Sie hat sich fast unausgesetzt zu bewegen und muß dies in so dezenter Weise tun, daß sie die Aufmerksamkeit trotzdem nicht auf sich zieht.
Sobald der Vorhang sich erhoben hat, gibt der Scheik der Versammlung das Zeichen, zu schweigen, doch tritt die Ruhe nicht sofort ein. Während dieser Augenblicke kommt Marah Durimeh von ganz vorn links und setzt sich unter den Tamariskenstrauch. Man kann sie auf der Bühne nicht sehen, aber die Zuschauer müssen sie bemerken, weil es sich um die Allgegenwart der »Menschheitsseele« handelt. Sie hat sich, um an ihr Vorhandensein zu erinnern, zuweilen zu bewegen, doch ohne die Aufmerksamkeit des Publikums von der Handlung abzulenken. Obwohl sie den An'allah ihre langen, weißen Haarzöpfe jetzt noch zu verbergen hat, muß sie dieselben ein- oder einigemal nach dem Zuschauerraum hin sehen lassen, damit man ahne, daß sie Marah Durimeh sei, von der so viel gesprochen wird.
Ist die Ruhe eingetreten, so beginnt der Scheik seine Rede, bei der er, wie überhaupt stets, sehr lebhaft mit der Peitsche gestikuliert. Er spricht dabei von seinem altbabylonischen Throne aus, während jeder Andere, der mehr als nur einige Worte sagen will, gehalten ist, seinen Sitz zu verlassen und sich auf den »Teppich der Rede« zu stellen, damit man ihn besser sehe und höre. Dieser »Teppich der Rede« liegt auf einer erhöhten Stelle, deren Wahl dem Regisseur überlassen bleibt.
Erster Auftritt
Der Scheik. Babel. Der Imam. Der Kadi. Der Hakawati. Schefaka. Die Aeltesten der Stämme der An'allah. Krieger und Musiker der An'allah.
Der Scheik fährt, nachdem Ruhe eingetreten ist, in der soeben begonnenen Ansprache fort.
SCHEIK.
Ich bin der Scheik der tapfern An'allah,
Bin euer Scheik, bin euer Herr und Vater – – –
ERSTER AELTESTER ihn unterbrechend.
Ein strenger Herr zuweilen!
SCHEIK.
Meine Pflicht!
Die Zeit ist ernst, und ernst sei auch der Mann,
Wenn er sie zähmen und
Klatscht mit der Peitsche.
dressieren will!
Es wetterleuchtet um die ganze Erde;
In heilgen Brunnen hat man Blut gefunden,
Und aus der Wüste schrillt um Mitternacht
das »rote Lachen« des Samum herüber,
Bei dem sogar dem Löwen, der es hört,
Die Zähne bis zum Schlunde locker werden.
Von solchen Zeichen läßt man wohl sich warnen,
Zumal beim scharfen Klang der Völkerstimmen – – –
ZWEITER AELTESTER ihn unterbrechend.
Der Völkerstimmen?
DRITTER AELTESTER.
Was sind Völkerstimmen?
SCHEIK.
Geblitzte Worte, die von Volk zu Volk
Gewitterleuchtend durch die Lüfte zucken.
Ihr kennt sie nicht? Ihr habt sie ja gehört!
BABEL mit scharfer Betonung.
»Amerika nur für Amerika!«
ALLE halblaut, durcheinander.
»Amerika nur für Amerika!«
IMAM ebenso.
»Der gelbe Osten für die gelbe Rasse!«
ALLE lauter, durcheinander.
»Der gelbe Osten für die gelbe Rasse!«
KADI ebenso.
»Europa, wahre deine heilgen Güter!«
ALLE laut, durcheinander.
»Europa, wahre deine heilgen Güter!«
SCHEIK.
Ich hoffe, diese Proben sind genügend,
Doch wenn ihr wollt, so kann ich sie vermehren.
