bey Uebersendung eines Straußes von getrockneten Feldblumen

 

Blümchen, so wie diese,

Gibt uns Wald und Wiese,

Berg und Thal;

Jeder kann sie finden,

Kann sich Kränze winden

Ohne Zahl.

 

O wie viele Freuden,

Wenn man sie bescheiden

Nicht verschmäht,

Sind, wohin wir wallen,

Ueberall und Allen

Hingesät!

 

Aber ach! der Wiese

Blümchen, so wie diese,

Sterben bald;

Ihrer sieht man keines,

Wenn im Herbst des Haines

Lied verhallt.

 

Keines konnt' ich finden

Jetzt in öden Gründen;

Dennoch dir

Einen Strauß zu geben,

Schafft' ich neues Leben

Diesen hier.

 

Alle Menschenfreuden

Sind im frühen Scheiden

Gleicher Art:

Selig, wer, wie diese

Kinderchen der Wiese,

Sie bewahrt!

An die Liebe

 

Von dir, o Liebe, nehm' ich an

Den Kelch der bittern Leiden;

Nur Einen Tropfen dann und wann,

Nur Einen deiner Freuden!

 

So wird dein Kelch, o Liebe, mir

Wie Feyerbecher glänzen;

Auch unter Thränen will ich dir

Mit Rosen ihn bekränzen.

An Heinse, als er sich mit der Uebersetzung des Ariosts beschäftigte

 

Pempelfort, im Oktober.

 

Du, welcher nicht mit seiner Wunderkraft,

Von Pferd und Ritter angegafft,

Wie Ariosto's Hexenmeister,

Ein blendend Goldkasteel auf Demantfelsen schafft;

Der mächtiger, zum Wonnespiel für Geister,

Was schön und lieblich ist, in Eins zusammen rafft;

Nicht gröbre Sinne täuscht; die feinern zu entzücken,

Uns neue Feengärten baut,

Wo Frühlingsbeete sich mit Purpurtrauben schmücken,

Herab auf Veilchen Aepfel nicken,

Im Pomeranzenhain, von Liebeslust bethaut,

Die Nymphen schwesterlich für eine Götterbraut,

Beym Griechischen Gesang, am Hochzeitgürtel stricken,

Und wo, bey aller Kunst, wenn Schäfer Rosen pflücken,

Natur sich hören läßt im Nachtigallenlaut,

Obgleich mit schalkhaft ernsten Blicken,

Indem es ihm gelingt, uns andre zu beglücken,

Der Künstler dann und wann die Gärten überschaut,

Und selber nicht dem eignen Werke traut:

O, komm mit allen Zaubereyen

Des Witzes und der Phantasie;

Denn meiner Lieder Melodie

Kann diesen Nebel nicht zerstreuen,

Der rund um Haus und Hof und Bach und Nußbaum hängt,

Und jedem Scherz den Weg verengt!

Ich rufe dir; versuche du, was nimmer

Dir noch mißlang; erweck' im düstern Zimmer

Ein frohes Licht, das uns durch seinen sanften Schimmer

Die Sonne minder nöthig macht!

Kannst aber auch in schwarzer Nacht,

Wenn's dir gefällt, die Scene wählen,

Und Mordgeschichten uns erzählen

Von Blitz und Sturm, von Dolch und Kuß,

Wie man's im Dunkeln hören muß.

Voll Kindereinfalt im Genuß,

Versprechen wir, kein Mährchen durchzuklauben,

Und mehr, als du begehrst, zu glauben.

 

Im Grunde zwar ist diese Welt,

So wie sie Mond und Sonn' erhellt,

Mit Land und Wasser, Heid' und Korn,

Und Wald und Berg, und Ros' und Dorn –

Mit dem, was alles Gott erschuf,

Vom Zimmerhügel zum Vesuv –

Mit dem, was Menschenfleiß gethan,

Von Nankings Thurm aus Porzellan

Bis zu Aegyptens Pyramiden,

Und dem, was uns von Krieg und Frieden

So manche Chronik aufbehält –

Mit allem dem ist diese Welt,

So groß und reich, so schön und furchtbar an Geschichten,

Voll Zeitvertreibs für Weib und Mann,

Daß einer wohl die Mühe sparen kann,

Was Neues noch hineinzudichten.

Und wir, o Freund, die für Natur

Den reinen Sinn, die hellen Augen haben,

Ergetzen uns an ihren Gaben,

Wie jede Wies' und jede Flur

Sie jährlich trägt; verlangen nur

Den Apfel, wie der Baum ihn bringt,

Wenn roth und gelb er durch die Blätter winkt;

Gebrauchen keinen Zauberpinsel,

Der ihn mit höhern Farben mahlt.

Da, wo des Rheins Gebüsch im Purpurglanze strahlt,

Da steigt vor uns Armida's Insel

Empor mit jedem Labyrinth;

Und schüttelt, liebevoll, ein sachter Abendwind

Den Fittig, naß von Mayenregen,

Weht er den Wohlgeruch der Wipfel uns entgegen,

Dann füllen Götter, fern und nah,

Die Lüfte mit Ambrosia.

Desgleichen kann, mit blondem Nacken,

Mit blauem Aug' und Rosenbacken,

Ein Mädchen, schlank und hold und lieb,

Obschon es demuthsvoll auf unsrer Erde blieb,

Und Grazien ihm keinen Gürtel geben,

Uns von der Erde weg in den Olympus heben,

Als wäre dort sein Vaterland.

 

Am Ende, Freund, ist dir und mir bekannt,

Daß nicht ein Rasen grünt, geworfen auf den Strand

Nicht eine Muschel wird, an keines Bächleins Rand

Um frischen Klee die Bienen schweben,

Die Mücken tanzen, Spinnen weben,

Daß nicht ein Fleckchen ist, wo forschender Verstand

Nicht tausendfache Wunder fand,

Und Wunder, gegen die, mit unserm Dichtergeist

Und Allem, was ihm neue Schöpfung heißt,

Mit Drachen, Nixen, Wasserpferden,

Mit Hippogrif und Pegasus,

Dem Göttersaal und Höllenfluß,

Wir doch, so stolz wir uns geberden,

Erwägt man's recht, zu Stümpern werden,

Zu Thoren, die ein Stückchen Welt,

Durch eine Lampe dargestellt,

Im Schattenspiel, durch eignen Dünkel zieren,

Und Mond' und Jahre so verlieren.

