Schefaka gibt ihm Tschibuk und Feuer.

 

SCHEIK.

Platz für sie!

 

Knallt mit der Peitsche hinter dem Volke her, froh über diese Beendigung der letzten, unangenehmen Szene.

 

 

Sechzehnter Auftritt

Die Vorigen.

Die Musik ist fast schon da. Da erscheint der alte Hakawati.

 

HAKAWATI.

Ich melde dir, o Scheik, die Phantasie!

SCHEIK.

Sie kommt zur rechten Zeit!

HAKAWATI.

Ich bringe sie!

 

Hakawati wieder ab.

 

 

Siebenzehnter Auftritt

Die Vorigen ohne Hakawati.

Der Scheik der Todeskarawane steht neben Schefaka, deren anfängliche Angst vor ihm schon im Verschwinden ist, weil er ihr Achtung abgenötigt hat. Die unerwarteten Eindrücke stürmen von allen Seiten auf ihn ein, und er muß seine ganze Selbstbeherrschung zusammennehmen, um wenigstens die äußere Ruhe zu bewahren. Bei dem Anblicke des alten Hakawati greift er sich aber doch an den Kopf, denn der hochbetagte Märchenerzähler ist eine der wichtigsten Gestalten seiner geheimnisvollen Erinnerung.

 

SCHEIK DER TODESKARAWANE zu Schefaka.

Das ist – – – das ist – – –

 

Als der Hakawati wieder verschwindet.

 

Das war – – – der Hakawati?

SCHEFAKA.

Der Hakawati, ja. Du kennst ihn schon?

SCHEIK DER TODESKARAWANE im Tone der Ungewißheit.

Jawohl – – – nein, nein – – – und doch, und doch!

SCHEFAKA.

Woher?

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Aus meiner Jugendzeit.

 

Sich besinnend.

 

Er hat erzählt

Von diesem alten Turm, der uns gehört,

Und von dem Geist, der drin verzaubert liegt.

SCHEFAKA.

Die Lieblingssage, die er täglich bringt – – –

SCHEIK DER TODESKARAWANE einfallend.

Ja, täglich, täglich – – – aber

 

Grübelnd.

 

wer war ich?

SCHEFAKA ahnungslos.

Er sagt es Jedem – – –

 

Sich unterbrechend und nach den Schattenspielern deutend.

 

doch, da sind sie schon!

 

Achtzehnter Auftritt

 

Die Vorigen.

Die Musik erklingt jetzt unmittelbar hinter der Szene. Der Zug marschiert nach ihrem Takte. Es ist, wie schon erwähnt, das »Umeha«. Der Imam schreitet voran. Er gesellt sich sofort zu den Anwesenden. Hinter ihm die Musikanten, dann die Schattenspieler, phantastisch aufgeputzt, mit einigen Eseln und, wo ein zoologischer Garten es ermöglicht, mit Kamelen. Sie kommen links hinten herein, legen ihre Requisiten ab und gehen rechts wieder hinaus, um (wie es scheint) da draußen zu lagern. Das »Umeha« erklingt draußen fort, aber leiser. Die Requisiten bestehen aus einigen Stangen und hellen Tüchern.

 

SCHEIK.

Wie ärmlich das! Ich dachte mir es anders!

 

Mit dem Fuße verächtlich an die Sachen stoßend.

 

Da liegt die ganze Kunst – – – hier an der Erde!

Wer richtet sie uns auf?

 

Neunzehnter Auftritt

 

Die Vorigen.

Dann der Hakawati und hierauf die Phantasie mit der Bibel.

Gegen den Schluß dieses Auftrittes beginnt die Dämmerung.

 

HAKAWATI erscheint nicht im Hintergrunde, sondern hinter der ersten Kulisse links, wo der Scheik von Bent'ullah gesprochen hat. Er meldet an.

Die Phantasie!

 

Bleibt stehen bis Phantasie und Bibel an ihm vorübergegangen sind.

 

PHANTASIE noch hinter der Szene, laut, in gebieterischem Tone.

Es naht die Kunst. Die Posse hat zu schweigen!

 

Auf diesen Befehl verstummt draußen sofort das »Umeha« der Schattenspieler. Die Phantasie tritt ein, da, wo der Hakawati steht, also auf dem einstigen Gebetswege der totgeglaubten Bent'ullah. Sie führt die tief verschleierte Bibel an der Hand. Sobald man Beide sieht, erklingen Harfen im Innern

des Turmes. Alle Anwesenden lauschen, im höchsten Grade erstaunt, nach dem Turme. Die Phantasie bleibt mit der Bibel stehen und fragt.

 

PHANTASIE.

Wer grüßt uns hier?

HAKAWATI die Hände feierlich erhebend.

Die Harfen der Psalmisten!

PHANTASIE nach rückwärts deutend, wo man sich den Fluß zu denken hat.

Die Saitenspiele, die ich dort am Ufer

Des Euphrat an den Weiden hängen sah,

Als Gottes Volk um Zions Tempel weinte.

Wie kommen sie hinab in diesen Turm?

HAKAWATI.

Sie sanken mit dem Geiste in die Tiefe

Und klingen nun zu dir, zu euch empor,

Weil sie es ahnen, daß die Hilfe naht.

PHANTASIE.

Die Hilfe naht?

 

Mit einer Neigung nach der Bibel.

 

So schreite sie denn weiter!

 

Die Phantasie bleibt, wo sie steht. Sie läßt die Hand der Bibel los. Diese geht vorwärts, direkt nach dem Alabaster, genau so, wie der Scheik es von Bent'ullah gesagt hat, in langsamen Schritten, zu

denen die Akkorde der Harfen den Takt angeben. Diese Akkorde werden immer lauter, je näher die Bibel ihrem Lieblingsplatze kommt. Sie halten einmal plötzlich an, als die verschleierte Gestalt, einen Augenblick zaudernd, vor ihm stehen bleibt. Als sie sich aber dann setzt, jubeln sie hoch auf und brechen dann ab.

Dieser von den Harfen begleitete Gang nach dem Alabaster darf keinesweges etwas Theatralisches oder gar Bombastisches an sich haben. Er bedeutet die Rückkehr der Bibel nach dem Morgenlande und ist zu gleicher Zeit die Heimkehr der erzieherischen Weiblichkeit zum »Menschen der Gewalt«, den sie zu veredeln hat. Das muß schlicht und bescheiden geschehen, ohne die geringste Spur von Effekthascherei.

Als die Bibel an dem Scheik der Todeskarawane vorübergeht, zuckt er in ihrer Atmosphäre zusammen und bleibt mit großen Augen an ihr hängen. Man sieht, daß er auch die Phantasie mit höchstem Interesse beobachtet. Sie kommt ihm bekannt vor.