Als ich sie hörte, rief ich ohne Säumen
Das Imamat der An'allah zusammen,
Bestehend aus den folgenden Personen:
IMAM steht auf.
Ich, der Imam, ich bin der heilge Glaube.
Setzt sich wieder.
KADI steht auf.
Und ich, der Kadi, bin das heilge Recht.
Setzt sich wieder.
BABEL steht auf.
Ich, Babel, bin die heilge Wissenschaft.
Setzt sich wieder.
HAKAWATI steht auf und wird dabei von Schefaka unterstützt.
Und ich, ich bin der alte Hakawati,
Die heilge Sage und das heilge Märchen
Setzt sich mit Hilfe von Schefaka wieder nieder.
SCHEIK.
Und ich, der Scheik, ich bin die heilge Macht,
Die ich symbolisch in die Peitsche lege,
Um anzudeuten, was ich will und
Klatscht.
kann!
SCHEFAKA nach dem »Teppich der Rede« eilend und von da in wichtigem Tone heruntersprechend.
Und ich bin Schefaka – – –
KADI in komischem Entsetzen, sie unterbrechend.
Das Schreckenskind!
SCHEFAKA.
Bin Babels Tochter – – –
IMAM gutmütig feierlich.
Sein Modell zur »Seele«!
SCHEFAKA.
Darf nicht mit raten und darf nicht mit reden
Und rede aber doch, so oft ich will!
Zum Beispiel jetzt ruf ich als eure Seele:
»Das Morgenland nur für das Morgenland!«
Steigt vom »Teppich der Rede« herab.
IMAM.
Sie hat gelauscht!
KADI.
Das tut sie stets!
SCHEFAKA: legt beteuernd die Hände auf die Brust.
Nicht immer!
Doch dieses Mal gestehe ich es ein.
Den Arm hebend, begeisternd.
»Das Morgenland – – –
SCHEIK mit erhobener Stimme einfallend.
Nur für das Morgenland!«
ALLE jubelnd, durcheinander.
»Das Morgenland nur für das Morgenland!«
Man hört die Gebetsbretter hinter der Szene läuten. Die Stimme des Vorbeters erschallt.
SCHEFAKA.
Der Schwarze kommt!
KADI.
Wir werden unterbrochen!
SCHEIK.
Das Nachmittaggebet!
IMAM.
Wir beten mit!
SCHEIK.
Und fahren dann in unsern Rate fort!
Zweiter Auftritt
Die Vorigen. Der schwarze Vorbeter. Hinter ihm seine Adjuvanten. Er läutet die Gebetsbretter und singt dazu auf einem und demselben hohen Tone:
Heeehhh alas salah! Heeehhh alal = felah! Auf zum Gebete! Auf zum Heile! Heeehhh alas salah! Heeehhh alal = felah! Allah akbar! Allah hu!
Hierauf kniet er nieder, hinter ihm die Adjuvanten auch. Sie beginnen ihr schreckliches Umeha, und alle Anwesenden fallen ein, nur Schefaka ausgenommen. Als es genugsam wiederholt worden ist, steht der Neger mit seinen Adjuvanten auf. Sie falten alle die Hände, und er spricht: »Laßt uns die heilge Fat'ha beten!« Hierauf rezitiert er.
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichtes! Dir wollen wir dienen, und zu dir wollen wir flehen, auf daß du uns führest den rechten – – –«
Er kommt nicht weiter, denn der Scheik eilt von seinem Throne herbei, auf ihn zu, knallt ihm die Peitsche vor das Gesicht und ruft zornig.
SCHEIK.
Was fällt dir ein, du Wurm, du Laus, du Milbe!
Wasch dir den Mund mit Seife von Ischnan,
Doch wage niemals, so mit Gott zu sprechen,
Als ob er wenigstens dein Freund und Vetter,
Wohl gar der Onkel deiner Tante sei!
Du hast nach meinem Formular zu beten,
Kein Wort hinzu und keines davon weg;
Allah ist Herr, und was ich will,
Klatscht mit der Peitsche.
geschieht!
