Nun erst hätten wir eine Monade. Natürlicher Weise bestehen alle Körper aus solchen Dingerchen, die sich, man weiß nicht wie, aneinander klammern. Ob sie, als eine Art von Geisterchen, denken oder träumen, darüber haben die Gelehrten lange gestritten. Manche haben, über den einzelnen Monaden, die beßte Vereinigung derselben in der reizendsten Landschaft und in dem lieblichsten Mädchen vergessen. Zugleich wünschten Sie, auszufinden, wie die gemeinen Monaden von den vornehmern, den Engel- und Menschen-Seelen, unterschieden sind; denn auch Ihre Seele, meine Freundinn, ist Monade, mit allem Guten, was in ihr ist, mit allen zärtlichen Empfindungen, mit der Begierde, wohl zu thun, mit Freundschaft und Liebe, mit dem Blicke, der auf Erden am Schönen sich vergnügt, und oftmals von ihr in den Himmel schaut.
Aber welch eine lange Vorrede zu einem Liede von so wenigen Versen! Nicht wahr, liebste Caroline, Sie lernen dasselbige auswendig, um unter den ersten Veilchen mir es vorzusagen?
»An ein Veilchen, im Februar
Das arme Veilchen! Sieh, o sieh!
Da lebt's in todtem Moos!
Kommst, armes Veilchen, kommst zu früh
Aus deiner Mutter Schooß!
Lebst Einen Morgen, jammerst mich;
Siehst weder Laub noch Gras;
Mit seinem Fittig mordet dich
Der Mörder Boreas.
Mußt sterben, Veilchen! weil du mußt,
Alt einen Tag; o weh!
So stirb an meines Mädchens Brust,
Daß ich dich sterben seh.
Da bückt sichs, und mit nassem Blick
Siehts nieder, bricht dich ab;
Stirbst, Veilchen! gehst zu dem zurück,
Der dir das Leben gab.
Stirbst, Veilchen! liegst, ein wenig Staub;
Ein wenig Staub auch wir,
So gut wie du, des Todes Raub,
Einst liegen, nahe dir.
Stirbst, Veilchen! duftest deinen Geist
In kalte Winterluft;
Bleibst Wesen, Veilchen! Wie es heißt?
Ob Monas, oder Duft?
Obs höher aufgestiegen ist
In Schöpfers Angesicht?
Ob Engel oder Milbe bist?
Das, Veilchen! weiß ich nicht.
Weiß aber, daß in Schöpfers Hand
Wohl aufgehoben Laub
Und Ceder ist, und Meer und Land,
Und Sonn' und Sonnenstaub.
Deswegen wir mit nassem Blick
Nicht sehn in unser Grab:
Genug! wir gehn zu dem zurück,
Der uns das Leben gab.
Gleim.
Caroline an Gleim, an seinem Geburtstage
den 2ten April 17751.
Dem Dichter, der ein süßes Lied
Voll hoher Weisheit mir gesungen:
»Wie schön das zarte Veilchen blüht;
Wie bald es welkt, und wie, verschlungen
Vom Boden, welcher es gezeugt,
Es keine Sonne grüßt, sich keinem Zephyr neigt;
Wie dann zu lichtern Dämmerungen
Der Geist der Blume durchgedrungen,
Im Schöpfers-Angesichte schwebt,
Sich höher, immer höher hebt,
Und zwischen Engeln einst im Paradiese lebt«;
Dem Dichter, dessen holde Klage,
Durch Hoffnung großer Seligkeit,
Mich so zum bangen Sterbetage
Der besten Mutter eingeweiht;
Dem will ich, voll von zärtlichem Entzücken,
Die Erstlinge des Frühlings pflücken,
Und singend ihm sein Fest mit jungen Veilchen schmücken.
Fußnoten
1 Wenige Wochen, nachdem meine Freundinn das vorstehende Lied erhalten hatte, starb ihre Mutter.
Nach dem Französischen
Jusque dans la moindre chose.
Holdes Mädchen! unser Leben
War ein frohes Hirtenspiel:
Kränze durften wir uns geben,
Küsse, wenn es uns gefiel.
Heerde, Stab und Fest und Freude,
Lieb und Kränze sind dahin!
Dennoch reden Flur und Weide
Mir von meiner Schäferinn.
Engel oder Liebesgötter
Mahlen dein getreues Bild
Auf die kleinsten Rosenblätter:
Alles ist von dir erfüllt.
Deinen Athem haucht die Nelke,
Wenn ihr Balsamduft sich hebt:
Du erscheinst mir im Gewölke,
Das am blauen Himmel schwebt.
Welch ein Lispeln auf den Höhen!
Welch ein Säuseln um den Fluß!
O ich fühl' im sanften Wehen,
O ich fühle deinen Kuß.
Unter lockenden Schalmeyen,
In der Nachtigall Gesang,
Im Geflüster junger Meyen
Hör' ich deiner Stimme Klang.
Ja! du rufst mich aus der Ferne,
Rauschest mir im finstern Hain,
Blickst herab von jenem Sterne,
Lachst mich an im Mondenschein;
Kommst in nahenden Gewittern;
Denn es gleicht ihr banger Zug
Jenem Schweigen, jenem Zittern,
Als mein Herz an deinem schlug.
Frohsinn
Ihr Schäferinnen alle! seht,
Wie da mein liebes Mädchen geht!
Wie so von ganzer Seele
Dem Himmel und der Erde gut!
Mit Rosen kränzt es seinen Hut,
Und singt, wie Philomele.
So geht das Mädchen allezeit,
Vergnügt mit Wenigem, bereit,
Auch dieses noch zu missen,
Wenn, irgend in der Gottes-Welt,
Es nur ein Plätzchen frey behält,
Zum Tanzen und zum Küssen.
Morgenlied
Sieh, wie der Hain erwacht,
Wie von umglänzten Höhen,
Bey leisem Windes-Wehen,
In frische,
Bethaute Büsche
Die Morgen-Wonne lacht!
Wonne, wo die Blüthen wallen;
Wo die Vögel locken, Wonne!
O sieh! da strahlt die Sonne
Herauf in voller Pracht!
Hier, wo die Blume bebt,
Wo sich die Bäche kräuseln,
Vernimm der Liebe Säufeln,
Das milde
Durch die Gefilde,
Wie Frühlings-Athem, schwebt.
Liebe führt den Sonnen-Wagen;
Liebe streut die Blüthen nieder.
Sie weckt den Hain, den wieder
Gesang und Lust belebt.
Hör' in des Waldes Chor
Die süße Liebe singen!
Es fleugt auf goldnen Schwingen,
Wenn Seelen
Sich ihr vermählen,
Der Geist zum Licht empor.
Liebe nur kann Freude geben,
Liebe tröstet unter Sorgen.
Sie ruft zum ew'gen Morgen
Aus Grüften einst empor.
Der erste Kuß
Leiser nannt' ich deinen Nahmen
Und mein Auge warb um dich:
Liebe Chloe! näher kamen
Unser beyder Herzen sich.
Und du nanntest meinen Nahmen;
Hoffen ließ dein Auge mich:
Liebe Chloe! näher kamen
Unser beyder Lippen sich.
O, es war ein süßes Neigen;
Bis wir endlich, Mund an Mund,
Fest uns hielten, ohne Zeugen:
Und geschlossen war der Bund.
An Chloen
1.
Wer hat in jenen Schatten,
Wer hat dem treuen Gatten
Das Täubchen angetraut?
Wer hat auf jenen Aesten,
Zu ihren Hochzeit-Festen,
Ein Tempelchen erbaut?
Die Liebe that's; im Stillen
Hat sie, nach ihrem Willen,
Das Täubchen angetraut.
Sie will auch uns vereinen:
Du bist in diesen Hainen,
O Chloe, meine Braut.
2.
Welch ein Kuß! Und deinen Wangen,
Zart wie Knospen, ehe sie
Noch zu Rosen aufgegangen,
Nahte sich der Jüngling nie.
Aber Liebes-Götter wachten,
Als du schliefst, um deinen Mund,
Küßten deine Lippen, machten
Ihr Geheimniß ihnen kund;
Lehrten sie dieß holde Schweben,
Diesen Wonnedruck, so leicht,
Wie des Frühlingswindes Beben,
Wenn er über Wiesen schleicht.
Tausend Quellen einer süßen,
Neuen Wollust thun sich auf,
Rieseln in mein Herz, und fließen
Mächtiger in vollem Lauf;
Strömen hin durch alle Glieder:
Sterbend sucht mein Auge dich;
Und mir ist, erwach' ich wieder,
Als begrüßten Engel mich!
3.
Komm, Liebchen! es neigen
Die Wälder sich dir;
Und alles mit Schweigen
Erwartet dich hier.
Der Himmel, ich bitte,
Von Wölkchen wie leer!
Der Mond in der Mitte,
Die Sternlein umher!
Der Himmel im glatten
Umdämmerten Quell!
Dies Plätzchen im Schatten,
Dies andre so hell!
Im Schatten, der Liebe
Dich lockendes Glück;
Dir flüsternd: Es bliebe
Noch Vieles zurück.
Es blieben der süßen
Geheimnisse viel;
So festes Umschließen;
So wonniges Spiel!
Da rauscht es! da wanken
Auf jeglichem Baum
Die Aeste; da schwanken
Die Vögel im Traum.
Dies Wanken, dies Zittern
Der Blätter im Teich –
O Liebe! dein Wittern!
O Liebe! dein Reich!
4.
Die Rosen, die vom Thau benetzt,
An jedem Blättchen unverletzt,
Ich zu den frischen Nelken
Im Morgenroth zu pflücken ging,
Und küssend um dein Bildniß hing;
O Chloe! wie sie welken!
So welken, wo ich Blumen brach,
So welken alle, nach und nach,
Die Wiesen mit den Hainen;
Bis endlich die getreue Hand,
Bis, gleich den Kränzen, die sie band ...
Du aber sollst nicht weinen!
O nähm' ein froher Engel dann
Sich meiner jüngsten Lieder an!
