– Str. 30. Die Vermählung der beiden Flüsse war 1829 der Gegenstand des Fastnachtaufzuges. – Str. 31. Kanonenschüsse verkünden den stromab liegenden Städten den Eisgang. – Str. 35. 36. Der junge Tag in das bergumschloßne verwüstete Lay niedersteigend, ruft, wie dort zu Land arme Kinder, wenn sie niemand in der Hausflur treffen: Wo sein (sind) die Leut? – Str. 41. Zeile 22 heißt in rheinischer Mundart so viel, als: Je nun! wir haben eben gebetet. – Str. 43. Dem Frauenverein zu Koblenz gehört der Ertrag dieses Liedes, um dem armen Taglöhner, von dessen Rettung es handelt, sein beschädigtes Häuschen wieder herzustellen.
Das Mosel-Eisgangs-Lied
1830
Geh betteln armes Lied,
Geh um von Tür zu Tür,
Sprich: Diesem Haus sei Fried'!
Daß Gott die Herzen rühr'.
Er war so stark und mild,
Drum sang das Mitleid mich;
Du Mensch, sein Ebenbild,
Du auch erbarme dich.
Kauf mich, so wird ein Stein,
Der an der Hütte baut,
Dem milden Fraunverein
Zu Koblenz anvertraut.
1.
Es lief im engen Tal
Am armen Dorfe Lay
Viel hunderttausendmal
Die Mosel fromm vorbei,
Wie Gott den Weg gezeigt:
Links steile Rebenwand,
Rechts Flur, bequem geneigt,
Dann Lay, dann Felsenstrand.
Stromauf am Dorf zuletzt
Nächst manchem Nachbardach
Steht, fluthoch ausgesetzt,
Ein Hüttchen schlecht und schwach.
2.
Da lebt ein Vater arm
Vom Tagelohn mit Not
So hin, daß Gott erbarm'!
Viel Kinder, wenig Brot.
Sechs Wochen sind's, da bracht'
Sein Weib das neunt' zur Welt,
Kalt, kalt! hat nicht gelacht,
Der Tod bestellt sein Feld.
Am Taufstein klirrt das Eis,
Da man das Kindlein tauft,
Gott es zu finden weiß,
Von Jesu Blut erkauft.
3.
Vom Mutterschoß zum Schoß,
Von Mutterbrust zur Brust
Der kalten Erde, bloß
Und nackt, hat's heim gemußt.
Der Kirchhof ist so hart,
Die Leichen deckt nur Schnee;
Man denkt: da eingescharrt
Es grün sich aufersteh'!
Ein Kreuzlein steht beim Grab,
Daß es kein Wolf berührt;
Es heißt, die Schildwach hab'
Bei Koblenz ihn gespürt.
4.
Er hungert, heult herum,
Das Tal ist tot und eng,
Das Echo taub und stumm,
Die Bergwand steil und streng.
Der Winter ist so kalt,
So stark das Moseleis,
Wie keiner, noch so alt,
Sich zu erinnern weiß.
»Ach Gott im Himmelreich,
Halt uns in Deiner Hut,
Wird schnell das Wetter weich,
Geht's heuer uns nicht gut.
5.
Man sieht's der Mosel an,
An ihrer Quelle steht
Ein Berg, heißt Wetterhahn,
Sie tut, wie der ihr kräht.
Die Meurth', die Orn', die Saur,
Die Saar und dann die Kyll
Stehn all ihr auf der Laur,
Sie kann nicht, wie sie will.
Im Schlangenbett gestemmt
Muß sie doch los zuletzt,
Aus jeder Schlucht ja kömmt
Ein Hündlein, das sie hetzt.
6.
Zu Trier von Sankt Mattheis
Heißt's: Mattheis bricht das Eis,
Und findet Mattheis keins,
So macht uns Mattheis eins.
Dies Jahr macht er es nicht,
Wenn er nur fein drauf sieht
Daß es zu früh nicht bricht,
Ich trau' nicht mehr dem Fried';
Mir ist's, als hört' ich schon,
Sind's gleich noch vierzehn Tag',
Die Mattheisprozession
Voll Jammer und voll Klag'.« –
7.
Schon weht ein lauer Wind,
Die Raben ziehn ins Feld.
Zur Sonne Mann und Kind
Sich vor die Hütte stellt.
Es tröpfelt schon das Dach,
Noch steht der Rhein wie Stein,
Die Mosel geht schon schwach,
Weiß nicht wo aus und ein:
»Schnell Hannes, guter Sohn,
Die Kuh führ' hoch ins Ort,
Es schwillt das Wasser schon.«
Der Knabe eilet fort.
8.
Bang brüllt das treue Tier,
Die Wogen sausen laut,
Der Knabe kehret schier,
Ringsum er Wasser schaut,
Steigt in ein stärkres Haus,
Wo auch die Nachbarn sind,
Und ruft zum Vater aus:
»Ich bleib' bis ab es rinnt!«
Die Flut steigt, horch, ein Krach!
Es klirren Ziegel ab,
Der Vater schaut durchs Dach,
Sieht rings ein Wassergrab.
9.
Mann, Weib und sieben Kind,
Seht, achtzehn Hände arm
Emporgestrecket sind:
»Helft, helft, daß Gott erbarm'!«
Es hebet sich das Eis,
Es wälzt und braust heran,
Knickt Bäume wie ein Reis,
Zerschmettert Schiff und Kahn;
Hilf Gott! Weh! Angst und Not!
Die Hütte hebt sich schon,
Rings tobt der grimme Tod:
Das hört, das sieht der Sohn.
10.
Vom Nachbardache schallt
Ein ernster Christenchor:
»Nur Gott hat hier Gewalt,
Zu dem nur schrei empor.
Jesu, der helfen kann,
Dich, Weib und Kind befehl',
Du bist des Todes, Mann,
Denk deiner armen Seel'.
Adies, o Nachbar gut!
Du mußt zu Grunde gehn,
Es kommt das Eis mit Wut,
Auf dich ist's abgesehn.« –
11.
Der Sohn tut einen Schrei,
Der Vater zu ihm spricht:
»Mit uns ist's nun vorbei,
Der Herr geht ins Gericht.
Du warst ein frommer Sohn,
O Hannes! all dein Tag,
Halt, was vor Gottes Thron
So nah, ich sterbend sag'.