Ich weiß es wohl: Seitdem in unserm Schlamme
Das Christentum nach Heidengöttern gräbt
Und so ein »Baal« kaum zehn Piaster kostet,
Ist auch Allah im Preis bei euch gesunken.
Da schreit nun jeder Esel stracks zum Himmel,
Indem er meint, die Allmacht habe sich
In allerhöchster, eigener Person
Direkt um seinen Häcksel zu bekümmern.
Doch aber uns, vom heilgen Imamat,
Die wir allein, allein berufen sind,
Die Seligkeit im Volke zu verteilen,
Uns will man plötzlich überflüssig finden!
Zu Allen.
Ich sage euch, Allah soll wieder steigen,
So hoch, so hoch, daß euch die Lust vergeht,
Nach ihm zu pfeifen, wie es euch beliebt!
Zum Vorbeter.
Ich will das Umeha noch einmal hören!
Der Schwarze kniet wieder nieder, seine Adjuvanten mit ihm. Das Umeha wird wiederholt, samt den Verbeugungen. Der Scheik schlägt mit der zusammengelegten Peitsche den Takt dazu, gibt nach einiger Zeit das Zeichen, aufzuhören und fährt dann fort.
Es mag genügen! Merkt euch diese Lehre,
Und betet nach der altbewährten Weise!
Das schnappt und klappt! Das ist so fest gefügt!
Das bricht sich Bahn! Wer kann da widerstehen!
Ein solch Gebet steigt wie in Wehr und Waffen
Zum Himmel auf und muß selbst Gott besiegen!
Das ist der alte, eiserne Islam,
Der nicht zu klappern und zu plappern braucht
Wie die,
Zum Vorbeter.
nach denen du jetzt schnattern wolltest.
Ich selbst, ich bete nur das Umeha
Und weiß, daß ich mit diesem Schlachtenkeil
Zunächst die alte Marah Durimeh,
Sodann mit ihr die Stämme der Kiram
Spuckt aus.
Und endlich gar das Christentum besiege.
Und hörst du mich einmal aus freiem Munde,
Und wärs auch nur die kurze Fat'ha, beten,
So kannst du tausend Eide darauf schwören,
Daß es mit mir zum raschen Ende geht!
VORBETER erschrocken über diese Herausforderung des Schicksales, hebt abwehrend den Arm und weicht zurück.
Daß es mit dir – – –
SCHEIK knallt mit der Peitsche.
Hinaus mit euch, hinaus!
VORBETER beendet seinen Satz.
Zum raschen Ende geht!
SCHEIK.
Hinaus, hinaus!
Vorbeter mit Gefolge ab.
Dritter Auftritt
Die Vorigen, ohne den Vorbeter und sein Gefolge.
IMAM beiseite, zum Scheik.
Das war sehr klug, o Scheik!
KADI ebenso, einstimmend.
Sehr klug, o Scheik!
IMAM.
Höchst einsichtsvoll!
KADI.
Höchst einsichtsvoll, o Scheik!
SCHEIK zu ihnen beiden.
Das rechte Wort zur rechten Zeit, nichts weiter!
Wieder zum Throne zurückkehrend, zu Allen.
Doch warne ich! Als dieser Mensch es wagte,
Im Stehen und aus freiem Mund zu beten,
Da sah ich die Gefahr, die uns bedroht,
In ihrer ganzen, schwarzen Mißgestalt.
IMAM.
Ist er denn Christ?
KADI.
Ein heimlicher?
SCHEIK.
Noch nicht,
Doch ohne meine Peitsche kann ers werden.
Und darum will ich Peitsche sein, Kurbatsch,
Klatscht.
Kurbatsch für Alle und Kurbatsch für Jeden,
Der mit dem Geist des Abendlandes äugelt
Und ihm erlaubt, sich bei uns einzunisten!