Ihr frohen Engel! bliebe
Durch sie dem guten Mädchen doch
In künftigem Gesange noch
Ein Nachhall meiner Liebe!
An die Hirten
Ihr Schäfer! wenn die Freude
Vom Hügel niederschwebt,
Und sich das Grün der Weide
Mit Veilchen unterwebt;
Und ihr, in bunten Reihen,
Euch um die Blumen setzt,
Mit Flöten und Schallmeyen
Den nahen Wald ergötzt;
Und eure Mädchen liegen
Auf zarten Rasen, weich,
Am Blüthenbaum, und schmiegen
Vertrauter sich an euch;
Und fern von euren Chören
Erschallt der Flöte Klang;
Und Chloe kommt, zu hören
Den lockenden Gesang;
O dann – die Götter geben
Euch süßen Lohn dafür! –
Dann singt vom reinen Leben
Der schönen Unschuld ihr.
Dann singt ihr von der Weiße
Der Lilien im Thal;
Von kleiner Bienen Fleiße,
Bey frühem Sonnenstrahl;
Von Küssen ohne Reue,
Die man dem Schäfer gab;
Vom Glauben an die Treue
Bis in das finstre Grab.
Gelobt's, ihr jungen Hirten,
Dem Frühling! – Ach, kein Lied,
Vor dem in ihre Mirthen
Die keusche Liebe flieht!
Denn ohne Falsch geblieben
Ist noch das Mädchen. Ach!
Wollt ihr die Quelle trüben
Dem lautern Silber-Bach?
Denn Chloens innre Güte
Bestrahlt ihr Angesicht:
O, tilgt die erste Blüthe
Von Mädchen-Tugend nicht!
Schiffer-Lied
Auf dem Düssel-Bach.
Bey der stillen Mondes-Helle
Treiben wir mit frohem Sinn
Auf dem Bächlein, ohne Welle,
Hin und her, und her und hin.
Schifflein! gehst, und kehrest wieder
Ohne Segel, ohne Mast;
Bächlein! trägst uns auf und nieder,
Spielend mit der kleinen Last.
Nichts zu fürchten, nichts zu meiden
Ist, so weit das Auge sieht.
Flüstert leis', ihr jungen Weiden!
Mädchen! singt ein Abendlied.
Denn zu Ruhm und eiteln Schätzen
Lockt uns nicht das ferne Meer;
Suchen friedliches Ergetzen,
Schwimmen unbekannt umher.
Mädchen! gebt des Herzens Freuden,
Wenn ihr sicher leben wollt,
Gebt sie, mäßig und bescheiden,
Nicht um Ehre, nicht um Gold.
Treues Lieben und Gefallen
Sey mit reiner Lust gepaart,
Und, wie dieses Schiffleins Wallen,
Ruhig einst die letzte Fahrt!
Nach einem alten Liede
Sagt, wo sind die Veilchen hin,
Die so freudig glänzten,
Und der Blumen-Königinn
Ihren Weg bekränzten?
»Jüngling ach! der Lenz entflieht:
Diese Veilchen sind verblüht.«
Sagt, wo sind die Rosen hin,
Die wir singend pflückten,
Als sich Hirt' und Schäferinn
Hut und Busen schmückten?
»Mädchen, ach! der Sommer flieht:
Diese Rosen sind verblüht.«
Führe denn zum Bächlein mich,
Das die Veilchen tränkte,
Das mit leisem Murmeln sich,
In die Thäler senkte.
»Luft und Sonne glühten sehr:
Jenes Bächlein ist nicht mehr.«
Bringe denn zur Laube mich,
Wo die Rosen standen,
Wo in treuer Liebe sich
Hirt' und Mädchen fanden.
»Wind und Hagel stürmten sehr:
Jene Laube grünt nicht mehr.«
Sagt, wo ist das Mädchen hin,
Das, weil ich's erblickte,
Sich mit demuthvollem Sinn
Zu den Veilchen bückte?
»Jüngling! alle Schönheit flieht:
Auch das Mädchen ist verblüht.«
Sagt, wo ist der Sänger hin,
Der auf bunten Wiesen
Veilchen, Ros' und Schäferinn;
Laub und Bach gepriesen?
»Mädchen, unser Leben flieht:
Auch der Sänger ist verblüht.«
An Chloen
1.
Die ersten Lerchen sangen:
Da küßt' ich deine Wangen,
Und fragte: Liebst du mich?
Die ersten Zephyrs wehten:
Da sagte dein Erröthen:
Ich liebe dich!
Da warst du ganz die meine;
Da rauschten es die Haine;
Die Bäche priesen mich,
Und murmelten vertrauter;
Die Lerchen sangen lauter:
Ich liebe dich!
Und Epheuranken hingen
An jedem Baum, und fingen,
In süßer Irre, sich
Vor Wollust an zu regen;
Sie bebten mir entgegen:
Ich liebe dich!
Gepaarte Blumen standen
Im grünen Thal, empfanden,
Und küßten schwesterlich
Sich meiner Chloe wegen;
Sie hauchten mir entgegen:
Ich liebe dich!
Vereinte Wölkchen mahlten
Den Himmel; sie umstrahlten
Im Abendglanze sich,
Der nie so schön gewesen;
Am Himmel war zu lesen:
Ich liebe dich!
Als nach und nach die Farben
In Dämmerung erstarben,
Die letzte Sonne wich;
O wie so lachend blinkten
Die Sterne noch, und winkten:
Ich liebe dich!
2.
Chloe! kennst du noch die Stunde,
Die zu schnell vorüber ging,
Als ich fest an deinem Munde,
Fest an deinem Herzen hing?
O, der Liebe Schauder bebte,
Mächtig mir durch jeden Sinn:
Chloe! meine Seele schwebte
Küssend zu der deinen hin.
Eines ganzen Lebens Freuden;
Sonnen- Auf- und Untergang;
Blumenduft und Grün der Weiden;
Zephyr, Nachtigall-Gesang;
Junger Haine froh Getümmel;
Jeder selige Genuß;
Ruhm und Glück und Erd' und Himmel,
Alles war in diesem Kuß.
3.
Wenn die Götter in's Gebüsch
Noch zu Hirten kämen,
Noch vorlieb am kleinen Tisch
Unter ihnen nähmen;
O, sie würden, glaube mir!
Bald hernieder steigen,
Würden sich an deiner Thür,
Liebe Chloe! zeigen.
Auch als Pilger, unbekannt,
Wie sie dir erschienen,
Würdest du mit frommer Hand
Willig sie bedienen.
Und du fühltest innerlich
Heiliges Entzücken;
Aber sie durchschauten dich
Mit den Götter-Blicken;
Forschten in dein Herz hinein,
Prüften alle Triebe;
Fänden deine Seele rein,
Sähen lauter Liebe;
Gönnten eine Bitte dir;
Und ich weiß die Bitte:
Still vereinigt wohnten wir
Dann in armer Hütte!
4.
Das letzte Roth am Himmel wich:
Da ging ich, liebevoll, im Grünen;
Ich ging und lobte Gott für dich,
Und für die Sternen, welche schienen.
Und plötzlich kam ein Wolken-Heer,
Und riß hinweg die goldnen Sterne;
Gelinde Lüfte wurden schwer,
Und Donner rollten aus der Ferne.
Die Stürme heulten auf mich zu;
Die Donner wollten mich erschrecken;
Ich aber ließ, in frommer Ruh,
Mich einen Lorbeerbaum bedecken.
Da saß ich in der tiefen Nacht,
Und lobte, durch die Finsternisse,
Den Gott, der jenen Blitz gemacht,
Und dieses Herz, und deine Küsse.
Freymäurer-Lied
Die alte Finsterniß entwich;
Die Wüste ward erhellt:
Da baute Gott, der Schöpfer, sich
Zum Tempel diese Welt.
In Eintracht wandelte die Schaar
Der lichten Sterne fort;
Und Liebe, lauter Liebe war
Das große Schöpfungs-Wort.
Auf Erden mußt' ein Paradies,
Ein Liebes-Tempel blühn,
Wo jedes Lüftchen ruhig blies
Durchs friedenvolle Grün;
Wo in der Unschuld Heiligthum
Das Lamm bey Tigern ging,
Wo Zweig an Zweig, und Blum' an Blum'
In Liebes-Knoten hing.
Hier sollten, gleich dem Sonnenstrahl,
Die Seelen alle rein,
Auf jedem Berg, in jedem Thal
Die Menschen Brüder seyn.
Vergebens, ach! es floh zu bald,
Es floh die goldne Zeit;
Ins Reich der Liebe trat Gewalt;
Der Tempel war entweiht.
Wenn aber seliges Vertraun
Nicht ganz die Erde ließ,
So laßt uns wieder auferbaun
Ein Wonne-Paradies.
O selig, drey Mahl selig ist
Das Plätzchen unter'm Mond,
Wo sich mit Einfalt Wahrheit küßt,
Bey Liebe Treue wohnt;
Der Große mit dem Niedern geht,
Ihn brüderlich umarmt,
Des Schwächern, der um Beystand fleht,
Ein Stärkrer sich erbarmt;
Am Morgen, wenn des Landmanns Lied
Aus voller Scheun' erklingt,
Die Wittwe nicht gen Himmel sieht,
Und matt die Hände ringt;
Am Abend, wer sein graues Haar
Mit Ehr' im Stillen trägt,
Sich nach so manchem sauren Jahr
Nicht trostlos niederlegt!
Wohlauf, ihr Brüder! laßt uns so,
Beharrlich im Vertraun,
In unserm Paradiese froh
Den Liebes-Tempel baun.
Mag er im Erdenschatten hier
Nur unvollendet stehn!
Einst über Sternen werden wir
Den bessern Tempel sehn.
An den Herausgeber, welcher zwey Tauben zum Geschenk bekommen hatte
Am Neujahrstage 1776.
Freundlich, wie dein Täubchen, wenn es lacht,
Gebe dir das Glück,
Jeden Tag und jede Nacht,
Einen holden Blick!