Vor allem hoch allein
Lieb deinen Gott und Herrn,
Und dann den Nächsten dein,
Arbeit' und helfe gern.
12.
Den Priester ehre hoch,
Folg treu der Obrigkeit,
Dank Gott für leichtes Joch
In einer schweren Zeit.
An Vater, Mutter denk:
Und die Geschwister dein,
Manch Vaterunser schenk
Ins Eisgrab uns hinein.
Halt unser Kühchen gut,
Es bringt dir seinen Lohn,
Adies, mein Fleisch und Blut!« –
Da segnet er den Sohn.
13.
Hell schreit die Mutter Weh!
Hell schrein die Kinder auf,
Der starre Wogensee
Frißt ihre Stimmen auf.
Nun beten Mann und Weib
Und Kinder, Herz an Herz,
Ein angstbeseelter Leib,
Viel Hände himmelwärts:
»Ach Herr Dein Will' gescheh',
Herr hab' mit uns Geduld!
Auf Jesu Wunden seh',
Und nicht auf unsre Schuld!« –
14.
Die Eisflut saust und kracht,
Das Haus schwankt wie ein Kahn,
Und weh! schon zieht die Nacht
Und kalt der Mond heran.
Die Nachbarn sehn nicht mehr
Das eisumtürmte Haus,
Von Trümmern, Bäumen schwer
Sieht kaum das Dach heraus.
Hierher geht all der Drang,
Dort schreit es, hier wird's stumm,
Von hier dem Strand entlang
Wirft's Haus und Hütte um.
15.
Hier reißet hin, dort sprießt
Das starre Wogengrab,
Und auch den Nachbarn schließt
Es alle Zuflucht ab.
Ist Mosel dies dein Dank?
Des Rheins berauschte Braut
Zerschlägst du Tisch und Bank
Dem, der den Wein dir baut.
Weh Lay, mühselig Lay!
Dich hat sie in der Hand,
Bricht Haus und Hof entzwei
Und streut dich auf den Strand.
16.
Dein Pfarrer hilft voll Mut,
Flieht dann zum Haus hinauf
Und schließt, so folgt die Flut,
Es unterm Wasser auf.
Breitbach! es bricht dein Kahn,
Der Retter merkt es kaum,
Da hebt ihn Gott hinan
Auf einen Pflaumenbaum.
Die Flut steigt zu ihm hin,
Und sieh! zu sicherm Ort
Schwingt bald sein Engel ihn
Von Scholl' zu Scholle fort.
Bonkirch von Diebelich!
Oft dringst du durch die Flut,
Wagst dich christbrüderlich
Für unser Gut und Blut.
Du frommer Fuhrmann hast
Dir heut das nicht gedacht,
Du kömmst zu uns als Gast
Und holst dir Gottes Fracht.
Gevatter! manches Kind
Hebst du aus Todes Tauf',
All ihre Engel sind
Vor Gott und schreiben's auf.
18.
Der Mond mit bleichem Schein
Sieht in die Jammernacht,
Noch steht der starre Rhein
Und Haus und Schiff erkracht.
Die Mosel drängt sich auf,
Eis wild auf Eis sie türmt,
Als ob um Todeskauf
Verzweiflung Notwehr stürmt.
Vom Brückengurt geschnürt
Wächst noch ihr Ungestüm,
Der Rhein steht ungerührt
Und horcht auf ihren Grimm.
19.
Sie ruft: »Entfeßle mich!
Ich türme Schanz auf Schanz,
Sieh, zürnend schaut auf dich
Der steilen Festen Kranz.
Ich habe jüngst gehört,
Bis in das Meer sei frei,
Das ist was mich empört:
Brich auf, laß mich vorbei!« –
Wild ob dem Widerstand
Nimmt rheinauf sie den Lauf,
Wirft auf des Ufers Rand
Haushoch die Blöcke auf.
20.
»O Rhein! erbarme dich,
Ist deine Brust von Erz?
Brich, harter Nacken, brich,
Die Braut muß an dein Herz.
All die Kranzjungfräulein
Die Meurth', die Saar, die Kyll
Sie toben auf mich ein,
Die das, die jenes will,
Die rechts bald gehn bald stehn,
Sie sind nicht einig ganz,
Die links vor Grimm vergehn,
Und wollen an den Tanz.
21.
Die Thran, die Elz schon stürmt
Am Eisdamm hoch hinan
Um Neuendorf getürmt;
Rhein! sieh den Jammer an.
Bedenk, hinab hinauf,
Mit Kehr und Wiederkehr,
Ging ich von Jugend auf
Im Schlangenbett zur Lehr'.
Du schweigst? die Schuld ist dein!« –
Scheu blickt sie um im Kreis,
Rast in sich selbst hinein,
Weh Gülz dir! weh dir Weis!
22.
»Du schweigst, hemmst meinen Lauf
Bis alles hingerafft!« –
So schreit die Mosel auf
In banger Leidenschaft.
»Ich kenne« – murrt sie hohl –
»Den Schlüssel deiner Brust,
Ein Opfer find' ich wohl,
Dann weiß ich, daß du mußt.« –
»Weh!‹ schreit vom Eisesdamm
Die Thran und Elz ihr zu:
»In Lay würgst du das Lamm,
Vogesenwölfin du!« –
23.
Nach Lay kehrt nun ihr Lauf,
Bricht in ein Hüttchen ein,
Die Eltern fliehn treppauf
Mit den zwei Töchterlein.
Der Vater flutbedrängt
Auf Bett und Faß sich stellt,
Am Hals das Weib ihm hängt,
Sein Arm die Kinder hält,
Sein Haupt am Dach schon streift,
Zur Brust die Flut ihm springt,
Die nach dem jüngsten greift
Und ihm sein Kind verschlingt.
24.
Er steht, hält Kind und Weib,
Ach, und kann helfen nicht!
Steht, wie ein Martyrleib,
Dem man das Herz ausbricht.
Dann hebet sich das Haus,
Schwimmt wohl zehn Schritte weit,
Und steht. O Nacht voll Graus!
Nacht die zum Himmel schreit!
Als deine Flut abrinnt,
Kömmt eine Tränenflut,
Weckt nicht das liebste Kind,
Das tot am Boden ruht.
25.
Da klagen Meurth' und Saar:
»Weh, Lotharingerin!