Denn dieser Geist ist es, nur dieser Geist,
Der an das große, edle Fürstenwort
»Europa, wahre deine heilgen Güter«
Die niedrige, die frevle Mahnung fügt
»Von Asien aber nimm, so viel du willst!«
BABEL.
So sei denn du der Geist des Morgenlandes,
Und sammle deine Scharen gegen ihn!
IMAM.
Wer soll es sonst wohl wagen, wenn nicht du!
KADI.
Du bist Abu Kital, des Kampfes Vater!
SCHEIK stolz.
Abu Kital, der Scheik der An'allah,
Den niemals je ein Sterblicher besiegte,
Im Schach so wenig wie im Waffenspiel!
Der »Geist des Morgenlandes« soll ich sein?
Es wäre Wahnsinn, wenn ich es nicht wäre!
Doch dieser Geist war stets ein An'allah
Und kann nicht über Nacht Mongole werden.
Wohlan, wohlan, ich will es nicht nur sein,
Ich bin es schon, ich bin es wirklich, wirklich,
Denn wenn es Geister gibt, so sind sie Menschen,
Und Mensch bin ich auf jeden Fall
Von oben herab lächelnd.
wohl auch!
BABEL.
Der größte, den es gibt!
IMAM.
Der mächtigste!
KADI.
Der klügste auch!
SCHEFAKA kindlich schwärmerisch.
Des Vaters Ideal!
SCHEIK.
So sei es denn! Der Kadi hat zu sprechen!
Der Kadi steht auf, um nach dem »Teppich der Rede« zu gehen. Da aber erhebt der Märchenerzähler Einspruch.
HAKAWATI.
Noch nicht, noch nicht! Laßt erst das Märchen reden!
SCHEIK zum Hakawati.
So sprich!
HAKAWATI steht auf.
Ich danke dir – – – ich danke dir!
Wird, während der Kadi sich wieder setzt, von Schefaka nach dem »Teppich der Rede« geführt. Auf Schefaka gestützt, spricht er von dieser Stelle aus.
Mit ihrem Geiste kam die Bibel einst – – –
SCHEIK ihn unterbrechend.
Das alte Märchen! Immer nur dies Märchen!
SCHEFAKA zum Scheik.
So laß ihn doch!
BABEL ihr beistimmend.
Er hat ein Recht dazu!
HAKAWATI wieder beginnend.
Mit ihrem Geiste kam die Bibel einst
Zum »Menschen der Gewalt« im Lande Babel.
Der nahm sie nur für kurze Jahre auf,
Dann stieß er sie hinaus, doch ihren Geist
Behielt er heimlich hier im Turm zurück
Und ließ dafür den seinen mit ihr gehen.
Seit jenem Tage wird die heilge Schrift
Von diesem Geiste der Gewalt bemeistert;
Der wahre Geist der Bibel aber schmachtet
Auf den Turm zeigend.
Im tiefen Fundamente unsers Turmes,
Und Niemand hat den Mut, ihn zu befreien,
Weil über ihm Kital, der Drache, wohnt,
Vor dem sich selbst die größten Helden fürchten.
SCHEIK.
Kital bin ich – – – in seinem Auge ich!
HAKAWATI fortfahrend.
Doch stets am Abende vor großen Tagen
Hört man im Turm die Harfen der Psalmisten – – –
SCHEIK einfallend.
Ich hörte sie noch nie!
SCHEFAKA.
Doch aber ich!
HAKAWATI spricht unbeirrt weiter.
Denn vor dem allergrößten dieser Tage
Wird sich die Bibel wieder heimwärts finden,
Geleitet von der Hand der Menschheitsseele – – –
SCHEIK schnell.
Doch hoffentlich die echte Menschheitsseele,
Und nicht ihr Zerrbild, Marah Durimeh,
Die morgen kommt, mir Trotz und Schach zu bieten!
HAKAWATI.
Zu gleicher Zeit erscheint an unserm Turme
Der längst ersehnte, erste Edelmensch,
Um mit der scharfen Klinge des Kismet
Kital, den Kampf, den Drachen, zu besiegen,
Den wahren Geist der Bibel zu befreien
Und ihn auf
Zum Scheik, auf den Thron deutend.
diesen deinen Thron zu setzen.