Freundlich, wie dein Täubchen, wenn es küßt,
Gebe dir das Glück,
Was der Lohn der Edlen ist,
In des besten Mädchens Blick!
Gleim der jüngere.
Antwort
Stets in Lieb einander nah,
Schnäbeln meine Täubchen da
Sich mit innigem Vertrauen;
Fürchten keine Mörder-Klauen;
Finden reichlich allezeit
Ihre Nahrung hingestreut;
Möchten solche Seligkeit
Nicht dem König Adler geben
Für sein ganzes Fürstenleben.
Wonne-Küsse dieser Art
Schenke, so wie meinem Täubchen,
Er, der alles wohl gepaart,
Künftig uns und unsern Weibchen!
Die Dame
So klein es in die Augen fällt,
Ein jedes Sternchen eine Welt?
Ein Himmel, groß genug, uns allesammt zu fassen?
Und ich soll, wie ein Engel schön,
Von Sternen einst zu Sternen gehn,
Und Alles, Alles da besehn;
Und überall mich sehen lassen?
An Gleminden, als von Kritikern die Rede war
Wenn, sonder Falschheit, die Kritik,
Wie du, mit Silbertönen redte;
Bey Lob und Tadel deinen Blick
Und dein getreues Lächeln hätte,
So könnte sie der Musen Schwester seyn,
Die Herzen alle sich gewinnen;
So ladeten die Huldgöttinnen
Sie selbst zu ihren Tänzen ein.
Erinnerung
Glück der Engel! wo geblieben?
Wo geblieben, schöner Tag,
Als mit unbesorgtem Lieben
Ihre Hand auf meinem Herzen lag?
O sie fühlte jeden Schlag,
Und in jedem lauter Lieben!
Wo geblieben
Glück der Engel, schöner Tag?
Die Heimath
Der Sonnen schönste wärmt das Land,
Und heilig ist die Erde,
Wo vormahls unsre Wiege stand
Am väterlichen Herde.
Vor allen Bäumen grünt der Baum,
In dessen kühlen Schatten
Wir unsern süßen Kindertraum
An Frühlingsmorgen hatten.
Vor allen Thälern blüht das Thal,
Vom reinen Bach umschlungen,
An welchem uns zum ersten Mahl
Die Vögel wach gesungen.
Doch wenn ein zweytes Vaterland
Sich unser Herz erfindet,
Wenn Liebe dort mit eigner Hand
Uns an ein Mädchen bindet:
Auf einmahl sehen wir, geweckt
Aus unsern Kinderträumen,
Den Baum, der Liebchens Hütte deckt,
Vor allen andern Bäumen.
Du kleines, väterliches Land,
Wo mir der Tag geschienen,
Als mich die erste Muse fand
Am Weidenbach, im Grünen!
Du gutes Land, wo Flur und Hain
In sichrer Einfalt blühen,
Wo rings sich um den deutschen Rhein
Die Trauben-Hügel ziehen!
Wie liebt' ich, o, wie liebt' ich dich,
Und weinte dir entgegen!
Wie sehnt' ich, o, wie sehnt' ich mich
Mit lauten Herzens-Schlägen!
Nun aber Lieb' im Busen wallt,
Nun geb' ich deine Freuden
Um einen öden Tannen-Wald,
Auf ungeschmückten Heiden;
Weil auf der Heide Liebchen wohnt,
Umweht von Tannen-Hainen,
Und freudenvoller Sonn' und Mond
Die Wipfel da bescheinen.
Den Traubenhügel, Flur und Bach
Und Alles will ich missen:
O Liebe! nur ein Hütten-Dach,
Mein Mädchen da zu küssen!
Der Ring
Liebchen wallt in fernem Lande:
Meine Küsse geb' ich dir,
Goldnes Ringlein! dich zum Pfande
Ließ sie, unter Küssen, mir.
Ach! da kam sie, leiser, trauter;
Hatt' ein Auge, rein und hold;
Und ein Herz! ein Herz, so lauter,
Schönes Ringlein! wie dein Gold.
Liebchen gab dich mir, und sagte:
Nimm es, bleib' ihm ewig gut!
Und ich schwör' es dir: Ich wagte,
Dir zu Gunsten, all mein Blut.
Goldnes Ringlein! süßes, liebes!
Machst, daß mir die Sonne scheint;
Kommt ein Wölkchen oft, ein trübes,
Hat's in kurzem ausgeweint.
Du beginnst die schöne Kette,
Die man von der Treu empfängt,
Die so fest am Sterbebette
Mit dem letzten Ringlein hängt,
Wo du noch, den matten Blicken
Schimmernd, Wonn' und Hoffnung bist,
Weil in Welten voll Entzücken
Liebchen mich hinüber küßt.
Sehnsucht
Was hab' ich, gutes Mädchen!
Als jenes kleine Feld
Um dein geliebtes Städtchen,
Mir eine ganze Welt?
Der andern acht' ich wenig;
Da traur' ich, wie verbannt!
Dein König ist mein König,
Dein Land mein Vaterland.
Die ersten grünen Haine
Sind dort, wo Liebchen geht;
Die Luft ist erst die meine,
Die sich um sie gedreht.
O, wann begrüß' ich wieder
Dein Städtchen, meine Welt,
Und höre Lerchen-Lieder
Auf deinem kleinen Feld,
Und sehe Morgen-Schimmer
Bey dir, und hellen Tag?
O denke nur, daß immer,
In jedem Glocken-Schlag,
Des Wiedersehns Minute
Durch meine Seele schallt,
Weil, ach! in deinem Blute
Mein eignes Leben wallt!
Lied zweyer Schwestern an ihr Gärtchen1
Grüner Platz, von unsern Händen
Angebaut für Spiel und Ruh,
Leicht umzäunt mit Rosen-Wänden,
Liebes, trautes Gärtchen du!
Jedes unsrer Jugend-Feste,
Die kein Neid verderben kann,
Lachen durch die Blüthen-Aeste
Mond und Sonne freundlich an.
Grüner Platz! vor wenig Lenzen
Lagst du noch als Wüsteney;
Nur mit Dorn- und Distel-Kränzen
Schmückte dich der junge May;
Wo für Blumen Nesseln sprossen,
Wallte keines Mädchens Fuß;
Deines Bachs Gewässer flossen
Ohne Lied und ohne Gruß.
Ach! vielleicht in fernen Jahren
Hat ein Fremder dich zerstört;
Wo die Reihentänze waren,
Wird die Grille nur gehört;
Am verlaßnen Ufer stehen
Diese Bäum' entblättert da,
Und Wachholderbüsche wehen,
Wo man unsre Lauben sah.
Banger, schauernder Gedanke!
Was so treulich wir gepflegt,
Hütten-Dach, und Epheu-Ranke,
So gewünscht, und so gehegt;
Alles einst in leere Lüfte!
Weggesunken jede Spur!
Mit hinüber durch die Grüfte
Geht das Herz voll Liebe nur!
Fußnoten
1 Die von dem Verfasser dieses Liedes geäußerte Besorgniß konnte man später als eine Weißagung ansehen. Nach wenigen Jahren kam das Gärtchen an einen andern Besitzer, und wurde völlig zerstört.
Litaney auf das Fest aller Seelen1
Ruhn in Frieden alle Seelen,
Die vollbracht ein banges Quälen,
Die vollendet süßen Traum,
Lebenssatt, gebohren kaum,
Aus der Welt hinüber schieden:
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Die sich hier Gespielen suchten,
Oefter weinten, nimmer fluchten,
Wenn von ihrer treuen Hand
Keiner je den Druck verstand:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Liebevoller Mädchen Seelen,
Deren Thränen nicht zu zählen,
Die ein falscher Freund verließ,
Und die blinde Welt verstieß:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Und der Jüngling, dem, verborgen
Seine Braut am frühen Morgen,
Weil ihn Lieb' ins Grab gelegt,
Auf sein Grab die Kerze trägt:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Alle Geister, die voll Klarheit,
Wurden Märtyrer der Wahrheit,
Kämpften für das Heiligthum,
Suchten nicht der Marter Ruhm:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Und die nie der Sonne lachten,
Unterm Mond auf Dornen wachten,
Gott, im reinen Himmels-Licht,
Einst zu sehn von Angesicht:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Und die gern im Rosen-Garten
Bey dem Freuden-Becher harrten,
Aber dann, zur bösen Zeit,
Schmeckten seine Bitterkeit:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Auch, die keinen Frieden kannten,
Aber Muth und Stärke sandten
Ueber leichenvolles Feld
In die halb entschlafne Welt:
Alle, die von hinnen schieden,
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Ruhn in Frieden alle Seelen,
Die vollbracht ein banges Quälen,
Die vollendet süßen Traum,
Lebenssatt, gebohren kaum,
Aus der Welt hinüber schieden:
Alle Seelen ruhn in Frieden!
Fußnoten
1 An diesem Feste besuchen die Römisch-Catholischen die Gräber der Ihrigen, setzen Lichter darauf, und beten für die Verstorbenen.
Hochzeit-Lied
Will singen euch im alten Ton
Ein Lied von alter Treu;
Es sangens unsre Väter schon;
Doch bleibts der Liebe neu.
Im Glücke macht es freudenvoll,
Kann trösten in der Noth:
Daß nichts die Herzen scheiden soll,
Nichs scheiden, als der Tod:
Daß immerdar mit frischem Muth
Der Mann die Traute schützt,
Und alles opfert, Gut und Blut,
Wenn's seinem Weibchen nützt!
Daß er auf weiter Erde nichts
Als sie allein begehrt,
Sie gern im Schweiß des Angesichts
Für ihren Kuß ernährt;
Daß, wenn die Lerch im Felde schlägt,
Sein Weib ihm Wonne lacht,
Ihm, wenn der Acker Dornen trägt,
Zum Spiel die Arbeit macht,
Und doppelt süß der Ruhe Lust,
Erquickend jedes Brod,
Den Kummer leicht an ihrer Brust,
Gelinder seinen Tod.