Weh, daß ich mit dir war!
Du Kindesmörderin!« –
Die hört's und wendet sich
Nochmals zum Rhein mit Wut,
Schreit: »Weh! auf dich, auf dich
Komm das unschuld'ge Blut!« –
Sie bäumt sich, stürmt ans Tor:
»Tu auf! noch heut, noch heut!« –
Und an des Rheines Ohr
Schlägt Sturm und Notgeläut.
26.
Da seufzt der alte Rhein:
»Nun hör' ich andern Ton,
Dein Toben und dein Schrein
Klang mir wie blanker Hohn.
Sitzt doch wie ich so starr,
So leichtsinnig wie du,
Noch mancher Fastnachtsnarr
Bei deinem Wein in Ruh'.
Gleich dir so klagt sein Weib,
Er sitzt in Saus und Braus,
Die Herrn nach Haus erst treib',
Und dann komm selbst nach Haus!« –
27.
Die Mosel hört beschämt
Des Rheins gerechtes Wort,
Und stürmet ungezähmt,
Schwemmt all die Toren fort.
Und wasserscheu, weinsatt,
Wird mancher heimgekahnt,
Die Flut ersteigt die Stadt
Von Mauern eingezahnt.
Sankt Castor! brich den Weg!
Sankt Ritza! fleh zum Rhein!
Er liebt dich, war ein Steg
Ja einst den Füßen dein.
28.
Am Hospital zur Flut
Spricht Sankt Elisabeth:
»Kehr' um, es geh' dir gut!
Frei haben wir kein Bett.« –
Da plätschert's an der Schwell:
»Von Nancy ging ich aus,
Bin eine Meurthewell,
Ein Gruß vom Mutterhaus!« –
»Und ich von Finsting komm',
Ein Wellchen aus der Saar,
Gut Zeit! ihr Schwestern fromm,
s'ist nur, daß da ich war.« –
29.
Noch stürmt das Eis am Strand
Rings um die Mauern keck,
Da steigt zur Eisblockwand
Die Mosel am Deutsch-Eck,
Und klagt: »Ein Mägdlein rot,
O Rhein, starb mir im Schoß!« –
Da jammert ihn die Not,
Er macht die Riegel los,
Er senkt sein blankes Schild
Und nimmt die Mosel auf,
Das kühne Heldenbild
Braust ihm ans Herz hinauf.
30.
Der Brücke Gurt erbebt,
Ein Brautschmuck in dem Tanz,
Sie rast, sie stürmt, sie schwebt,
Und blitzt im Mondesglanz.
Die Fesseln, das Geschmeid
Streut sie im Feld umher,
Nie war ihr Winterkleid
So kalt, so blank, so schwer.
Die Fastnacht hat vorm Jahr
Rhein, Mosel hier vermählt,
Heut hat das Riesenpaar
Den Tanzplatz sich erwählt.
31.
Stumm hat mit ehrnem Mund
Die Festung, mißgelaunt,
Eisschanzend in die Rund
Ihr Stürmen angestaunt;
Nun donnert das Geschütz
Vorrollend vor der Flut;
Daß Mühl' und Schiff man schütz',
Flammt Pech- und Fackelglut.
Die Ufer schimmern weit,
Ein Feur- und Glutspalier,
Not, Jammer, Angst und Streit
Gab Pracht der Nacht und Zier.
32.
Das Weh, das all geschah,
Deckt schier die Mitternacht,
Als rettend niedersah
Der Herr, der ob uns wacht,
Als rings sich Dankgeschrei
Aus Angst und Not erhob;
Im Nachbarhaus zu Lay
Erklang auch Dank und Lob,
Und mit dem Hannes arm
Flehn alle brünstiglich:
»Ach Herr und Gott erbarm'
Der Eltern Seele dich!«
33.
Und stiller wird's Gebraus:
»Horch, horch, hörst du den Schrei?
Ach Jesus, dort vom Haus,
Als ob's der Vater sei?« –
»Gelobt sei Jesus Christ!« –
»In alle Ewigkeit!« –
»Amen.« – »Es ist, es ist
Die Mutter, die so schreit!« –
»Helft, helft wie naß und kalt!« –
»Das ist der Kinder Stimm'.« –
»Auf! Nachbarn braucht Gewalt!
Auf! Hannes schwimm' und klimm'!«
34.
Sie brechen eine Bahn
Durch Eis und Trümmer kraus,
Und klettern kühn hinan
Ins gottumschirmte Haus,
Und ziehen einen Schatz
Von Jesu Treu hervor:
»Der Vater ist's, macht Platz,
Die Mutter zieht empor,
Und lebend Kind vor Kind«:
Wo drei zum Vater mein
Vereint im Beten sind
Will ich bei ihnen sein. –
35.
Wer klimmt herab vom Wald
Mit seinem Bündelein?
So klar, ich meinte bald
Es könnt' ein Engel sein.
Vielleicht ein frommes Kind,
Das Holz den Eltern schleift,
Das Wetter ist ganz lind,
Doch scheint sein Haar bereift.
Es ist der junge Tag,
Tritt scheu ins Dorf hinein,
Schaut um, als ob er frag':
Wer kauft hier Sonnenschein?
36.
»Sagt, bin ich recht? ist's Lay?
Ich ruf': Wo sein die Leut'?
Mich grüßt nur Wehgeschrei
Aus Trümmern wild zerstreut.
Auch fehlt ein Töchterlein,
Heut nickt es mir nicht zu
Durch das Eisfensterlein,
Heut hält es lange Ruh'!« –
Da rief der Mond ganz krank:
»Suchst du das Mägdlein rot?
Schau von dem Eisblock blank
Ins Stübchen, drin liegt's tot.
37.
Ich hab' mich krank und bleich
Bei ihm verweint, verwacht,
Es ist 'ne schöne Leich,
Den Sarg hat Gott gemacht.
Ist wie Krystall so weiß,
Vom Kreuze an der Wand
Fiel auch ein Palmenreis,
Liegt bei des Kindes Hand
Und sein Gebetbüchlein
Liegt auch nicht gar zu fern,
Lang las ich drin allein,
Gab's dann dem Morgenstern.« –
38.
Da sah der junge Tag
Hinein ins Kämmerlein,
Gar lieb das Mägdlein lag
Im ersten Sonnenschein.