 

Bekenn' es nur! – Anstatt zu sehn, was sichtbarlich

Die Knospe theilt, dem Keime sich

Entwindet, was dem Ey entschlüpft,

In Teichen schwimmt, als Vogel hüpft;

Was mit der Stimme Wiederhall

Den Forst erfüllt; das Leben all,

Das große Zeugen und Gebähren,

Das Wärmen, Schützen und Ernähren;

Der Pflanze Traum, des Thieres Trieb,

Des Menschen Herz; das Dräuen, Wehren

Von Männer Muth; des Helden Zähren;

Des Weibes Schaam und Mutterlieb';

Und Vaterlandes Reiz, und Heißbegier nach Ruhm:

Anstatt auf Alles das voll Andacht hinzusehen,

Mit Wissenslust umher zu gehen

In Feld und Au, in unserm Eigenthum,

An dessen Statt verachten wir die Spur

Der schaffenden, allwaltenden Natur,

Die Bahn zu echtem Glück, zu bleibendem Gewinnst,

Verrichten nichts, erfinden, lesen,

Was unterm Mond und drüber nie gewesen,

Und flattern um ein Hirngespinnst.

 

Indessen, Freund, bey mäßigem Gebrauch

Ist Phantasie des Dichters auch

Ein hoher Schatz, ein köstlich Ding,

Ein Strahl, den himmelab des Menschen Geist empfing,

Und Gotteskraft, nicht minder als die Kräfte,

Wodurch sich Meer und Luft bewegt.

Der Athem, welcher sich auf unsern Hügeln regt,

Und in die Ranke Lebenssäfte

Zum Labsal der Betrübten legt,

Umsäuselt eben so des Dichters Phantasie,

Und läßt ihr oft das milde Werk gelingen,

Der Sorgenlast, der Erdenmüh

Vergessenheit in uns zu bringen,

Und nach und nach den Schmerz in goldnen Traum zu singen.

 

Wohlan, so komm it deiner Feerey:

O, lehr' uns, jede Wüsteney

Zum Lustgehölz für uns und andre machen;

O, lehr' uns, wie durch leichten Mitz

Hinweg von unserm Freudensitz

Wir klein' und große Narren lachen!

Hochzeit-Lied

 

Willst du frey und lustig gehn

Durch das Weltgetümmel,

Mußt du auf die Vöglein sehn,

Wohnend unterm Himmel;

Jedes hüpft und singt und heckt

Ohne Gram und Sorgen,

Schläft vom grünen Zweig bedeckt

Sicher bis am Morgen.

 

Jedes nimmt ohn' Argelist,

Was ihm Gott beschieden,

Und mit seinem Fräulein ist

Männlein wohl zufrieden;

Keines sammelt kümmerlich

Vorrath in die Scheunen;

Dennoch nährt und labt es sich

Mit den lieben Kleinen.

 

Keines bebt im Sonnenstrahl

Vor den fernen Stürmen;

Kommt ein Sturm, so wird's im Thal

Baum und Fels beschirmen.

Täglich bringt es seinen Dank

Gott für jede Gabe,

Flattert einstens mit Gesang

Still und leicht zu Grabe.

 

Willst du frey und lustig gehn

Durch dies Weltgetümmel,

Mußt du auf die Vöglein sehn,

Wohnend unterm Himmel.

Wie die Vöglein haben wir

Unsren Vater droben:

Laß ein treues Weib mit dir

Lieben ihn und loben!

Wiegenlied für ein Mädchen

 

Schlummre Liebchen! bist noch klein,

Weißt vom schönen Sonnenschein,

Weißt vom Strahl des Mondenlichts,

Und von Wald und Blumen nichts;

Liebchen, schlummre, werde groß!

Sollst es sehn auf meinem Schooß.

 

Sollst den Glanz des Himmels sehn,

Und aus ihm die Sonne gehn

Ueber Wiesen frisch und grün,

Wo die blauen Veilchen blühn.

Veilchen werden dann gepflückt,

Du ans Mutterherz gedrückt.

 

Mir am Herzen, liebes Kind,

Spielst du froh im Morgenwind.

Ueber dir ist Jubelklang,

Um dich her ist Lobgesang;

Leise rauschen Baum und Fluß,

Und du fühlst den Mutterkuß.

 

Liebchen, schlummre; wachs heran!

Siehst in meinen Armen dann

Auch der Abendsonne Gluth;

Siehst, wenn Feld und Aue ruht,

Gold und Purpur überall,

Beym Gesang der Nachtigall.

 

Unterm Nachtigallen-Lied

Kommt der helle Mond, und sieht

Mild herab auf dich und mich;

Alle Blumen neigen sich;

Und die Händchen falt' ich dir:

Kleiner Engel, Gott ist hier!

 

Gott ist hoch im Sternenglanz,

Und im niedern Veilchenkranz;

Ist, wo jener Vogel schlägt,

Und, wo dieser Arm dich trägt.

Sag' in jedem Winkel dir:

Liebes Mädchen: Gott ist hier!

Vorrede zu einem Stammbuch, im Namen seiner Besitzerinn

 

Wenn mit Freunden und Geschwistern,

Mich ein stilles Grab umschließt;

Nicht das Quell-Geräusch und nicht das Flüstern

Im Kastanien-Hain uns mehr begrüßt;

Kaum gekannt vielleicht, an öden Wänden,

Von der Spinn' umwebt, noch unser Bildniß hängt,

Und aus später Enkel Händen

Dieses Buch ein Fremdling dann empfängt;

Wenn es im Gewühl vergeßner Brief' und Lieder

Nun versunken ist, der Motten Raub –

O so find es eine gute Seele wieder,

Und die rett' es aus dem Staub!

Ach! bevor die Blätter ganz verwesen,

Gute Seele, blick hinein!

Todte Namen nicht, der Liebe Glück zu lesen,

Unser Glück am Quell, und im Kastanien-Hain.

Wo du gehst, da gingen, ohne Reue,

Wir Geschwister einst, geleitet von der Treue,

Hand in Hand, im frohesten Verein;

Waren gleich dem frischen Kranze,

Den für eine Braut ein Chor von Mädchen pflückt,

Sorgend, daß die Ros' in vollem Glanze

Nicht das zarte Blümchen drückt. –

Weile, gute Seele, hier, und Allen,

Deren du dich freuest, sage du:

Ohne Liebe kann das Leben nicht gefallen;

Süßer wird durch sie des Grabes Ruh.

Andenken der Brüder und Schwestern Jacobi an ihren Freund Asmus

 

Bey der Feyer eines Familienfestes.

 

Ihm, der an seinem Bothenstab

So friedlich geht, so still vorüber

Vor Nachtigallenhain und Grab;

Dem seiner Kinder Freude lieber

Den Himmel und die Erde macht;

Der jeden Weg, bey Tag und Nacht,

So rauh er ist, zu Ende singt,

Und, deutsch und wahr in That und Worten,

Den guten Seelen aller Orten

So manche gute Zeitung bringt –

Ihm wollen wir zu Lieb' und Ehren

Den zweyten Freudenbecher leeren.

An die Liebe

 

Tausendfache bittre Qual

Gabst du mir, o Liebe! Tausend Mahl

Lohntest du mit Dornenkränzen

Meiner Treu; und jenes milde Glänzen

Deiner Fackel ward ein Donnerstrahl.

Zarte Lauben sah ich dich entblättern,

Junge Sprößlinge zerschmettern;

Und in Abgrund sank das blüthenreiche Thal.

