Des Tages roter Rost

Bedeckt den Westen. Trübe in dem Blau

Zittert ein Stern im bittern Winterfrost.

 

Und ein paar Bäume stehn den Weg entlang

Im halben Licht verkrüppelt und beleibt.

Wie schwarz aus einer Stirn gekrümmt und krank

Ein starkes Horn steht und nach oben treibt.

 

 

Der fliegende Holländer

1.

Wie Feuerregen füllt den Ozean

Der schwarze Gram. Die großen Wogen türmt

Der Südwind auf, der in die Segel stürmt,

Die schwarz und riesig flattern im Orkan.

 

Ein Vogel fliegt voraus. Sein langes Haar

Sträubt von den Winden um das Haupt ihm groß.

Der Wasser Dunkelheit, die meilenlos,

Umarmt er riesig mit dem Schwingenpaar.

 

Vorbei an China, wo das gelbe Meer

Die Drachendschunken vor den Städten wiegt,

Wo Feuerwerk die Himmel überfliegt

Und Trommeln schlagen um die Tempel her.

 

Der Regen jagt, der spärlich niedertropft

Auf seinen Mantel, der im Sturme bläht.

Im Mast, der hinter seinem Rücken steht,

Hört er die Totenuhr, die ruhlos klopft.

 

Die Larve einer toten Ewigkeit

Hat sein Gesicht mit Leere übereist.

Dürr, wie ein Wald, durch den ein Feuer reist.

Wie trüber Staub umflackert es die Zeit.

 

Die Jahre graben sich der Stirne ein,

Die wie ein alter Baum die Borke trägt.

Sein weißes Haar, das Wintersturmwind fegt,

Steht wie ein Feuer um der Schläfen Stein.

 

Die Schiffer an den Rudern sind verdorrt,

Als Mumien schlafen sie auf ihrer Bank.

Und ihre Hände sind wie Wurzeln lang

Hereingewachsen in den morschen Bord.

 

Ihr Schifferzopf wand sich wie ein Barett

Um ihren Kopf herum, der schwankt im Wind.

Und auf den Hälsen, die wie Röhren sind,

Hängt jedem noch ein großes Amulett.

 

Er ruft sie an, sie hören nimmermehr.

Der Herbst hat Moos in ihrem Ohr gepflanzt,

Das grünlich hängt und in dem Winde tanzt

Um ihre welken Backen hin und her.

2.

 

Dich grüßt der Dichter, düsteres Phantom,

Den durch die Nacht der Liebe Schatten führt,

Im unterirdisch ungeheuern Dom,

Wo schwarzer Sturm die Kirchenlampe schürt,

 

Die lautlos flackert, ein zerstörtes Herz,

Von Qual durchlöchert, und die Trauer krankt

Im Tode noch in seinem schwarzen Erz.

An langen Ketten zittert es und schwankt.

 

Sein roter Schein flammt über Gräber hin.

An dem Altare kniet ein Ministrant,

Zwei Dolche in der offnen Brust. Darin

Noch schwelt und steigt trostloser Liebe Brand.

 

Durch schwarze Stollen flattert das Gespenst.

Er folgt ihm blind, wo schwarze Schatten fliehn,

Den Mond an seiner Stirn, der trübe glänzt,

Und Stimmen hört er, die vorüberziehn

 

Im hohlen Grund, der von den Qualen schwillt,

Mit dumpfem Laut. Ein ferner Wasserfall

Pocht an der Wand, und bittre Trauer füllt

Wie ein Orkan der langen Treppen Fall.

 

Fern kommt ein Zug von Fackeln durch ein Tor,

Ein Sarg, der auf der Träger Schultern bebt

Und langsam durch den langen Korridor

In trauriger Musik vorüberschwebt.

 

Wer ruht darin? Wer starb? Der matte Ton

Der Flöten wandert durch die Gänge fort.

Ein dunkles Echo ruft er noch, wo schon

Die Stille hockt an dem versunknen Ort.