»s'ist alles was ich hab',
Wart nur noch Wochen vier,
Dann auf ein grünes Grab
Bring ich die Veilchen dir.« –
Dann schleicht er still aufs Haus,
Das eisgestützt draus steht,
Und kniet und weint sich aus,
Und singt sein Frühgebet.
39.
»Lob Gott du Wassersnot,
Lob Gott du Eisgang wild,
Ein Schwert auf sein Gebot,
Auf sein Gebot ein Schild.
Lob Gott du armes Haus,
Lob Gott du Mann und Kind,
Er hört in Flutgebraus
Die zu ihm betend sind.
Lob Gott du armes Lay,
Lobt Gott ihr Trümmer kraus,
Er bricht das Haus entzwei,
Und bauet auch das Haus.« –
40.
Der Tag zog heim ins Land,
Da stieg ein Freund nach Lay
Herab die steile Wand:
Weh welche Wüstenei!
Da füllt manch starre Hand,
Der nichts mehr übrig blieb
Als Trümmer an dem Strand,
Die Hand, die dann mir schrieb:
»Ich sah draus ungeschützt
Das Haus weit ausgesetzt,
Gebrochen, eisgestützt
Hielt Gott es bis zuletzt.
41.
Ich sah den guten Mann
Und mit ihm Weib und Kind,
Er zählt sie, schaut sie an,
Ob all beisammen sind.
Im Rathaus einquartiert
Geht selig er umher,
Und weint und triumphiert,
Als ob er Kaiser wär'.
›Sagt, Freund, wie wunderlich,
Wie ging's dann nur?‹ – ›Ei seht,
Mein Weib, die Kinder, ich,
Wir haben halt gebet't‹ –
42.
Und wer es nicht gesehn,
Wer schüttelt mit dem Haupt,
Wer's nicht will zugestehn,
Wer ans Gebet nicht glaubt:
Der gehe stolz nach Lay
Und seh' die Hütte an,
Und rufe frank und frei:
Nur Gott hat dies getan!
Und dann ans Herz er poch',
Vielleicht sein Herzenseis
Schmilzt vor dem Eise noch
Zu Lay. Glück auf die Reis'!« –
43.
Geh betteln armes Lied,
Geh um von Tür zu Tür,
Sprich: »Diesem Haus sei Fried'!
Daß Gott die Herzen rühr'.
Er war so stark und mild,
Drum sang das Mitleid mich;
Du Mensch, sein Ebenbild,
Du auch erbarme dich.
Kauf mich, so wird ein Stein,
Der an der Hütte baut,
Dem milden Fraunverein
Zu Koblenz anvertraut.«
Es war ein frommer Ordensmann
Gar treu in allen Dingen
Der Mutter Gottes zugetan,
Im Beten und im Singen
In aller Rede fort und fort,
War stets sein erst und letztes Wort:
Gegrüßt seist du Maria!
Gar lieb war ihm ein Vögelein,
Das jung ihm zugeflogen,
Und er im kleinen Körbelein
Gelehrt und aufgezogen
Und lieblich sang es früh und spat
Wie es von ihm gehöret hat:
Gegrüßt seist du Maria!
Nun war das kleine Körbelein
Baufällig und zerbrochen,
Da ist das kluge Vögelein
Zuletzt herausgekrochen,
Und als es in die Freiheit kam,
Fieng fröhlich es zu singen an:
Gegrüßt seist du Maria!
Der fromme Mann dem Vögelein
Ist lange nachgegangen
Und hielt ihm dar das Körbelein,
Es wieder einzufangen.
Doch dies von Baum zu Baum sich schwang
Und immerfort sein Liedlein sang:
Gegrüßt seist du Maria!
Das Vöglein einst auf dürrem Zweig
Sich wollt' sein Nestchen bauen
Da stürzt' auf es ein Geier gleich,
Trug's fort in seinen Klauen,
Da schrie das kleine Vögelein
Wohl in den höchsten Nöten sein:
Gegrüßt seist du Maria!
Da kam ein Blitz in höchster Not
Aus hellem Himmel nieder,
Und schlug den bösen Geier tot,
Frei flog das Vöglein wieder,
Und zu Mariä Ehren sang
Das Vöglein mit noch hellerm Klang:
Gegrüßt seist du Maria!
Der fromme Mann im Garten stand,
Sah zu mit Angst und Bangen,
Frisch und gesund ihm auf die Hand
Flog's Vöglein, ließ sich fangen,
Heim trug er's in dem Körbelein
Und sang mit seinem Vögelein:
Gegrüßt seist du Maria!
Hat nun, o liebste Mutter mein,
Bei dir so viel erworben
Ein unvernünftig Vögelein,
Daß es nicht bös gestorben,
Wirst du mich auch verlassen nicht,
Der dich verehrt und herzlich spricht:
Gegrüßt seist du Maria!
So will ich, liebste Mutter rein,
Dich grüßen mit Vertrauen,
Daß du mich allen Feinden mein
Mögst reißen aus den Klauen.
So sing' ich dir im Tränental
Noch hundertmal und tausendmal:
Gegrüßt seist du Maria!
Meine Irrtümer in diesem Liede
Wecken meine, so wie deine
Schmerzen tief im Herzen
Immer wieder, wieder
Auf;
Aber leider, leider, leider!
Tränen, Sehnen, Gähnen
Löschen, wäschen
Sie im Fließpapier, Siegspanier
Unsrer Wehmut, Demut
Immer wieder wieder
Aus.
Denn wir lachen, machen Sachen,
Solche Dinger für die Singer,
Lieder draus,
Vor den Mieder einen Strauß!
Sie trug an ihrer Rippe
Den schönsten Blumenstrauß,
Der Tod mit seiner Hippe,
Der tanzte ihr voraus;
Und als sie an den Brunnen kam,
Da tat sie einen Sprung,
Und träumte einen Nonnentraum,
Und war gleich wieder jung.
Die Gottesmauer
Draus vor Schleswig an der Pforte
Wohnen armer Leute viel.
Ach! des Feindes wilder Horde
Werden sie das erste Ziel.
Waffenstillstand ist gekündet;
Dänen ziehen aus zur Nacht;
Russen, Schweden sind verbündet,
Brechen ein mit wilder Macht.
Draus vor Schleswig, weit vor allen
Liegt ein Hüttlein ausgesetzt.