Dann fühlt er noch die kalte Hand
Von ihrer Hand gedrückt,
Und sich ins neue Vaterland
Aus ihrem Arm entrückt.
Die Unschuld
Um der Gottheit Glanz
Hatten jauchzende Sonnen
Ihren Lauf begonnen,
Engel ihren Feyertanz;
Aus der Gottheit Glanz,
Engeln gleich, im Jubel gebohren,
Mischte sich, zur Führerinn erkoren,
Unschuld in den Tanz.
Dort, auf leichter Flur,
Im unsterblichen Lenze
Blühn der Unschuld Kränze,
Folgt der Seraph ihrer Spur;
Aber auf der Flur
Unterm Mond, im Schatten der Erde,
Wandelt sie mit kindlicher Geberde
Bey der Einfalt nur;
Will im Mayenlicht
Hier an irdischen Bächen
Volle Rosen brechen;
Und die Dornen kennt sie nicht.
Hier vom Mayenlicht
Aufgeweckt am täuschenden Morgen,
Lächelt sie herbey die nahen Sorgen –
Ach, und weiß es nicht!
Mit der Engels-Hand
Unsre Lämmer zu weiden,
Geht auf armen Heiden
Sie, von Wenigen gekannt;
Aber, auch verbannt,
Gibt sie noch, in niedriger Hülle,
Wonn' und Trost und Herrlichkeit die Fülle
Seelen, ihr verwandt.
Ach! sie selber flieht
Mit den kindlichen Scherzen;
Doch in keinem Herzen
Stirbt ihr holdes Wiegenlied:
Wer den Säugling sieht
An die Brust der Mutter sich drücken,
O, der fühlt, daß ihn mit Himmelsblicken
Unschuld an sich zieht.
Wenn dein Warnen schon
Oft den Frevler empöret,
Unschuld! dennoch höret
Später er den ernsten Ton.
Jeder Erden-Sohn
Fleht zu dir am letzten der Tage,
Daß ihn nicht dein Auge dort verklage
Vor des Richters Thron.
Aus der Gottheit Glanz
Sind die Seelen gebohren,
Allesammt erkoren,
Dich zu sehn im Sternenkranz;
Um der Gottheit Glanz
Hält mit dir, dem schönsten der Engel,
Jeder Geist in Welten ohne Mängel
Seinen Feyertanz.
Der Sommer-Tag
Wie Feld und Au
So blinkend im Thau!
Wie Perlen-schwer
Die Pflanzen umher!
Wie durch den Hain
Die Lüfte so rein!
Wie laut im hellen Sonnenstrahl,
Die süßen Vöglein allzumahl!
Ach! aber da,
Wo Liebchen ich sah,
Im Kämmerlein,
So nieder und klein,
So rings bedeckt,
Der Sonne versteckt –
Wo blieb die Erde weit und breit,
Mit aller ihrer Herrlichkeit?
An Clärchens Geburtstage, von zweyen ihrer Geschwister
Erblaßte Sterne schienen
Auf halb erhellter Au,
Und duftende Jesminen
Umfloß der Morgenthau!
Es deckten Silberwölkchen
Den Himmel allgemach,
Und mählich ward ein Völkchen
Von Nachtigallen wach.
Es küßten sich die Pärchen
Der Vögel, klein und groß:
Da lagst du, holdes Clärchen,
Der Mutter in dem Schooß;
Da lagst du klein und niedlich,
Mit deinem sanften Blick,
Und prophezeihtest friedlich
Den Menschen süßes Glück.
Hast süßes Glück gegeben,
So wie du prophezeiht,
Gelebt ein frommes Leben,
Voll Engel-Heiligkeit;
Bist schönen Seelen theuer,
Ein ächtres Himmels-Kind,
Als oft in ihrem Schleyer
Die Kloster-Mädchen sind.
Kann dich ein Strauß erfreuen,
Zum Festgeschenke dir
Gebunden von uns Zweyen,
So nimm die Blumen hier;
Und sollten gleich wir beyde
Nicht heilig seyn, wie du,
Doch wirft dir unsre Freude
Die reinsten Küsse zu.
An Chloen
Bey der Liebe reinsten Flammen,
Glänzt das arme Hütten-Dach:
Liebchen! ewig nun beysammen!
Liebchen! schlafend oder wach!
Süßes, zärtliches Umfangen,
Wenn der Tag am Himmel graut:
Heimlich klopfendes Verlangen,
Wenn der Abend niederthaut!
Wonne dort auf allen Hügeln,
Wenn' im Thal, und Jubel hier!
Volle Freyheit, zu verriegeln
Unsre kleine Hütten-Thür!
Lobgesang in Finsternissen,
Wo kein Neider sich versteckt;
Wo nicht mehr, indem wir küssen,
Jedes Lüftchen uns erschreckt!
Und wir theilen alle Freuden,
Sonn' und Mond und Sternen-Glanz;
Allen Segen, alles Leiden,
Arbeit und Gebeth und Tanz.
So, bey reiner Liebe Flammen,
Endet sich der schöne Lauf;
Ruhig schweben wir zusammen,
Liebchen! Liebchen! Himmel auf.
An eine junge Freundinn
Düsseldorf, im Herbste 1777.
Die Geister weichen allgemach,
Die, gleich den Stürmen hoch am Dach,
In meinem Kopfe Sabbath hielten,
Und jämmerlich den Meister spielten;
Mich hämisch neckten, jung und alt,
In hundertfältiger Gestalt,
Mit Horn und Krall' und Pferdefuß,
Als wär' ich Sanct Antonius.
Die Geister weichen allgemach
Zurück in ihre Zauberhöhle;
Schon wieder fühl' ich in der Seele
Die Hoffnung und die Freude wach,
Ergetze mich am Stadt-Getümmel,
Und in der Fern' am freyen Himmel,
Am offnen Feld, und am Gemisch
Des falben Laubes im Gebüsch.
Mein Auge weilt auf jenen Bäumen,
Worunter du in süßen Träumen,
Voll jungfräulicher Sehnsucht, gehst,
Und stets dich um ein Bildchen drehst
Von Seligkeit aus obern Welten,
Von reiner Liebe, die nur selten,
So rein, wie sie vom Himmel kam,
In Erden-Hütten Wohnung nahm.
Durch manchen Irrweg dieses Lebens
Ging ich, und suchte sie vergebens.
Da wollt' ich oft im Mondesstrahl
Mein fein gewebtes Ideal
Mit allen seinen Herrlichkeiten
Mir unverdorben nieder leiten;
Und hat's und drückt' es froh und warm;
Und ruhig lag's in meinem Arm,
Bis mir der neue Tag begann,
Und es im Morgen-Duft zerrann.
Dann klagt' ich's aller Welt, erschreckte
Die Nymph' am Bach, den jungen West,
Vertraut' es jedem Baum und weckte
Die Vögelchen in ihrem Nest.
Auf Rosen-Lippen sah ich Trug,
Und mit den Mädchen wollt' ich hadern;
Was aber halfs? Zu mächtig schlug
Die Liebe noch in Herz und Adern;
Und als die Wiese Veilchen trug,
Da sah ich lauter Liebes-Flug,
Sah in der Luft, im Wald, an Quellen
Sich eins dem andern zugesellen.
Da war um mich ein Paradies,
Und jeder Blüthen-Hain verhieß
Mir gleiche Wonn', und aller Wegen
Kam ein Geflüster mir entgegen:
»Du Sohn des Staubs, der Himmels-Lust
Begehrt! Die Hand auf deine Brust!
Wie leicht, wie schwach, wie voller Mängel!
Und fordern darfst du einen Engel
Für deinen Kuß? Genügt's dir nicht,
Wenn Unschuld noch im Angesicht,
Im keuschen Gruß, im zarten Neigen,
Ein Erdentöchterchen, dein eigen
Zu seyn, gelobt, und Tag und Nacht,
So wie sein Leben, dich bewacht?
Das arme Kind! Ein kleiner Fehl
Wird dann und wann von ihm begangen;
Doch wird es trauter dich umfangen,
Wird sonder List und sonder Hehl
Die Sünde weinend dir bekennen,
Dich mit den schönsten Nahmen nennen,
Und, bist du werth, geliebt zu seyn,
Du findest Wollust im Verzeihn.«
Die Geister-Stimme hatte Recht!
Mit keinem liebenden Geschlecht
Erneuert' ich den ersten Frieden,
Befand mich trefflich wohl hienieden,
Vergaß mein hohes Ideal,
Und baute mir im Erdenthal
Nicht mehr den ew'gen Freudensaal.
O du, mit deinen süßen Träumen!
Käm' unter sanft bewegten Bäumen
Ein solches Flüstern auch zu dir!
Wir armen Erden-Söhne, wir
Sind allesammt, wie unsre Väter,
Und minder noch aus zartem Aether,
Aus Geistes-Stoff gebaut, als ihr.
Gelingt's dem Mädchen dann und wann,
Sich einen guten, lieben Mann
In einen Seraph umzukleiden –
Wie kurz die stolzen Götter Freuden!
Und wenn er noch so weise spricht,
Er hält die Engel-Probe nicht.
Mag er! doch giebt es Männer-Seelen,
Die Ein Mahl nur ein Liebchen wählen,
Die fest im Wort, im Bunde wahr,
In Leid, in Mangel und Gefahr,
Im Tode selbst unwandelbar,
Mit ihrem Leben euch beschützen.
Für euch ist jeder Tropfen Blut;
Ihr könnt auf ihren stärkern Muth
Die holde Schwäche ruhig stützen.
Und mancher ist, der einsam geht,
Und, wenn er leis' um Liebe fleht,
Des Mädchens Ahndungen versteht,
Das, so wie du, ein reines Feuer
In Männer-Herzen sucht, getreuer
Als tausende, sich fromm und still
In Himmels-Unschuld geben will.