Dennoch zeuch, o Liebe! zeuch hernieder;

Rufe mich ins Leben wieder

Aus der öden, kalten Todesnacht.

Liebe, die allein

Sonne, Mond und Sternenschein

Uns zu Licht in unsrer Wüste macht!

Liebe, die allein

Aus den Wolken in den Hain

Frühlingswonn' herunter lacht!

O besuche mich in dieser Todesnacht.

Bring den Köcher mit, voll süßer Pfeile;

Deine Dornen auch, und Donnerkeile;

Nur, o Liebe! aß ein neuer Tag

In den Finsternissen mir beginne;

Wieder vollen, warmen Schlag

Mein erstorbnes Herz gewinne:

Daß ein holdes Angesicht

Mir zum Engel sich verkläre;

Seine Stimme, wenn es singt und spricht,

Mir ein Laut aus einer höhern Sphäre –

Wenn das Mädchen grüßt, sein Gruß ein voller May,

Und der Händedruck ein Himmel sey!

Kann, o traute Liebe! nie,

So mit innigem Verlangen,

All so fest, wie meine Seele sie,

Mich die Engelseel' umfangen –

So erleucht' ein Blick von ihr

Diese dunkeln Pfade mir;

Laß mich nur um ihre Schönheit schweben,

Und mein Herz in ihrem Glanze leben!

Beym Anblick eines Kupferstichs:

Aurora und Cephalus1

 

Im May 1784.

 

Auch mich hat einst, wie Cephalus,

Aurora! deines Mundes Kuß

Geweckt aus jugendlichen Träumen;

Auch mich hat einst, wenn an beglänzten Bäumen

Das frische Blatt des Frühlings Hauch verspürt,

Dein Götterarm hinweggeführt.

Da schwebt ich über grünen Höhen,

Da flammten unter mir die Seen;

Zu Balsam ward ein jeder Tropfen Thau;

Es stieg von blumenreicher Au

Ein süßer Weihrauch; Vögel sangen

Von Liebe nur; und alle Sphären klangen

Von Erdenglück und Menschenseligkeit.

 

Wohin, wohin die goldne Zeit?

Wo blieb der Kuß von deinem Nektarmunde,

Bey welchem mich, in froher Schäferstunde,

Begeisterung, wie Morgenluft, umfloß,

Unsterblichkeit mich fest an ihren Busen schloß?

Verblichen ist an deinem Wagen

Der Purpur mir; es endet sich in Klagen

Des Waldes laute Melodie;

Und ausgezaubert hat für mich die Pantasie.

 

Aurora! wenn in bessern Tagen

Dir sorgenlos mein Herz entgegen schlug,

Wenn in dein Rosenlicht ich meine Leyer trug,

So laß, umwallt von diesen Blüthenhainen,

Mit deinem Strahl die Weisheit mir erscheinen,

Die nicht, als Zauberinn, empor den Jüngling hebt,

Als Freundinn aber, treu, mit ihm auf Erden lebt,

Aus Klarheit uns in Klarheit leitet,

Und nach und nach zum Himmel vorbereitet!

Sie tröste mich, wenn Lieb' und May

Verstummen, alle Feerey

Der Hoffnung flieht, die Jugendträume schwinden,

Und ach! um Gräber nur sich Veilchenkränze winden.

Fußnoten

 

1 Die Göttinn der Morgenröthe zeigt sich auf einer Wolke, wie sie den von ihr geliebten und geraubten Cephalus von dannen trägt.

 

 

Bey der Geburt eines Mädchens

Herrlich ist der Frühlingsmond,

Wenn, umschwebt von Balsamdüften,

In den Thälern, in den Lüften

Sichtbar Gottes Segen wohnt;

Wenn, einander liebzukosen,

Eine Blumenschaar aus tausend Knospen dringt,

Und die Nachtigall den Rosen

Ihr Geburtslied singt!

 

Herrlicher ist noch die Stunde,

Noch in einem süßern Bunde

Müßen Erd' und Himmel stehn,

Wenn ein Engel, ungesehn,

Unterm Nachruf seiner Brüder,

Eine schöne Menschenseel' hernieder

Aus der Seelen Vaterlande trägt,

Daß, von Lieb' und Unschuld groß gepflegt,

Wallend durch des Lebens Dorngewinde,

Sie das Paradies verkünde!

In der Mitternacht

 

Todesstille deckt das Thal

Bey des Mondes halbem Strahl;

Winde flüstern, dumpf und bang,

In des Wächters Nachtgesang.

 

Leiser, dumpfer tönt es hier

In der bangen Seele mir,

Nimmt den Strahl der Hoffnung fort,

Wie den Mond die Wolke dort.

 

Hüllt, ihr Wolken, hüllt den Schein

Immer tiefer, tiefer ein!

Vor ihm bergen will mein Herz

Seinen tiefen, tiefen Schmerz

 

Nennen soll ihn nicht mein Mund;

Keine Thräne mach' ihn kund;

Senken soll man ihn hinab

Einst mit mir ins kühle Grab.

 

O der schönen langen Nacht,

Wo nicht Erden-Liebe lacht,

Wo verlaßne Treue nicht

Ihren Kranz von Dornen flicht!

 

An des Todes milder Hand

Geht der Weg ins Vaterland;

Dort is Liebe sonder Pein;

Selig, selig werd' ich seyn.

An meinen Vater

Im Februar.

 

Ich sah im öden Garten,

Umkränzt von Eis,

Die Vöglein dich erwarten,

Auf dürrem Reis;

Die Zeugen deiner Milde,

Von dir genährt,

So lang im Schneegefilde

Der Mangel währt.

 

Da schlug mein Herz gelinder;

Ich wurde froh,

Und sah der Armuth Kinder,

Die eben so,

Vergessend ihre Klagen

Nach dir geblickt,

Weil du in bösen Tagen

Sie gern erquickt.

 

O glaube! wenn vergebens

Der Himmel nicht

Sein Wort voll Kraft und Lebens

Zur Erde spricht;

Wenn jedes leise Flehen

Empor sich schwingt,

Kein Vöglein ungesehen

Vom Zweige sinkt;

 

Wenn göttliches Erbarmen

Den Frommen trägt,

Der neben sich des armen

Verlaßnen pflegt –

So bleibet Gottes Segen

Dir sicherlich;

So führt auf Dornenwegen

Sein Engel dich.

 

Auf nackten Winterauen

Hast du geschont,

Den Vöglein ihr Vertrauen

So reich belohnt:

Wie sollte der nicht schonen,

Der ewig liebt,

Nicht Er dem Herzen lohnen,

Der Alles giebt?

Liebe

 

O weh und aber weh dem Mann,

Der Schönes nicht auf Erden liebt,

Sich keines Dings erfreuen kann,

Sein volles Herz an keins ergiebt!

O wehe, wer sich nie vereint

Mit Wies' und Quell und Blüthenast,

Sein Mädchen auch und seinen Freund

Mit halber Seele nur umfaßt!