Draus vor Schleswig in der Hütte
Singt ein frommes Mütterlein:
»Herr, in deinen Schoß ich schütte
Alle meine Sorg' und Pein!«
Doch ihr Enkel, ohn' Vertrauen,
Zwanzigjährig, neuster Zeit,
Hat, den Bräutigam zu schauen,
Seine Lampe nicht bereit.
Draus vor Schleswig in der Hütte
Singt das fromme Mütterlein.
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt das fromme Mütterlein:
»Daß dem Feinde vor uns graue,
Nimm in deine Burg uns ein!«
»Mutter«, spricht der Weltgesinnte,
»Eine Mauer uns ums Haus
Kriegt fürwahr nicht so geschwinde
Euer lieber Gott heraus!«
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt das fromme Mütterlein.
»Enkel, fest ist mein Vertrauen,
Wenn's dem lieben Gott gefällt,
Kann Er uns die Mauer bauen,
Was Er will, ist wohl bestellt.«
Trommeln rumdidum rings prasseln;
Die Trompeten schmettern drein;
Rosse wiehern, Wagen rasseln;
Ach, nun bricht der Feind herein!
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt das fromme Mütterlein.
Rings in alle Hütten brechen
Schwed' und Russe mit Geschrei,
Fluchen, lärmen, toben, zechen,
Doch dies Haus gehn sie vorbei.
Und der Enkel spricht in Sorgen:
»Mutter, uns verrät das Lied!«
Aber sieh! das Heer von Morgen
Bis zur Nacht vorüberzieht.
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt das fromme Mütterlein.
Und am Abend tobt der Winter,
Um die Fenster stürmt der Nord.
»Schließt die Laden, liebe Kinder!«
Spricht die Alte, und singt fort.
Aber mit den Flocken fliegen
Nur Kosakenpulke 'ran;
Rings in allen Hütten liegen
Sechszig, auch wohl achtzig Mann.
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt das fromme Mütterlein.
»Eine Mauer um uns baue!«
Singt sie fort die ganze Nacht.
Morgens wird es still: »O schaue,
Enkel, was der Nachbar macht!«
Auf nach innen geht die Türe;
Nimmer käm' er sonst heraus:
Daß er Gottes Allmacht spüre,
Liegt der Schnee wohl haushoch draus.
»Eine Mauer um uns baue!«
Sang das fromme Mütterlein.
»Ja! der Herr kann Mauern bauen!
Liebe, gute Mutter, komm,
Gottes Wunder anzuschauen!«
Spricht der Enkel und ward fromm.
Achtzehnhundertvierzehn war es,
Als der Herr die Mauer baut';
In der fünften Nacht des Jahres
Hat's dem Feind davor gegraut.
»Eine Mauer um uns baue!«
Sang das fromme Mütterlein.
Segen über diesen Ort!
Wo so treu der Weinberg wird gebauet,
Gott vergelt's! sein letztes Wort,
Wenn er nach dem Dom zurück noch schauet,
Der im Morgenlicht entbrannt,
Ein Altar voll früher Opferkerzen,
Mahnend oft genüber stand
Seinem müden Auge, lauen Herzen,
Und, von Blumen fromm umkniet,
Wo des Herren Bild am Ölberg ringet,
Mit ihm sang das Morgenlied,
Wenn der Blütengarten Weihrauch schwinget.
Dom! der in Gewitternacht
Bald der Arche gleicht umdroht von Wogen,
Bald in stiller Opferpracht
Sich erhebt, umspannt vom Friedensbogen,
Und, vom Sonnenblick geküßt
Und von weißer Tauben Flug umschwebet,
Jetzt gedenket, jetzt vergißt,
Wie sich Schweres leicht zu heben strebet.
Dom! der heut im jungen Tag
Über treuer Hirten Asche glühte,
Als der Pilger scheidend sprach:
Nachbar Dom! leb wohl, Gott dich behüte!
Sorgt ihr Freundesherzen nicht,
Wo ein müdes Haupt sich niederlege,
Beßre Herberg giebt es nicht,
Als beim Kreuze draußen an dem Wege.
Gastfrei ist der Herbergsmann,
Denn der Dorn, sein Knecht, hält an den Pfaden
Gern des Pilgers Mantel an,
Dringend ihn zur Einkehr einzuladen;
Und der Wirt ist auch nicht stolz,
Draußen, ganz von Wunden überhagelt,
Harrt er, am gekreuzten Holz
Fest mit Händ' und Füßen angenagelt.
Welcher Wirt hat so Geduld?
Wißt, er ist allein in diesen Qualen,
Aller armen Gäste Schuld,
Die zum Kreuze eingehn, zu bezahlen;
Und sein Haupt, gekrönt mit Dorn,
Grüßt den Gast, der bei ihm übernachtet,
Und sein Herz, ein blut'ger Born,
Labt den Gast, der dürstend nach ihm schmachtet,
Und sein Leib ist selbst das Haus,
Und die Pforten sind fünf offne Wunden,
Keinen treibt er je hinaus,
Der da einmal Ruhe hat gefunden,
Und sein Blut ist selbst der Trank,
Und sein Fleisch ist wahrlich selbst die Speise,
Da wird alles heil, was krank,
Da ist Brot und Wein zur letzten Reise.
Hier ist Willkomm jeder Gast,
Wer mühselig ist und schwer beladen,
Findet Raum für seine Last,
Er hat alle selbst ja eingeladen.
Wahrlich er allein ist gut!
Er, der keinen Stein gehabt auf Erden,
Wo sein müdes Haupt geruht,
Wollte allen Haus und Speise werden;
Und wie er dies Haus gebaut
Und zuletzt den Strauß darauf gesetzet,
Hat betrachtet seine Braut,
Und für euch der Pilger aufgesetzet.
In der Hand den Wanderstab
Legt er scheidend nieder euch die Gabe
Zwischen zweier Hirten Grab,
Daß man seiner ein Gedenken habe.
Herr, bei dir allein ist Ruh',
Wie die Jünger einst zu dir auf Erden
Sagten, sprichst zum Pilger du:
Bleib bei mir, denn es will Abend werden!
10. Jänner 1834
[1834]
Wo schlägt ein Herz das bleibend fühlt?