Und wenn er lang umhergeirrt
Sie lang geweint, am Ende wird
Das Pärchen sich gewiß begegnen,
Und er und sie die Stunde segnen,
Wo in der Träume Vaterland
Ihr goldnes Bild hinüberschwand,
Und irdischer, an seiner Stelle,
Doch schön genug, in trauter Zelle,
Die Liebe sie auf ewig band.
An **
Pempelfort bey Düsseldorf, den 4. Nov. 1777.
Hier, du liebe kleine Wilde!
Ruf' ich dir bey deinem Bilde.
Gingst von hinnen: Ach! warum?
Dieses Kämmerchen, wie stumm!
Alles öde rings herum!
Mag ich spähen, mag ich lauschen;
Nirgend hör' ich, Rehen gleich,
Durch das bebende Gesträuch
Unsrer Düßel froh dich rauschen;
Kann, wenn aus dem Buchengang
Früh schon deiner Stimme Klang,
Heller als der Schlag des Finken,
Und an Jubel nur gewöhnt,
Auf zu meinem Fenster tönt,
Keine Grüße mehr dir winken. –
Ach! zurück, weil diese Flur
Um dich trauert, kleine Wilde!
Komm, und drücke deine Spur
Tanzend in die Herbstgefilde.
Komm ans Ufer, gutes Kind,
Wo im rauhen Morgenwind
Unsre Weidenbüsche wallen,
Und die welken Blätter fallen;
Daß vom Ufer, gutes Kind,
Mir der rauhe Morgenwind
Deinen Sang herüber wehe,
Bis ich plötzlich aus dem Flor
Grauer Nebel dich hervor
Mir entgegen schimmern sehe.
Bringe mit dein frisches Blut,
Deiner Augen rasches Feuer,
Deines Herzens volle Glut,
Und den sorgenlosen Muth
Wider manches Abentheuer,
Das in unsern Weg sich stellt,
Wider manches Ungeheuer,
Das am Rosen-Pfade bellt,
Und aufs erste Lächeln fällt.
Eile, frohes Mädchen, eile!
Misch' ein wenig Schelmerey
In des Lebens Einerley;
Scherz' hinweg die lange Weile,
Die des Geistes Mark verzehrt,
Und den leichten Flug ihm wehrt.
Fern von Mode-Ziererey,
Komm, und red' und lache frey
Hier am Ufer; Mädchen, eile!
Uns sind nicht die Büsche todt,
Die uns, grünend, einst gefielen;
Sieh die Blätter, gelb und roth,
Wie sie durch einander spielen,
Und das Bächlein hier, so klar
Als zur Blüthenzeit es war!
Deinen Jubel will ich hören,
Deinen Jubel, wenn das Haar
Wind und Nebel dir zerstören,
Und wenn deine Hand, bereift,
Nach der letzten Blume greift.
An Lottchen1, auf ihren Nahmenstag
Am 4. Nov. 1778.
Wohl mag am schönen Nieder-Rhein
Man jetzt in Künsten hoch erfahren,
Gelehrt in jedem Dinge seyn,
Und klüger als vor hundert Jahren,
Wo mancher Priester vom Latein
Nichts weiter als die Psalmen konnte,
Der Junker, neben altem Wein,
Sich beym gehörnten Siegfried sonnte;
Der Reichsgraf unterm Winter-Dach
Mit Weib und Kind beym Almanach
Andächtig, wie sein Pächter, saß,
Und Diebs- und Mord-Geschichten las,
Und ob ihm schon, indem es schneyte,
Sein Autor Donner prophezeyte,
Den Irrthum alsobald vergaß;
Und nie zu zweifeln sich vermaß.
Wohl mag am schönen Nieder-Rhein
Zu jener Zeit vor hundert Jahren,
Ein saubres Völkchen, den Barbaren
Nicht ungleich, Herr und Meister seyn.
Jedoch behielten sie den Wein
Im Keller unverfälscht und rein;
Und so im Herzen ihren Glauben.
Man setzte jedes nicht auf Schrauben,
Wie täglich unter uns geschieht;
Und Wahrheit wurde nicht zum Lied.
Ach! aber, seit in Dorf und Stadt
Bey uns der Schwarze keine Klauen,
Der Wettermacher kein Vertrauen,
Der Grübler allen Vorrang hat,
Seitdem verlacht man Höll' und Teufel,
Geräth am Himmel selbst in Zweifel,
Kennt nichts Gewisser mehr; und ach!
Daß lauter Lücken seyn auf Erden,
So müßen gar im Almanach
Die Nahmenstage streitig werden.
Der Uebel ärgstes ist dabey,
Daß unter solche Zweifeley
Fast immer sich – die Rede sey
Vom Sack-Kalender oder Tempel –
Geheime List und Schelmerey
Zu bergen pflegt; wie zum Exempel
Der Neid aus Lenchens Munde spricht,
Wenn sie, als fordert' es die Pflicht,
Behaupten will, daß Carolus
Ob seiner Endigung in us,
Von Carolinen und Charlotten,
So lange man Kalender schrieb,
Verschieden war, verschieden blieb,
Und daß im Reich der Hottentotten
Sich nur zu gleicher Zeit das Fest
Von Carl und Lottchen feyern läßt.
So redet sie, um dein zu spotten;
Allein ihr helles Stimmchen mag
Das ganze Haus zusammenrotten;
Du feyerst deinen Nahmenstag
Mit unserm Fürsten Carolus,
Und jeglichen Kanonen-Schuß,
Trompeten-Klang und Pauken-Schlag,
Und jedes festliche Gelag
Kannst du, gehüllt in Weihrauch-Dunst,
Zu deiner Ehre sicher nutzen.
Damit du aber nicht auf Gunst,
Vielmehr auf Rechte mögest trutzen,
So haben wir in aller Früh,
Mit wahrlich nicht geringer Müh,
Als wär's um Gold und Ordensbänder,
Vom riesenförm'gen Staats-Kalender,
Gedruckt für Jüllich und für Berg,
Herab bis auf den kleinsten Zwerg
Von Almanach, dergleichen viel
Im alten und im neuen Styl,
Aus manchem Land, aus manchem Stift,
Mit grober und mit feiner Schrift,
Mit Reimen und mit Kupferstichen,
Genau durchblättert und verglichen,
Und draus ersehen: Daß so klar
Wie unsre Monden-Zahl im Jahr,
Das, so bestimmt und ausgemacht,
Wie Sommer-Tag und Winter-Nacht,
Wie Frühlings-Anfang und Beschluß,
Am vierten dieses, Carolus,
Und Carl, im Festtag', einerley
Mit Carolin' und Lottchen sey;
Und fertigen hiermit, zur Steuer
Der Wahrheit, dieses Document,
Um dir bis an dein selig End
Zu sichern deine Nahmens-Feyer.
Der Himmel sende jedes Mahl
Sie dir auf lichtem Morgenstrahl,
Um welchen Purpurwolken scherzen:
Da muß die Freude still und rein
In deinem jungfräulichen Herzen,
Wie eine Perl' im Golde, seyn!
Fußnoten
1 Ihr Vater hatte den Verfasser gebethen, dieses Gelegenheits-Gedicht zu machen, und darin den wirklich vorgefallenen Streit der beyden Schwestern zu erzählen.
An den Herrn Rector Reitz, meinen ehemaligen Lehrer, in Düsseldorf
Pempelfort bey Düsseldorf, den 24. Octob. 1778.
Wer Zauberlieder singen will',
Um auf dem Meer die Wogen still,
In Goldgebirgen schwarze Drachen
Der zahmen Taube gleich zu machen;
Wer Zauberlieder singen will,
Den kalten Jenner zum April
Sich umzuschaffen, und Violen
Aus tiefem Eis hervorzuhohlen –
Der muß bey krausem Talismann,
Beym Wirrwarr fein geschlungner Fäden,
In Mitternächten dann und wann
Mit Geistern aus der Hölle reden.
Und ach! wer Lieder singen will,
Den Aufruhr in der Seele still,
Des Neides finstern Blick zum Lachen,
Und schweren Kummer leicht zu machen –
Den wird gewiß für solche Kunst
Sein eigen Herz, der Menschen Gunst
Mit tausendfacher Freude lohnen;
Oft aber wird, aus Höllen-Dunst
Gezeugt, mit seinen Legionen
Von ungestalten Qual-Dämonen,
Der Hypochonder bey ihm wohnen.
Um Leyer und um Lorber-Kranz
Beginnen sie den Fratzen-Tanz;
Sie wedeln mit dem Ottern-Schwanz,
Und öffnen weit die Eulen-Schnäbel:
Da hilft uns kämpfende Vernunft,
Zu steuern dieser frechen Zunft,
So wenig als der beste Säbel
Dem Helden tief im Schatten-Reich;
Sie mehren sich auf jeden Streich;
Man haut sie matt, und spaltet Nebel.
Das einzige, was Sicherheit
Gewähren kann, was von dem Grimme
Des Hypochonders uns befreyt,
Ist eines Mädchens holde Stimme,
Ist eines Freundes Angesicht. –
Wenn jenes süße Worte spricht,
Wenn dieser treu die Hand uns reichet,
Dann kräht der Hahn zum Morgenlicht,
Und jedes Nachtgespenst entweichet.
O Freund! ob meine Lieder gleich
Mich nicht den Meistern zugesellten,
So läßt mich dennoch, trüb und bleich,
Ein Kobolt den Gesang entgelten;
Ich aber leid' es ohne Schelten,
Und klage nicht den Himmel an.
Wo lebt der nervenfeste Mann,
Deß harte Faust den Hammer führen,
Zugleich die Saiten zärtlich rühren,
Und Gram in Wonne schmelzen kann?
Ich klage nicht den Himmel an;
Denn was mich plötzlich oft erschüttert,
Wenn Berg und Kluft den Hagel wittert,
Und Schwermuth in die Wälder sinkt,
Ist eben das, was mich durchzittert,
Wenn mir im Thau die Rose blinkt;
Denn eben diese Phantasie,
Die manchen Tag, ich weiß nicht wie,
Gleich scheuen Rossen, da sich bäumt,
Wo von Gefahren keinem träumt,
Ermannt die Seele wiederum.