 

Und wieder wehe, weh dem Mann,

Den Liebe zieht, den Liebe drängt!

Der Schönes sucht, und fest daran

Sein ganzes Herz auf immer hängt!

Wenn Erd' es trägt, verschwindets bald.

Der Blüthenast am Quell verdirbt:

Im Freundesbusen wird es kalt;

Und ach! das treue Mädchen stirbt.

 

Mag lieben denn, mag lieben nicht!

O weh und aber wehe mir!

In Liebe strahlt das Sonnenlicht,

Und fällt auf lauter Gräber hier.

Was einst ich an mein Herz gedrückt,

Ist Asche nun und Todtenbein;

Es sank, wo ich die Gruft geschmückt;

Ihm sinket nach der Leichenstein.

 

Wohin, wohin? Denn Lieb' ist Noth,

Und Alles wankt, und Alles weicht;

Gebohren wird's und geht in Tod:

Wohin, so weit der Himmel reicht?

Zu dir hinauf, du Gotteskraft,

Die Baum und Wiesenquell erneut,

Ohn' Ende wirkt, ohn' Ende schafft,

Und noch das Grab voll Blumen streut!

 

O du, dein Athem ists allein,

Der allen Staub lebendig weht;

Du gabst den Sternen ihren Schein,

Und bleibst, wenn Erd und Meer vergeht.

Zu dir hinauf erhebe mich,

Zu deiner unsichtbaren Welt!

Da lebt und liebt's, und ewiglich

Wird bleiben, was an dir sich hält.

An Fräulein Friederike v.C.

 

Behalte dein Herz

Voll lachender Freude;

Gieb Weisheit dem Scherz,

Und Rosen dem Leide.

So lange die Jugend

Der Seele nicht weicht,

Gefällt uns die Tugend,

Und Kämpfe sind leicht.

Die Freude versiegelt

Was schön ist und wahr;

Die Freude beflügelt

Zum Himmel sogar.

Sie kann uns zum Glücke

Der Engel erhöhn,

Und weiht unsre Blicke,

Die Gottheit zu sehn.

Die Linde auf dem Kirchhofe

 

Die du so bang den Abendgruß

Auf mich herunter wehest,

Zur Wolke schwebst, und mit dem Fuß

Auf Todtenhügeln stehest,

O Linde! manche Thräne hat

Den Boden hier benetzet,

Und Menschenjammer, blaß und matt,

Auf ihn sein Kreuz gesetzet.

 

Die auf dem einen Hügel hier,

Geweint um ihre Lieben,

Die birgt ein andrer neben dir;

Und ihrer wenig blieben.

Sie schlafen. Ach! um ihr Gebein

Verhallte schon die Trauer;

Du Linde rauschest ganz allein

In athemlose Schauer.

 

Vergebens läßt auf kühles Grab

Dein Zweig die Blüthe fallen,

Vergebens tönt von dir herab

Das Lied der Nachtigallen;

Sie schlummern fort. Du aber schlägst

In modervolle Grüfte

Die Wurzel, schmückest dich, und trägst

Empor die Blüthendüfte.

 

Auf Erden sieht man immer so

Den Tod ans Leben gränzen;

Doch ewig kannst du, stolz und froh,

Die Aeste nicht bekränzen.

Es trocknet schon der Jugend Saft

In dir; Verwesung winket,

Bis endlich deine letzte Kraft

Dahin auf Gräber sinket.

 

Wenn aber dein Geflüster auch

Verstummt an diesen Hügeln,

So bringet neuen Frühlingshauch

Der West auf Rosenflügeln.

Damit die Felder wieder blühn,

Umwallt er Berg' und Gründe;

Will deinen Sprößling auferziehn,

Und krönt die junge Linde.

 

Wohl uns! Der große Lebensquell

Versiegt dem Geiste nimmer.

Das Kreuz auf Gräbern, wie so hell

In dieser Hoffnung Schimmer!

O Linde! gern an deinem Fuß

Hör' ich des Wipfels Wehen;

Dein feyerlicher Abendgruß

Verkündet Auferstehen.

April

 

Was kümmerts dich in deinen Wolken droben,

Du launischer April,

Ob wir dich tadeln, oder loben?

Ein großer Herr thut meistens, was er will.

Auch halten wir geduldig still,

Und leiden, was wir leiden müssen.

Gieb uns zuweilen nur ein wenig Sonnenschein,

Damit wir dessen uns erfreun:

Dann magst du wiederum mit Schnee und Regengüssen,

Mit Sturm und Blitz und Hagel dir

Bey Tag und Nacht die Zeit vertreiben!

In unsrer kleinen Wirthschaft hier

Soll dennoch gutes Wetter bleiben.

May

 

Wenn in Gärten voller Pracht

Auch die Rose nicht, umglänzt von Tulpen, lacht,

O so giebts an allen Bächen

Frischer Blumen gnug zu brechen;

Und im Kranz der Freude stehn

Auch die Wiesenblümchen schön.

Lied1

 

Willkommen, Bächlein! wie so hell!

Wie rasch dein Gang ins Thal hernieder!

Wer öffnete den Felsenquell?

Es schuf dich keiner meiner Brüder.

 

Willkommen Zephyr, auf der Flur!

Weß Auge noch hat dich gesehen?

Wer deine Stätte, deine Spur?

Kein Sohn der Erde hieß dich wehen.

 

Du selbst, o Bächlein, hörtest nie

Zum Rauschen deiner kleinen Wellen

Verjüngter Büsche Melodie

Vom grünen Ufer sich gesellen;

 

Und dennoch redest du mit mir

In stillen Abenddämmerungen;

Schon hat dein leises Murmeln hier

Mit süßem Schauer mich durchdrungen.

 

Du Zephyr weißt nicht, wie, erfreut

Von deinem Hauch, die Staude säuselt,

Das Blümchen Wohlgerüche streut,

Die Aehre wallt, der Hain sich kräuselt;

 

Und dennoch, gleich dem Epheu, bebt,

Wenn du mir lispelst von den Hügeln,

Mein klopfend Herz; die Seele schwebt

Auf deinen unsichtbaren Flügeln.

 

Woher dies wonnige Gefühl,

Die hoch sich hebenden Gedanken?

Was rauschet mir im Wellenspiel?

Was flüstert in des Weinstocks Ranken?

 

Das Mayenlüftchen kennt mich nicht;

Dem Bächlein sang ich jüngst die Feyer

Des Blüthenmonds im Rosenlicht;

Ihm aber tönte keine Leyer.

 

Woher denn, um der Quelle Rand,

Woher das ahndungsvolle Wehen?

Ein Geist, dem meinigen verwandt,

Muß kennen mich, und mich verstehen,

 

Mir nahe seyn im Wasserfall,

Im Hauch des Windes Antwort geben,

Erfüllen alles überall

Mit Freud und Liebe, Kraft und Leben.

