Ein wildes Brüllen,

Des Echo dumpf in dunkler Nacht verlischt.

Gespenster sitzen um sie her und knüllen

Den Hals wie Stroh. Ihr weißer Atem zischt.

 

Ihr Haar wird bleich, und feucht vor kaltem Grauen.

Sie fühlen Hammerschlag in ihrer Stirn,

Und große Nägel spitz in Geierklauen,

Die langsam treiben tief in ihr Gehirn.

 

 

Die Irren 5: Die Somnambulen

Schon braust die Mitternacht. Mit langem Haar

In weiße Tücher feierlich gehüllt

Zieht schwankend auf der Somnambulen Schar,

Wie Rauch so weiß, der weit den Himmel füllt.

 

Aus allen Dächern steigen sie herauf,

Irrlichtern gleich auf einem schwarzen Sumpf.

Sie tanzen auf der Wetterfahnen Knauf,

Mit irren Lächelns fröhlichem Triumph.

 

Sie schlagen Zimbeln in der leichten Hand

Und irren singend in der grünen Luft.

Vor ihren Brüsten zittert ihr Gewand,

Die wild den Mond berauschen, süß, voll Duft.

 

Sie kitzeln ihn mit ihren zarten Händen

Und zwicken leicht ihn in das gelbe Ohr.

Sie wiegen sich in ihren magern Lenden

Im Tanzschritt hin, ein weißer Trauerchor.

 

Sie fliegen durch die Nacht wie Wolken leise

Hoch über spitzer Berge blauem Grat

Hinauf zu ihm auf ihrer leichten Reise

Zu einem Wiegenlied an Abgrunds Pfad.

 

Der Mond umfängt sie sanft mit Spinnenarm.

Ihr Haupt wird von dem Kusse weiß gemalt.

Sie ruhn an ihres Bräutigams Herzen warm,

Der tief durch ihre dünne Rippe strahlt.

 

 

Die Irren

Variation

 

Ein Königreich. Provinzen roter Wiesen.

Ein Wärter, eine Peitsche, eine Kette.

So klappern wir in Nessel, Dorn und Klette

Durch wilder Himmel schreckliche Devisen,

 

Die uns bedrohn mit den gezackten Flammen,

Mit großer Hieroglyphen roter Schrift.

Und unsrer Schlangenadern blaues Gift

Zieht krampfhaft sich in unserm Kopf zusammen.

 

Daß tausend Disteln unsere Beine schlagen,

Daß manchen Regenwürmchens Köpfchen knackt,

Zu unseres wilden Volks Bacchanten-Takt,

Wir hören's ferne nur in unsere Klagen.

 

Ein gläsern leichter Fuß ward uns gegeben,

Und Scharlachflügel wächst aus unserm Rücken.

So tanzen wir zum Krach der Scherben-Stücken,

Durch lauter Unrat feierlich zu schweben.

 

Welch göttlich schönes Spiel. Ein Meer von Feuer.

Der ganze Himmel brennt. Wir sind allein,

Halbgötter wir. Und unser haarig Bein

Springt nackt auf altem Steine im Gemäuer.

 

Verfallner Ort, versunken tief im Schutte,

Wo wie ein Königshaupt der Ginster schwankt,

Des goldner Arm nach unsern Knöcheln langt

Und lüstern fährt herauf in unsrer Kutte.

 

Wo eine alte Weide, dürr und stumm,

Mit Talismanen ihren Bauch behängt,

Vor unsrer Göttlichkeit die Arme senkt,

Und uns beschielt mit Augen, weiß und krumm.

 

Aus ihrem Loch springt eine alte Maus,

Verrückt wie wir. Ein goldner Schnabel blinkt

Am Himmelsrand. Ein leises Lied erklingt,

Ein Schwan zieht in das Feuer uns voraus.

 

O süßer Sterbeton, den wir geschlürft.

Breitschwingig flattert er im goldnen West,

Wo hoher Pappeln zitterndes Geäst

Auf unsere Stirnen Gitterschatten wirft.

 

Die Sonne sinkt auf dunkelroter Bahn,

In einer Wetterwolke klemmt sie fest.

Macht schnell und reißt aus seinem schwarzen Nest

Mit Zangen aus den goldnen Wolken-Zahn.

 

Hui. Er ist fort. Der dunkle Himmel sinkt

Voll Zorn herab in einen schwarzen Teich,

Des Abgrund droht, mit fahlen Wolken bleich,

Unheimlich, eine Nacht, die Unheil bringt.

 

Und eine Leiche wohnt im tiefen Grund,

Um die ein Aale-Volk geschmeidig hüpft.

Uralt, ein Fisch, der ein zum Ohre schlüpft

Und wieder ausfährt aus dem offnen Mund.