Wo ruht ein Grund nicht stäts durchwühlt,
Wo strahlt ein See nicht stäts durchspült,
Ein Mutterschoß, der nie erkühlt,
Ein Spiegel nicht für jedes Bild
Wo ist ein Grund, ein Dach, ein Schild,
Ein Himmel, der kein Wolkenflug
Ein Frühling, der kein Vögelzug,
Wo eine Spur, die ewig treu
Ein Gleis, das nicht stäts neu und neu,
Ach wo ist Bleibens auf der Welt,
Ein redlich ein gefriedet Feld,
Ein Blick der hin und her nicht schweift,
Und dies und das und nichts ergreift,
Ein Geist, der sammelt und erbaut,
Ach wo ist meiner Sehnsucht Braut;
Ich trage einen treuen Stern
Und pflanzt' ihn in den Himmel gern
Und find' kein Plätzchen tief und klar,
Und keinen Felsgrund zum Altar,
Hilf suchen, Süße, halt o halt!
Ein jeder Himmel leid't Gewalt.
Amen!
An eine Feder 17. Jenner 1834
Danke, danke, süße Feder!
Liebchen ist es, die dich schnitte,
Solche Huld geschieht nicht jeder,
Denn sie hat nach Kindersitte
Dich mit ihrem Mund benetzet,
Ihre süße linde Lippe,
Die noch nie ein Kind verletzet,
Küßte lindernd deine Nippe,
Und du trankst auch eine Zähre,
Die um mich sie hat vergossen,
Federchen nicht mehr begehre,
Du hast Lust und Leid genossen,
Schwarz will ich dich nie betinten,
Tinte ist so herb und bitter
Und ein Linderkuß gleicht linden
Rosen um ein Perlengitter
Komm und schreib:
Mit meinem Blute
Das die Linde hat versüßet,
O du Liebe, Süße, Gute!
Sei vom treusten Herz gegrüßet
Das an deinem Herzen ruhte
Und gerungen und gebüßet
Und geküßt die scharfe Rute
Wie ein Kind, als sie erblühte
Unter deinen linden Händen,
O du Überfluß der Güte
Willst du nicht dein Werk vollenden?
Lasse doch die Dornenhiebe
Rosen deiner Seele tragen,
Daß mein Blut sich Ruh' erschriebe:
Laß die linde Lippe sagen:
Ich vergebe, denn ich liebe.
7. April 1834
Süßer Trost in heißen Stunden,
Da die Liebste, die mir lebt,
Zitternd vor mir stand in Wunden
Und doch nicht vor mir erbebt.
Da sie mir mit heißem Flehen,
Der demütig sie umfieng,
Wahr ins bange Aug' gesehen,
Daß mir's durch die Seele gieng.
Und ich fleht', ach mir alleine
Rechne diese Glut nicht an,
Deine Flamme war die meine,
Beide faßte uns der Wahn.
Süßes Kind, in deinen Wunden
Bist du so unendlich schön,
All mein Schmerz muß da gesunden
Wie in sel'gem Wiedersehn.
Alles, was da je geschieden,
Ewig innig sich erkennt,
Und ein wonnetrunkner Frieden
Mir im Herzen jauchzt und brennt.
Schließest Lippen du und Augen,
Wird ein Feuerblick dein Leib,
Wird dein Mund ein Feuerhauchen,
Wirst du schöner als ein Weib.
Hungern kann ich, harren, missen,
Doch, dich hingegeben sehn,
Und bedecken nicht mit Küssen
Müßt' ich kalt im Feuer stehn.
Du bist wahr, wie nie im Leben
Wahrheit mir entgegentrat,
Und so wirst du mir vergeben,
Was dir selbst entgegentrat.
Soll ich arm mein Elend bauen,
Dann hab' Mitleid und gib mehr,
Gib mir kindliches Vertrauen
Dann wird alles leicht, was schwer.
Aus der Ferne schon gib Winke,
Mahnt das Herz in deiner Brust,
Daß ich trinkend nicht ertrinke
Gib mir Innigkeit statt Lust.
Kind, wie auch der Blitz der Wonne
Mich an deiner Brust durchzückt,
Schrei' ich doch nach einer Sonne,
Die dein Blick mir hart entrückt.
Und ich fleh' zum blühnden Munde:
Sprich doch:
»Armer, schone mein!
Soll sie heilen deine Wunde,
Halte meine Hand auch rein!
Gütig will ich zu dir blicken,
Will dich tragen in Geduld,
Will dir freundlich kindlich nicken,
Kühlen dich mit meiner Huld!
Ach! vielmehr noch will ich geben,
Armes mir verfallnes Herz!
Täglich soll dich rein durchbeben
Meine Freude und mein Schmerz!
Laß uns sein doch wie die Kinder,
Gütig, heiter, süß und rein,
Dann will dir ich immer linder
Deine arme Linder sein.
Willst du still in meinem Garten
Blumen dir und Heilkraut baun,
Mußt du auch der Beete warten,
Brechen nie den schwachen Zaun.
Willst du Rosenpfade bahnen,
So verblute nicht im Dorn,
Um die lockenden Zyanen
Tritt mit Füßen nicht dein Korn.
Sei fein still, in mir gefangen
Stirbst du nicht den Hungertod
Ich bin lind, du sollst empfangen,
Süße Blumen, reines Brot.
Hüte mir, ich will dir hüten,
Dieses feuertrunkne Blut
Bittre Frucht nach süßen Blüten
Wächst auf ungerechtem Gut.
Glaube fest doch an mein Wissen
Auch ich glaube, daß du weißt
Daß dich meine Reu' zerrissen,
Deine Reue mich zerreißt.
Wie soll ich dein Herz je nehmen,
Das du mir so flehend bringst,
Da die Hände mit Beschämen
Du mir vor die Augen zwingst.
Willst du je mein Herz umfassen
Mit der Liebe Blütenreis,
Willst du nie es fallen lassen
Mach es nicht so glühend heiß.
Armer Freund, ach meine Gluten,
Sind nicht deines Herzens Glut,
Diese süß entflammten Fluten
Sind mein leicht entzündlich Blut.
Hüt' mein Feuer, hüt' die Flammen,
Denn dies freie Element
Schmilzt dir nimmermehr zusammen
Was zur Asche es verbrennt.
Wärme dich in meiner Sonne
Kühle dich in meinem Mond,
Trinke meiner Sterne Wonne
Der auf meiner Erde wohnt.