 

Es ist der Herr, der überall

Im Wiesenduft, im Sturme schwebet,

Der Abendthau und Wasserfall,

Und Himmel, Erd' und Meer belebet;

 

Er, welcher aufs besonnte Land

Den kühlen Flug des Zephyrs leitet,

Er, der mit unsichtbarer Hand

Dem Wurme seinen Tisch bereitet.

 

Der zählet meines Pulses Schlag,

Hört meiner Wünsche leises Flehen;

Und, schmachtet meine Seel' ihm nach,

So fühl' ich seiner Flügel Wehen.

 

Der Tag verkündiget der Nacht,

Die Nacht dem Tage seinen Nahmen,

Die Himmel preisen seine Macht,

Und tief im Herzen schallt mein Amen.

 

Wohl mir, ich weiß, woher es schallt,

Es deutet hin in große Fernen;

Tief unter meiner Hoffnung wallt

Der Himmel hin mit seinen Sternen.

 

Wohl mir! ich fühle, wer ich sey;

Wie leicht verstäuben meine Sorgen!

Dies Amen tönt als Hahnenschrey

Vor meines Gottes nahem Morgen.

Fußnoten

 

1 Angefangen von mir, und vollendet von F.L. Stollberg.

 

 

July

Zürnen mit dem Erdenvolke,

Zürnen will der Himmel nicht,

Wenn aus Wetterschwangrer Wolke

Gott mit seinen Kindern spricht.

Bey der Sonne sanftem Licht

Schweigen seine Donner wieder,

Und er blicket freundlich nieder,

Wo sein Strahlenbogen hängt;

Jeder Busch, von ihm getränkt,

Lispelt es; der Vögel Schaar

Singt es freudig uns entgegen,

Daß des Vaters milder Segen

In der dunkeln Wolke war.

Spinnerlied

 

Arbeit, ihr Mädchen,

Bringt süßen Gewinn:

Da schnurren am Rädchen

Lustig die neblichten Tage dahin!

 

Mädchen, die der Ruhe pflegen,

Die gemächlich in den Schooß

Ihre zarten Hände legen,

Werden nie der Sorge los.

 

Arbeit, ihr Mädchen u.s.w.

 

Langeweile baut im Stillen

Ihren Herd beym Müßiggang;

Unterbrochen dann von Grillen

Wird der häusliche Gesang.

 

Arbeit, ihr Mädchen u.s.w.

 

Gern sein liebes Rädchen hören;

O das sichert vor Gefahr!

Und so tragt ihr einst mit Ehren

Euren Hochzeitkranz im Haar.

 

Arbeit, ihr Mädchen,

Bringt süßen Gewinn:

Da schnurren am Rädchen

Lustig die neblichten Tage dahin!

 

An Schloßer

 

Ego eimi pan to gegonos, kai on, kai esomenon

Kai ton emon peklon oydeis po tnhtos apekalypen.

Plutarch. de Isid et Osir.

 

Emblepate eis ta peteina toy oyranoy.

Matth. VI. 26.

 

Emmendingen, bey Freyburg, den 28. September 1786.

 

O Freund, die Stürme werden wach;

Schon geht der Herbst auf welken Matten,

Schon dünner wird der Bäume Schatten,

Und Deiner Laube grünes Dach!

Es scheint der helle Mühlenbach,

Mit ihm die Bretma sich zu grämen,

Daß von den Ufern allgemach

Die letzten Blümlein Abschied nehmen.

Siehst Du den öden, grauen Wald

In Nebel-Wolken sich verstecken?

Er wird mit seinen Blättern bald

Der Erde nackten Schooß bedecken.

Dann schweiget auch der Winzer Lied,

Dann flüstern die entlaubten Reben,

Wo jede Wonne, jedes Leben

Vom kahl gewordnen Hügel flieht.

 

Nach wenig Monden schmücket zwar,

Umweht von Blüthenvollen Aesten,

Zum May-Gesang, zu Frühlings-Festen

Mit neuen Veilchen sich das Jahr;

Ach, aber von den besten Freuden

Wie viele, die auf immer scheiden!

Geschwinder, als das Grün der Weiden,

Verwelket unser liebstes Glück,

Und keine Sonne bringts zurück!

Was sollen mir die Veilchen alle,

Mit denen sich der Hügel krönt,

Wenn in den Thälern, wo ich walle,

Nicht mehr des Freundes Stimme tönt?

Was hilft der Mond im Silber-Schleyer,

Der auf die junge Blüthen-Pracht.

Herab vom blauen Himmel lacht?

Mir fehlt zur neuen Frühlings-Feyer,

Der Jugend holder Genius;

Und mehr als das – ein Götter-Kuß

Der Muse, zum Gesang der Leyer.

 

Vergieb, O Freund! Ich klage nicht;

Will nur die weisen Männer schelten,

Die, täuschte mich ihr falsches Licht,

Den Trost des Lebens mir vergällten;

Die großen Lehrer unsrer Zeit,

Die aller Menschen-Seligkeit.

Ein kurzes, flüchtiges Ergötzen

An Erden-Glück, zur Gränze setzen,

Und jedes Ahnden beßrer Lust,

In reiner, liebevoller Brust,

Geringer, als ein Mährchen, schätzen.

Ihr Geist hat sich vom Höhern los

Geklügelt, dünkt sich frey und groß

Mit seinen ewigen Gesetzen

Der allbelebenden Natur;

Denn was ein weisrer Epikur

Mit seinen trauten Schülern nur

In der geweihten Laube sprach,

Das lallen sie verstümmelt nach.

Wir aber, Freund, wir folgen besser,

Zum mindsten treuer, jeder Spur

Der uns belehrenden Natur.

Ein still hinrauschendes Gewässer,

Ein lindes Wehen durch die Flur

Bey Sonnen Auf- und Untergang,

Der Nachtigallen Brautgesang

Beseligt uns auf goldnen Auen;

Weil überall, wo Büsche thauen,

Wo Lüfte säuseln, wir den Gang

Des Unsichtbaren und mit Dank,

Mit Kinderglauben und Vertrauen,

Ein Vorbild künft'ger Wonne schauen.

 

Das können jene Grübler nie;

Voll kalter Zweifel wandeln sie,

Vertieft in hochgelehrte Fragen,

Zu stolz, an unsrer Hand zu gehn,

Und, was uns Thier und Pflanze sagen,

In seiner Einfalt zu verstehn.

 

Indeß verkünden Pflanz' und Thier,

Auf Bergen und in Hölen, mir

Die große Mutter, deren Hülle

Kein Sterblicher noch aufgedeckt;

Sie, die zum Leben alles weckt

Und zum Genuß; die alles nährt,

Und, was der kleinste Wurm begehrt,

Begehren kann, aus ihrer Fülle

Mit immer offnen Händen giebt;

Was jedes sucht, was jedes liebt,

Und lieben kann, ihm beygesellt!

Dazu den Blick in ihre Welt

Dem Falken mehr, dem Maulwurf minder

Geschärfet hat; die Kräfte wägt,

Und nicht in eines ihrer Kinder

Ein triegendes Bedürfniß legt.