Wenn, ohne Blatt und Vogel, stumm
Der Lusthain ist, die Eichen ächzen,
Am starren Fluß die Raben krächzen;
Wenn hinter blank gefrorner Au
Gestorbne Büsche, dunkel grau,
Im Feuerroth des Abends glänzen,
Und hohe Pappeln, zwischen Eis,
Den Fuß beschneyt, den Wipfel weiß,
Mit Epheu sich den Stamm bekränzen;
Dann sehen Tausende die Flur
In allgemeiner Trauer nur.
Doch mir verschleyert die Natur,
Beständig mild und groß und kühn,
Nicht ihren Schmuck; der Tanne Grün,
Auf Silberschnee der Sonne Gluth,
Gibt meinem Herzen Kraft und Muth,
Ihr Mutter-Antlitz mit Vertrauen
Und vollem Jubel anzuschauen.
So, Freund, so mach' ich jederzeit
Die Richtung mir von Glück und Leid,
Und bin zufrieden mit der Summe;
Bins heute noch, da beym Gebrumme
Des Schornsteins, mir zum Weh und Ach,
Der Reuter auf des Nachbars Dach
Vom dunkeln regenhaften West
Den Pferde-Kopf sich drehen läßt,
Und hinter ihm mein Dämon reitet,
Der blut'gen Krieg auf mich und Pest
Im Windgeheule niederleitet.
Du aber laß ihm heute nicht
Den kecken Spaß an mir gelingen;
Und weil's an Mädchen hier gebricht,
Die spottend ihn zu Ruhe zwingen,
So weise mir dein Angesicht,
Dein Biederauge, sonder Harm:
Da wollen wir dem ganzen Schwarm
Von Zwergen, Fledermäusen, Drachen,
Und allen Sorgen Beine machen.
Die Spinne und der Hänfling
In einer durch die Kunst gemachten Wüsteney,
An einer Garten-Klaus', erbaut für junge Damen
Und Ritter, die nicht oft hineinzuschauen kamen,
Hing eine Spinne, froh und frey,
Als Eremit im engen Fenster-Rahmen,
Begann ihr Werk, und sah dabey
Im wilden Lustgehölz von Birken Ulmen, Buchen,
Verschiedne Vögel Mancherley
Zu Nestern sich zusammensuchen.
Ein wohlerfahrner Hänfling zog
Auf einen Ast, er seine Zweige bog,
Der Spinne Fenster zu beschatten.
In voller Arbeit hüpft' und flog
Das Hänflingsweibchen hin und wieder mit dem Gatten;
Indessen jene bloß auf ihre Fäden sann,
Und aus sich selbst den Zeug der Hütte spann.
Die armen Vöglein! hub sie an:
Wie Mann und Weibchen sich um ihren Bann ermatten!
Was hohlen sie von Ost und West
Nicht alles her! Und steht das Nest –
Dann neue Sorge, stetes Reisen
Durch Garten, Hof und Feld, die junge Brut zu speisen!
Dann fürchten sie des Hauses jähen Sturz,
Wenn Knaben durch die Hecken rauschen;
Und flattern auf, und jammern: Kurz!
Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.
Der Hänfling war so eben recht
Zum Horchen auf den Ast gekommen,
Hatt' über sich und sein Geschlecht
Die weise Rede wohl vernommen,
Und flog zum Fenster-Rahmen hin!
Und sagte: »Liebe Nachbarinn!
Ich lobe deinen klugen Sinn,
Der zwischen kahlen, finstern Mauern
Dich hier so glücklich macht in deinem Selbst-Gespinn:
Als ich im grünen Walde bin;
Uns aber mußt du nicht bedauern.
Im grünen Walde gibt es zwar
Nicht wenig Arbeit und Gefahr;
Jedoch auf Freude hofft umsonst, wer nie will trauern.
Schon öfter wurde mir um Nest und Futter bang;
Dann regt' ich mich, entfloh dem Untergang;
Und heller durch den Busch ertönte mein Gesang.
Ich dächte, liebe Nachbarinn!
Es wäre wohl in diesem Leben
Verlust bey jeglichem Gewinn;
Ich dächte, liebe Nachbarinn!
Wir nutzten das, was uns Natur gegeben,
Zum Nisten mir, und dir zum Weben.«
An J.J. Rousseau
Armer! bin ich werth, um dich zu weinen,
Hier im fernen deutschen Vaterland,
O so laß mich. – Armer! von den Deinen,
Als du Wahrheit suchtest, weggebannt!
Ausgehöhnt von stolzen Atheisten,
Weil du Glauben trugst in deiner Brust,
Und verfolgt von Priestern unter Christen,
Gleich als dünkte sie Verfolgen Engelslust!
Ach! gehöhnt, weil dir ein innres Wort der Weihe
Für dein Elend künft'gen Trost verhieß;
Ach! verfolgt, weil ohne Lieb' und Treue
Man umsonst dir seinen Glauben pries!
Konntest nicht den bittern Lohn verschmerzen
Von dem Volke, dem du wohlgethan;
Gingst hinweg mit deinem Bruder-Herzen,
Gingst allein auf deiner Dornen-Bahn.
Armer, Guter! schlafe jetzt in Frieden,
Wo kein Priester dich, kein Gottesläugner drängt;
Guter, Edler! bist dahin geschieden,
Wo die Einfalt ihre Kron' empfängt;
Wo dem Märtyrer aus allen Himmelslichtern
Sein errungner Glanz entgegen scheint,
Lieb' und Ruh in allen Angesichtern
Um den hier Verstoßnen sich vereint. –
Hin zu jenen Bäumen will ich wallen,
Wo, von Menschen weit, dein Lager sanfter ist:
O da werden blut'ge Thränen fallen
Ums Jahrhundert, wenn es dich vergißt.
Trauer der Liebe
Wo die Taub' in stillen Buchen
Ihren Tauber sich erwählt,
Wo sich Nachtigallen suchen,
Und die Rebe sich vermählt;
Wo die Bäche sich vereinen,
Ging ich oft mit leichtem Scherz,
Ging ich oft mit bangem Weinen,
Suchte mir ein liebend Herz.
O, da gab die finstre Laube
Leisen Trost im Abendschein;
O, da kam ein süßer Glaube
Mit dem Morgenglanz im Hain;
Da vernahm ich's in den Winden,
Ihr Geflüster lehrte mich:
Daß ich suchen sollt', und finden,
Finden, holde Liebe! dich.
Aber ach! wo blieb auf Erden,
Holde Liebe, deine Spur?
Lieben, um geliebt zu werden,
Ist das Loos der Engel nur.
Statt der Wonne fand' ich Schmerzen,
Hing an dem, was mich verließ;
Frieden gibt den treuen Herzen
Nur ein künftig Paradies.
Die Perle
Es ging ein Mann zur Frühlingszeit
Durch Busch und Felder weit und breit
Um Birke, Buch' und Erle;
Der Bäume Grün im Mayenlicht,
Die Blumen drunter sah' er nicht;
Er suchte seine Perle.
Die Perle war sein höchstes Gut,
Er hatt' um sie des Meeres Fluth
Durchschifft und viel gelitten;
Von ihr des Lebens Trost gehofft,
Im Busen sie bewahrt, und oft
Dem Räuber abgestritten.
Da sucht' er nun mit Weh und Ach
Da wies man ihm den hellen Bach,
Und drinn die goldne Schmerle;
Nichts half der Bach im Sonnenglanz,
Im Bache nichts der Schmerlen Tanz;
Er suchte seine Perle.
Und suchen wird er immer so,
Wird nicht des Lebens werden froh,
Nicht mehr die Morgenstunden
Am purpurrothen Himmel sehn;
Berg auf und nieder muß er gehn,
Bis daß er sie gefunden.
Der arme Pilger! So wie er,
Geh' ich zur Frühlingszeit umher
Um Birke, Buch' und Erle;
Des Mayen Wunder seh' ich nicht;
Was aber, ach! was mir gebricht,
Ist mehr als eine Perle.
Was mir gebricht, was ich verlor,
Was ich zum höchsten Gut erkor,
Ist Lieb' im treuen Herzen.
Vergebens wall' ich auf und ab;
Doch find' ich einst ein kühles Grab,
Das endet alle Schmerzen.
Die Nachtigall und der Stieglitz
Da, wo des Busches Wiederhall
Am reinsten war, da saß auf ihrer Eiche,
Verborgen, eine Nachtigall;
Und Knaben plätscherten nicht weit davon im Teiche.
Sie saß, und sang in Fried' und Ruh;
Die Vögel hörten ihr auf allen Aesten zu.
Ach! aber weg vom Bade schlich
Ein Knabe zu dem Baum, und scharrte
Den Boden auf, und stellte sich
Am nahen Schlehdorn auf die Warte.
Die Nachtigall ist treu und gut,
Man kann sie leichtlich überraschen;
Sie glaubte jetzt, ein Würmchen zu erhaschen,
Und flog herab mit unbesorgtem Muth,
Als, wie ein Blitz, des Knaben Hut
Die arme Sängerinn bedeckte,
Und sie durch ihr Geschrey den Busch zu Klagen weckte.
Das größte Mitleid trug
Mit ihr ein Stieglitz, alt und klug,
Von jener Art, die nimmer unterlassen,
Ihr Tröstungs-Wort als Predigt abzufassen.
Der sagte: Liebe Nachtigall!
Von Herzen dauert mich dein unverhoffter Fall.
Die Welt ist schlimm; es gibt der losen
Gesellen jetzund überall.
Daß aber auch ihr Virtuosen
In eurem Thun und Dichten jederzeit
So neu, so albern seyd,
Als wüchsen euch die Flügel eben!
Auf eines Kindes Wink sich also Preis zu geben,
Für Meistersänger, welche Schmach!
Die winselnde Gefangne sprach:
O Freundinn! soll ich nicht dem Menschen mich vertrauen?
