Zu Schiff«, hallt laut ihr wildes Schrein.
Durch Hecken, Gräben, Sümpfe und Morast.
Die Hintern hauen auf die Vordern ein
Und werfen von sich Helm und Schildeslast.
16.
Der Lager Tore fassen nicht die Menge.
Die Fliehnden pressen sich an Tores Schwellen.
Die Leiber türmen auf sich zu den Wällen,
Wie eine Woge brausend durch die Enge.
Auf den Erdrückten, die zu tausend fallen,
Stürzt nach die Flucht, hin durch die Lagergassen.
Die Zelte stürzen nieder vor den Massen,
Die wie Lawinen wachsend hin sich ballen.
Die Kranken treten tot sie in den Betten.
Die Fraun und Kinder stößt sie in den Kot.
Nur ein Gedanke: sich zum Schiff zu retten.
Die Menge wälzt herab sich zu dem Strande,
Was in den Weg ihr kommt, das tritt sie tot.
Ins Wasser stürzt sie, wie ein Strom vom Lande.
17.
Die Schiffe gleiten rauschend in die Bucht,
Von hundert Schultern in das Meer geschoben.
Die Menge drängt sich an den Borden oben.
Die Schiffe sinken tief von Last und Wucht.
Die Segel schwanken auf von den Verdecken,
Zu hundert ziehn sie auf sie an den Seilen.
Die Ankerketten kappen sie mit Beilen.
Mit Stangen stoßen ab sie von den Hecken.
Es füllen Raum und Deck sich mit dem Trosse.
Eunuchen, Sklaven, Priester und Soldaten.
Ein Rennen, Schreien, wahnsinnig Gebaren.
Ein Kampf und ziellos Durcheinanderfahren.
Die Elefanten durch die Fluten waten.
Die Schiffe stoßen wütend die Kolosse.
18.
Die Schiffe schwanken vor der Wilden Stoß.
Das Wasser tritt durch Löcher, die sie schlugen.
Die Schiffe krachen schon in allen Fugen.
Die Bänke liegen ihren Stößen bloß.
Die Ruder brechen sie wie trocknes Kraut.
Mit ihren Rüsseln auf das Deck sie langen,
Sich aus den Massen einen Mann zu fangen.
Sie heben hoch ihn und sein Schrein gellt laut.
Man wirft nach ihnen Stricke mit den Schlingen.
Man haut mit Äxten nach den großen Zähnen.
Man wirft Harpunen, und das Meer wird Blut.
Zwei Inder kühn sich von den Borden schwingen.
Sie hauen durch der Hinterfüße Sehnen.
Die Ungeheuer stürzen in die Flut.
19.
Die Schiffe schwimmen durch der Riesen Leichen
Aufs Meer hinaus. Die Segel faßt der Wind.
Sie blähen auf sich, und die Rudrer sind
Im Raum geschäftig, durch die Flut zu streichen.
Das Volk sitzt wie die Fliegen matt im Rumpf,
An Deck, und Mast. Sie schauen vor sich hin.
An nichts zu denken, ist ihr einzger Sinn.
Trübsinnig, krank, verwundet, faul und stumpf.
Die Feldherrn hocken traurig in den Ecken.
Wer grad vorbeigeht, speit sie ins Gesicht.
Sie merken's kaum. Sie denken nur der Speichen
Des Rads, auf das sie bald die Glieder strecken.
Sie brüten, wie den König sie erweichen.
Sie wissen, ach, dem Tod entgehn sie nicht.
20.
Die Griechen halten am befreiten Strand.
Sie sehn die Fahrt der Schiffe vor den Winden,
Sie sehn sie langsam in das Graue schwinden,
Wo Meer und Himmel läuft in eine Wand.
Sie schauen auf, und sehn den Genius thronen
Der Freiheit Hellas' und der Nachwelt Zeiten,
Die Götter sehn sie nach den Hallen schreiten,
Vom Schlachtfeld kehrend, wo im Licht sie wohnen.
Greis, Mann und Knabe halten sich umschlungen,
Vom Glanz geblendet, von den Himmels-Strahlen.
Den Göttern Dank, die Asien bezwungen.
Ein frommes Weihelied entsteigt den Talen,
In tausend Stimmen wird es fortgesungen.
Und Pheidippides bindet die Sandalen.
21.
Der Tag flieht westwärts, und der Abend sinkt.
Von Osten naht die Nacht. Die Sterne steigen
Von Meer und Inseln in dem kühlen Reigen.
