Wir kennen sie noch nicht.

Hast du gesagt, daß ich sie sehen will?

Daß ich sie gern zu unserm Spiele brauche?

HAKAWATI zurückhaltend.

Ich sagte ihr, daß Schattenspieler kommen,

Mit ihrer Kunst die Gäste aufzuregen,

Und du zu mir den Wunsch geäußert habest,

Daß sie, die größte aller Künstlerinnen,

Hierbei die Schatten unterstützen möge.

SCHEIK dringend.

Und weiter doch! Ist sie bereit dazu?

HAKAWATI.

Das weiß ich nicht, doch wird sie hier erscheinen,

Um dich zu sehen und es dir zu sagen.

Ich warne dich!

SCHEIK.

Vor ihr?

HAKAWATI.

O nein, vor dir!

Die Phantasie ist keine Bettlerin

Und keine Narretei, die man belächelt.

Nur wer Sitara kennt, das wunderbare

Und hochgelegne Land der Sternenblumen,

Der wird von ihr besucht, kein Anderer.

Bei dir erscheint sie heut nur mir zu Liebe;

Drum warne ich. Nimm dich vor dir in Acht!

 

Hakawati mit Schefaka ab.

 

 

Fußnoten

1 Schach.

 

 

Vierter Auftritt

Die Vorigen ohne Schefaka und den Hakawati.

 

SCHEIK hinter ihnen her.

Der Friede geht. Ich wende mich zum Krieg.

Kein Hakawati soll uns mehr beirren.

 

Zur Versammlung.

 

Ich traue diesem alten Märchen nicht

Und spreche nun erst jetzt aus freier Seele.

Doch, machen wir es kurz; die Taten warten.

ERSTER AELTESTER.

Die Taten warten!

ZWEITER AELTESTER.

Die Taten warten!

DRITTER AELTESTER.

Die Taten warten!

ALLE durcheinander.

Die Taten warten!

SCHEIK.

Ihr habt gehört, daß sich »der Sohn des Friedens«

Als »König« hier im Schach gebärden will,

Der Wechselbalg, der Bankert, der Bastard!

Das Findelkind als »König« gegen mich!

Für solche Schande geb ich auch nur Schande,

Indem ich Gleiches gegen Gleiches setze.

Es lagert eine Todeskarawane

Im alten Bette von Abu Hasaf,

Wohl vierzig Männer stark, zerlumpt, zerrissen,

Die Schuftigkeit in jedem Angesicht,

Noch schwimmend im Gestank der Perserleichen,

Die sie nach Meschhed Hossein gebracht,

Von aller Welt verlassen, ausgestoßen,

Geborne Teufel, jeder Sünde fähig.

Ihr Scheik, zwar noch nicht alt, wie man mir sagt,

Doch ebenso verkommen wie die Andern,

Will hier auf unsrer Seite »König« sein

Und auch die übrigen Figuren alle

Mit seinen Vagabunden für uns stellen.

Das wird getan! Das soll die Antwort sein!

ERSTER AELTESTER.

Das wird getan!

ZWEITER AELTESTER.

Das wird getan!

DRITTER AELTESTER.

Das wird getan!

ALLE durcheinander.

Das wird getan!

ERSTER AELTESTER.

Das soll die Antwort sein!

ZWEITER AELTESTER.

Das soll die Antwort sein!

ALLE durcheinander.

Das soll die Antwort sein!

SCHEIK.

Er kommt noch heute, vor der Dämmerung – – –

DRITTER AELTESTER mit der Gebärde des Grauens.

Der Scheik der Todeskarawane!

ALLE ebenso.

Der Scheik der Todeskarawane!

SCHEIK fortfahrend.

Damit ich ihn persönlich kennen lerne

Und mich an seine Gegenwart gewöhne.

Ein Wagehals! Nehmt euch in Acht vor ihm!

ERSTER AELTESTER.

Ein Wagehals!

ALLE durcheinander.

Nehmt euch in Acht vor ihm!

SCHEIK.