SCHEIK.
Ein Wahnsinn sondergleichen, dieses Märchen!
Der erste Edelmensch der Weltgeschichte,
Sargani, Herr und König von Akkad,
Hat vor sechstausend Jahren hier gesessen,
Hier, auf demselben Throne! Man bedenke!
Und der soll noch nicht dagewesen sein!
HAKAWATI ohne auf diesen Einwurf zu achten.
Und dann geht heilger Friede von uns aus,
Von uns, die wir den Kampf zum Herrscher haben.
Denn dieser Kampf muß, ohne daß er will,
Nur aus sich selbst heraus den Frieden zeugen. –
Macht eine kurze Pause, dann weiter.
Das Märchen sagt, was es zu sagen hat;
Ob ihr es hört, das ist nur eure Sache.
Wollt Ihr den Kampf, so kann ich es nicht ändern,
Doch hier am Turm sei Friede, immer Friede,
Damit, wenn einst die Harfen wieder klingen,
Kein Menschenblut grad an der Stätte fließe,
An der der Mensch zum Menschen werden soll.
Steigt, von Schefaka unterstützt, vom »Teppich der Rede« herab und wird von ihr bis an seinen Sitzt geführt.
SCHEIK ironisch.
An der – – – der Mensch – – – zum Menschen werden soll!
Zum – – – Edelmenschen?
Stark und drohend.
Etwa zum Kiram?
Denn die Kiram –
Spuckt verächtlich aus.
Allah ver-
Klatscht.
damme sie! –
Bezeichnen sich allein als Edelmenschen,
Hingegen uns als Menschen der Gewalt,
Die noch nicht sind, was sie zu werden haben.
Drohend.
Das, was wir sind, das wird sich morgen zeigen,
Und was wir werden, wissen wir schon heut.
Der Kadi hat zu sprechen – – – ohne Märchen!
Der Kadi steht wieder auf und geht nach dem »Teppich der Rede«.
KADI.
Ich klage an die Stämme der Kiram,
Die in Afdala und Amana hausen
Und darum sich für bessre Menschen halten
Als alle Andern, die auf Erden sind – – –
SCHEIK.
Die Hunde, die nach uns gebissen haben,
Noch beißen und auch ewig beißen werden!
Spuckt verächtlich aus, alle Andern ebenso, nur Schefaka, Babel und den Hakawati ausgenommen.
KADI fortfahrend.
Sie trachten nach dem Turm der An'allah,
Nach allen Wundern und nach allen Schätzen,
Die er, geheim, in seinem Innern birgt.
Und weil sie sich zu schwach zum Kampfe fühlen – – –
SCHEIK fällt, sich brüstend, ein.
Kital, Kital, das Drachenungeheuer!
KADI fährt fort.
So haben sie das Abendland gerufen
Und sich mit Marah Durimeh verbündet,
Um uns den Turm zu nehmen und den Raub
Dann unter sich – – –
SCHEIK einfallend.
Wie brüderlich!
KADI fortfahrend.
zu teilen.
Ihr neuer Scheik, der Ben Tesalah heißt,
Der »Sohn des Friedens« – – –
SCHEIK einwerfend.
Ich, »des Kampfes Vater!«
KADI fährt fort.
Hat Krieger aus Europa kommen lassen,
Um seine Beduinen einzuüben;
Kanonen sind bereits schon unterwegs,
Und kommen wir dem Streiche nicht zuvor,
So wird der Krieg wie ein empörtes Meer
Um unsern Turm und unsrer Schätze wogen
Und Alles, Alles, selbst auch uns, verschlingen.
SCHEIK grimmig.
Und das darf sich den »Sohn des Friedens« heißen!
Spuckt aus, die Andern ebenso, mit Ausnahme der schon Genannten.