Des Meeres Welle leis am Ufer singt.
Die Griechen schlummern traumlos bei den Toten.
Da tut der Grund sich auf: Der Bote winkt
Im Abgrund stehend. Und wie Wolken schwingt
Der Schatten Heer sich auf und folgt dem Boten.
Die Erde schließt sich hinter ihrem Zug.
Sie folgen ihrem stummen Führer blind,
Der Tiefe zu, der trauervolle Spuk.
Durch Schächte lichtlos flattern sie geschwind.
Durch Kluft und Höhlen geht der stumme Flug
Zum Acheron, der kalt und dunkel rinnt.
22.
Viel Kammern, Gänge, Nester, dunkle Orte,
Dem Bienenstock in hohlem Baume gleich,
Sind in der Finsternis, in Hades' Reich.
Die Welle führt sie durch die dunklen Porte.
Sie landen an und treten durch die Pforte
In Hades' Dunkel, in den weiten Saal.
Die Schatten wogen um sie ohne Zahl.
In Reihe treten sie, des Zugs Eskorte.
Die toten Krieger nahen Hades' Throne.
Sie sehn sein Riesenhaupt in Nacht sich heben
Und Wolkenmeere ziehn um seine Krone.
Sie nahn den Höfen, da sie wohnen sollen.
Und scharweis sie durch ihre Tore schweben,
Dem Rauch gleich quellend in die dunklen Stollen.
Der Schläfer im Walde
Seit Morgen ruht er. Da die Sonne rot
Durch Regenwolken seine Wunde traf.
Das Laub tropft langsam noch. Der Wald liegt tot.
Im Baume ruft ein Vögelchen im Schlaf.
Der Tote schläft im ewigen Vergessen,
Umrauscht vom Walde. Und die Würmer singen,
Die in des Schädels Höhle tief sich fressen,
In seine Träume ihn mit Flügelklingen.
Wie süß ist es, zu träumen nach den Leiden
Den Traum, in Licht und Erde zu zerfallen,
Nichts mehr zu sein, von allem abzuscheiden,
Und wie ein Hauch der Nacht hinabzuwallen,
Zum Reich der Schläfer. Zu den Hetairien
Der Toten unten. Zu den hohen Palästen,
Davon die Bilder in dem Strome ziehen,
Zu ihren Tafeln, zu den langen Festen.
Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen,
Wo golden klingen vieler Leiern Saiten.
Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen,
Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten.
Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere,
Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang.
Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre,
Sie kriechen satt die rote Stirn entlang.
Ein Falter kommt die Schlucht herab. Er ruht
Auf Blumen. Und er senkt sich müd
Der Wunde zu, dem großen Kelch von Blut,
Der wie die Sammetrose dunkel glüht.
Wolken
Der Toten Geister seid ihr, die zum Flusse,
Zum überladnen Kahn der Wesenlosen
Der Bote führt. Euer Rufen hallt im Tosen
Des Sturms und in des Regens wildem Gusse.
Des Todes Banner wird im Zug getragen.
Des Heers carroccio führt die Wappentiere.
Und graunhaft weiß erglänzen die Paniere,
Die mit dem Saum die Horizonte schlagen.
Es nahen Mönche, die in Händen bergen
Die Totenlichter in den Prozessionen.
Auf Toter Schultern morsche Särge thronen.
Und Tote sitzen aufrecht in den Särgen.
Ertrunkene kommen. Ungeborner Leichen.
Gehenkte blaugeschnürt. Die Hungers starben
Auf Meeres fernen Inseln. Denen Narben
Des schwarzen Todes umkränzen rings die Weichen.
Es kommen Kinder in dem Zug der Toten,
Die eilend fliehn. Gelähmte vorwärts hasten.
Der Blinden Stäbe nach dem Pfade tasten.
Die Schatten folgen schreiend dem stummen Boten.
Wie sich in Windes Maul des Laubes Tanz
Hindreht, wie Eulen auf dem schwarzen Flug,
So wälzt sich schnell der ungeheure Zug,
Rot überstrahlt von großer Fackeln Glanz.
Auf Schädeln trommeln laut die Musikanten,
Und wie die weißen Segel blähn und knattern,
So blähn der Spieler Hemden sich und flattern.
Es fallen ein im Chore die Verbannten.
Das Lied braust machtvoll hin in seiner Qual,
Vor der die Herzen durch die Rippen glimmen.