Alle Blumen, süß und reine
Die ich treibe auf zum Licht
Tränk' mit Tränen, bis auf eine
Da dein Herz in Liebe bricht.«
Also fleht' ich, mögst du sprechen,
Wahrheit! du hast mir genickt
Und der will dein Wort nicht brechen
Wahrheit den du angeblickt.
Ein Becher voll von süßer Huld
Und eine glühnde Ungeduld
Und eine arme trunkne Schuld
Sie lehren mich zu flehen!
Du Becher voll von süßer Huld
Vergieb der glühnden Ungeduld
Vergieb die arme trunkne Schuld,
Die ins Gericht will gehen.
Den Becher voll von süßer Huld
Darf heut die glühnde Ungeduld
Zur Buße armer trunkner Schuld
Nicht sehn, und möcht' vergehen!
Das freut den Becher süßer Huld
Das schmerzt die glühnde Ungeduld
Das straft die arme trunkne Schuld
Mit bittern, bittern Wehen.
O Becher voll von süßer Huld,
Woll' nicht die glühnde Ungeduld,
Ob ihrer armen trunknen Schuld,
Die heute büßt, verschmähen.
Fließ über Becher süßer Huld,
Werd' Asche glühnde Ungeduld,
Die mag die arme trunkne Schuld
Gemischt mit Tränen säen.
Auf daß du Becher süßer Huld
Um dich in Schmerzen der Geduld,
Still auf dem Grab der armen Schuld
Die Lilie kann erstehen.
Die Lilie, die voll süßer Huld,
Du sahst im Garten der Geduld
Mit Stern und Engel ohne Schuld
Du leuchten hast gesehen.
14.–15. April 1834
Vogel halte, laß dich fragen
Hast du nicht mein Glück gesehn
Hast du's in dein Nest getragen,
Ei dein Glück, ei sage wen?
Eine feine zarte Rebe
Und zwei Träublein Feuerwein
Drüber Seidenwürmer Gewebe
Drunter süße Maulbeerlein.
Hier hab' ich's im Arm gewieget
Hier am Herzen drückt' ich's fest,
Lieblich hat sich's angeschmiegen
Und du Vogel trugst's ins Nest.
Armer Mann, dein Glück ich wette,
War ein Liebchen und kein Strauß
Ging aus deinem Arm zu Bette
Und du gingst allein zu Haus.
Meinst du? – Nun so sag mir Quelle
Hast du nicht mein Glück gesehn
Trug's ins Meer nicht deine Welle
Ei dein Glück, ei sage wen?
Eine tauberauschte Rose
Und zwei Rosentöchterlein
Frühlingsträume ihr im Schoße,
Wachten auf und schliefen ein.
Hier am Herzen hat's gehauchet,
Süßen Duft, Goldbienen schwer
Sind die Küsse eingetauchet.
Fort ist's – Ach du trugst's ins Meer.
Armer Mann, dein Glück ich wette,
Linder war dein Rosenlos
Ging aus deinem Arm zu Bette
Heim trugst du die Dornen bloß.
Meinst du, will ich Taube fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn
Nicht ins Felsennest getragen?
– Ei dein Glück! – ei sage wen?
Eine goldne Honigwabe,
Süßen Seim und Wachs so rein
Aller Küsse Blumengabe
Schlossen drin die Bienen ein.
Ach ich trug es an die Lippen
Duftend, schimmernd, süß und lind
Durft' ein bißchen daran nippen
War doch ein verwöhntes Kind.
Armer Mann, dein Glück, ich wette,
Linder war's, als Honigseim
Ging aus deinem Arm zu Bette,
Und du gingest einsam heim.
Meinst du? – will ich Echo fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn,
Und willst allen wieder sagen?
Ei dein Glück, ei sage wen?
Einer Stimme süßes Klagen
Locken, Flüstern, Wonn' und Weh',
Nachtigallen-Traumeszagen
Bitte, bitte, geh o geh!
Mir am Herzen hat's gewehet
Alle Wonnen, allen Schmerz,
Wie ein Kinderseelchen flehet
Unter süßem Mutterherz!
Armer Mann! dein Glück, ich wette,
War ein linder träumend Wort,
Fleht' aus deinem Arm zu Bette,
Du gingst einsam dichtend fort.
Meinst du. – muß ich Rose fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn
Birgt dein Schoß nicht süßes Zagen.
Ei dein Glück: Ei sage wen!
Süßes Duften, wachend Träumen,
Hülle, Fülle, süß und warm
Bienenkuß an Rausches Säumen
Irrend, suchend, Rausches arm.
Hier am Herzen hat's geblühet,
Meine Seele süß umlaubt,
Liebe hat mein Blut durchglühet,
Hoffnung hat doch nicht geglaubt.
Armer Mann, dein Glück ich wette
Linder war's, als Trunkenheit
Ging aus deinem Arm zu Bette
Du gingst einsam, kühl, es schneit.
Meinst du, frage ich die Sterne,
Habt ihr nicht mein Glück gesehn?
Sterne sehn ja Augen gerne.
Ei dein Glück? ei sage wen?
Lockennacht an Himmelsstirne
Sinnend, minnend Doppellicht,
Augen blitzend Glücksgestirne,
Andern Sternen folg' ich nicht.
Sah's von Tränen tief verschleiert
Sah's von Sehnen tief durchglüht
Sah's durchleuchtet, sah's durchfeuert
Sah's wie Liebe blüht und flieht.
Armer Mann, dein Glück ich wette
War ein linder Augenschein,
Ging aus deinem Arm zu Bette,
Durch die Nacht gingst du allein.
Meinst du, muß die Lilie fragen
Hast du nicht mein Glück gesehn
Reimt sich dir, doch darf's nicht sagen.
Ei dein Glück, ei sage wen?
Eine, eine, sag nicht welche,
Stand im Gärtchen nachts allein
Sah o Lilie! deine Kelche
Überströmt von Lichtesschein.
Hat von Lilien, Engeln, Sternen
Schon an meiner Brust geträumt,
Alle Nähen, alle Fernen
Mir mit Dichtergold gesäumt.
Sel'ger Mann, dein Glück, ich wette
Ist Emilie, fein und lieb
Ging aus deinem Arm zu Bette
Dir des Traumes Goldsaum blieb.