Ich nehm' in Gärten, Feldern, Auen
Ihm nichts, bin keinem je zur Last;
Dem Müden sing ich gern bey seiner Abend-Rast,
Und hoffte Schutz und Lohn von ihm, der solche Gruben
Mir gräbt im unverdächt'gen Hain.
Du konntest, fiel der Stieglitz ein,
Von Männern des gewärtig seyn;
Doch, liebe Nachtigall, von Buben,
Von Lotterbuben, nein!
Die Fürsten
1779.
Der Fürsten giebt es mancherley.
Auf stolzen Alpen, kühn und frey,
Erbaut der Adler seinen Sitz,
Und sendet weit der Augen Blitz
Umher in hoher, hoher Luft,
Und wittert in die ferne Kluft.
Er fliegt, und schreckt, und kämpft, und schafft,
Was ihn gelüstet, heldenhaft,
Mit eignem Willen, eigner Kraft.
Der Karten-König, so genannt
Ob seinem Zepter in der Hand,
Ob seinem farbigen Talar,
Und ob der Hofbedienten Schaar,
Die alle zu Geboth ihm stehn,
Und, wenn er's fordert, mit ihm gehn –
Der Karten-König, taub und blind,
Ist Karte, wie die andern sind,
Stolzieret nur in solcher Pracht,
Weil ihn der Mahler bunt gemacht;
Thut selber nichts, ist immer Knecht,
Bey Guten gut, bey Schlechten schlecht,
Und, je nachdem sein Loos ihm fiel,
Der Klugen und der Narren Spiel.
Gesundheit auf Gleims Geburtstag
Der Grieche war dem Schönen hold
Bey grün umwundnen Schaalen;
Der Deutsche, wie des Bechers Gold,
So treu bey seinen Mahlen:
Dem Schönen hold ist unser Sinn,
Das Herz ist ächt und bieder:
Nimm dieses Glas, o Vater! hin,
Wir kränzen oft es wieder!
An die Nachtigall
Süß, du im Hain Verborgene!
Steigt dein Gesang empor;
O Nachtigall, du Klagende!
Sing mir dein Leiden vor.
Gern ist der Hoffnungslose
Dem Trauerliede nah,
Wenn er die letzte Rose
Des Lebens welken sah.
Klage
Ihr bangen, schwarzen Stunden!
Wann endet eure Qual?
Nach tausend blut'gen Wunden,
Zerreiß, o Herz, einmahl!
Dies hoffnungslose Pochen
Ist mehr als Todes-Schmerz:
Was, ach! hast du verbrochen,
Getreues, armes Herz?
Ist doch der matte Schimmer
Des letzten Sterns erblaßt;
Entwichen mir auf immer,
Was liebend ich umfaßt!
Noch oft wird auf und nieder
Das Licht des Himmels gehn;
Ihr Augen sollt nicht wieder
Den Tag der Liebe sehn.
Die Thränen sind verlohren,
Die wir so lang geweint;
Kein Herz für mich gebohren,
So weit die Sonne scheint:
So weit auf Berg und Höhle
Der Mond herunter schaut,
Nicht Eine gute Seele,
Die meiner sich vertraut!
Willkommen, kalter Schauer!
Du Nachtgeflüster du!
Willkommen meiner Trauer!
Im Grabe nur ist Ruh.
Die Treu, im Todtenkranze
Getröstet und versöhnt,
Erhebt sich da zum Glanze
Des Himmels, der sie krönt.
Herbstlied
Nicht lobenswürdig ist der Mann,
Noch mir des Neides werth,
Der nur mit prunkendem Gespann
Um seine Gärten fährt;
An jedem Baum vorüber zieht,
Als wär es sein Pallast –
So stolz und kalt – nicht aufwärts sieht
Zum fruchtbeladnen Ast;
Im Schooß der Buhlen, o Natur,
Dich ohne Lust erblickt;
Zu deinem Mutter-Feste nur
Die Tagelöhner schickt.
Dagegen halt' ich neidenswerth,
Und lobe mir den Mann,
Der sich von seinen Früchten nährt,
Und deß sich freuen kann;
Der unter seinen Blumen wohnt;
Sie anzuschauen ging,
Bevor der Zweig im Frühlingsmond
Die erste Blüth' empfing;
Bey Regen und bey Sonnenstrahl
Und in bereifter Nacht,
Mit Liebes-Sorge jedes Mahl
An seine Bäume dacht',
Und so die Früchte wachsen sah,
Von süßer Hoffnung voll;
Und nun, der reichen Ernte nah,
Sie alle brechen soll.
Ihn preis' ich, der die Bäume groß
Gebethet und gepflegt;
Die Birn mit Lachen in den Schooß
Des treuen Weibes legt.
Ihn preis' ich, wenn um seinen Baum
Ein Häufchen Kinder singt,
Mit Backen frisch und roth, daß kaum
Der Apfel röther blinkt.
Da lehnt an seine Garten-Thür
Die Wittwe sich, und blickt
Aufs arme Waislein neben ihr,
Dem keiner Früchte pflückt.
Weil er die Wittwe trösten kann
Mit dem, was Gott beschert,
Deswegen lob' ich mir den Mann,
Und halt' ihn neidenswerth.
Auf einer Maskerade
1. In den Blumenkorb einer Gärtnerinn
Ein drolligtes Gemisch von mancherley Geschöpfen
Ist diese große Gotteswelt.
Den Dornen und den Distelköpfen
Sind Tausendschönchen beygesellt:
Das alles wächst auf Feld und Au,
Hat Sonne, Regen, Wind und Thau,
Und ist zu etwas gut hienieden.
Wohlan! so lassen wir in Frieden
Es alles durch einander stehn,
Und Dorn und Distelköpfe wehn,
Indem, zu Kränzen uns beschieden,
Wir Tausendschönchen pflücken gehn.
2. Auf das Buch einer Zauberinn, welches drey Schleifen von drey verschiedenen Farben hatte
Drey, und drey, und aber drey:
Strom zurück! Fels herbey!
Drey, und drey, und aber drey:
Mond herunter! Herauf die Todten!
Könntest du lösen die heiligen Knoten,
Wehe, wehe, wehe dir!
Würdest wandeln Mensch und Thier;
Mit dem Otterngezüchte scherzen,
Aber nicht wandeln Menschen-Herzen.
Herzen bewegt kein Zauberspruch;
Willst du das, so mache Versuch,
Daß dir günstig ein holderes Drey,
Günstig jede der Grazien sey!
An **
Entfliehe nicht! du hörst ja keine Klagen;
Kein nasser Blick und keine Seufzer sagen,
Was tief mein Herz in sich verschließt.
Noch immer war mein einziges Verlangen,
Dieß Sonnenlicht zu sehn auf deinen Wangen,
In dieser Luft, die dich umfließt.
O könnt' ich nur, o könnt' ich, ungesehen,
Mein Leben lang an deiner Seite gehen,
Und Tag und Nacht dein Engel seyn!
Du solltest nichts von meiner Liebe wissen;
Ich wollte gern den Lohn der Treue missen,
Und bliebe doch auf ewig dein.
Lied, beym Herumgehen eines mit Aehren bekränzten Bechers, an Gleims Geburtstage1
am 2. April 1780.
Bis in des Landmanns Furchen sieht
Die Lerch' im höchsten Flug;
Aus goldnen Wolken tönt ihr Lied
Herab auf seinen Pflug.
Die Volkes-Muse schwebt, wie sie,
Vertraut zum Arbeitsmann,
Und stimmt in leichter Melodie
Ein frommes Loblieb an.
Des frommen Lieds gedenken wir
Beym heut'gen Becher-Klang,
Und weihn den Kranz von Aehren hier
Dem Sänger, der es sang.
Fußnoten
1 Nachdem Gleim seine Volkslieder herausgegeben hatte.
An den Herrn Rector **, im Nahmen zweyer Frauenzimmer
Ist doch auf Erden, weit und breit,
So wenig Recht und Billigkeit,
Daß auch der allerbeste Mann
Die Unschuld oft betrüben kann!
Da klagen Sie uns Mädchen an,
Als setzten wir ins Werk der Nadel
Das höchste Lob, den höchsten Tadel;
Und was den Leumond ärger macht,
Dadurch des Hauses Nutz und Ehren,
Wie unsre Mütter, zu vermehren;
Als lebten wir vom Zeitvertrieb,
In jeder Woch' auf unsern Leib
Ein neues Pößchen hinzutändeln,
Und sprächen, sonder Ueberdruß,
Davon, wie ein Politicus
Von seinen Kriegs- und Friedenshändeln;
Als wäre das, was Kinder froh
Und glücklich macht, uns nur willkommen ...
Doch gäb' es hundert Mädchen so –
Wir beyde blieben ausgenommen.
Es bannt die feine Sitte zwar
Die Spindel und den Rahmen gar;
Kein Stück wird mehr von uns gewebt,
Das künftig bey den Erben lebt.
Auch macht den Zierrath unsrer Kleider
Die allerneuste Mode leider
So spinnenmäßig zart und dünn,
Wie unsrer Männer Flattersinn;
Da gehn die ersten Wochen hin;
Weg ist der Staat! ihn nutzt ein Jude
Noch kaum in seiner Trödelbude;
Geschweige denn die Enkelinn.
Wer aber darf an Schürz' und Bändern,
An Hut und Locken etwas ändern?
Um mit den Meisten fortzuschlendern,
Bedürfen wir zu jeder Nath,
Zu jeder Schleife guten Rath;
Gern aber lassen wir uns stören,
Um etwas Klügres anzuhören.
Will uns ein Biedermann belehren,
Er ist uns theurer, glauben Sie's!
Als irgend einer, dem Paris
Die letzten Mode-Puppen wies.
So dünken wir, frisirt als Igel,1
Uns bey dem glänzendsten Besuch
Nicht mehr, als unterm Hülletuch
Bey vorgeschobnem Kammerriegel,
Und gucken seltner in den Spiegel
Vielleicht, als in ein gutes Buch.
Gilt's eine Wette, lieber Rector?