Da kommt ein Haufe mit verwesten Stimmen,
Draus ragt ein hohes Kreuz zum Himmel fahl.
Der Kruzifixus ward einhergetragen.
Da hob der Sturm sich in der Toten Volke.
Vom Meere scholl und aus dem Schoß der Wolke
Ein nimmer endend grauenvolles Klagen.
Es wurde dunkel in den grauen Lüften.
Es kam der Tod mit ungeheuren Schwingen.
Es wurde Nacht, da noch die Wolken gingen
Dem Orkus zu, den ungeheuren Grüften.
Berlin 1
Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,
War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge
Unzählig: Menschenströme und Gedränge,
Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.
Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,
Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.
Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.
Automobile, Rauch und Huppenklänge.
Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn
Wir an der langen Straße Baum an Baum,
Der blätterlosen Kronen Filigran.
Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum
Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.
Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum.
Berlin 2
Beteerte Fässer rollten von den Schwellen
Der dunklen Speicher auf die hohen Kähne.
Die Schlepper zogen an. Des Rauches Mähne
Hing rußig nieder auf die öligen Wellen.
Zwei Dampfer kamen mit Musikkapellen.
Den Schornstein kappten sie am Brückenbogen.
Rauch, Ruß, Gestank lag auf den schmutzigen Wogen
Der Gerbereien mit den braunen Fellen.
In allen Brücken, drunter uns die Zille
Hindurchgebracht, ertönten die Signale
Gleichwie in Trommeln wachsend in der Stille.
Wir ließen los und trieben im Kanale
An Gärten langsam hin. In dem Idylle
Sahn wir der Riesenschlote Nachtfanale.
April
Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,
Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.
Zwei große Krähen flattern aufgescheucht
Zu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.
Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,
So ruhn die Berge hinten in dem Blau,
Auf die ein feiner Regen niedergeht,
Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau.
Styx
1.
Die Nebel graun, die keinem Winde weichen.
Die giftigen Dünste schwängern weit das Tal.
Ein blasses Licht scheint in der Toten Reichen,
Wie eines Totenkopfes Auge fahl.
Entsetzlich wälzt sich hin der Phlegeton.
Wie tausend Niagaras hallt sein Brüllen.
Die Klüfte wanken von den Schreien schon,
Die im Orkan die Feuerfluten füllen.
Sie glühn von Qualen weiß. Wie Steine rollen
Den Fluß herab sie in der trüben Glut,
Wie des geborstenen Eises Riesenschollen
So schmettert ihre Leiber hin die Flut.
Sie reiten aufeinander nackt und wild,
Von Zorn und Wollust aufgebläht wie Schwämme.
Ein höllischer Choral im Takte schwillt
Vom Grunde auf bis zu dem Kamm der Dämme.
Auf einem fetten Greise rittlings reitet
Ein nacktes Weib mit schwarzem Flatterhaar.
Und ihren Schoß und ihre Brüste breitet
Sie lüstern aus vor der Verdammten Schar.
Da brüllt der Chor in aufgepeitschter Lust.
Das Echo rollt im roten Katarakt.
Ein riesiger Neger steigt herauf und packt
Den weißen Leib an seine schwarze Brust.
Unzählige Augen sehn den Kampf und trinken
Den Rausch der Gier. Er braust durch das Gewühl,
Da in dem Strom die Liebenden versinken,
Den Göttern gleich im heißen Purpurpfühl.
2.
Des Himmels ewiger Schläfrigkeit entflohen,
Den Spinneweben, die der Cherubim
Erhobene Nasen schon wie Efeu decken,
Dem milden Frieden, der wie Öl so fett,
Ein Bettler, lungert in den Ecken faul,
Dem Tabaksdunst aus den Pastorenpfeifen,
Der Trinität, die bei den Lobgesängen
Von alten Tanten auf dem Sofa schläft,
Dem ganzen großen Armenhospital,
– Verdammten selbst wir uns und kamen her
Auf dieser Insel weite Ödigkeit,
Die wie ein Bootskiel in den Wellen steht,
Um bis zum Ende aller Ewigkeit
Dem ungeheuren Strome zuzuschaun.
Die Ruhigen
Ernst Balcke gewidmet
Ein altes Boot, das in dem stillen Hafen
Am Nachmittag an seiner Kette wiegt.
Die Liebenden, die nach den Küssen schlafen.
Ein Stein, der tief im grünen Brunnen liegt.
Der Pythia Ruhen, das dem Schlummer gleicht
Der hohen Götter nach dem langen Mahl.