Daß ich die Phantasie für uns gewinne

Und diese Schurken als Figuren stelle,

Das sind die Meisterzüge, die ich tue,

Schon ehe noch das Spiel begonnen hat.

Bedenkt die Lage, welche sich ergibt!

Der Feind entfaltet sicher ein Gepränge,

Wie man noch keines hier gesehen hat,

Und ganz besonders werden die Figuren,

Die auf den edelsten der Pferde glänzen,

Nur ausgewählte, stolze Männer sein,

An deren Ehre wohl kein Makel haftet.

Zu diesen reinen, prächtigen Gestalten

Geselle ich zerlumpte Leichenschlepper,

Die keine Menschen, sondern Bestien sind.

Was wird geschehn?

 

Seinen Säbel zeigend.

 

Die Klinge wird dann sprechen!

 

Alle Säbel fliegen aus den Scheiden, und wer da sitzt, springt auf.

 

ERSTER AELTESTER.

Was wird geschehn?

ZWEITER AELTESTER.

Was wird geschehn?

DRITTER AELTESTER.

Was wird geschehn?

ALLE durcheinander, waffenrasselnd.

Was wird geschehn?

ERSTER AELTESTER.

Die Klinge wird dann sprechen!

ZWEITER AELTESTER.

Die Klinge wird dann sprechen!

ALLE.

Die Klinge wird dann sprechen!

SCHEIK seinen Säbel schwingend.

Wie diese hier, die schon gesprochen hat

Und die ich nun nach altem heilgem Brauch – – –

 

Fünfter Auftritt

 

Die Vorigen.

Der Vorbeter kommt und meldet.

 

VORBETER.

Ich melde, daß man bei Abu Redscheb,

Sodann am Hügel von Zafirijat

Und endlich auch bei Schumali im Süden

Gewaltge Reiterei gesehen hat.

SCHEIK hoch erfreut.

Allah sei Lob und Dank! Das sind die Freunde,

Die sich von allen Seiten heimlich nähern,

Um diese ganze Gegend zu besetzen

Und uns mit unsern Gästen zu umzingeln.

 

Stolz, zuversichtlich.

 

Die Krieger der verbündeten acht Stämme!

Das wird für unser Spiel ja wohl genügen

Und ist der dritte Meisterzug von mir.

Die Führer dieser Stämme sind geladen,

Sich heut um Mitternacht hier einzustellen –

 

Erklärend.

 

Um Mitternacht, damit man sie nicht sieht –

 

Im vorigen Tone.

 

Und ihre letzte Unterschrift zu geben.

Sobald sie alle kommen, was ich hoffe,

Sind unsre Feinde unbedingt verloren.

Ich lade euch zu dieser Sitzung ein,

Nach heute Abend, grad um Mitternacht.

Die jetzige beende ich, wie folgt:

 

Er verläßt seinen Platz, mit dem Säbel in der Hand, um ihn nach der altheiligen Gepflogenheit des Stammes bis an den Griff in die Erde zu stoßen. Die Anwesenden erheben sich und bilden einen nach dem Zuschauerraum offenen Halbkreis, den Scheik in der Mitte.

 

SCHEIK.

Ihr habt den Kampf gewählt. Er sei!

ALLE jubelnd.

Er sei!

SCHEIK.

So stoße ich die Klinge des Kismet

 

Tut es und läßt sie stecken.

 

Bis an das Heft in diese unsre Erde,

Um die es geht.

ALLE AELTESTEN.

Um die es geht!

ALLE ANDERN.

Um die es geht!

SCHEIK.

Verflucht sei der, der sie von hier entfernt,

Bevor der Sieg von uns erfochten ist.

Er sei ein Kind des Todes!

IMAM.

Er sei ein Kind des Todes!

ALLE durcheinander.

Er sei ein Kind des Todes!

SCHEIK.

Und nun erhebe das Kismet die Stimme,

Die Völkerstimme, die aus Babylon

Hinaus in alle Regionen schreit:

»Das Morgenland nur für das Mor – – –«

KADI einfallend.