Es sind Achill, Ulyß und Hector,
Sammt Troja, der berühmten Stadt
Uns so bekannt, wie Goliath
Und David in der Bilder-Bibel.
Wenn aber – und wer kann es übel
Uns deuten? – wenn zum öftern Sie,
Mit Ihrer Etymologie
Vor Langerweil' uns zu versteinern,
Sammt unserm Bruder hochgelahrt,
Nicht scheuend unsre Gegenwart,
Aus Griechen, Wälschen und Lateinern,
Ein Wort in os und as und um
So lang betrachten um und um,
Es messen in die Läng' und Quer',
Bis sie errathen ungefähr,
Wann's in die Welt kam, und woher;
Zuweilen drüber eine Fehde
Beginnen, gleich als ob die Rede
Vom Stammbaum unsers Fürsten wär' –
O dann, gewiß durchs Ihre Schuld,
Zerreißt uns endlich die Geduld;
Denn während Sie ein einzig Wort
So, nach Gefallen, radebrechen,
Könnt' unser eine – welch ein Mord! –
Wohl ihrer viele tausend sprechen.
Wir aber denken uns zu rächen.
Ist erst der lange Winter aus,
Und Sie begehren einen Strauß,
Da sollen Sie von jeder Art
Der Frühlingsblumen, die wir pflücken,
Erzählen, ehe wir uns bücken,
Wie sie gesä't, gepflanzet ward,
Und wie sich in den Keimem zart
Die Blätter bildeten und schieden. –
Wenn uns der Himmel nur bewahrt,
Daß wir nicht eher noch ermüden,
Als Sie mit Ihrem kalten Blut!
Denn, lieber Rector, kurz und gut!
Dem Mädchen ist es nicht gegeben,
Daß stundenlang, mit festem Muth,
Sein Geist auf Einem Dinge ruht.
Wir ahnden, sehn, genießen, schweben,
Nach Art der Honigträgerinn,
Um etwas Andres zu erstreben.
So will's Natur: Ein leichter Sinn
Wird uns zum köstlichen Gewinn;
Er läßt in dieses Alltagsleben
Uns frohe Zwischenspiele weben;
Mit ihm verlören wir zugleich
Den Reiz des Neuen, der die Liebe
Des Mannes einzig nährt: Wo bliebe
Dann unser ganzes Königreich?
Fußnoten
1 A la hérisson.
Der neue Simson
Es war ein Männchen, fein und hold
Von Sitten und Gebehrden;
Ihm träumt' es in der Nacht, er sollt'
Ein zweyter Simson werden;
Er nahm sich eine Delila,
Die oft ihr blaues Wunder sah,
Wenn, klein in Holz geschnitten,
Die alten Riesen stritten.
Nun fand er die Philister zwar
Allmählig ausgestorben,
Sich selber, trotz dem langen Haar,
Zum starken Mann verdorben;
Und auch die Wälderchen umher
Von Löwen und von Tigern leer;
Konnt aber ihm gebühren
Noch etwas aufzuspüren.
Sofort beginnt er seinen Lauf
Im leichten Moderöcklein;
Er sucht ein Ungeheuer auf;
Begegnet ihm ein Böcklein:
Das arme Böcklein greift er bald,
Erwürgt, zerreißt es mit Gewalt,
Wie einen grimmen Leuen,
Sein Mädchen zu erfreuen.
Doch in der Folge wollt's ihm schier
An Abentheuern mangeln:
Da hob er einst die Kammerthür
Des Mädchen aus den Angeln,
Und trug sie, nach gemeiner Sag,
Hinauf auf einen Taubenschlag,
Deß, als die Mutter zankte,
Das Mädchen schön ihm dankte.
Nicht selten sprach er räthselhaft
Von ganz gemeinen Dingen;
Es fehlt' ihm einzig nur die Kraft,
Die Füchse zu bezwingen:
Da jagt' er einen Feuerbrand
Mit seinem Pudel durch das Land;
Der Himmel ließ in Gnaden
Die Früchte sonder Schaden.
Weswegen man ihm nichts verdarb
An Augen und an Locken;
Und als er sanft im Bettlein starb,
Blieb Alles unerschrocken.
Dies Mährchen hab ich euch geweiht,
Ihr kleinen Simsons unsrer Zeit!
Und euern Amazonen,
Die küssend euch belohnen.
An die Gräfinn von H**, welche, als Braut, auf dem Clavier spielte und sang
Schön, o Sephine!
Steht im blonden Haar der grüne
Lorber-Kranz
Den, im Weihe-Tanz
Holder Musen geschlungen,
Sich ein Mädchen ersungen.
Aber milderen Glanz,
Höhere Freuden, o Sephine,
Hat der grüne
Myrthen-Kranz,
Den, im Weihe-Tanz,
Mit der unschuldvollen Rechten
Liebes-Götter flechten.
Schöner war,
Auch im köstlichsten Geschmeide,
Nie der Königinnen Haar,
Als des Mädchens, wenn es beyde
Kränze vereint.
Selig scheint
Mir der Jüngling, o Sephine,
Der es wagt,
Und die Lorber-Umwundne fragt:
Ob er sie verdiene?
Dem die Myrthen-Umflochtne sagt:
Jüngling! ich gehe mit dir;
Nimm von mir,
Was die Götter mir gegeben:
Nimm Gesang und Lieb' und Leben!
Band zum Geburtstage der Frau Kriegsräthinn B**
im März 1781.
Beysammen stehn der Bäumlein drey,
Gewachsen auf der Heide
Zu gleicher Lust im schönen May,
Zu gleichem Winter-Leide.
Sie fühlen, auf denselben Hauch,
Der Weste leises Wandern,
Und Hagel-Stürme kommen auch
Dem einen, wie dem andern.
Sie stehn und blühen alle drey;
Sie wollen, unter Stürmen,
Wohl bis an ihren letzten May
Sich nachbarlich beschirmen.
Gefällt dies Lied, o Schwester, dir;
So komm in unsre Mitte!
Die frohen Bäumlein die sind wir,
Und du, du bist das Dritte.
An Gleim, bey der Feyer seines Geburtstages
den April 1781.
– defunctorum enim amicorum memoriam poculis adjicere mos erat –
Thormod Thorfaei. Rer. Norwegic.
T. VIIII. C. 25.
Als, an Kriegs- und Ehren-Tagen,
Noch ein deutscher Rund-Gesang
Laut, bey fröhlichen Gelagen,
Bey der Väter Halle klang,
Ließen sie das Lob verstorbner Helden
Ihren ersten Becher melden.
Freund! nach alter Weise schenken
Diesen Becher wir voll Wein;
Und er soll dem Angedenken
Deines Leßings heilig seyn,
Der, wie Kleist, mit ungefärbtem Lieben
Dein bis in sein Grab geblieben.
Doch die Stätte des Erblaßten,
Wo mit ihm, vom süßen Licht
Ach so fern! die Todten rasten,
Nenne mein Gesang dir nicht!
Laß uns nur den vollen Becher weihen,
Seines Lebens uns zu freuen:
Daß, vor Tausenden zu glänzen,
Er den hohen Geist empfing;
Aber zwischen Lorber-Kränzen
Demuthsvoll, in Zweifeln ging,
Ob er nicht des großen Ziels verfehlte,
Nicht für Wahrheit Irrthum wählte;
Daß er bey geprüften Schötzen
Alter Kunst voll Einfalt saß,
Nach der Schönheit Urgesetzen
Jedes seiner Werke maß,
Freyen Muth in Frevel nie verkehrte,
Nie der Sprache Recht entehrte;
Daß er gläubig die Gebote
Reiner Liebe nicht verließ,
Und dem Priester, der ihm drohte,
Seines Lebens Unschuld wies;
Daß den Mann, den sie zur Hölle bannten,
Arme Wittwen selig nannten;
Daß sein letzter Tag gekommen
Ohne Schrecken, leis' und mild,
Wie das Wandlen eines frommen
Jünglings, wie das holde Bild,
Das er uns im Schlafes-Bruder zeigte,
Welcher Kranz und Fackel neigte1.
Nimm, o Gleim, den Freuden-Becher,
Füll' ihn lange noch mit Wein,
Um des Freundes Freund und Rächer
Einst, wenn Alles schweigt, zu seyn:
Denn es rauscht des falschen Eifers Flügel
Auch um stille Todes-Hügel.
Fußnoten
1 In der Schrift: Wie die Alten den Tod gebildet.
Die Einfalt
An Lina.
Von der Einfalt soll ich dir,
Gutes Mädchen, etwas sagen?
Allzu selten tönt von ihr
Noch ein Lied in unsern Tagen!
Denn, gebannt von Hof und Stadt,
Will sie nur im Freyen scherzen;
Jene lügen; Einfalt hat
Immer Eines nur im Herzen.
Jedes Wort ist Seelenklang,
Des Gedankens treue Stimme;
Ruhig, sicher ist ihr Gang,
Und ihr Wandel ohne Krümme.
Wenig thut sie nie durch Viel;
Aber Vieles gern durch Wenig;
Klatschet keinem Narrenspiel,
Wäre gleich der Narr ein König.
Im Tyrannensaal gehaßt,
Wählt sie, von den reinsten Lüften
Angefächelt, zum Pallast
Einen Busch auf armen Triften.
Hohe Weisheit sucht sie nicht;
Ihr genügt, auf grünen Auen,
An der Wahrheit Dämmerlicht,
Um in Demuth Gott zu schauen.
Alles zeigt ihr seine Spur,
Heilig ist des Schöpfers Hülle;
Zu dem Vater bethet nur
Einfalt aus des Herzens Fülle;
Singt im Dornenkranz, und legt
Auf ein Kreuz die matten Hände;
Noch von Lieb' und Hoffnung schlägt
Ihre Brust am letzten Ende.
So verläßt sie Flur und Hain,
Blickt von ihrer stillen Wiese
Froh gen Himmel, schlummert ein,
Und erwacht im Paradiese.
An Frau v. D**, an ihrem Geburtstage, den 23. Febr. 1781.
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