Ist noch ein Knabe, zwanzig Jahre alt!
Spuckt aus, die Andern mit.
Der keinen Vater, keine Mutter hat!
Abermaliges Ausspucken.
Er wurde schmutzig, wie ein Ungeziefer
Im Dorngestrüpp der Wüste aufgefunden,
Ein Wechselbalg, ein Bankert, ein Bastard,
Der morgen auch mit kommt, mir Schach zu bieten!
Nochmals Ausspucken Aller, außer den Drei.
KADI fährt fort.
Ich klage an auch Marah Durimeh,
Die Herrin von Kulub und Märdistan – – –
SCHEIK einfallend.
Das alte Geisterweib, die Lügnerin,
Die euer Hohn zur »Menschheitsseele« macht.
Allah verdamme und vernichte sie!
HAKAWATI von seinem Platze aus, schnell.
Allah behüte sie, die einzig Wahre,
Die niemals lügt, sie irre denn sich selbst!
SCHEIK.
Du bist die Sage, und du bist das Märchen.
Was weißt denn du von Marah Durimeh!
SCHEFAKA.
Verzeih, o Scheik, da muß ich ihm wohl helfen!
Doch grad als Sage und doch grad als Märchen
Muß er die Menschheitsseele besser kennen
Als jeder Andre, dich nicht ausgenommen!
SCHEIK nachsichtig verweisend.
Du bist ein Kind – – –
SCHEFAKA heiter.
Jawohl, das Schreckenskind!
SCHEIK fortfahrend.
Und hast ja schon als Tochter deines Vaters
Wohl keinen Grund, das Weib in Schutz zu nehmen.
Denn als er einst
Geht zu Babel hin, nimmt das Buch »Der Menschengeist« und zeigt es.
das Buch vom »Geiste« schrieb
Und es ihr dann als Ehrengabe sandte,
Da hat sie es begeifert und verworfen.
Und als sie kürzlich von der »Seele« hörte,
Zeigt das Buch »Die Menschenseele«.
Die hier im Manuskripte vor uns liegt,
Da hat sie nur so obenhin gelächelt!
SCHEFAKA.
Das kann sie auch, wenn sich der Vater irrt.
Bedenke doch, er ist ja nur ein Mensch,
Doch aber sie, sie stammt aus Sternenwelten,
Ist viele, viele tausend Jahre alt,
Mit langem, weißem Haar in starken Zöpfen,
Die vorn herab bis fast zur Erde reichen.
Wenn sie zur Ebene herniedersteigt,
Trägt sie den Strahlenpanzer von Kristall – –
SCHEIK einfallend, ironisch.
Und bleibt sie oben, was sie immer tut,
Denn von uns Keiner hat sie je gesehen,
So sitzt sie mit Gespenstern an dem Brette
Und spielt um Menschenseelen Schach mit ihnen.
Sie heißt mit Recht die Hexe des Schatrandsch1,
Denn wer Jahrtausende um Seelen spielt,
Der wird in allen Kniffen wohlgeübt
Und kann zuletzt den Teufel überlisten.
IMAM.
Auch dich?
KADI.
Auch dich?
BABEL.
Den weltbekannten Meister?
SCHEIK.
Auch mich? Das ist ja heut die Lebensfrage!
Ich lade sie seit lange jährlich ein,
Zum Turm der An'allah herabzukommen,
Um den Entscheidungskampf mit mir zu wagen,
Und sie, sie hat es immer abgelehnt – – –
IMAM.
Aus Angst natürlich!
KADI.
Nur aus Angst!
ALLE durcheinander.
Aus Angst!
SCHEIK.
Doch jetzt, in diesem Jahre, mir zum Staunen,
Ging sie auf meine Ladung ein; sie kommt.
Das hat natürlich einen eignen Grund,
Den ihr erfahren werdet. Kadi, weiter!
KADI.
Ich klage gegen sie, die Heuchlerin,
Die öffentlich als unser Gast erscheint
Und aber heimlich ihre Truppen sammelt,
Um uns mit Mord und Brand zu überfluten.