 

Das Grau der Mitternacht wird kaum bedeckt

Von einer gelben Kerze, und es saust

Der Wind die Gänge fort, der bellend schreckt

Den Staub der Grüfte auf, der unten haust.

 

Maßlose Traurigkeit. In Nacht allein

Verirrt der Wandrer durch den hohen Flur,

Wo oben in der dunklen Wölbung Stein

Gestirne fliehn in magischer Figur.

Die Heimat der Toten

 

1.

Der Wintermorgen dämmert spät herauf.

Sein gelber Turban hebt sich auf den Rand

Durch dünne Pappeln, die im schnellen Lauf

Vor seinem Haupte ziehn ein schwarzes Band.

 

Das Rohr der Seen saust. Der Winde Pfad

Durchwühlt es mit dem ersten Lichte grell.

Der Nordsturm steht im Feld wie ein Soldat

Und wirbelt laut auf seinem Trommelfell.

 

Ein Knochenarm schwingt eine Glocke laut.

Die Straße kommt der Tod, der Schifferknecht.

Um seine gelben Pferdezähne staut

Des weißen Bartes spärliches Geflecht.

 

Ein altes totes Weib mit starkem Bauch,

Das einen kleinen Kinderleichnam trägt.

Er zieht die Brust wie einen Gummischlauch,

Die ohne Milch und welk herunterschlägt.

 

Ein paar Geköpfte, die vom kalten Stein

Im Dunkel er aus ihren Ketten las.

Den Kopf im Arm. Im Eis den Morgenschein,

Das ihren Hals befror mit rotem Glas.

 

Durch klaren Morgen und den Wintertag

Mit seiner Bläue, wo wie Rosenduft

Von gelben Rosen, über Feld und Hag

Die Sonne wiegt in träumerischer Luft.

 

Ein alter Schädel flattert aus der Gruft,

Mit einem feuerroten Haar beschwingt,

Das um sein Kinn, hoch oben in der Luft,

Der Wind zu feuriger Krawatte schlingt.

 

Die leere Grube lacht aus schwarzem Mund

Sie freundlich an. Die Leichen fallen um

Und stürzen in den aufgerissenen Schlund.

Des Grabes Platte überschließt sie stumm.

2.

 

Die Lider übereist, das Ohr verstopft

Vom Staub der Jahre, ruht ihr eure Zeit.

Nur manchmal ruft euch noch ein Traum, der klopft

Von fern an eure tote Ewigkeit,

 

In einem Himmel, der wie Schnee so fahl

Und von dem Zug der Jahre schon versteint.

Auf eurem eingefallenen Totenmal

Wird eine Lilie stehn, die euch beweint.

 

Der Märznacht Sturm wird euren Schlaf betaun.

Der große Mond, der in dem Osten dampft,

Wird tief in eure leeren Augen schaun,

Darin ein großer, weißer Wurm sich krampft.

 

So schlaft ihr fort, vom Flötenspiel gewiegt

Der Einsamkeit, im späten Weltentod,

Da über euch ein großer Vogel fliegt

Mit schwarzem Flug ins gelbe Abendrot.

 

Des goldenen Tages Brücke spannt sich weit

Und tönt wie einer großen Leier Ton.

Die Pappeln rauschen mit dem Trauerkleid

Die Straße fort, wo weit der Abend schon

 

Mit Silberbächen überschwemmt das Land,

Und grenzenlos die ferne Weite brennt.

Die Dämmerung steigt wie ein dunkler Brand

Den Zug entlang, der in die Himmel rennt.

 

Ein Totenhain, und Lorbeer, Baum an Baum,

Wie grüne Flammen, die der Wind bewegt.

Sie flackern riesig in den Himmelsraum,

Wo schon ein blasser Stern die Flügel schlägt.

 

Wie große Gänse auf dem Säulenschaft

Sitzt der Vampire Volk und friert im Frost.

Sie prüfen ihrer Eisenkrallen Kraft

Und ihre Schnäbel an der Kreuze Rost.

 

Der Efeu grüßt die Toten an dem Tor,

Die bunten Kränze winken von der Wand.