Meinst du, muß Emilien fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn
Hast du's in dein Bett getragen?
– Ei dein Glück, o sage wen?
Ein Süßlieb, schwarzlaub'ge Linde
Schwüle, kühle, süße Glut,
Feuermark in Eises Rinde
Hüpfend Kind in freud'gem Blut.
Eine feine reine Myrte
Und ein Opfertaubenpaar
Das im Traume girrend schwirrte,
Küßt ein Hirte den Altar.
Süße Rebe schlanker Ranken
Weinbeer und Gedanken voll
Ob man küssen die Gedanken,
Ob die Beerlein denken soll.
Schatz von Seelenlustjuwelen
Schließt der Elfenbeinschrein ein
Doch nur Küsse kann man stehlen
Fest liegt's Himmelschlüsselbein.
Ein verstummend Fühlgewächschen
Ein Verlangen abgewandt
Ein erstarrend Zitterhexchen
Zuckeflämmchen nie verbrannt.
Offnes Rätsel, nie zu lösen,
Stäter Wechsel, fest gewöhnt,
Wesen, wie noch keins gewesen
Leicht versöhnt und schwer verschönt.
Ein beredsam tiefes Schweigen
Ein Versteck, der offen liegt,
Ganz ergossen, sich nur eigen,
Ein Ergeben, nie besiegt.
Sonnenwahr, ach glauben muß ich!
Hoffen? möcht' ich – Wechselmond!
Lieben? – weil ein Sternenkuß ich,
Der an diesem Himmel wohnt.
Köpfchen sinn- schier eigensinnig,
Pfeildurchblitzte Lockennacht,
Augen innig, Wangen minnig,
Mundes Wunde schmachtend lacht.
Nase üblich, Öhrchen lieblich,
Läppchen Zuckertröpfchen lind,
Kinn ein bißchen zu verschieblich,
Wird betrüblich mein süß Lind.
Auf dem Kehlchen wiegt das Köpfchen
Blumenglöckchen auf dem Stiel,
Seelchen, selig Taueströpfchen,
Das hinein vom Himmel fiel.
Reiner, feiner Nacken! sterben
Möcht' in Küssen ich an dir
Könnt' ich nur mein Küssen erben
Ließ' ich gern mein Leben hier.
Und die Schultern fein gesenket,
Kühl und süß mein Haupt hier ruht.
Träumet, flüstert, dichtet, denket
Licht und Wort und Fleisch und Blut.
Und nun küss' ich euch zwei Flügel,
Küssend, sagt man, wächst der Flaum,
Jenseits über süße Hügel
Schwebet schon der schwüle Traum.
Ach wenn ich euch doch nicht wüßte
Weiße Lämmchen nahebei,
Wenn ich euch nicht suchen müßte,
Küssen nicht, dann wär' ich frei.
Himmelsschäfchen, süß verschwiegen,
Schwanenbettchen, linder Schaum,
Ach ihr feinen Liebeswiegen
Wieget einen Kindertraum.
Klare, linde Lebensquelle
Becher, Trank und Flut und Brand
Dürstend schmacht ich nach der Welle
Und sie hüpft mir in die Hand.
Und o Liebe, das Geschöpfchen
Mir ans Herz nun selber sinkt,
Wie ein Myrtenreis im Töpfchen,
Das an einer Quelle trinkt.
Süße Hange und Verlange
Süßer, schlanker Schlangenleib
Sei nicht bange, währt nicht lange,
Fliehe Schlange, bleib süß Weib!
Süß Syrene auf der Hüfte
Wiegst du dich am Felsenriff
Selig, wer vorüberschiffte,
Wen der Zauber nicht ergriff.
Tempel auf zwei Säulchen tüchtig
Aller Liebesgötter voll,
O Asyl, bin liebesflüchtig
Weiß wohin ich fliehen soll.
Hätte ich dich selbst beleidigt,
Flöh' zu dir ich, Huldaltar,
Würd' von dir geschützt, verteidigt,
Ja ich weiß es, es ist wahr.
Und nun ruh' ich dir zu Füßen,
Bin ganz krank vor Lust und Weh
Sag süß Lieb, sag darf ich küssen,
Die dich schmerzt die kleine Zeh?
Sieh das Strumpfband dicht voll Küssen!
Nur die trunknen Küsse sahn's,
Schwester braucht das nicht zu wissen
Honny soit, qui mal y pense.
Sag Emilie! laß dich fragen,
Hast du dies mein Glück gesehn?
Hast du's in dein Bett getragen?
– Nein! jetzt will ich schlafen gehn.
Bitte, bitte, ganz vertraulich
Muß mich kämmen, wäschen gehn,
Bin dabei nicht sehr beschaulich,
Tu nicht vor dem Spiegel stehn.
Lieber hast du dir getrieben
Aus mir einen Blumenstrauß,
Hast ihn trunken mir beschrieben
Dichter trag ihn dir nach Haus.
Bitte, bitte, gehen, gehen,
Alles zwar ist mir nicht fremd,
Doch kann ich bei Nacht nicht sehen
Denn am Hälschen schließt das Hemd.
Und weil man mich Turteltäubchen
Leicht nicht unters Häubchen bringt
So vergess' ich im Nachthäubchen
Was zu dichten dir gelingt.
Gehen, gehen, bitte, bitte!
Ach ich weiß nicht, bin's, bin's nicht,
Mein Wachsstöckchen! – liebe Schritte!
Lebe wohl, du letztes Licht.
Noch ein flehendes Umarmen,
Schon die Klingel in der Hand
Und ich flieh' aus Lichtes Armen
In die Nacht, die draußen stand.
Nacht! hast du mein Glück gesehen?
– Nein, doch oft vor dir versteckt,
– Licht am Fenster – Schlafen gehen,
Ausgestreckt und zugedeckt!
Über mich zwar ist's gekommen
Denn dein Glück kam über Nacht,
Hast du's in den Arm genommen
Ist der Traum mit dir erwacht.
Traum! bist du mein Glück gewesen?
Nein sein Bild nur auf Besuch,
Wo dein Glück ist kannst du lesen
Br. Br. Br. im kleinen Buch.
Wenn das Pferdchen toll will springen,
Das die süße Linder trug,
Muß mit Br. Br. Br. sie's zwingen,
Br. Br.
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