 

Ein Unke ruft. Ein blauer Wiedehopf

Meckert wie eine Ziege in dem Sumpf. –

Was werden eure Stirnen klein und dumpf,

Was sträubt sich euch der graue Narren-Schopf?

 

Ihr wollet Fürsten sein? Ich sehe Bestien nur,

Die weit die Nacht erschrecken mit Gebell.

Was flieht ihr mich? Die Arme flattern schnell,

Wie Gänsen an dem Messer der Tortur.

 

Ich bin allein im stummen Wetterland,

Ich, der Jerusalem vom Kreuz geschaut,

Jesus dereinst. Der nun den Brotranft kaut,

Den er im Staub verlorner Winkel fand.

 

 

Kata

Ein roter Donner. Und die Sonne tost,

Ein Purpurdrachen. Sein gezackter Schwanz

Peitscht hoch herauf der weiten Himmel Glanz,

Der Eichen Horizont, drin Flamme glost.

 

Der großen Babel weiße Marmorwand,

Und riesiger Pagoden goldnen Stein

Zerschmettert fast der ungeheure Schein,

Mit lauten Beilen eine Feuerhand.

 

Musik, Musik. Ein göttlicher Choral.

Das offne Maul der Sonne stimmt ihn an,

Das Echo dröhnt vom weiten Himmelssaal.

 

Und ruft hervor der dunklen Nacht Tyrann,

Den Mond, Tetrarchen, der im Wolkental

Schon seltsam lenkt das fahle Viergespann.

 

 

Deine Wimpern, die langen

An Hildegard K.

 

Deine Wimpern, die langen,

Deiner Augen dunkele Wasser,

Laß mich tauchen darein,

Laß mich zur Tiefe gehn.

 

Steigt der Bergmann zum Schacht

Und schwankt seine trübe Lampe

Über der Erze Tor,

Hoch an der Schattenwand,

 

Sieh, ich steige hinab,

In deinem Schoß zu vergessen,

Fern, was von oben dröhnt,

Helle und Qual und Tag.

 

An den Feldern verwächst,

Wo der Wind steht, trunken vom Korn,

Hoher Dorn, hoch und krank

Gegen das Himmelsblau.

 

Gib mir die Hand,

Wir wollen einander verwachsen,

Einem Wind Beute,

Einsamer Vögel Flug,

 

Hören im Sommer

Die Orgel der matten Gewitter,

Baden in Herbsteslicht,

Am Ufer des blauen Tags.

 

Manchmal wollen wir stehn

Am Rand des dunkelen Brunnens,

Tief in die Stille zu sehn,

Unsere Liebe zu suchen.

 

Oder wir treten hinaus

Vom Schatten der goldenen Wälder,

Groß in ein Abendrot,

Das dir berührt sanft die Stirn.

 

Göttliche Trauer,

Schweige der ewigen Liebe.

Hebe den Krug herauf,

Trinke den Schlaf.

 

Einmal am Ende zu stehen,

Wo Meer in gelblichen Flecken

Leise schwimmt schon herein

Zu der September Bucht.

 

Oben zu ruhn

Im Hause der durstigen Blumen,

Über die Felsen hinab

Singt und zittert der Wind.

 

Doch von der Pappel,

Die ragt im Ewigen Blauen,

Fällt schon ein braunes Blatt,

Ruht auf dem Nacken dir aus.

 

 

Hora Mortis

Gebannt in die Trauer der endlosen Horizonte,

Wo nur ein Baum sich wand unter Schmerz,

Sanken wir, Bergleuten gleich, in das Schweigen der Grube

Unserer Qual. Und von Leere schwoll uns das Herz.

 

Trüb wie die Winde, im Schierling, bei Büschen und Weiden

Haben wir unsere Hände im Dunkel gesenkt,

Und dann gingen wir lässig, und freuten uns unserer Leiden,

Arme Spiegel, darin sich ein düsterer Abend fängt.

 

Nachtwandlern gleich, gejagt vom Entsetzen der Träume,

Die seufzend sich stoßen im Dunkel mit ›bleicher‹ Hand,

Also schwankten wir in des Herbstes verschwindende Räume,

Der wie ein Riese sich hob in die Nacht und versank.

 

Aber im Wolkenland, im Finstern, sahn wir die Schatten

Schwarzer Reiher und hörten den traurigen Flug,

Und wir schwanden dahin in Schwermut und bittrem Ermatten,

Blutleere Seele, die Lethe durch Höhlen voll Kummer trug.

 

 

Die Tauben 2

Doch nachts im Schatten ihrer hohen Träume

Wie unter großer Eichen kühlem Dach

Klingt um sie laut das Dunkel hundertfach

Und Sterne fahren singend durch die Räume

 

Vom Hauche Gottes durch das All getrieben

Mit goldnen Federn in die Nacht gespreizt,

Kometen, die mit trübem Schrei zerstieben,

Der traurig ihre schlaffen Ohren beizt.