Der Tod schließt auf. Sie treten schüchtern vor,

Verlegen drehend die Köpfe in der Hand.

 

Der Tod tritt an ein Grab und bläst hinein.

Da fliegen Schädel aus der Erde Schoß

Wie große Wolken aus dem Leichenschrein,

Die Bärte tragen rund von grünem Moos.

Schwarze Visionen

 

An eine imaginäre Geliebte

 

1.

Du ruhst im Dunkel trauriger Askesen

In deinem weißen Tuch, ein Eremit,

Und deine Locken, die in Nacht verwesen,

Bedecken tief dein eingesunknes Lid.

 

Auf deinen Lippen gruben sich die Male

Der toten Küsse schon in Trichtern ein.

Die ersten Würmer tanzen um das fahle

Vom Grubenwasser bleiche Schläfenbein.

 

Wie Ärzte stechen lang sie die Pinzette

Der Rüssel, die im Fleische Wurzel schlägt.

Du jagst sie nicht von deinem Totenbette,

Du bist verflucht, zu leiden unbewegt.

 

Des schwarzen Himmels große Grabesglocke

Dreht trüb sich rund um deine Winterzeit.

Und es erstickt der Schneefall, dicke Flocke,

Was unten in den Gräbern weint und schreit.

2.

 

Der großen Städte nächtliche Emporen

Stehn rings am Rand, wie gelbe Brände weit.

Und mit der Fackel scheucht aus ihren Toren

Der Tod die Toten in die Dunkelheit.

 

Sie fahren aus wie großer Rauch und schwirren

Mit leisen Klagen durch das Distelfeld.

Am Kreuzweg hocken sie zuhauf und irren

Den Heimatlosen gleich in schwarzer Welt.

 

Sie schaun zurück von einem kahlen Baume,

Auf den der Wind sie warf. Doch ihre Stadt

Ist zu für sie. Und in dem leeren Raume

Treibt Sturm sie um den Baum, wie Vögel matt.

 

Wo ist die Totenstadt? Sie wollen schlafen.

Da tut sich auf im ernsten Abendrot

Die Unterwelt, der stillen Städte Hafen,

Wo schwarze Segel ziehen, Boot an Boot.

 

Und schwarze Fahnen wehn die langen Gassen

Der ausgestorbnen Städte, die verstummt

Im Fluch von weißen Himmeln und verlassen,

Wo ewig eine stumpfe Glocke brummt.

 

Die schwarzen Brücken werfen ungeheuer

Die Abendschatten auf den dunklen Strom.

Und riesiger Lagunen rotes Feuer

Verbrennt die Luft mit purpurnem Arom.

 

Kanäle alle, die die Stadt durchschwimmen,

Sind von den Lilienwäldern sanft umsäumt.

Am Bug der Kähne, wo die Lampen glimmen,

Stehn groß die Schiffer, und der Abend träumt

 

Wie zarte goldene Kronen um die Stirnen.

Der tiefen Augen dunkler Edelstein

Umschließt des hohen Himmels blasse Firnen,

Wo weidet schon der Mond im grünen Schein.

 

Die Toten schaun aus ihrem Winterbaume

Den Schläfern zu in ihrem sanften Reich.

Und das Verlangen faßt sie nach dem Saume

Des roten Himmels und dem Abend weich.

 

Da stürzt sie Hermes, der die Nacht erschüttert

Mit starkem Flug, ein bläulicher Komet,

Den Grund herab, der meilentief erzittert,

Da singend ihn der Toten Zug durchweht.

 

Sie nahn den Städten, da sie wohnen sollen,

Draus goldne Winde gehn im Abendflug.

Der Tore Amethyst im tiefen Stollen

Küßt ihrer Reiherschwingen langer Zug.

 

Die Silberstädte, die im Monde glühen,

Umarmen sie mit ihres Sommers Pracht,

Wo schon im Ost wie große Rosen blühen

Die Morgenröten in die Mitternacht.

3.