 

Wann sahen wir den Vogel darben,

Der nimmer sät, der keine Garben

Zur Erntezeit in Scheunen trägt?

Die Lerche singt, die Wachtel schlägt,

Die Taube girrt im sichern Schatten,

Weil Liebe sich in ihnen regt,

Und alle finden ihren Gatten.

Wenn dann, wo sie der Wipfel hegt,

Ein angetrautes Paar zum Neste

Sich den verborgensten der Aeste,

Voll süßer Ahndung, auserwählt,

So hat an Moos und Stroh und Reisern

Es nie zu ihren kleinen Häusern,

Noch an des Meisters Kunst gefehlt.

Sogar des Epheus dunkler Traum,

Der schwankend sich nach Hülfe sehnet,

Ist nicht umsonst; der Epheu lehnet

Sich an den nachbarlichen Baum.

 

So, Freund, so lehrte dich und mich

Natur, die alles mütterlich

Vertheilt; zu seinen Würger-Klauen.

Dem Tieger Durst nach Blute gab,

Den schwachen Lämmern auf den Auen

Geduld, und Schutz, und Hirtenstab;

Die, fernes Aas den Raben wittern,

Das Küchlein vor dem Habicht zittern,

Und Storch und Henne brüten ließ;

Die selber einst, bekränzt mit Aehren,

Um ihren Liebling zu ernähren,

Ihm Karst und Pflug und Sichel wies;

Ihn, keichend sich zur Erde bücken,

Dann aufwärts von den Dornen blicken,

Zum Himmel beten, Paradies,

Und, wo die Blumen Gräber schmücken,

Unsterblichkeit erwarten hieß.

 

Mag spotten, wer da will! Ich glaube

Der nimmer täuschenden Natur,

Die auch dem Käfer tief im Staube,

Nicht log. In Wüsten, auf der Flur,

Wo Zweig und Gras und Halm gebähren,

Will sie den unzählbaren Heeren,

Was jegliches bedarf, gewähren;

Und er, der Mensch, er sollte nur

Des Beßren, was er wünscht, entbehren

Natur, die Mutter, so verstehn,

Das heißt – ihr großes Wort verdrehn,

Ihr heiligstes Geschenk belachen,

Und sein Gefühl zur Lüge machen.

 

Laß mich an deiner Seite gehn!

An deinem treuen Arm, du Lieber,

Will ich aus dieser Welt hinüber

In schön're Gottes-Welten sehn.

Lied

 

Auf dem frischen Rasen-Sitze,

Hier am kleinen Wasserfall,

Hör' ich von des Thurmes Spitze,

Frommes Glöcklein, deinen Schall.

 

Tönst, o Glöcklein, nennst ihn lauter,

Dem mein Herz entgegenbebt,

Ihn, der freundlicher, vertrauter

Hier im Grünen mich umschwebt.

 

Leise murmeln es die Bäche,

Daß er Flur und Aue liebt,

Daß die Rose, die ich breche,

Mir ein guter Vater giebt;

 

Daß er aus der zarten Hülle

Selbst die goldnen Früchte winkt,

Und durch ihn des Lebens Fülle

Jede neue Knospe trinkt.

 

Schalle, Glöcklein! Ach, was bliebe

Jenem Himmel, diesem Grün?

Ach! kein Leben, keine Liebe,

Keine Freude, sonder ihn!

 

Morgens, wenn auf Busch und Pflanze

Kühler Thau die Perlen sät,

Stimmen froh im Sonnenglanze,

Vöglein mit in mein Gebet.

 

Und am Abend, wenn es dunkelt,

Seh' ich seinen milden Schein:

Wo das Heer der Sterne funkelt,

Wacht er über Thal und Hain;

 

Leuchtet mir auf meinen Wegen,

Labt die Wiese, nährt das Feld,

Spricht den väterlichen Segen

Ueber die entschlafne Welt.

 

Seiner freu' ich mich im Lenze,

Wenn man Veilchen-Kränze flicht;

Seiner, wenn die Schnitter-Tänze

Sturm und Hagel unterbricht.

 

Sollt' ich seiner mich nicht freuen?

Singen nicht, daß Wolke, Wind,

Auch die Blitze, wenn sie dräuen,

In des Vaters Händen sind?

 

Daß an öden Felsen-Klüften

Liebend er vorübergeht,

Und in düstern Todten-Grüften

Des Erhalters Athem weht?

Beruhigung

 

Was zweifeln wir? Der innre Sinn,

Der, ohne Täuschung, kleine Bienen

Belehrt, um eine Königinn

Den Schwarm versammelt, ihr zu dienen;

Der, wenn das Heer von Störchen reist,

Ihm fern ein beßres Land verheißt;

Derselbe zeugt in uns vom Unsichtbaren,

Von dem, was künftig ist, vom Bleibenden und Wahren.

An den Punschlöffel1

 

Im Januar 1792.

 

Du kleines Meisterstück von Kunstgeübter Hand,

Das Comus einst, der Gott des Festgelags, erfand,

Das in die Wonnereiche Schaale,

Worin der Britten Necktar gährt,

Auf jeden Wink hinunter fährt,

Dann unsre Becher füllt beym nächtlich trauten Mahle!

Du bist des Lobgesangs der Freuden-Kenner werth.

Kaum sehen wir dich in die Fluthen tauchen,

Und, wenn du wiederkehrst, vom Göttertranke rauchen,

So wallt geschwinder unser Blut,

So öffnet sich das Herz, und alles dünkt uns gut

Und schön, und voller Harmonie,

Vom Maulwurfshügel bis zum Gipfel

Der Alpen, von der Tanne Wipfel

Zur niedern Distel hin, vom bunten Colibri

Hinauf zum stolzen Elephanten,

Der Tod und Untergang im mächt'gen Rüssel trägt.

Da gnügt uns Weniges; kein eitles Wünschen regt

Im stillen Busen sich. Palläste von Demanten

Die lassen wir der Feen-Welt,

Und seine Mohren und Trabanten

Dem, welcher nur zum Prunke Tafel hält,

Der feyerlich, um angegafft zu werden,

Mit theatralischen Gebehrden

Bey Chier-Wein und Austern sitzt,

Indeß ein goldner Stern dem Gast ins Auge blitzt.

Wir schmausen nicht mit ihm, wir lagerten uns lieber

Ins offne Feld, dem Schnitter gegenüber,

Der, neben schlechter Kost, nach seinem Kruge greift,

Und frohen Sinnes dann sich selbst ein Liedchen pfeift.

 

Hier aber ist uns wohl bey unsern Bacchanalen,

Wenn zwischen dampfenden Pocalen

Die seligste Vergessenheit,

In leichter Scherze Chor, uns zum Genusse weiht.

Hier blicken wir, mit Sorgenloser Miene,

Hinweg von Hof und Stadt, von der gemahlten Bühne,

Wo Puppen sich, geschminkt, an ihren Fäden drehn.