 

Sie horchen auf des Waldes Ruhe unten

Wie in den Wurzeln blau der Schlummer schwillt

Und auf der Erde schweres Atmen drunten,

Das langsam ihre großen Höhlen füllt.

 

Und wieder klingt's in ihren Frieden leise,

Wenn das verborgne Silber wachsend schwärt,

Und das Geräusch der Sonne auf der Reise,

Die unten über weite Meere fährt.

 

Auf einmal hören sie die Stürme wehen

Und laute Glocke läuten durch die Nacht.

Sie möchten gern dem Schall entgegengehen,

Erhört, entfesselt, in das Licht gebracht.

 

Doch plötzlich bricht es ab. Und nur ein Zittern

Ist rund im Raum, das sie im Ohre nagt,

Wie tief in seinem Sarge im Verwittern

Ein Toter weint und seine Trauer klagt.

 

Ein Lächeln kraut sie dann, daß sie noch leben,

Des Schlummers Sabber hängt sich an ihr Kinn

Und jemand kommt mit Fingern leicht, die schweben

Auf ihrem Rettichkopf wie Fliegen hin.

 

 

Die Nacht

Alle Flammen starben in Nacht auf den Stufen.

Alle Kränze verwehten. Und unten im Blute verloren

Seufzte das Grauen. Wie hinter Gestorbener Toren

Manchmal es fern noch hallt von dunkelen Rufen.

 

Eine Fackel noch oben bog aus den Gängen,

Lief im Chor. Und versank wie das Haar der Dämonen

Rot und rauchend. Doch draußen der Waldung Kronen

Wuchsen im Sturm und zerrten sich in die Länge.

 

Und in Wolken hoch kamen mit wilden Gesängen

Weiß die Greise der Stürme, und riesige Vögel scheuchten

Über den Himmel hinab, wie Schiffe mit feuchten

Segeln, die schwer auf den Wogen hängen.

 

Aber die Blitze zerrissen mit wilden und roten

Augen die Nacht, die Öde der Säle zu hellen,

Und in den Spiegeln standen mit Köpfen, den grellen,

Drohend herauf mit schwarzen Händen die Toten.

 

Bleibe bei mir. Daß unsere Herzen nicht stocken

Wenn die Türen sich auftun ins Finstere leise

Und in der Stille es steht. – Und sein Atem von Eise

Unsere Adern verdorrt und die Seelen macht trocken

 

Daß sie dünn wie ein Hauch aus der Tiefe sich lösen,

Flattern hinaus in die Nacht und sinken und fallen

Dürr wie die Blätter, die traurig am Boden wallen

Schlürfend ins Leere dahin, im Winde dem bösen.

 

Wenn der Donner Gelächter im Dunkel verhallen.

 

 

Träumerei in Hellblau

Alle [Landschaften] haben

Sich mit Blau gefüllt.

Alle Büsche und Bäume des Stromes,

Der weit in den Norden schwillt.

 

Blaue Länder der Wolken,

Weiße Segel dicht,

Die Gestade des Himmels in Fernen

Zergehen in Wind und Licht.

 

Wenn die Abende sinken

Und wir schlafen ein,

Gehen die Träume, die schönen,

Mit leichten Füßen herein.

 

Zymbeln lassen sie klingen

In den Händen licht.

Manche flüstern, und halten

Kerzen vor ihr Gesicht.

 

 

Die Seefahrer

Die Stirnen der Länder, rot und edel wie Kronen

Sahen wir schwinden dahin im versinkenden Tag

Und die rauschenden Kränze der Wälder thronen

Unter des Feuers dröhnendem Flügelschlag.

 

Die zerflackenden Bäume mit Trauer zu schwärzen,

Brauste ein Sturm. Sie verbrannten, wie Blut,

Untergehend, schon fern. Wie über sterbenden Herzen

Einmal noch hebt sich der Liebe verlodernde Glut.

 

Aber wir trieben dahin, hinaus in den Abend der Meere,

Unsere Hände brannten wie Kerzen an.

Und wir sahen die Adern darin, und das schwere

Blut vor der Sonne, das dumpf in den Fingern zerrann.

 

Nacht begann. Einer weinte im Dunkel. Wir schwammen

Trostlos mit schrägem Segel ins Weite hinaus.

Aber wir standen am Borde im Schweigen beisammen

In das Finstre zu starren. Und das Licht ging uns aus.

 

Eine Wolke nur stand in den Weiten noch lange,

Ehe die Nacht begann, in dem ewigen Raum

Purpurn schwebend im All, wie mit schönem Gesange

Über den klingenden Gründen der Seele ein Traum.

 

 

Der Krieg 1

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,

Aufgestanden unten aus Gewölben tief.

In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,

Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

 

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,

Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,

Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.

Es wird still.