 

Sie grüßen dich in deinem schwarzen Sarge

Und flattern über dich wie Frühlingswind.

Wie Nachtigallen rühren sie das karge,

Wachsbleiche Haupt mit ihren Klagen lind.

 

Mit Sammethänden wollen sie dich grüßen

Von meiner Qual. Und wie ein Weinblatt rot,

So taumeln ihre Küsse dir zu Füßen,

Und ziehn wie Tauben sanft um deinen Tod.

 

Sie schwingen über dir die Fackelbrände,

Die furchtbar wecken auf die schwarze Nacht.

Sie geben dir in deine weißen Hände

Tränen von Stein, die ich dir dargebracht.

 

Sie laden Düfte aus den Duft-Amphoren

Und überschütten dich mit Ambra ganz.

Dein schwarzes Haar steht auf, an Himmels Toren,

Wie eines Sterngewölkes dünner Glanz.

 

Sie werden große Pyramiden bauen,

Darauf sie türmen deinen schwarzen Schrein.

Dann wirst du in die wilde Sonne schauen,

Die in dein Blut stürzt wie ein dunkler Wein.

4.

 

Die Sonne, die mit Blumen sich beleuchtet,

Stößt wie ein Aar zu deinen Häupten weit,

Und ihrer Purpurlippen Traum befeuchtet

Mit Tränentau dein weißes Totenkleid.

 

Dann nimmst dein Herz du aus den weißen Brüsten

Und zeigst es rings dem stillen Heiligtum.

Und deine stolze Flamme rührt die Küsten

Des Himmels an, die werfen deinen Ruhm

 

Ins Meer der Toten aus wie starke Wellen.

Die großen Schiffe schwimmen um dich her,

Um deinen Turm, und ihre Lieder schwellen

Wie Abendwolken sanft vom großen Meer.

 

Und was ich dir in meinen Träumen sage,

Das schrein die Priester aus mit Tuba-Ton.

Der Meere dunkle Buchten füllt die Klage

Um dich wie Schilfrohr sanft und schwarzer Mohn.

 

5.

 

Getrübt bescheint der Mond die stumme Fläche,

Wie ein Korund, der tief im Grunde glüht.

In deiner Locken dunkle Flammenbäche

Verliebt, verweilt er auf den Städten müd.

 

Dann kommen alle Toten aus den Grüften

Und ziehn um dich in langer Prozession.

Von rosa Glase flattern in den Lüften

Die Schatten, die von innern Flammen lohn.

6.

 

Du zogst voraus nach dem geheimen Reiche.

Ich folge dir dereinst, du Trauerbild,

Und halte ewig deine Hand, die bleiche,

Die meiner Küsse blasse Lilie füllt.

 

Dann überschwemmen lange Ewigkeiten

Der Himmel Mauern und das tote Land,

Die, große Schatten, in den Westen schreiten,

Wo ehern ruht der Horizonte Wand.

Columbus

 

12. Oktober 1492

 

Nicht mehr die Salzluft, nicht die öden Meere,

Drauf Winde stürmen hin mit schwarzem Schall.

Nicht mehr der großen Horizonte Leere,

Draus langsam kroch des runden Mondes Ball.

 

Schon fliegen große Vögel auf den Wassern

Mit wunderbarem Fittich blau beschwingt.

Und weiße Riesenschwäne mit dem blassern

Gefieder sanft, das süß wie Harfen klingt.

 

Schon tauchen andre Sterne auf in Chören,

Die stumm wie Fische an dem Himmel ziehn.

Die müden Schiffer schlafen, die betören

Die Winde, schwer von brennendem Jasmin.

 

Am Bugspriet vorne träumt der Genueser

In Nacht hinaus, wo ihm zu Füßen blähn

Im grünen Wasser Blumen, dünn wie Gläser,

Und tief im Grund die weißen Orchideen.

 

Im Nachtgewölke spiegeln große Städte,

Fern, weit, in goldnen Himmeln wolkenlos,

Und wie ein Traum versunkner Abendröte

Die goldnen Tempeldächer Mexikos.

