Dem Feuer nach,

Das einst gen Argos flog, tritt machtvoll er

Auf Chalkis hin. Darunter rauscht das Meer

Hervor aus grüner Grotten Steingemach.

 

Sein Arm, den er auf Meer und Lande streckt,

Ragt dunkel auf wie eine Feuersbrunst.

Sein Atem füllt das Meer mit schwarzem Dunst,

Des weißes Maul die roten Sohlen leckt.

 

Auf Marathon schleppt seines Mantels Saum,

Ein violetter Streif, wo schon das Horn

Der Muschel stimmt am Strand der Toten vorn

Der Sturmgott laut aus weißer Brandung Schaum.

 

Des Rohres rote Fahnen rührt der Wind

Von seines Fußes Fittich um am Strand

Der fernen Elis, da der Nacht Trabant,

Schildknappe Mond, den dunklen Pfad beginnt.

 

 

Der Blinde

Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun.

Da stört er nicht mit seinen Quälerein.

»Sieh dir den Himmel an!« Er ist allein.

Und seine Augen fangen an zu schaun.

 

Die toten Augen. »O, wo ist er, wie

Ist denn der Himmel? Und wo ist sein Blau?

O Blau, was bist du? Stets nur weich und rauh

Fühlt meine Hand, doch eine Farbe nie.

 

Nie Purpurrot der Meere. Nie das Gold

Des Mittags auf den Feldern, nie den Schein

Der Flamme, nie den Glanz im edlen Stein,

Nie langes Haar, das durch die Kämme rollt.

 

Niemals die Sterne. Wälder nie, nie Lenz

Und seine Rosen. Stets durch Grabesnacht

Und rote Dunkelheit werd ich gebracht

In grauenvollem Fasten und Karenz.«

 

Sein bleicher Kopf steigt wie ein Lilienschaft

Aus magrem Hals. Auf seinem dürren Schlund

Rollt wie ein Ball des Adamsapfels Rund.

Die Augen quellen aus der engen Haft,

 

Ein Paar von weißen Knöpfen. Denn der Strahl

Des weißen Mittags schreckt die Toten nicht.

Der Himmel taucht in das erloschene Licht

Und spiegelt in dem bleiernen Opal.

 

 

Der Tod der Liebenden

Durch hohe Tore wird das Meer gezogen

Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt

Der späte Tag am hellen Himmelsbogen

Und fern hinab des Meeres Weite träumt.

 

»Vergiß der Traurigkeit, die sich verlor

Ins ferne Spiel der Wasser, und der Zeit

Versunkner Tage. Singt der Wind ins Ohr

Dir seine Schwermut, höre nicht sein Leid.

 

Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten

Im Schattenlande werden bald wir wohnen

Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,

In den verborgenen Städten der Dämonen.

 

Dort wird uns Einsamkeit die Lider schließen.

Wir hören nichts in unserer Hallen Räumen,

Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,

Und leisen Wind in den Korallenbäumen.

 

Wir werden immer beieinander bleiben

Im schattenhaften Walde auf dem Grunde.

Die gleiche Woge wird uns dunkel treiben,

Und gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.

 

Der Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,

Er gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich

In seinem Mantel in das dunkle Grab,

Wo viele schlafen schon im stillen Reich.«

 

Des Meeres Seele singt am leeren Kahn.

Er treibt davon, ein Spiel den tauben Winden

In Meeres Einsamkeit. Der Ozean

Türmt fern sich auf zu schwarzer Nacht, der Blinden.

 

In hohen Wogen schweift ein Kormoran

Mit grünen Fittichs dunkler Träumerei.

Darunter ziehn die Toten ihre Bahn.

Wie blasse Blumen treiben sie vorbei.

 

Sie sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund

Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt

Wie eines Adlers Flug, der von dem Sund

Ins Abendmeer die blaue Schwinge hebt.

 

 

Die Professoren

Zu vieren sitzen sie am grünen Tische,

Verschanzt in seines Daches hohe Kanten.

Kahlköpfig hocken sie in den Folianten,

Wie auf dem Aas die alten Tintenfische.

 

Manchmal erscheinen Hände, die bedreckten

Mit Tintenschwärze. Ihre Lippen fliegen

Oft lautlos auf. Und ihre Zungen wiegen

Wie rote Rüssel über den Pandekten.

 

Sie scheinen manchmal ferne zu verschwimmen,

Wie Schatten in der weißgetünchten Wand.

Dann klingen wie von weitem ihre Stimmen.

 

Doch plötzlich wächst ihr Maul. Ein weißer Sturm

Von Geifer. Stille dann. Und auf dem Rand

Wiegt sich der Paragraph, ein grüner Wurm.

 

 

Der Hunger

Er fuhr in einen Hund, dem groß er sperrt

Das rote Maul. Die blaue Zunge wirft

Sich lang heraus. Er wälzt im Staub. Er schlürft

Verwelktes Gras, das er dem Sand entzerrt.

 

Sein leerer Schlund ist wie ein großes Tor,

Drin Feuer sickert, langsam, tropfenweis,

Das ihm den Bauch verbrennt. Dann wäscht mit Eis

Ihm eine Hand das heiße Speiserohr.

 

Er wankt durch Dampf Die Sonne ist ein Fleck,

Ein rotes Ofentor. Ein grüner Halbmond führt

Vor seinen Augen Tänze. Er ist weg.

 

Ein schwarzes Loch gähnt, draus die Kälte stiert.

Er fällt hinab, und fühlt noch, wie der Schreck

Mit Eisenfäusten seine Gurgel schnürt.

 

 

Ophelia

1.

Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten,

Und die beringten Hände auf der Flut

Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten

Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.

 

Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt,

Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein.

Warum sie starb? Warum sie so allein

Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?

 

Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht

Wie eine Hand die Fledermäuse auf.

Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht

Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,

 

Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal

Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint

Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint

Das Laub auf sie und ihre stumme Qual.

2.

 

Korn.