Halt, halt!

»Das Morgenland nur für das Morgenland,«

Das schalle um den ganzen Erdenkreis,

Und jeder Andre mag es wörtlich nehmen,

Doch aber wir, die wir bewandert sind

In den Mysterien vergangner Zeiten,

Wir wissen durch geheime Forschungen,

Daß es viel richtiger zu lauten hat:

»Das Morgenland nur für die An'allah!«

ALLE frohlockend.

»Das Morgenland nur für die An'allah!«

 

Die bekannten Interjektionen, Waffengeklirr, schmetternder Tusch der Instrumente.

 

IMAM.

Und weiter, weiter! Wenn Allah es will

Und morgen unser erster Schlag gelingt,

So bleiben wir nicht hier im Lande stehen!

SCHEIK im stärksten Tone, mit der Peitsche knallend.

»Die ganze Erde für die An'allah!«

ALLE in höchster Erregung.

»Die ganze Erde für die An'allah!«

 

Gellender Jubel der Menschenstimmen und der Instrumente. Man umringt den Scheik, auch Babel, den Imam und den Kadi. Den schwarzen Vorbeter an der Spitze, bildet sich ein Zug, der sie in die Mitte nimmt, um sie im Triumph vom Beratungsplatze nach dem Lager zu schaffen. Es gelingt nur dem Imam und dem Kadi, sich loszumachen und hier zu bleiben. Die Uebrigen ziehen unter Musik und Freudenrufen ab.

 

 

Sechster Auftritt

Der Imam. Der Kadi.

Musik und Menschenstimmen verklingen nach und nach.

 

IMAM hinter dem Scheik und dem Zug herdeutend.

Triumph, Triumph!

KADI stolz.

Für uns!

IMAM.

Wie er gehorcht!

KADI.

So ahnungslos, daß er geleitet wird!

IMAM.

Ein Meisterplan von dir!

KADI.

Von dir!

IMAM UND KADI zugleich.

Von Beiden!

KADI.

Wo scheinbar die Gewalt am Ruder steht,

Lenkt aber doch das heilge Recht!

IMAM.

Lenkt aber doch der heilge Glaube!

KADI.

Wir lenkten damals schon – – –!

IMAM.

Bei Bent'ullah!

KADI.

Und er gehorchte – – –

IMAM.

Ganz genau wie heut!

KADI.

Es war ein Sieg des heilgen Rechtes – – –

IMAM.

Ein Sieg des heilgen Glaubens,

Daß er die Christin endlich gehen ließ

Und dann das Dokument für richtig hielt,

Mit dem wir ihren Tod bestätigten.

Sie war so schön – – –

KADI.

So edel!

IMAM.

Und so rein!

KADI.

Erst gestern aus der Fremde hergekommen,

War sie schon heut von Allen wie vergöttert – – –

IMAM rasch und streng einfallend.

Und darum griffen wir schon morgen ein,

Sie wieder fortzubringen.

KADI.

Sie wieder fortzubringen.

IMAM.

Es war die Pflicht, der wir gehorchen mußten – – –

KADI.

Dem heilgen Rechte – – –

IMAM.

Und dem heilgen Glauben.

Denn wer sie sah, der wurde ihr gewogen,

Und was sie tat, das wurde nachgeahmt.

Ich sage dir, wenn sie geblieben wäre,

So würde

 

Auf den Turm zeigend.

 

dieser Turm jetzt Kirche sein,

Und unser Land gehörte längst den Christen.

Sie mußte fort, sie mußte fort!

KADI zustimmend.

Sie mußte fort!

IMAM.

Und doch tut er mir leid!

KADI.

Mir ebenso!

IMAM.

Er liebt sie noch; er kann sie nicht vergessen.

Das hast du vorhin doch wohl auch gehört,

Als er von ihr und seinem Kinde sprach.

Wie nun – – –

 

Sich vorsichtig umsehend.

 

wenn sie jetzt plötzlich hier erschiene?!