Was kümmern uns die Harlekine,

Die, wichtig, auf und ab in Fürsten-Sälen gehn?

Die Pierrots, die am Ruder stehn,

Und, wird es ihnen schwer, das große Schiff zu lenken,

Nach Eulenspiegel-Art an neues Tauwerk denken?

Mag Biedersinn und Männermuth

Oft gegen feile Schmeichler-Brut

Umsonst für Recht und Wahrheit zeugen,

Oft, weil das Kriechen Wunder thut,

Sich Feldherrnstab und Bischofshut

Vor Sonnenschirm und Fächer beugen!

Mag immer noch der finstre Schwarm

Des Aberglaubens Länder schrecken,

Und gegen eines Herculs Arm

Mit Priesterrock und Scapulier sich decken!

Was kümmerts uns? Wir schauen vor uns hin,

Und heben hoch das Glas, und achten für Gewinn,

Was uns die Götter jetzt verleihen:

An heut'ge Freude wird sich auch zukünft'ge reihen.

Die schlaueste Zigeunerinn

Weiß nicht so schön, als wir, zu prophezeyen,

Wenn Dichtergeist empor aus jedem Becher steigt,

Und Hoffnung in die Fern' auf Blüthenknospen zeigt.

 

Laß, günstig oder nicht, des Schicksals Würfel fallen!

Uns bleibt genug; es bleibt des Frühlings ganze Pracht,

Der Hain mit seinen Nachtigallen,

Der Venus holder Stern in kühler Sommernacht,

Und, wenn Autumnens Hauch die Fluren kahler macht,

Der fruchtbeladne Zweig, der Hügel, reich an Trauben.

Will endlich Boreas das letzte Blättchen rauben,

Sey's ihm gegönnt! Wir flüchten dann

Zu dir, mit dem mein Lied begann!

Wohl uns im eng geschloßnen Kreise!

Du schöpfest aus dem Freudenquell;

Die Winternächte werden hell,

Und Gram und Sorge machen schnell

Sich, trotz den Stürmen, auf die Reise.

Fußnoten

 

1 Nach folgenden aufgegebenen Worten: Maulwurf, Tanne, Distel, Colibri, Elephanten-Rüssel, Demant, Mohr, Austern, Krug, Puppe, Harlekin, Schiff, Eulenspiegel, Tauwerk, Sonnenschirm, Hercules, Priesterrock, Scapulier, Zigeunerinn, Würfel, Venus.

 

 

Lied, am Nahmenstage des Freyherrn von Ulm, in einem freundschaftlichen Zirkel gesungen

Im Juny 1792.

 

Hoch angefüllt steht in der Becher Mitte

Der schöne Fest-Pokal:

Begrüßt ihn laut, und schließt, nach alter Sitte,

Mit Sang und Klang das Mahl!

 

Dem Ritter nicht, dem Freunde sollt ihr singen,

Dem trauten deutschen Mann:

Was gehn uns hier, wo Lied und Gläser klingen,

Die gnäd'gen Herren an?

 

Giebt ihrer viel, vom Fürsten auserkohren

Zum Prunk am Gallatag;

Sind hoch und wohl, doch nicht für uns gebohren

Beym frohen Trink-Gelag.

 

Dem Freunde singt, dem zwischen Excellenzen

Sein Wiegenlied getönt;

Dem's aber da, wo Helm und Wappen glänzen,

Die Sinne nicht verwöhnt.

 

Ihm lacht ein Strauß, gepflückt an seinem Feste

Von Händen, die er liebt,

Mehr als des buntgemahlten Stammbaums Aeste,

Der keinen Schatten giebt.

 

Wohlan, so nimm den Kranz, von uns gewunden,

Den wir dir singend weih'n,

Und laß uns stets in Liebe treu verbunden,

Wie diese Blümchen, seyn!

An Schlosser

 

Veranlaßung zu dem folgenden Gedichte

Auszug aus einem Briefe von Schlosser, im März 17931.

 

»Es ist niederschlagend, wenn man in ein Zeitalter, wie das unsrige, gefallen ist! Es weht, dünkt mich, eine pestartige Luft um uns, die jede aufkeimende Blume der bessern Gefühle, jede Anstrengung für etwas, das zum Menschenleben gehört, welken und erschlaffen macht. Auch verfolgen mich überall die Höllen-Gestalten, die nun so ungebändigt zu wüthen Erlaubniß haben. Wenn ich Geschichte lese, so wird mir das alte Laster noch abscheulicher, weil ich die Umrisse, die uns die Geschichte davon geben kann, immer mit den Zügen der neuen Laster ausfülle, die ich jetzt vor mir sehe. Lese ich Gedichte, in welchen edlere, reinere Gefühle leben, so setzt immer mein Geist die Scene in eine andere Welt, und er läßt sich nicht überzeugen, daß so etwas auf dieser empfunden worden wäre. Am eckelhaftesten wird mir das Studium des Menschen selbst und der Sittenlehre, in welchem ich sonst so gern lebte; denn ich erschrecke überall vor dem fürchterlichen Contrast zwischen dem, was der Mensch werden kann, und was er ist. Und greif' ich endlich selbst in mein Herz, und denk' ich an den Werth meiner Freunde, meiner Lieben, so ist mirs, als ob wir alle in einen Sumpf gestürzt worden wären, in welchem alle ersticken müssen, und keiner dem andern helfen kann! Ich begreifs, wie die Stoiker sagen konnten, daß ihren Weisen die Ruinen der Welt treffen, aber nicht schrecken konnten; aber so weit hat, dünkt mich, selbst diese Schule die Ansprüche an Standhaftigkeit nicht getrieben, daß ihre Schüler auch, umringt von lauter Scheusalen des Lasters, noch heiter und zufrieden seyn sollten. In der Lage, worin wir jetzt sind, ist es die Zuversicht auf die Vorsicht allein, wahrlich keine Philophie ists, die uns noch etwas freyen Athem erhalten kann. Von ihr verspreche ich mir, daß sie uns wegnehmen wird, wenn sie beschlossen hat, daß das noch lange dauern soll, wie es jetzt ist. Und wenn wir alle, die wir uns mit Ernst bestreben, reines Herzens zu seyn, so nach und nach abtreten, und hinsterben, so laßt uns das für ein Zeichen annehmen, daß dem Laster noch keine Grenzen gesetzt sind; und weint dann einer von uns über den andern, so laßt uns nur einander nicht wieder zurück wünschen!«

 

Freyburg, im April 1793.

 

Freund! In jenen bangen Tagen,

Als so tief die Menschheit fiel,

Ehrt ich deine frommen Klagen,

Rührte nicht mein Saitenspiel;

Aber, hohen Muthes voll,

Schlag' ich lauter nun die Leyer,

Weil kein Höllen-Ungeheuer

Unser Glück uns rauben soll.