 

Das Wolkenspiel versinkt im Meer. Doch ferne

Zittert ein Licht im Wasser weiß empor.

Ein kleines Feuer, zart gleich einem Sterne.

Dort schlummert noch in Frieden Salvador.

 

 

Verfluchung der Städte 5

Ihr seid verflucht. Doch eure Süße blüht

Wie eines herben Kusses dunkle Frucht,

Wenn Abend warm um eure Türme sprüht,

Und weit hinab der langen Gassen Flucht.

 

Dann zittern alle Glocken allzumal

In ihrem Dach, wie Sonnenblumen welk.

Und weit wie Kreuze wächst in goldner Qual

Der hohen Galgen düsteres Gebälk.

 

Die Toten schaukeln zu den Glockenklängen

Im Wind, der ihre schwarzen Leichen schwenkt,

Wie Fledermäuse, die im Baume hängen,

Die Toten, die der Abend übersengt.

 

Und wie ein Meer von Flammen ragt die Stadt

Wo noch der West wie rotes Eisen glänzt,

In den die Sonne, wie ein Stierhaupt glatt,

Die Hörner streckt, (die dunkles) Blut bekränzt.

 

 

Die blinden Frauen

Die Blinden gehn mit ihren Wärterinnen,

Schwarze Kolosse, Moloche aus Ton,

Die Sklaven vorwärts ziehn. Und sie beginnen

Ein Blindenlied mit lang gezogenem Ton.

 

Sie ziehn wie Chöre auf mit starkem Schritte,

Im Eisenhimmel, der sie kalt umspannt.

Der Wind türmt auf der großen Schädel Mitte

Ihr graues Haar wie einen Aschenbrand.

 

Sie tasten sich an ihrem großen Stabe

Die lange Straße auf zu ihrem Kamm.

Auf ihrer ungeheuren Stirnen Grabe

Brennt eines dunklen Gottes Pentagramm.

 

Der Abend hängt wie eine Feuertonne

Am Horizont auf einem Pappelbaum.

Der Blinden Arme stechen in die Sonne

Wie Kreuze schwarz am frohen Himmelssaum.

 

 

Das infernalische Abendmahl

1.

Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich,

Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast,

Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich,

Ihr, deren Auge Kummer schon verglast,

 

Ihr, denen auf der jungen Schläfe brennt

Wie Aussatz schon das große Totenmal,

Tretet heran, empfangt das Sakrament

Verfluchter Hostien in dem Haus der Qual.

 

Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß,

Darüber wallet der Verfluchten Schar.

Und dunkel grüßt euch groß der Portikus,

Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar,

 

Den tausend Kerzen schmücken, die von Blut

Und Fett der Ungebornen sind gedreht.

Wo Knochen hängen, und der rote Sud

Teuflischen Weihrauchs euch entgegenweht.

 

Wo Priester in der höllischen Soutane

In Reihen knien, zu hellem Meßgeläut,

Wo von den Kanzeln Fahne über Fahne

Wie rote Höllenflamme euch bedräut.

 

Ein nackter Abt bläht vor dem Götterbild

Den feisten Bauch, da er die Messe singt.

Er greift den Kelch, mit rotem Blut gefüllt,

Den hoch er auf das Haupt der Menge schwingt.

 

»Trinket mein Blut.« Er trinkt den Becher leer,

Der in sein Herz wie rote Lava quillt.

Sein Gaumen leuchtet wie ein rotes Meer,

Der von dem Glanz des Götterblutes schwillt.

 

Auf euren Schläfen, wo der Horst der Qual,

Die schwarze Bastion der Hölle droht,

Springt eine Flamme auf, die spitz und schmal

Wie der Skorpione schwarze Zunge loht.

 

Nachtschwarze Wolken drängen in den Dom

Voll Sturm und Blitzen durch das große Tor.

Ein Wetter tost. Im schwarzen Regenstrom

Versinkt der Orgel Ton im fernen Chor.

