. . . . . . . . . . . .

Für uns steht Isa Himmelreich zu hoch,

Als daß wir es im Sprung erreichen möchten.

Wir gehn den Weg, der keine Flügel fordert,

Den alten Weg der Väter und Propheten,

Den Isa nur als Gottes Sohn vermied

Und den Muhammad dann nach ihm betrat,

Damit Allah für seine Menschenkinder

Nicht als Phantom nur in den Lüften schwebe.

Der Eine predigt abgeklärten Geistern;

Der Andre wird den Lebenden gerecht,

Indem er den granitnen Sockel baut,

Auf dem der Glaube festen Halt gewinnt,

Um seine Hand nach oben auszustrecken.

Für Sterbliche ist Isa Himmelreich

Nicht ohne Erdenfundament zu denken,

Und dieses Fundament ist der Islam,

Der Gottes Reich auf strenge Felsen baut,

Damit der Himmel nicht zusammenbreche.

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So wollen wir denn mit der Christenheit

Im Sinne ihres Welterlösers teilen:

Für sie das ganze, ganze Himmelreich

Mit Allem, was da oben strahlt und schimmert;

Für uns sei nur die winzig kleine Erde,

Die jeder Christ als Jammertal bezeichnet,

Aus dem das ewige Verderben gähne.

Dies Jammertal ist unser Paradies,

Und dies Verderben unsre Seligkeit.

Ihr hört, ihr meine tapfern An'allah:

Für sie den Himmel und für uns die Hölle!

Das müssen doch selbst sie bescheiden nennen!

Ihr seid mit dieser Teilung einverstanden?

SCHEIK als Vorstimme der Andern.

Für sie den Himmel und für uns die Hölle!

ERSTER SCHEIK.

Für sie den Himmel!

ZWEITER SCHEIK.

Für sie den Himmel!

DRITTER SCHEIK.

Für sie den Himmel!

VIERTER SCHEIK.

Für sie den Himmel!

FÜNFTER SCHEIK.

Für uns die Hölle!

SECHSTER SCHEIK.

Für uns die Hölle!

SIEBENTER SCHEIK.

Für uns die Hölle!

ACHTER SCHEIK.

Für uns die Hölle!

IMAM.

Ich danke euch, ihr Tapfern, danke euch!

Es ist der Stolz des Stammes An'allah – – –

ERSTER SCHEIK fällt da schnell ein.

Nur Euer Stolz?

ZWEITER SCHEIK.

Nur Euer Stolz?

DIE ÜBRIGEN SCHEIKE durcheinander.

Nur Euer Stolz?

IMAM sieht ein, daß er unvorsichtig war, winkt ihnen begütigend zu und fährt fort.

Daß er den Himmel für die Hölle gibt

Und diese Hölle dann zum Himmel macht,

Damit sogar der Teufel selig werde.

Denn dieser war der erste aller Sünder

Und sei nun auch der erste der Erlösten.

Das ist ein Werk für harte, schwere Fäuste,

Die unerbittlich dreinzuschlagen wissen,

Und wenn der Christ, anstatt Verzicht zu leisten,

Uns auch das Jammertal noch nehmen will,

So soll er diese Fäuste kennen lernen.

Wir si nd bereit! Wir werden mit ihm fertig!

ERSTER AELTESTER.

Wir si nd bereit!

ZWEITER AELTESTER.

Wir si nd bereit!

DRITTER AELTESTER.

Wir si nd bereit!

ALLE durcheinander.

Wir sind bereit!

ERSTER SCHEIK.

Wir wer den mit ihm fertig!

ZWEITER SCHEIK.

Wir wer den mit ihm fertig!

ALLE durcheinander.

Wir werden mit ihm fertig!

 

Waffengeklirr, Lärm der Instrumente und die bekannten Interjektionen. Während dieses Lärmes verläßt der Imam den »Teppich der Rede«, um an seinen Platz zurückzukehren, und Babel tritt an seine Stelle.

 

SCHEIK mit der Peitsche auf den Imam deutend.

Das war der Glaube, der gesprochen hat.

 

Auf Babel zeigend.

 

Nun kommt die Wissenschaft. Und dann – – –

 

Klatschend.

 

komm ich!

BABEL.

Es ist verbrieft durch alte Pergamente,

Durch ausgegrabene Papyrusrollen,

Durch mündlich überlieferte Geschichten,

Durch Steine, Platten, Ziegel und Zylinder,

Sogar durch heilge Offenbarungsschriften,

Daß lange vor Beginn der Völkerzeiten

Ein Stamm von Riesen auf der Erde wohnte,

Deß Name lautete: »Ich bin wie Gott!«

Das waren wir, die heutgen An'allah.

Der Name ist der sicherste Beweis,

Doch gibt es auch noch andere Belege,

Die wissenschaftlich streng geordnet sind

Und sich

 

Nach dem Turm deutend.