 

Bleibt doch Gottes Sonne stehen,

Wo sie unsre Väter sahn,

Wird der Mond doch glänzend gehen,

Wie vor Alters, seine Bahn;

Auch der Sternlein goldnes Chor,

Wenn die Büsche friedlich thauen,

Redet mit uns im Vertrauen,

Hebt den Geist zu sich empor.

 

Laß der Zwietracht Fackel wüthen

Bis zur letzten Gräuelthat!

Wandelt nicht im Kranz von Blüthen

Gottes Segen um die Saat?

Kann des Aufruhrs Feldgeschrey

Wider uns den West empören

Das Geräusch der Bäche stöhren

Und den Waldgesang im May?

 

Was da lispelt, singt und rauschet,

Kündigt dem geweihten Mann,

Der auf jedes Blättchen lauschet,

Freude nur und Eintracht an;

Freude säuselt durch das Feld,

Wenn vorbey die Stürme zogen,

Und der Friede seinen Bogen

In die Wetterwolke stellt.

 

Aus des Pöbels tollen Händen,

Die am selbst gestürzten Herd

Vaterland und Freyheit schänden,

Winde Fürsten-Macht das Schwert;

Und der stolze Königssohn

Spreche da, wo seine Blitze

Trafen, vom Tyrannen- Sitze

Feig gewordnen Völkern Hohn!

 

Keiner Lerche Lied verstummer

Vor dem Wink der Majestät;

Honig sucht die Bien' und summet

Fort auf ihrem Blumenbeet;

Holder Freyheit Lobgesang

Schallt von allen Hügeln nieder,

Tönt in Männer-Herzen wieder

Bey der Sklaven Ketten-Klang.

 

Sollt' herauf aus ihren Nächten

Auch die ganze Hölle ziehn,

Und das Häuflein der Gerechten

Mit geschmähter Tugend fliehn;

Trübte sich des Tages Licht,

Wo der Unschuld Hütten sanken,

Wo Altar und Tempel wanken:

Dennoch siegt das Laster nicht.

 

Tugend, weggescheucht in Höhlen,

Schafft noch himmlischen Genuß,

Macht das Bündniß schöner Seelen

Enger, treuer ihren Kuß;

Und die bleiben sich verwandt;

Oder dort in lichter Ferne

Trennet Bosheit einst die Sterne,

Lös't sie des Orion Band.

 

Mag des Frevels wilde Rotte

Jedes Heiligthum entweihn!

Berge jauchzen unserm Gotte,

Weihrauch duftet ihm der Hain;

Gottes Morgenwinde wehn

Ueber seines Tempels Trümmer;

In der Abendsonne Schimmer

Läßt er uns sein Antlitz sehn.

 

Nur getrost! dem Reinen fließet

Immer rein die Quell' im Thal,

Und mit Bruderliebe grüßet

Ihn der Edlen kleine Zahl.

Manche beßre Seele reicht

Uns, zum freundlichen Geleite,

Still die Hand; an ihrer Seite

Wird des Lebens Mühe leicht.

 

Ruft uns, früher oder später,

Ein befreundter Engel ab;

Unsern Kindern dann der Väter

Guten Glauben bis ins Grab;

Milder Lüfte kühlen Hauch,

Wenn sie Last und Hitze drücken,

Und, den Pilgerstab zu schmücken,

Hier und dort ein Blümchen auch!

Fußnoten

 

1 Nach der Hinrichtung des Königs in Frankreich.

 

 

Schlossers Antwort

»Ich danke Dir herzlich, lieber Bruder, für Dein Lied, womit du meine Prosa beantwortet hast. Es hat mir viele Freude gemacht, und ich habe es in einem Athem zwey Mahl gelesen und ganz gefühlt. So schön deine Poesie indessen ist, so ist sie doch nicht wahrer als meine Prosa. Gottlob, daß die Welt so viele Seiten hat! Wenn einem eine nicht gefällt, so kann man sie wie eine magische Laterne herumdrehen, und sich eine andere suchen. O gewiß, wenn nicht die eine Seite da wäre, wo Deine Verse hindeuten, wer würde nicht dem unterliegen, was meine Prosa sagte? Da ich Dir das gestehe, so wirst Du auch mir nicht läugnen, daß der große Riß in das Band der Menschheit, den wir erlebt haben, ein großer Riß in unsre Herzen ist. Für mich hatte der Zusammenhang mit der Menschheit immer etwas vorzüglich segnendes. Das Zutrauen, das ich noch immer zu dem Gros der Menschen hatte, daß unter den tausend und tausend Schiefheiten und Schlechtheiten, die ich täglich in den Individuen sah, noch etwas vom Ebenbild der Gottheit läge, das nur hier und da Einzelne, nie aber ganze Städte, Dörfer, nicht einmahl ganze Häuser verläugnen konnten – das Zutrauen habe ich nun verloren. Noch mehr kränkt mich aber das, zu sehen, daß, wenn das Volk einmal seine angebohrnen Rechte wieder gelten macht, daß auch das Volk nicht im Stande ist, sie mit einiger Weisheit und Mäßigkeit zu gebrauchen. Was kündigt das alles uns und unsern Kindern an, als ewige Sclaverey, oder noch drückendere Anarchie? Vielleicht, wenn ich von Jugend auf bloß mit den Werken der Natur, die bleibend sind, oder, wie du, mit den goldnen Bildern der Phantasie gelebt hätte, vielleicht würde ich das anders, wenigstens minder fühlen. Aber ich, der ich verdammt war, bloß mit den Menschenwerken zu leben, und der ich auch da, unter den papiernen Gebäuden der Rechte, der Regierungen, der Staatskunst noch etwas zu sehen ahndete, das aus lebendigen Felsen gehauen war; der ich die tausend Ungerechtigkeiten, die ich täglich sah, nur für Verkleidungen hielt, und unter ihnen noch einmal das Silber-Gewand der Gerechtigkeit zu entdecken hoffte; der ich die Thorheiten und Schiefheiten und Schwachheiten nur für Träume eines langen Schlafs hielt, und der ich nun so sehr überzeugt werde, daß alles, bis auf das Fundament, papiern, und, was mir Traum schien, wirkliches Menschenleben ist! – Alle meine Aussicht muß mir dunkel und eckelhaft scheinen, und ich glaube nie, daß mein Geist seinen Genuß wieder findet, bis ich alle das Menschenwerk von mir stoßen, und allein mit der Natur und den Menschen leben kann, die sich eben so losgemacht, und eben da ihren Hafen gefunden haben. Bis dahin lebe ich in einer Art von Kerker, zugemauert, bis auf einige Fenster, in die mir denn noch leuchtet, was Dein Lied mir vorzaubert, und die noch die Stimme der Freundschaft und der Liebe bis zu mir gelangen lassen. Auch strahlte mir bis dahinein noch die Hoffnung, daß ich noch hier einmahl frey seyn werde; wo nicht, die Gewißheit, daß dort eine Stelle auf uns wartet, wo das Menschenwerk uns nicht mehr einflechten kann.