 

Die Gräber springen auf. Der Toten Hand

Streckt weiß und kalt die Knochenfinger aus.

Sie winken euch aus ihrem dunklen Land.

Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus.

 

Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braust

Tief unten über einen Wasserfall.

Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saust

Voll ungeheurer Stürme weitem Hall.

 

Die Höllensöhne fahren ihn herab

Mit schwarzem Takelwerk durch den Typhon.

Sie schauen singend in das weite Grab

Vom Totenkopfe ihrer Schiffs-Galion.

2.

 

Hoch wo das Dunkel seine Schatten türmt

Durch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual,

Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt,

Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl.

 

Die weiten Kirchen füllt der Sphären Traum

Voll Schweigen, das wie leise Harfen klingt,

Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum,

Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt.

 

Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht,

Sein Blut ist, wie der Wein, langsam und schwer.

Auf seiner Lippen dunkelroter Bucht

Wiegt blaue Glut von fernem Sommermeer.

 

Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart,

Wie eines jungen Sternes goldne Nacht,

Zittert sein Mund, in seinem goldnen Bart,

Wie Chrysolith in einem tiefen Schacht.

 

Tretet heran. Wie einer Schlange Haut

So kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid,

Wie Abendrot so sanft, das übergraut

Brennender Liebe wildes Herzeleid.

 

Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum,

Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron,

Wie Schläfer traurig, denen floh zum Saum

Des blassen Morgens ihre Vision.

 

Tiefer als tausend leere Himmel tief

Ist seine Schwermut, wie die Hölle schön,

Wo in den roten Abgrund sich verlief

Ein bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn.

 

Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht,

Schauet die Flamme, die sein Haupt umloht,

Und doppelhörnig in der düstren Pracht

Aus seinem Lockenwald ins Dunkel droht.

 

Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die Schrift

Der Kabbalisten brennt durch Dunkelheit,

Ein Eiland, dem ‹vorbei› ein Segler schifft,

Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit.

 

Sein Leib trägt eines Schattenwaldes Duft,

Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn,

Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft

Nachdenklich geht in weißem Hermelin.

 

Tretet heran, entflammt von seinem Gram.

Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis,

Der über tausend Paradiese kam,

Voll Duft, der jeden Kummer weiß.

 

Er lächelt, seht. Und eurer Seele Bild

Wird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt,

Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt,

Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt.

 

Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt,

Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar.

Der große Adler seines Schweigens senkt

Auf eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar.

 

Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streift

Euch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind,

Darauf des falschen Kusses Blume reift,

Wie Mehltau giftig, gelb wie Hyazinth.

 

Luna 1

Den blutrot dort der Horizont gebiert,

Der aus der Hölle großen Schlünden steigt,

Sein Purpurhaupt mit Wolken schwarz verziert,

Wie um der Götter Stirn Akanthus schweigt,

 

Er setzt den großen goldnen Fuß voran

Und spannt die breite Brust wie ein Athlet,

Und wie ein Partherfürst zieht er bergan,

Der Schläfe goldenes Gelock umweht.

 

Hoch über Sardes und der schwarzen Nacht,

Auf Silbertürmen und der Zinnen Meer,

Wo mit Posaunen schon der Wächter wacht,

Der ruft vom Pontos bald den Morgen her.

 

Zu seinem Fuße schlummert Asia weit,

Ein blauer Schatten, unterm Ararat

Des Schneehaupt schimmert durch die Einsamkeit,

Bis wo Arabia in das weiche Bad

 

Der Meere mit den weißen Füßen steigt,

Und fern im Süden, wie ein großer Schwan,

Sein Haupt der Sirius auf die Wasser neigt

[Und singend schwimmt hinab den Ozean.]

 

Mit großen Brücken, blau wie blanker Stahl,

Mit Mauern weiß wie Marmor ruhet aus

Die große Ninive im schwarzen Tal,

Nur wenig Fackeln werfen noch hinaus

 

Ihr Licht, wie Speere weit, wo dunkel braust

Der Euphrat, der sein Haupt in Wüsten taucht.