KADI erschrocken zurückweichend.

Ich bitte dich! Zitiere nicht Gespenster!

IMAM betroffen.

Gespenster? Höre, meide dieses Wort?

Nicht mir ist es gefährlich, aber dir!

Du fürchtest dich!

KADI herausplatzend.

Jawohl, ich fürchte mich!

IMAM streng, im Tone einer geistlichen Gewissensfrage.

Vor ihr allein? Nicht auch vor ihrem Glauben?

KADI wie Einer, der durchschaut worden ist.

Vor ihnen Beiden, auch vor ihrem Glauben,

Denn wenn geschähe, was du eben sagtest,

Daß sie sich wieder her zum Turme fände,

Wie in der Mär des alten Hakawati,

So wären wir verloren, du und ich,

Und ebenso der heilige Islam

Mit unserm herrlich angelegten Plan – – –

 

Siebenter Auftritt

 

Der Imam. Der Kadi. Der Scheik kehrt zurück. Er hat die letzten Worte gehört.

 

SCHEIK dem Kadi in die Rede fallend.

Ihr sprecht von unserm Plan. Er wird gelingen.

Das ganze Lager steht in Jubelflammen.

Man wollte uns durch alle Gassen schleppen,

Doch habe ich mich glücklich losgerissen,

Um der verdienten Ruhe hier zu pflegen.

Ich bitte euch, mich drüben zu vertreten.

 

Sie wollen fort.

 

Doch halt!

 

Zum Imam.

 

Wann kommen unsre Schattenspieler?

IMAM.

Noch vor der Dunkelheit, so sagten sie.

SCHEIK zum Kadi.

Und wann der Scheik der Todeskarawane?

KADI.

Zur selben Zeit. Du hast vor ihm gewarnt.

Nun warne ich auch dich!

SCHEIK.

Warum auch mich?

KADI.

Er ist so still; er hat es innerlich.

Sein Auge ist mir unbequem, sein Auge.

Es liegt Etwas darin, wie eine Schuld,

Doch nicht etwa, die er begangen hat,

Nein, sondern der, der eben vor ihm steht.

SCHEIK.

Und der warst du! Was hast du denn begangen?

KADI.

Begangen? Ich? Ich kenne ihn ja nicht.

Es war zum erstenmal, daß ich ihn sah.

Auch du hast ihn gewiß noch nie gesehen,

Doch wette ich, du fühlst genau wie ich,

Sobald du mit ihm redest.

SCHEIK ironisch.

Maschallah!

 

Achter Auftritt

 

Die Vorigen. Babel und Schefaka kommen.

 

BABEL zum Scheik.

Ich sah, daß du entflohst, und folgte dir.

Da traf ich Schefaka – – –

SCHEIK.

Sie kommt mir recht.

 

Zu Schefaka.

 

Du hast die Phantasie gesehen?

SCHEFAKA.

Nein.

Nur ihre Schülerin war jetzt daheim.

IMAM neugierig herantretend.

Wie sah die aus?

KADI ebenso.

Jawohl, wie sah die aus?

SCHEFAKA.

So lieb und mild wie Gnade, ja, wie Gnade.

Im Freien muß sie stets verschleiert gehen.

Sie kommt mit ihrer Herrin dann hierher.

SCHEIK schnell.

Sie kommt also?

SCHEFAKA.

Sie kommt.

SCHEIK.

Und wann?

SCHEFAKA.

Vor Abend.

Sie hat mir auf mein Bitten zugesagt,

Daß sich die Phantasie bemühen werde,

Das Schattenspiel nach deinem Wunsch zu leiten.

SCHEIK.

Allah sei Dank!

IMAM.

Allah sei Dank!

KADI.

Allah sei Dank!

IMAM.

Der Streich gelingt!

SCHEIK.

Die Phantasie ist mein!

IMAM.

Ich kann befriedigt gehen!

KADI.

Ich kann befriedigt gehen!

 

Imam und Kadi ab.

 

 

Neunter Auftritt

Der Scheik. Babel. Schefaka.