Die weiße Kerze, die den Toten bleicht.
Der Wolken Löwenhäupter um ein Tal.
Das Stein gewordene Lächeln eines Blöden.
Verstaubte Krüge, drin noch wohnt der Duft.
Zerbrochne Geigen in dem Kram der Böden.
Vor dem Gewittersturm die träge Luft.
Ein Segel, das vom Horizonte glänzt.
Der Duft der Heiden, der die Bienen führt.
Des Herbstes Gold, das Laub und Stamm bekränzt.
Der Dichter, der des Toren Bosheit spürt.
Bist du nun tot ...
Bist du nun tot? Da hebt die Brust sich noch,
Es war ein Schatten, der darüber fegt,
Der in der ungewissen Dämmrung kroch
Vom Vorhang, der im Nachtwind Falten schlägt.
Wie ist dein Kehlkopf blau, draus ächzend fuhr
Dein leises Stöhnen von der Hände Druck.
Das ist der Würgemale tiefe Spur,
Du nimmst ins Grab sie nun als letzten Schmuck.
Die weißen Brüste schimmern hoch empor,
Indes dein stummes Haupt nach hinten sank,
Das aus dem Haar den Silberkamm verlor.
Bist du das, die ich einst so heiß umschlang?
Bin ich denn der, der einst bei dir geruht
Vor Liebe toll und bittrer Leidenschaft,
Der in dich sank wie in ein Meer von Glut
Und deine Brüste trank wie Traubensaft?
Bin ich denn der, der so voll Zorn gebrannt
Wie einer Höllenfackel Göttlichkeit,
Und deine Kehle wie im Rausch umspannt,
In Hasses ungeheurer Freudigkeit?
Ist das nicht alles nur ein wüster Traum?
Ich bin so ruhig und so fern der Gier.
Die fernen Glocken zittern in dem Raum,
Es ist so still wie in den Kirchen hier.
Wie ist das alles fremd und sonderbar?
Wo bist du nun? Was gibst du Antwort nicht?
– Ihr nackter Leib ist kalt und eisesklar
Im blassen Schein vom blauen Ampellicht. –
Was ließ sie alles auch so stumm geschehn.
Sie wird mir furchtbar, wenn so stumm sie liegt.
O wäre nur ein Tropfen Bluts zu sehn.
Was ist das, hat sie ihren Kopf gewiegt?
Ich will hier fort. – Er stürzt aus dem Gemach.
Der Nachtwind, der im Haar der Toten zischt,
Löst leis es auf. Es weht dem Winde nach,
Gleich schwarzer Flamme, die im Sturm verlischt.
Der Baum
Am Wassergraben, im Wiesenland
Steht ein Eichbaum, alt und zerrissen.
Vom Blitze hohl, und vom Sturm zerbissen.
Nesseln und Dorn umstehn ihn in schwarzer Wand.
Ein Wetter zieht sich gen Abend zusammen.
In die Schwüle ragt er hinauf, blau, vom Wind nicht gerührt.
Von der leeren Blitze Gekränz umschnürt,
Die lautlos über den Himmel flammen.
Ihn umflattert der Schwalben niedriger Schwarm.
Und die Fledermäuse huschenden Flugs,
Um den kahlen Ast, der zuhöchst entwuchs
Blitzverbrannt seinem Haupt, eines Galgens Arm.
Woran denkst du, Baum, in der Wetterstunde
Am Rande der Nacht? An der Schnitter Gered,
In der Mittagsrast, wenn der Krug umgeht,
Und die Sensen im Grase ruhn in der Runde?
Oder denkst du daran, wie in alter Zeit
Einen Mann sie in deine Krone gehenkt,
Wie, den Strick um den Hals, er die Beine verrenkt,
Und die Zunge blau hing aus dem Maule breit?
Wie er da Jahre hing, und den Winter trug,
In dem eisigen Winde tanzte zum Spaß,
Und wie ein Glockenklöppel, den Rost zerfraß,
An den zinnernen Himmel schlug.
Louis Capet
Die Trommeln schallen am Schafott im Kreis,
Das wie ein Sarg steht, schwarz mit Tuch verschlagen.
Darauf steht der Block. Dabei der offene Schragen
Für seinen Leib. Das Fallbeil glitzert weiß.
Von vollen Dächern flattern rot Standarten.
Die Rufer schrein der Fensterplätze Preis.
Im Winter ist es. Doch dem Volk wird heiß,
Es drängt sich murrend vor.
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