Die Große ruht, um ihre Stirne saust

Ein Schwarm von Träumen, die vom Wein noch raucht.

 

Hoch auf der Kuppel, auf dem dunklen Strom

Belauscht allein der bösen Sterne Bahn

In weißem Faltenkleid ein Astronom,

Der neigt sein Szepter dem [Aldebaran],

 

Der mit dem Monde kämpft um weißern Glanz,

Wo ewig strahlt die ‹Nacht›, und ferne stehn

Am Wüstenrand, im blauen Lichte ganz

Einsame Brunnen, und im Winde wehn

 

Ölwälder fern um leere Tempel lind,

Ein See von Silber, und in schmaler Schlucht

Uralter Berge tief im Grunde rinnt

Ein Wasser sanft um dunkler Ulmen Bucht.

 

Der Frühling 5

Er stirbt am Waldrand. Mit verhaltnem Laut

Klagt schon sein Schatten an des Hades Tor.

Der Kranz von Lattich, den sein Haupt verlor,

Fiel unter Disteln und das Schierlingskraut.

 

Den Pfeil im Hals, verschüttet er sein Blut,

Das schwarze Faunsblut in den grünen Grund

Der abendlichen Halde aus dem Mund

Drauf schon der Tod, ein schwarzer Falter, ruht.

 

Der Himmel Thrakiens glänzt im Abend grün,

Ein Silberleuchter seinem Sterbeschrei,

Auf fernen Bergen, wo die Eichen glühn.

 

Tief unter ihm verblaßt die weite Bai,

Darüber hoch die weißen Wolken ziehn,

Und fern ein Purpursegel schwimmt vorbei.

 

 

Die Irren 1

Papierne Kronen zieren sie. Sie tragen

Holzstöcke aufrecht auf den spitzen Knien.

Und ihre langen, weißen Hemden schlagen

Um ihren Bauch wie Königshermelin.

 

Ein Volk von Christussen, das leise schwebt

Wie große Schmetterlinge durch die Gänge,

Und das wie große Lilien rankt und klebt

Um ihres Käfigs schmerzliches Gestänge.

 

Der Abend tritt herein mit roten Sohlen,

Zwei Lichtern gleich entbrennt sein goldner Bart.

In dunklen Winkeln hocken sie verstohlen

Wie Kinder einst, in Dämmerung geschart.

 

Er leuchtet tief hinein in alle Ecken,

Aus allen Zellen grüßt ihn Lachen froh,

Wenn sie die roten, feisten Zungen blecken

Hinauf zu ihm aus ihres Lagers Stroh.

 

Dann kriechen sie wie Mäuse eng zusammen

Und schlafen unter leisem Singen ein.

Des fernen Abendrotes rote Flammen

Verglühen sanft auf ihrer Schläfen Pein.

 

Auf ihrem Schlummer kreist der blaue Mond,

Der langsam durch die stillen Säle fliegt.

Ihr Mund ist schmal, darauf ein Lächeln thront,

Das sich, wie Lotos weiß, im Schatten wiegt.

 

Bis leise Stimmen tief im Dunkel singen

Vor ihrer Herzen Purpur-Baldachin,

Und aus dem Äthermeer auf roten Schwingen

Träume, wie Sonnen groß, ihr Blut durchziehn.

 

 

Die Irren 2

Der Tod zeigt seine weiße Leichenhaut

Vor ihrer Kerkerfenster Arsenal.

Das schwarze Dunkel schleicht in trübem Laut

Geborstner Flöten durch der Nächte Qual.

 

Und weiße Hände strecken sich und klingen

Aus langen Ärmeln in der Säle Tor.

Um ihre Häupter wehen schwarze Schwingen,

Rauchende Fackeln wie ein Trauerflor.

 

Bebändert stürzt ein Mar durch ihre Betten,

Der ihre Köpfe schlagend, sie erschreckt.

Wie gelbe Schlangen auf verrufnen Stätten,

So wiegt ihr fahles Haupt, von Nacht bedeckt.

 

Ein Schrei. Ein Paukenschall.