 

SCHEIK ihnen nachschauend.

Da gehn sie hin, die Geister des Kuran!

Wie gern sie doch regieren, diese beiden!

So heimlich! Ohne daß man es bemerkt!

Man kann sie nur auf scharfer Trense reiten.

Im Uebrigen läßt man sie sich gefallen!

SCHEFAKA hat ein Kissen aus dem Zelte geholt, legt es auf den steinernen Thron. Zum Scheik.

Komm, setze dich, du Geist des Morgenlandes!

 

Während er es tut.

 

Ob du wohl weißt, wie gern auch du regierst!

Ganz öffentlich! Daß Jeder es bemerkt!

Man muß oft große Nachsicht mit dir haben.

Im Uebrigen gefällst du mir sehr gut!

 

Holt ihm einen Tschibuk, bringt Tabak, gibt Feuer, auch ihrem Vater, der seinen Platz wieder eingenommen hat und in den Büchern blättert.

 

SCHEIK sich behaglich dehnend.

Wie wohl ist mir!

 

Gibt ihr die Peitsche, die sie zur Seite legt.

 

Da, nimm die Peitsche hin!

Ich will mich pflegen. Fort mit dem Regieren,

Wär es auch nur um deinetwillen, Kind,

Damit ich dich einmal zufrieden stelle!

 

Zu Babel.

 

Was tun wir heut?

BABEL.

Wir kleiden unsre Seele.

SCHEFAKA faltet die Hände und senkt sie tief herab, drolliger Augenaufschlag.

»Was tun wir heut?« »Wir kleiden unsre Seele!«

Wie groß das klingt, wie überirdisch groß!

 

Erklärend.

 

Der Schöpfer hat ein dickes Buch geschrieben,

Das hochberühmte Buch vom »Menschen geiste«,

Zu dem der Scheik Modell gewesen ist.

Und nun das Buch gebunden vor uns liegt,

Sitzt er, der Schöpfer,

 

Auf ihren Vater deutend.

 

unten an der Erde

Und seine Kreatur, der »Menschengeist«,

 

Auf den Scheik deutend.

 

Dagegen auf dem allerhöchsten Platze!

SCHEIK komisch.

Das Schreckenskind!

BABEL wichtig.

O nein! Modell zur »Seele!«

SCHEFAKA fortfahrend.

Der Schöpfer schreibt an einem zweiten Werke,

Am Manuskripte von der Menschenseele,

Zu der nun ich Modell zu stehen habe.

Ich glaube, wenn er es vollendet hat,

Ist er ganz in die Erde weggeschwunden,

Doch aber ich, nur seine Kreatur,

Bin in den höchsten Himmel aufgestiegen.

BABEL mit Würde.

Das Hohe sinkt, sobald das Niedre steigt;

Das ist Gesetz und wird es ewig bleiben.

SCHEFAKA kindlich.

Wenn du zu fallen hast, sobald ich steige,

So bleib ich unten, denn ich liebe dich.

Wenn ich mich heut als »Seele« schmücken soll,

Geschieht es nur für dich und nicht für mich.

Denn dieser Schmuck, den du mir anbefiehlst,

Ist viel zu schwer und viel zu reich für mich.

SCHEIK.

Fast ebenso kam mir der meine vor,

Als ich als »Geist« vor meinem Spiegel stand,

Doch heute weiß ich, daß es richtig war.

 

Sich erinnernd, mit Stolz.

 

Dein Vater kleidete mich

 

Deutet nach dem Turme.

 

aus dem Schatz

In königliche Marakanda-Seide.

Im Gürtel von geweihter Schlangenhaut

Erglänzte mir die scharfe Suri-Klinge.

Im Haar trug ich den Reif von Eridu,

Und von der Schulter floß in schweren Falten

Der goldgewebte Mantel von Elissa.

 

Steht auf, mit königlicher Gebärde.

 

So saß ich als der erste »Menschengeist«

 

Auf seinen Thron deutend.