 

in unserm Schatz, im Turm befinden.

Wir bauten damals Stadt und Festung Babel,

Dazu den Turm, der bis zum Himmel reichte,

Denn Babel heißt »Thor Gottes«, nicht »Verwirrung«.

Die Stadt wuchs sich zum großen Reiche aus,

Die Menschen aber wurden immer kleiner.

Der Riese wohne in der Einsamkeit;

Am Markt des Lebens muß er schnell verzwergen.

Wir waren nicht zur Winzigkeit bestimmt,

Verschenkten Stadt und Reich an arme Leute

Und zogen fort, zurück in unsre Wüste – – –

SCHEIK stolz.

Verschenkten Stadt und Reich an arme Leute – – –

 

Gibt ein Zeichen, diese Worte nachzusprechen.

 

ALLE jubelnd, unisono.

Verschenkten Stadt und Reich an arme Leute – – –

SCHEIK.

Und zogen fort, zurück in unsre Wüste!

 

Gibt dasselbe Zeichen.

 

ALLE wie oben.

Und zogen fort, zurück in unsre Wüste!

SCHEIK hebt die Arme, schaut begeistert empor.

Wie groß von euch, ihr meine An'allah,

Groß wie der Turm, der bis zum Himmel ragte!

Schaut nicht herab zu uns, um uns zu messen,

Doch bietet mir ein Reich wie Babylon

Und hier dagegen diese eure Größe,

So schwör ich euch, ich gehe und verzichte!

PHANTASIE von ihrem Sitz im Zelt aufstehend, hebt warnend den Arm.

Du schwörst, o Scheik!

SCHEIK dreht sich nach ihr um, bestätigend.

Ich schw öre!

BABEL ihn bewundernd.

Groß wie immer!

PHANTASIE.

Wie nun, wenn dich Allah beim Worte nähme?!

SCHEIK.

So würde ich es halten!

 

Zu Babel.

 

Babel, weiter!

BABEL.

Das war vor vielen, vielen tausend Jahren.

Nun kehren aus der Wüste wir zurück,

Um nach dem Turm der An'allah zu schauen.

Wir fragen diese Zeit; sie aber schweigt;

Sie senkt das Haupt und deutet auf Ruinen.

Der Völker keins war dieses Baues würdig.

Das Höchste, was die Menschheit je erdachte,

Erreichte kaum die erste seiner Stufen.

Da fuhr der Herr in seinem Zorn herab;

Der Riese fiel zerschmettert vor ihm nieder,

Und Weltenreiche brachen unter ihm.

Sein Körper löste sich in Schutt und Trümmer,

Doch der Gedanke, der ihm innewohnte,

Der Geist also, stammt von uns An'allah

Und soll im neuen Leibe neu sich strecken,

An ganz demselben Ort, an dem er stand,

Doch nicht gekleidet in denselben Staub,

Der ihn den Zwergen unbegreiflich machte.

Nicht wieder baun wir ihn aus Schlammgefüge,

O nein, granitne Taten brechen wir

Aus dem Gestein der harten Gegenwart

Und türmen sie zum höchsten Himmel auf.

Bricht dann auch dieses zweite Werk zusammen,

So mag Allah der Zukunft sich erbarmen,

Denn Besseres als Taten gibt es nicht!

SCHEIK die Hände hochhebend und das Zeichen gebend, diese Worte nachzusprechen.

Denn Besseres als Taten – – –

ALLE unisono, wuchtig.

Gibt es nicht!

BABEL vom »Teppich der Rede« nach seinem Platze zurückkehrend.

Und dieses Beste wollen wir vollbringen!

SCHEIK.

Wir wollen baun!

IMAM.

Wir wollen wieder baun!

BABEL.

Nicht einen Turm für heidnische Idole!

IMAM.

Nicht eine Warte für den Sternendienst!

KADI.

Nicht für Allah ein luftig Hirngespinst!

SCHEIK.

Und doch für ihn, weil für sein Ebenbild!

Wir wollen baun für den, den er sich dachte,

Als er beschloß: »Laßt uns den Menschen machen!«

BABEL.

Wir wollen baun für den Erwarteten,

Von dem die Weisen aller Länder sagen,

Daß er zwar spät, doch sicher kommen werde!

SCHEIK.

Ein Weltenreich!

IMAM.

Das größte aller Zeiten!

BABEL.

Weil es von Pol zu Pol sich strecken soll!

SCHEIK.

Für den ersehnten, wahren Erdenherrscher,

Der Geist besitzt, genug für alle Andern,

Und Fäuste,

 

Die seinen vorzeigend.

 

um Gebirge zu zerbrechen!

IMAM.

Den Held und Hort, den Riesen des Islam!

KADI.

Den An'allah, den wahren An'allah!

 

Hier stutzen die acht Scheike, und ihre Begeisterung fällt schnell zusammen.

