in ihrer Unwissenheit in Geldsachen an ihm gezwei- felt...
August kam zur Ruhe, konnte wieder überlegen und mit Pauline plaudern: Ja, jetzt ist es etwas anderes mit mir als früher manchmal in meinem Leben! äußerte er. Jetzt stehe ich auf sicherem Boden, aber das ist nicht immer so gewesen. Glaubst du mir, Pauline, wenn ich dir erzähle, warum ich meine Zähne gewechselt habe?
Das hast du ja schon erzählt.
August stutzt: Wirklich? Na, aber das war ja alles erlogen. Ich erzähle manchmal etwas, das sich nicht wirklich so verhält, aber jetzt will ich dir die Wahrheit sagen, um mir nicht das Lügen anzugewöhnen. Denn der Grund, warum ich mir seinerzeit andere Zähne anschaffte, lag darin, daß ich nicht wiedererkannt werden wollte.
So, da hattest du also etwas angestellt?
Ja, gewissermaßen. Aber du sagst angestellt? Es war
eine Frau, die mir keine Ruhe ließ, eine Dame, darf ich wohl sagen, denn sie hatte nicht nur einen Hof, sondern auch ein Grundstück in der Stadt und viele Sklaven. Ich darf wohl sagen, daß wir uns ganz gut verstanden, und sie hatte bei ihren Leuten noch nie so schöne Zähne gesehen wie meine goldenen. Aber die Sache war die: Als ich mich losreißen und fortfahren wollte, erklärte sie einfach, nein, das dürfe ich nicht. So etwas von Liebe und Verliebtheit hast du überhaupt noch nicht gesehen, sie war ganz unglaublich verliebt in mich. Als ich mich heimlich davonmachen wollte, stellte sie eine Wache aus, die mich zurückbringen sollte. Ich aber hatte inzwischen die Zähne ausgewechselt und entkam.
Sah er Pauline an, wie sie diese Geschichte auf nahm? Sie nahm sie schlecht auf, sie verzog den Mund zu einem Grinsen. August selber aber schien zufrieden mit der Geschichte, sie hatte im Augenblick wohl seine Phantasie in Schwung gebracht und tat ihm wohl, er lachte und schüttelte den Kopf. Habe ich nicht viel erlebt? fragte er. Und das muß ich sagen, am schlimmsten sind mir immer die Damen nachgelaufen. In meinem Körper stecken heute noch vier oder fünf Revolverkugeln, aber das ist nichts gegen das, was ich mit den verschiedensten Frauen durchmachen mußte, die mich mit Gift und Messerstichen und Tränen verfolgt haben. Ich werde dir einmal erzählen, was ich alles ausgestanden habe.
Hahaha! lachte Pauline trocken und vernünftig hinter ihrem Ladentisch: Du brauchst dich nicht kostbar zu machen, August, denn jetzt wirst du Ruhe haben vor den Damen in der Bucht hier.
August war etwas gekränkt, er faßte sich jedoch und sagte: Das wird gut sein!
Als aber Pauline glaubte, ihn auch im Beisein anderer
auslachen und zum besten haben zu dürfen, packte ihn der Ärger: War er der Mann, über den man lachen durfte? Hatte er nicht eine hellseherische Voraussicht bewiesen, als er den Kutter versichert und dadurch eine Menge Geld verdient hatte? Hatte er nicht seinen Gläubiger, den Netzbaas, ausbezahlt? Er war doch klar und eindeutig Besitzer eines großen Netzgerätes, wie es sich die Männer der Bucht nie hätten leisten können, und trotzdem stand er nun hier zusammen mit allen möglichen Leuten und war nett und freundlich zu allen und kaufte Pauline nicht den ganzen Laden ab und machte sie nicht obdachlos!
Wirst du nicht bald heiraten, Pauline? fragte er spitz.
Frag dich doch selber, gab sie ihm zurück und war keineswegs sanft.
Denn allmählich kommst du doch wohl in das Alter?
Ja, sagte sie. Aber in den letzten zwanzig Jahren habe ich ja nur auf dich gewartet.
Die Leute im Laden begannen zu lachen, ein paar Frauen fanden die Sache lustig und warfen dann und wann ein Wort dazwischen: Glaub ihr nicht, August, sie hat nicht auf dich gewartet, sie will ja den Kaplan vom Pfarrhof haben.
Seid jetzt endlich einmal still mit euerm Kaplan! rief Pauline erbittert und mit rotem Gesicht.
August kannte sich nicht aus. Der Kaplan? sagte er schüchtern, wer ist denn das? Aber er merkte selber, daß er sich nicht geschickt genug zurechtfand.
So, du weißt nicht, wer der Kaplan ist, sagten die Frauen, da gehst du also nicht in die Kirche und in Gottes Haus?
August: Nein.
Nein, aber er war Missionar bei den Heiden! brachte
Pauline schlagfertig in Erinnerung. Und als mehrere im Laden diese Bemerkung laut belachten, versuchte sie weiterhin ihr Glück und fügte hinzu: Und jeden, der sich nicht bekehrte, den schoß er nieder!
August stand hilflos da. Diese verflixte Pauline machte ihn lächerlich. Er hätte sie nie herausfordern sollen. Nein, August war nicht imstande, spöttisch zu sein und um sich zu beißen, dieser alte Seemann konnte nur freundlich und offenherzig sein, seine Natur war duldsam und gutmütig.
Jaja, Pauline, sagte er, du sollst ja meinetwegen das letzte Wort haben, aber es hilft nun einmal nichts, Heiden und Freimaurern und Menschenfressern gute Worte zu geben, jedenfalls soviel mir bekannt ist. Die müssen blutigen Ernst sehen.
Ja, aber du hast doch Menschen erschossen? schrie Pauline.
August findet sich nach und nach besser zurecht, seine Phantasie gerät wieder in Schwung, er setzt eine gekränkte Miene auf und fragt: Was hätte ich sonst tun sollen, Pauline, da du es so genau weißt I
Pauline: Es ist wohl nicht einmal wahr, daß du Missionar warst!
Augusts Phantasie machte einen großen Satz: Ich will dir etwas erzählen, was du nicht weißt, und dann kannst du deinen Kaplan fragen, ob es nicht so ist, denn er weiß es auch nicht: Alljährlich am vierzehnten September gibt es im Golf von Mexiko entsetzliche Orkane und Zyklone. Sie kommen in Wirbeln und Kreiseln und machen den Kompaß unbrauchbar, sie schleudern Schiffe in die Luft, sie reißen den Menschen die Köpfe ab, so daß diese über Deck kollern; wir Seeleute kennen das. Als ich seinerzeit in so einen Sturm geriet, wurde ich weit in
einen Wald hineingeschleudert, mitten unter Wilde.
1 comment