 

Hier auf dem ersten Thron der Weltgeschichte – – –

 

Tut einige gravitätische Schritte und fährt dabei fort.

 

Ging auch zuweilen stattlich hin und her

Und übte mich in wirkungsvollen Blicken – – –

SCHEFAKA munter.

Ich weiß, ich weiß. Das tut der Geist ja immer!

SCHEIK scherzend.

Die Seele aber nicht?

SCHEFAKA.

Es fällt ihr schwer.

SCHEIK.

Wenn ich ihr helfen dürfte?

SCHEFAKA.

Dann vielleicht!

SCHEIK.

So geh, und schmücke dich!

SCHEFAKA zu ihrem Vater.

Soll ich es tun?

BABEL auch scherzend.

Der Geist befiehlt!

SCHEFAKA.

So füge ich mich ihm!

 

Verschwindet in der Frauenabteilung des Zeltes.

 

 

Zehnter Auftritt

Scheik. Babel.

 

BABEL.

Sie steigt hinab.

SCHEIK.

Hinunter in den Turm?

BABEL.

Bis in den Drachensaal, sich anzukleiden.

SCHEIK aufhorchend.

Bis in den Drachensaal? Wo er noch steht,

Kital, Kital, das blutge Ungeheuer!

Wir Knaben stiegen oft zu ihm hinunter

Und starrten ihn mit stillem Grauen an.

Die Sage ging, daß er von Zeit zu Zeit

Sich aus dem Steine in das Fleisch verwandle

Und dann herauf ans Licht des Tages steige,

Um Tausende von Menschen zu verschlingen.

Wir wagten darum nicht, ihn anzurühren,

Weil wir befürchteten, er wache auf.

Doch später dann, wenn Bent'ullah und ich

Im Drachensaal die heilgen Bücher lasen,

Da gab es einen kleinen, kühnen Mann,

Der fürchtete sich vor dem Drachen nicht

Und kletterte ihm auf dem Leib herum,

Bis hoch hinauf zum aufgerissnen Maule,

An dessen Zähnen er das Zählen lernte – – –

 

Klagend.

 

Mein Kind – – –! Mein kleines Söhnchen – – –!

Bent'ullah – – –!

BABEL ihn aufmerksam machend.

Der Schwarze kommt!

 

Elfter Auftritt

 

Der Scheik. Babel.

Der Neger kommt mit einer Meldung.

 

SCHEIK zu dem Schwarzen.

Was hast du zu verkünden?

VORBETER.

Soeben wird aus Kartijat berichtet,

Man habe fremde Krieger dort gesehen.

BABEL freudig.

Das sind die Haïnin die wir erwarten!

SCHEIK zu dem Schwarzen.

Berichte das im Lager drüben! Schnell!

 

Vorbeter ab.

 

 

Zwölfter Auftritt

Der Scheik. Babel.

 

SCHEIK.

Schon also vier von den Verbündeten!

BABEL aufzählend.

Die Ger Amin – – –

SCHEIK.

Und die Munasikin – – –

BABEL.

Die Beni Har – – –

SCHEIK.

Und jetzt die Haïnin.

BABEL.

Nun noch die andern Vier!

SCHEIK.

Die kommen sicher!

BABEL mit einiger Besorgnis.

Wenn aber nicht?

SCHEIK.

So wäre es bedenklich,

Denn grad die jetzt noch fehlen, sind mir wert.

BABEL wieder aufzählend.

Die Hukama – – –

SCHEIK.

Sodann die Ukala – – –

BABEL.

Die Krieger der Schukuk – – –

SCHEIK.

Und der Schuttar.

Grad diese Vier sind treu und zuverläßlich.

Ich fürchte nicht, daß auch nur Einer fehlt.

Wir sind dann völlig lückenlos umzingelt,

Und keiner von den Gästen kann entkommen.

BABEL vorsichtig.

Und wenn es aber nicht gelingen sollte – – –?

SCHEIK.

So wird die Schuld auf unsre Freunde fallen

Und nicht auf uns. Wir sind ja mit umzingelt.