Sie hält es mit dem Geist des Abendlandes
Und leistet ihm Gefolge, wo sie kann.
Soeben jetzt, wo er nach alten Göttern
Und neuen Bahnen hier im Lande strebt,
Beschützt sie ihn bei Allem, was er tut.
Ihr alle wißt es, daß sie morgen kommt,
Um gegen uns ein großes Schach zu reiten,
Auf freiem Feld, mit lebenden Figuren
Und Pferden allererster Qualität.
Sie wird mit großem Prunke hier erscheinen,
Und reich an Zahl wird ihr Gefolge sein,
Vor dem ich euch – – –
SCHEIK die Peitsche erhebend.
Paßt auf!
KADI fortfahrend.
zu warnen habe.
Es kommt mit ihr der Geist des Abendlandes
Mit einer Menge fremder Offiziere,
Die spionieren und vermessen sollen – – –
SCHEIK.
Als unsre Gäste! Welche Niedertracht!
KADI spricht weiter.
Natürlich sind sie Alle wohl verkleidet
Und Jeder wohlgeübt in seiner Rolle – – –
SCHEIK.
Figuren zu dem Schachbrett Nummer Zwei!
ERSTER AELTESTER.
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
ZWEITER AELTESTER.
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
DRITTER AELTESTER.
Dem Schachbrett Nummer Zwei?
SCHEIK.
Jawohl!
KADI.
Jawohl, dem Schachbrett Nummer Zwei!
SCHEIK ihnen erklärend.
Das Schach, das wir im freien Felde reiten,
Das wird uns von dem Gegner vorgeschoben,
Um uns zu täuschen, uns zu überlisten.
Ich spreche da vom Schachbrett Nummer Eins.
Doch, während wir auf dieses eine starren,
Um Marah Durimeh den Preis zu nehmen,
Sitzt hinter uns, ganz heimlich, unbemerkt,
Der Geist des Abendlandes an dem zweiten
Und macht uns mat, bevor wir es nur ahnen.
BABEL warnend.
Und macht uns mat!
IMAM.
Und macht uns mat!
KADI.
Und macht uns mat!
ALLE durcheinander.
Und macht uns mat!
ERSTER AELTESTER.
Bevor wir es nur ahnen!
ZWEITER AELTESTER.
Bevor wir es nur ahnen!
ALLE durcheinander.
Bevor wir es nur ahnen!
SCHEIK sich an die Brust schlagend.
Doch aber hier, der Scheik der An'allah,
Den ihr den Geist des Morgenlandes nennt,
Durchschaut den Plan gleich mit dem ersten Blicke
Und lächelt über diese grobe List.
Entschlossen.
Ich spiele mit! Ich spiele gegen beide!
Und noch viel mehr: Ich habe schon gezogen.
Ich spiele gegen Marah Durimeh
Nur um der Ehre, um des Namens willen,
Doch gegen ihn, den Geist des Abendlandes,
Geht es um unsern Turm, um unser Reich,
Um unser Land, ja, um die ganze Erde
Und außerdem um unsern heilgen Glauben,
Der mir so herrlich und so köstlich war,
Daß ich für ihn, wie ihr ja alle wißt,
Mein Weib und Kind hinweggeworfen habe – – –
Mein Weib!
Niedergeschlagen.
O Bent'ullah, o Bent'ullah! – – –
Sich zusammenraffend.
Für ihn bin ich noch andrer Opfer fähig.
Man komme nur: man taste mir ihn an!
Man kennt ihn nicht; man kennt auch uns nicht mehr.
Die Zwerge sind so klein, so klein geworden,
Daß sie nicht mehr an Riesen glauben können.
Noch aber lebt Allah, noch leben wir,
Und im Kuran liegt Kraft zu tausend Siegen.
Sprich weiter, Kadi!
ERSTER AELTESTER.
Weiter!
ZWEITER AELTESTER.