 

SCHEIK.

Der uns das Morgenland zu Füßen legt,

Und dann die ganze andre Welt erobert!

Wie klangen doch die fremden Völkerstimmen?

Wer weiß es noch?

IMAM.

Wir Alle!

KADI.

Alle!

ALLE AN'ALLAH durcheinander.

Alle!

SCHEIK.

»Amerika – – –«

ALLE AN'ALLAH unisono.

»Nur für Amerika!«

SCHEIK.

»Der gelbe Osten – – –«

ALLE AN'ALLAH unisono.

»Für die gelbe Rasse!«

SCHEIK.

»Europa, wahre – – –«

ALLE AN'ALLAH unisono.

»Deine heilgen Güter!«

SCHEIK.

Und unsre Antwort? Wißt ihr, wie sie lautet?

»Das Morgenland – – –«

ALLE AN'ALLAH unisono.

»Nur für die An'allah!«

SCHEIK erschrocken.

»O nein!«

BABEL ebenso erschrocken.

O nein!

IMAM auch erschrocken.

O nein!

KADI.

Das ist ja falsch!

SCHEIK wiederholt, um zu verbessern.

»Das Morgenland – – –«

ALLE AN'ALLAH blind und taub für ihren Fehler.

»Nur für die An'allah!«

 

Großer Jubel bei den An'allah, Tusch, Interjektionen. Die acht angeblich Verbündeten springen auf; sie verlassen ihre Plätze und treten von den An'allah zurück. Da erst merken diese, daß sie so unbesonnen gewesen sind, sich selbst zu verraten. Der Lärm verwandelt sich sofort in tiefe Stille, durch welche voll und scharf die Stimme der Phantasie erklingt.

 

PHANTASIE im Zelte, hoch aufgerichtet, die eigenen Worte des Scheikes wiederholend.

»Sie läßt den Gegner Zug um Zug gewinnen,

Bis fast zuletzt; dann aber greift sie ein,

Läßt Schlag auf Schlag und Stoß auf Stoß erfolgen

Und haut ihn endlich mat zu Boden nieder.

Das ist ihr Trick, an dem man sie erkennt!«

SCHEIK in zorniger Verwirrung.

Was sollen diese meine Worte? Sprich!

PHANTASIE.

Bisher hast du gewonnen, Zug um Zug;

Gib Acht, die Hexe kommt!

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Man spürt sie schon!

ERSTER SCHEIK der von dem tieferen Sinne dieser Plänkelei keine Ahnung hat, in kaltem, schneidendem Tone zum Scheik.

»Das Morgenland nur für die An'allah!«

Was dann für uns?

ZWEITER SCHEIK.

Was dann für uns?

DRITTER BIS ACHTER SCHEIK durcheinander.

Was dann für uns?

ERSTER SCHEIK.

Der Bet telstab! Wohl gar die Sklaverei!

ZWEITER SCHEIK.

Der Bet telstab!

DRITTER SCHEIK.

Der Bet telstab!

VIERTER SCHEIK.

Der Bet telstab!

FÜNFTER BIS ACHTER SCHEIK durcheinander.

Der Bettelstab!

ZWEITER SCHEIK.

Wohl gar die Sklaverei!

DRITTER SCHEIK.

Wohl gar die Sklaverei!

VIERTER BIS ACHTER SCHEIK durcheinander.

Wohl gar die Sklaverei!

SCHEIK höchst verlegen.

Es war ein Fehler, ein Versehen nur!

IMAM beistimmend.

Ein Fehler!

KADI.

Ein Versehen! Ein – – –

ERSTER SCHEIK scharf, ihm das Wort abschneidend.

Wir wissen!

 

Zum Scheik.

 

Leb wohl, ersehnter, wahrer Erdenherrscher!

 

Geht fort, während draußen die Gebetsbretter geläutet werden.

 

ZWEITER SCHEIK zum Scheik.

Der Geist besitzt, genug für alle Andern!

 

Geht fort.

 

DRITTER SCHEIK zum Scheik.

Du Held und Hort!

 

Geht.

 

VIERTER SCHEIK zum Scheik.

Du Riese des Islam!

 

Schickt sich auch zum Gehen an.

 

SCHEIK den diese plötzliche Absage wie ein Schlag auf den Kopf trifft.

Warum – – – wieso – – – das ist – – – sie wollen fort!

 

Springt vor und faßt den vierten Scheik, um ihn zurückzuhalten, wobei die Stimme des Vorbeters schon nahe hinter der Szene zu hören ist.

 

Du bleibst – – – du bleibst! Ich will es – – – ich befehle!

VIERTER SCHEIK.

Befehlen willst du? Mir? Dem Beni Har?

Fahr hin, du Knabe! Lerne erst gehorchen!

 

Schleudert ihn von sich und geht. Der Scheik taumelt einige Schritte zurück und strauchelt dann nieder.