Du siehst, ich spiele Schach.

BABEL.

Sogar mit mir!

SCHEIK.

Verzeih, wenn ich dir nicht so Alles sage,

Wie ich es einem Andern sagen würde,

Der mir nicht heilig und nicht teuer ist!

Du bist kein An'allah, bist zart besaitet

Und hast – – –

BABEL ihn unterbrechend.

Doch Mut genug, mit euch zu kämpfen! – – –

Ich kam zu dir als armer, fremder Mann.

Du nahmst mich auf und wurdest mein Beschützer.

Du schenktest mir sogar

 

Auf das Zelt deutend.

 

dein eignes Zelt – – –

SCHEIK einfallend.

Als Bent'ullah von mir gegangen war,

Konnt ich es nicht ertragen, hier zu wohnen.

BABEL fährt fort.

Und was ich bin, bin ich durch deine Güte!

SCHEIK.

Durch deinen Fleiß und deine Ehrlichkeit!

BABEL.

Und nun mein Dank – – –?

SCHEIK.

Sei still; ich bitte dich!

BABEL steht von seinem Platze auf.

Wenn Schefaka zuweilen zu dir sagt,

Du seist mein Ideal, so hat sie Recht.

Die Wissenschaft vergöttert sich den Menschen,

Damit sie sagen kann, sie diene Gott.

Ich habe dich zu mir emporgezogen.

Ich leite dich noch über mich hinaus.

Dort oben aber suche selbst nach Halt,

Denn ich bin dort ein Fremder, wie einst hier,

Und kann nur bitten, mich dir nachzuziehen.

Verstehst du mich?

SCHEIK.

Ich hoffe es, mein Freund.

BABEL.

So laß mich immer zart besaitet sein,

Doch glaube mir, ich wage mehr für dich,

Als je ein Andrer für dich wagen könnte,

Denn, wenn ich mich in dir, dem Menschen täusche,

So habe ich mich auch im »Geist« getäuscht,

Muß mich auch ferner in der »Seele« täuschen,

Und alle, alle meine Wissenschaft

Bricht, mich zerschmetternd, über mir zusammen.

SCHEIK ist auch aufgestanden, sehr ernst.

Sei still, und sei getrost; ich täusche nicht!

Das schwöre ich – – – das schwöre ich – – –

 

Zögert, sucht in sich.

 

BABEL.

Bei wem?

SCHEIK.

Nicht bei Allah und nicht bei dem Kuran – – –

Ich schwöre es bei – – – Bent'ullah, der Toten – – –

BABEL.

Bei Bent'ullah, mein Freund, bei Bent'ullah?

Ist sie noch heut, noch heute dir so heilig,

Daß du bei ihr – – –

SCHEIK.

Das Heiligste auf Erden!

 

Wie in die Ferne schauend.

 

Sie war so rein, so schön, fast überirdisch,

Mit strahlendem Gesicht und wunderbaren,

Noch völlig unerforschten Sternenaugen.

Ich sah sie täglich aus dem Lager schreiten,

Des Morgens und des Abends, um zu beten.

Sie wandelte wie ein gekröntes Haupt.

Und wenn sie mit dem Herrn des Himmels sprach

Im ersten und im letzten Strahl der Sonne,

Da faltete von fern auch ich die Hände. – – –

O, Bent'ullah, wenn ich dich stehen sah,

Den klaren Blick ins goldne Licht getaucht,

Dann eilte ich zum Schatz der Tiefe nieder

Und holte Alles, was ich köstlich fand,

Um dich wie eine Herrscherin zu schmücken.

Ich sehe dich mit diesen meinen Augen

Noch heute deutlich im Geschmeide blitzen,

Das du in solchen heilgen Stunden trugst,

Nur mir zuliebe, nicht aus eitlem Sinne!

BABEL nimmt das Manuskript vom Tischchen.

Genau, wie ich die Seele hier beschreibe!

SCHEIK.

In deinem Manuskript?

BABEL.

Ja, hier.