Weiter!
ALLE durcheinander.
Weiter!
KADI.
Wahrscheinlich ist der Geist des Abendlandes
Mit Marah Durimeh schon in Hilleh,
Von wo er morgen hier erscheinen wird,
Natürlich nur in irgend einer Maske,
Durch die er aber uns nicht täuschen kann.
Und heute kam ein Bote aus Djedur
Und brachte uns die sonderbare Kunde,
Daß sich der Scheik der Stämme der Kiram
Von dort zu uns herüberwenden werde,
Um in dem Schach mit Marah Durimeh
Als »König« ihrer Seite mitzureiten.
Er habe sie noch nie, noch nie gesehen
Und freue sich, sie hier bei uns zu finden – – –
SCHEIK schnell.
Da habt ihr es ganz offen, das Komplott:
Das Abendland mit seinen Offizieren,
Das alte Weib mit Spähern und Spionen
Und endlich gar der liebe »Sohn des Friedens«,
Der heimlich rüstet, uns zu überfallen.
Die haben wir beisammen – – –
Wiederholt, indem er jedes Wort einzeln betont.
hier – – – bei – – – sammen!
Das ist doch mehr als nur ein Fingerzeig.
Die hat Allah zu uns herbeigetrieben,
Und wir verstehen ihn, wir greifen zu!
ERSTER AELTESTER.
Wir greifen zu!
ZWEITER AELTESTER.
Wir greifen zu!
DRITTER AELTESTER.
Wir greifen zu!
ALLE durcheinander, mit Waffengeklirr.
Wir greifen zu!
KADI.
So habe ich mein letztes Wort zu sagen,
Indem ich euch an eure Pflicht erinnre,
Das heilge Recht der An'allah zu schützen.
Ich fordere den Krieg – – –
HAKAWATI sich erhebend.
Und ich den Frieden!
KADI.
Und bitte die Dschemmah, ihn zu beschließen.
Der Scheik befrage des Kismet!
Kehrt nach seinem Platze zurück.
SCHEIK.
Es sei!
Zieht die krumme Klinge aus der Gürtelschnur, hält sie mit beiden Händen, die eine am Griff, die andre an der Spitze, hoch über den Kopf und fährt fort.
So zeige ich nach alter Stammessitte
Nun der Dschemmah die Schärfe des Kismet
Und frage nach dem Kampf und nach dem Frieden.
Wer will den Frieden?
HAKAWATI die Hand hebend.
Ich!
Sich umschauend, klagend.
Nur ich allein!
SCHEIK zum Hakawati, indem er die Klinge sinken läßt.
Dein Friede ist, wie du, ja nur ein Märchen!
Zur Versammlung.
Wer aber will den Kampf?
KADI will sich eben setzen, bleibt aber stehen.
Wer will den Kampf?
ERSTER AELTESTER die Hand erhebend.
Den Kampf!
ZWEITER AELTESTER die Hand erhebend.
Den Kampf!
DRITTER AELTESTER die Hand erhebend.
Den Kampf!
IMAM die Hand erhebend.
Wir alle!
ALLE die Hände erhebend, mit Waffengeklirr.
Alle!
HAKAWATI.
So gehe ich!
SCHEFAKA ihn stützend.
Und ich, ich gehe mit.
HAKAWATI im Gehen, zu ihr, aber so, daß auch die Andern es hören.
So wirst du Gäste grüßen, meine Gäste.
SCHEIK zu ihm.
Du sprichst von Gästen?
HAKAWATI stehen bleibend.
Ja.
SCHEIK.
Wer ist es wohl?
HAKAWATI.
Du weißt es ja. In meinem armen Zelte,
Das fern, entlegen von den andern steht,
Kehrt Niemand ein als nur die Phantasie.
SCHEIK schnell und animiert.
Die Phantasie? So ist sie wieder da?
HAKAWATI.
Mit einer Schülerin.
SCHEIK.
Und weiter, weiter?
Sie meidet uns.
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